Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ein behindertes Kind. Erfordernis des Eintritts nicht nur der Behinderung, sondern auch der Fähigkeit zum Selbstunterhalt vor Vollendung des 27. Lebensjahrs
Leitsatz (redaktionell)
Die Berücksichtigung eines behinderten Kindes über das 27. Lebensjahr hinaus ist nur möglich, wenn nicht nur die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist, sondern auch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt aufgrund der Behinderung. Ist ein Kind, bei dem der Grad der Behinderung auf 50 v.H. festgestellt wurde und dessen Behinderung bereits seit dem Kindesalter vorlag, zum Zeitpunkt der Vollendung des 27. Lebensjahres noch fähig, seinen Unterhalt selbst zu bestreiten, besteht kein Anspruch auf Kindergeld gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Kindergeld für ihren behinderten Sohn zu gewähren ist.
Der am 24. Oktober 1961 geborene Sohn K. des Klägerin leidet an einer frühkindlichen Gehirnschädigung mit einer daraus resultierenden leichtgradigen Behinderung sowie einer Alkoholabhängigkeit (ärztliches Zeugnis vom 25. März 2007 – Blatt 43 der Gerichtsakte). Mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 22. Februar 2006 wurde ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt. Seit dem 14. Dezember 1998 (?) bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Das Vormundschaftsgericht B hat einen Betreuer bestellt (Blatt 52 der Gerichtsakte). Laut dem Betreuungsgutachten vom 14. Mai 1998 ist der Sohn der Klägerin in seiner Kindheit von seinem Vater erheblich mißhandelt worden. Nach Abschluß der 8. Klasse machte er eine Lehre als Maurer. Später war er als Zerspaner bzw. Gießer berufstätig. Im Jahr 1978 erlitt er bei einem Unfall ein Schädelhirntrauma. Die anläßlich dieses Unfalls erstellte Diagnose ergab, daß der Zustand nach einer frühkindlichen Hirnschädigung vorlag. Bis zur Wende arbeitete der Sohn der Klägerin in einem B'er Betrieb; danach wurde er durch Umstrukturierungsmaßnahmen arbeitslos (Blatt 36 der Gerichtsakte).
Den am 22. Mai 2006 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 29. März 2007 ab (Blatt 13 der Kindergeldakte). Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2008 – Blatt 80 der Kindergeldakte).
Die Klägerin macht geltend, ihr Sohn sei behindert. Es handele sich um eine angeborene bzw. frühkindlich erworbene Störung. Es liege eine daraus resultierende leichtgradige geistige Behinderung sowie sekundär, wechselnd starker Alkoholabusus vor. K arbeite in einer Werkstatt für Behinderte der Diakonischen Werke O und beziehe daneben eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Seit 1998 stehe K unter Betreuung. Aus den beigelegten medizinischen Unterlagen werde deutlich, daß K wegen seiner geistigen Behinderung sowie psychischen Beeinträchtigungen außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Die Behinderungen seien nach den ärztlichen Unterlagen nachweislich vor dem 27. Lebensjahr eingetreten. Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 15. Februar 2008 und die hierzu eingereichten Anlagen verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Bescheides vom 29. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2008 Kindergeld für ihren Sohn K zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Zur Klärung der Frage, ob die Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ursächlich sei, sei auf den Zeitpunkt der Vollendung des 27. Lebensjahres – also dem 24. Oktober 1988 – abzustellen. Ausweislich des Betreuungsgutachtens habe das Kind bis zur Wende – also über das 27. Lebensjahr hinaus – in einem B er Betrieb gearbeitet. Nachweise, daß das Kind im Zeitpunkt der Vollendung des 27. Lebensjahres unfähig gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, seien weder vorgelegt noch angeboten worden.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Sie haben sich mit der Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt (Blatt 67 und 72 der Gerichtsakte). Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Kindergeldakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt kann grundsät...