Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Rückzahlung bei Zahlung innerhalb von drei Monaten vor Insolvenzeröffnung aufgrund Drohung mit Stellung eines Insolvenzantrags durch den Gläubiger. Anspruch auf Rückzahlung bei vorsätzlicher Bevorzugung eines Gläubigers vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Kenntnis des Gläubigers
Normenkette
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 3, § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Dezember 2010 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn, 10 O 302/10 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.220,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2006 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO)
I.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 1. September 2006 (405 IN 2046/06) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Wohnungsbaugesellschaft M. AG (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt. Mit diesem Beschluss wurde auf (Eigen-)Antrag des alleinvertretungsberechtigten Vorstandes der Schuldnerin, des Zeugen L., vom 19. Juni 2006 zugleich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Gegenstand der Klage sind Rückzahlungsansprüche nach erfolgter Insolvenzanfechtung.
Geschäftszweck der Schuldnerin mit Sitz in N. war insbesondere die Verwaltung umfangreichen Immobilienbestandes sowie das Beteiligungsmanagement. Mit der K. Immobilien Beteiligungen e.K. als beherrschendem Unternehmen, dessen Inhaber der Zeuge T. war, bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, wonach der Organträger zum Verlustausgleich verpflichtet war. Ab dem Jahr 1999 begann die Schuldnerin auf dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt” Inhaberteilschuldverschreibungen (im Folgendem: IHS) in insgesamt 25 Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Zinssätzen zwischen 5,25 % und 7 % an Kleinkapitalanleger herauszugeben. Hierdurch erhielt die Schuldnerin bis 2006 546 Mio. EUR an Anlegergeldern. Die fällig werdenden Zinsen konnten von den Gläubigern nach Eintritt der Fälligkeit und gegen Vorlage entsprechender Zinscoupons eingelöst werden. Die Stückelung belief sich zuletzt auf Nennbeträge von 500 EUR bis 10.000 EUR. Teilweise wurden die ursprünglich gezeichneten Anleihen von den Gläubigern in andere Anleihen umgetauscht, im Ergebnis also verlängert. Neue Anlegergelder wurden zum Teil offen zur Rückzahlung älterer eingesetzt.
Nachdem die Schuldnerin bis zum 1. Dezember 2005 unstreitig ihren Zahlungsverpflichtungen aus den Anleihen nachgekommen war, kam es hinsichtlich der am 1. Dezember 2005 fälligen Anleihe (IHS 2) im Volumen von gut 30 Mio. EUR zumindest teilweise zu Rückständen. Dies führte zu Spekulationen in der Presse über Zahlungsschwierigkeiten der Schuldnerin ab Dezember 2005, so zum Beispiel in der U. Zeitung vom 13. Dezember 2005, der U. Zeitung vom 11. Januar 2006, der N. Volkszeitung vom 14. Dezember 2005, der I. Allgemeinen Zeitung vom 13. März 2006.
Anfang 2006 versandte die Schuldnerin daraufhin ein standardisiertes Rundschreiben an sämtliche Gläubiger, in welchem unter Bezugnahme auf technische Probleme bei der Auszahlung um Geduld gebeten wurde. Entsprechend wurden auch telefonische Nachfragen beantwortet. Gleichzeitig wurden an tausende Anleger Kaufanträge für neue Anleihen versandt. So wurde die Tranche Nr. 24 in einem Gesamtvolumen von rund 21,5 Mio. EUR für eine Laufzeit vom 10. Januar 2006 bis 5. Januar 2007 zu einem Zinssatz von 5,5 % aufgelegt sowie die – letzte – Tranche im Volumen von gut 7 Mio. EUR für eine Laufzeit vom 30. April 2006 bis 29. April 2011 zu einem Zinssatz von 7 %.
In Fällen, in denen der Schuldnerin hinsichtlich ausstehender Rückzahlungen mit Strafantrag, Insolvenzantrag oder Veröffentlichung in den Medien gedroht wurde, und/oder eine Rechtsanwaltskanzlei, wie diejenige der Beklagtenvertreter, mit der Durchsetzung der fälligen Zahlungsansprüche beauftragt wurde, erfolgten – jedenfalls teilweise – entsprechende Auszahlungen, nach dem unwidersprochenen Vortrag des Kläger...