Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnerzielungsabsicht beim Betrieb einer Reitanlage. Unbestimmtheit eines sich nicht auf die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht beziehenden Vorläufigkeitsvermerks
Leitsatz (redaktionell)
1. Betreibt die erfahrene und erfolgreiche Geschäftsführerin eines mittelständischen Industrieunternehmens ungeachtet ihres fehlenden Pferdewirtschaftswissens einen – im Alter von 58 Jahren als Altersvorsorge erworbenen – Betrieb einer Reitanlage ohne schlüssiges Unternehmenskonzept zur Erzielung eines Totalgewinns und werden die effektiv auszugleichenden Verluste aus dem Betrieb der defizitären Reitanlage durch die Lohnsteuererstattungen aufgrund der erheblichen nichtselbstständigen Einkünfte bei Weitem ausgeglichen, so dass das Festhalten an der wirtschaftlich nicht zu betreibenden Anlage lediglich vor diesem Hintergrund nachvollziehbar erscheint, ist von einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht auszugehen.
2. Enthalten die erklärungsgemäß gegenüber fortlaufend steuerlich beratenen Feststellungsbeteiligten ergehenden Feststellungsbescheide jahrelang den Vermerk „der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb” und damit ohne einen Hinweis auf noch ausstehende Feststellungen zur Gewinnerzielungsabsicht, können die Feststellungsbescheide nach erfolgter Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht nicht unter Berufung auf ihre Vorläufigkeit gem. § 171 Abs. 8 i. V. m. § 165 AO geändert werden. Der Vorläufigkeitsvermerk ist wegen fehlender Bezugnahme auf die Gewinnerzielungsicht unwirksam.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO § 165 Abs. 1 S. 3, § 171 Abs. 8, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AO 181 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Bescheide vom 22.05.2006 über die Aufhebung der gesonderten Verlustfeststellung 1995 bis 1999 und die Bescheide vom 22.05.2006 über die Aufhebung der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts 1997 bis 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2008 werden aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 4/10 dem Kläger und zu 6/10 dem Beklagten auferlegt.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Nach Klagerücknahme im Übrigen ist zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes 1997 bis 2005 und der gesonderten Gewinnfeststellung 1995 bis 2005 noch streitig, ob eine Reitanlage im V. mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde. Der Beklagte versagte mit den angefochtenen Bescheiden vom 22.05.2006 die gesonderte Feststellung von Verlusten aus der Reitanlage.
Der 1932 geborene Kläger ist unbeschränkter Vorerbe seiner 1939 geborenen und im Januar 2006 verstorbenen Ehefrau G.Z.. Alleinige Nacherbin ist die 1968 geborene gemeinsame Tochter C.. Seit 2007 ist C. Generalbevollmächtigte des Klägers. Der Kläger war gemeinsam mit G.Z. Geschäftsführer und Gesellschafter der Z. GmbH, einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen, das Verkehrsschilder herstellt und europaweit vertreibt.
Der Kläger und G.Z. kauften am 04.11.1994 für einen Kaufpreis von 500.000,– DM ein verpachtetes landwirtschaftliches Anwesen (sog. „H.-hof”) nebst weiterer Grundstücke (Weidefläche, Wald) mit einer Größe von insgesamt ca. 50 ha in G. (V.), ca. 50 km von ihrem Wohnort entfernt. Besitz, Nutzen und Lasten sollten gemäß § 5 des Kaufvertrages mit Zahlung des Kaufpreises auf die Käufer übergehen. Der Kaufpreis wurde am 30.12.1994 überwiesen, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 16.03.1995. Zu den Einzelheiten wird auf die Abschrift der Kaufvertragsurkunde Bl. 81 ff. sowie die Eintragungsmitteilungen Bl. 91 ff. der Betriebsprüferhandakte verwiesen. Der Pächter betrieb im H.-hof bereits seit 1992 als sogenannter Wiedereinrichter eine Reitanlage mit eigenen Pferden und Pensionspferden. Der Kläger und G.Z. setzten dieses Pachtverhältnis mit Landpachtvertrag vom 01. Januar 1995 (jährlich 5.700,– DM) und gesondertem Mietvertrag über das Stallgebäude mit Nebengebäuden (monatlich 3.000,– DM) sowie über „22 Boxen in der Gästestallung sowie Mitbenutzung der Reithalle und des Reitplatzes” (monatlich brutto 3.944,50 DM) fort. Das Pachtverhältnis sollte eine Dauer von 12 Jahren haben. Es endete durch außerordentliche Kündigung seitens Gertrud und Z. bereits im August 1996. Der Landpachtvertrag wurde sodann mit der Tochter des Klägers C. zu unveränderten Konditionen fortgesetzt. Beginnend im Jahre 1995 investierte die Ehefrau des Klägers in die Sanierung und den Ausbau der Anlage.
Die stets steuerliche beratene G.Z. meldete am 31.05.1995 beim Beklagten den gewerblichen Betrieb einer „Reitanlage – Reiterpension” beginnend im Januar 1995 mit 8 Arbeitnehmern ab Mai/Juni 1995 an und beantragte die Erteilung einer USt-ID-Nr. … für dieses Unternehmen. Bereits für Dezember 1994 reichte sie unter der Firma „Reitanlag...