Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfassung von Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO als Einkünfte aus Kapitalvermögen
Leitsatz (redaktionell)
Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO sind gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 steuerbar und steuerpflichtig, auch soweit sie auf Steuern entfallen, die nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind.
Normenkette
AO § 233a; EStG (JStG 2010) § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3; EStG § 12 Nr. 3, § 52a Abs. 8 S. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens darüber, ob die Erfassung von Erstattungszinsen nach § 233a Abgabenordnung (AO) im Jahr 2009 in Höhe von 50.000,00 EUR als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010 rechtmäßig ist.
Die Antragstellerin erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Renteneinkünfte. Daneben setzte das Finanzamt im Bescheid für 2009 über Einkommensteuer (ESt) und Solidaritätszuschlag Kapitalerträge im Sinne des § 32 d Abs. 1 EStG nach Abzug des Sparerpauschbetrages in Höhe von ... EUR fest. Darin enthalten waren Erstattungszinsen in Höhe von insgesamt 50.000,00 EUR.
Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nach Ablehnung des Antrags auf AdV durch das Finanzamt mit Bescheid vom 3. Februar 2011 hat die Antragstellerin am 15. Februar 2011 einen Antrag auf AdV des ESt-Bescheides 2009 vom 21. Januar 2011 beim Gericht gestellt. Das Finanzgericht Münster habe die aufgrund der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) neu gefasste Gesetzesänderung rückwirkend in einem Rechtsstreit angewandt und wegen verbleibender Zweifel die Revision zugelassen. In seinem Urteil vom 15. Juni 2010 (VIII R 33/07) habe der BFH festgestellt, dass Erstattungszinsen gemäß § 233a AO, die auf in § 12 Nr. 3 EStG genannte Steuern entfallen, dem steuerbaren Bereich entzogen seien. Diese grundlegende Wertung des deutschen Steuerrechts würde durch die nunmehr erfolgte Ergänzung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG durch das Jahressteuergesetz 2010 nicht durchbrochen. Die Erfassung der Erstattungszinsen durch die rückwirkend geltende Norm würde die Antragstellerin in dem verfassungsrechtlich normierten Verbot der Rückwirkung von Gesetzen verletzen. Die im Verfahren VIII R 33/07 niedergelegte Auffassung des BFH stelle die Auslegung des bisherigen Rechts dar, so dass für eine rückwirkende Klarstellung durch den Gesetzgeber kein Raum sei. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 sei somit verfassungswidrig und nichtig. Der Tatbestand bilde keine Rechtsgrundlage für die Besteuerung der der Antragstellerin zugeflossenen Erstattungszinsen.
Zusätzlich sei durch die Antragstellerin beantragt worden, die Nachzahlungszinsen hilfsweise bei den Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen, weil der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG dem Grunde nach verfassungskonform die Besteuerung der Erstattungszinsen gemäß § 233a AO regele. Daher stelle die steuerliche Nichtberücksichtigung von Nachzahlungszinsen im Sinne des § 233 a AO eine Ungleichbehandlung dar, die wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unzulässig sei. Auch dieser Antrag sei mit Schreiben vom 22. März 2011 durch das Finanzamt abgelehnt worden.
Die Antragstellerin beantragt
die AdV des ESt-Bescheides vom 21. Januar 2011.
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei abzulehnen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht bestünden. Die Antragstellerin berufe sich zur Begründung ihres Antrags auf die unter dem Aktenzeichen VIII R 1/11 beim BFH anhängige Revision. Das anhängige Revisionsverfahren sei als solches kein Grund für die AdV des angefochtenen Verwaltungsaktes. Der BFH habe mit seinem Urteil vom 15. Juni 2010 (VIII R 33/07) seine Rechtsprechung zur Steuerbarkeit von Erstattungszinsen zwar geändert, doch sei zwischenzeitlich mit dem Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010 eine rückwirkende gesetzliche Klarstellung erfolgt, wonach Erstattungszinsen zu den Einkünften aus sonstigen Kapitalforderungen gehörten. Bei Ergehen des genannten BFH-Urteils existierte die gesetzliche Klarstellung noch nicht. In § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. sei nun gesetzlich normiert, dass Erstattungszinsen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen seien. Gemäß § 52 a Abs. 8 Satz 2 EStG n.F. sei § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt sei. Mit dieser Anwendungsregelung sei das Vertrauen der Steuerpflichtigen in bestehende Regelungen nicht verletzt, da bis zur BFH-Entscheidung vom 15. Juni 2010 die Steuerbarkeit von Erstattungszinsen nicht strittig gewesen sei.
Zum weiteren Vortrag wird auf die vorb...