Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen an volljährige Kinder als agB.
- Unterhaltsaufwendungen können i.d.R. nur dann als agB anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch angemessene Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben (sog. Opfergrenze).
- Wo im Einzelfall die steuerliche Opfergrenze liegt, hängt von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Stpfl. ab.
- Durch die Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrags wird die tatsächliche Leistungsfähigkeit eines Stpfl. nicht beeinträchtigt.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1, § 7g
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrages bei der Ermittlung der abzugsfähigen Unterhaltsaufwendungen zu berücksichtigen ist.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger haben drei Kinder, und zwar einen volljährigen Sohn (S), eine volljährige Tochter (T) sowie ein minderjähriges Kind. T, die ihr eigenes minderjähriges Kind betreut, wohnte im Streitjahr im Haushalt der Kläger. Sie ist vom Kindesvater geschieden, der zu Unterhaltszahlungen nicht in der Lage war und deshalb auch keinen Unterhalt an T leistete. S studierte außerhalb des Wohnortes der Kläger in M, wo er eine Mietwohnung innehatte. Die Wochenenden und die Semesterferien verbrachte er jedoch bei den Klägern in Z. Beide volljährigen Kinder waren im Streitjahr nicht erwerbstätig. Weder hatten sie für sich eigene Einkünfte und Bezüge, noch verfügten sie über ein eigenes unterhaltsrechtlich relevantes Vermögen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 (Streitjahr) gaben die Kläger u. a. Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von rd. ./. 260.000,00 € und einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von rd. 370.000,00 € an. (…) Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb brachte der Kläger einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von rd. 178.000 € in Ansatz; die gewerblichen Einkünfte ohne diesen Betrag belaufen sich demnach auf ./. rd. 82.000,00 €.
Die Kläger leisteten im Streitjahr an S und T Unterhaltszahlungen in Höhe von jeweils 8.400,00 € (= 12 Monate x 700,00 €). In Höhe von insgesamt 15.360,00 € (= 2 Kinder x 7.680,00 €) machten die Kläger in der Anlage Unterhalt diese Zahlungen als außergewöhnliche Belastung geltend.
Bei der Festsetzung der Einkommensteuer folgte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den Angaben der Kläger zu den im Streitjahr erzielten Einkünften. Die geltend gemachten Unterhaltszahlungen erkannte es dagegen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Im Erläuterungsteil führte das FA hierzu an, Unterhaltsaufwendungen seien nur zu berücksichtigen, soweit sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stünden und diesem nach Abzug der Unterhaltsaufwendungen für sich sowie seinen Ehegatten und seine Kinder genügend Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verblieben (sog. Opfergrenze). Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch begehrten die Kläger für beide Kinder die Anerkennung des Höchstbetrages von 7.680,00 € (§ 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Die Kläger machten geltend, die Opfergrenze belaufe sich im Streitjahr auf rd. 53.000,00 €. Dabei gingen sie, ohne den Investitionsabzugsbetrag in Ansatz zu bringen, von einem verfügbaren Nettoeinkommen in Höhe von rd. 133.000,00 € aus. Die Opfergrenze betrage unter Berücksichtigung ihres dritten, noch minderjährigen Kindes 40 v. H. (…)
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Entgegen der Berechnung der Kläger sei bei der Ermittlung des maßgeblichen Nettoeinkommens der Investitionsabzugsbetrag zu berücksichtigen. Das bedeute, dass im Streitfall von einem Nettoeinkommen in Höhe von rd. ./. 45.000,00 € (= 133.000,00 € ./. 178.000,00 €) auszugehen sei. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 7. Juni 2010 IV C 4 - S 2285/07/0006:001, 2010/0415733 (BStBl I 2010, 582), Tz. 10.
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage machen die Kläger geltend, nach den Grundsätzen, die der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 29. Mai 2008 III R 23/07 (BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363) für sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaften aufgestellt habe und die auch auf den Streitfall zu übertragen seien, werde die Abzugsfähigkeit der Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht durch die Opfergrenze eingeschränkt. Selbst wenn die Opfergrenze Anwendung finde, sei bei ihrer Berechnung der Investitionsabzugsbetrag nicht in Ansatz zu bringen mit der Folge, dass die Kläger im Streitjahr im unterhaltsrechtlichen Sinne leistungsfähig gewesen seien.
Hiergegen wendet das FA ein, der BFH habe mit U...