Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Nichtberücksichtigung sog. Steueroasen bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages 2003 verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
Die durch das StVerAbG vom 16. Mai 2003 eingeführte Regelung der §§ 28 Abs. 2 Nr. 4, 36 GewStG, nach der ab dem Erhebungszeitraum 2003 Gemeinden mit einem Hebesatz von unter 200 bei der Gewerbesteuerzerlegung nicht mehr berücksichtigt werden, verstoßt nicht gegen das Rückwirkungsverbot.
Normenkette
GewStG § 28 Abs. 2 Nr. 4, § 36
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) darum, ob ernstliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über die Zerlegung des Gewerbesteuer(GewSt)-Messbetrages für Zwecke der Vorauszahlungen bestehen, weil nach Auffassung der Antragstellerin keine der Änderungsvorschriften der Abgabenordnung (AO) eingreift und außerdem die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Nr. 4 Gewerbesteuergesetz (GewStG) - in der im Streitjahr gültigen Fassung - verfassungswidrig ist.
Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist ..... Der Sitz des Unternehmens (der Geschäftsleitung) ist in A, eine weitere Betriebsstätte befindet sich in Norderfriedrichskoog.
In der Gemeinde Norderfriedrichskoog werden keine GewSt erhoben, weil die Gemeinde aufgrund ihrer günstigen Finanzlage keine GewSt-Hebesätze festgesetzt hat.
Am 11. September 2003 erließ der Antragsgegner einen Bescheid über die Zerlegung des GewSt-Messbetrages für 2003 für Zwecke der Vorauszahlungen. In diesem Bescheid wurde auf Grundlage einer Summe der Arbeitslöhne von ... EUR der GewSt-Messbetrag von ... EUR auf die beiden Betriebsstätten aufgeteilt. Auf die Gemeinde A entfiel bei Arbeitslöhnen von ... EUR ein Zerlegungsanteil von ... EUR (Zusatz entspricht 5 %), auf die Gemeinde Norderfriedrichskoog entfiel bei Arbeitslöhnen von ... EUR ein Zerlegungsanteil von ... EUR (entspricht 95 %). Dieser Bescheid wurde weder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach §164 AO noch vorläufig gemäß § 165 AO erlassen.
Am 1. Oktober 2003 erließ der Antragsgegner einen neuen, geänderten Bescheid über die Zerlegung des GewSt-Messbetrages für 2003 für Zwecke der Vorauszahlungen. In diesem Bescheid wurde der GewSt-Messbetrag neu aufgeteilt. Auf die Gemeinde A entfiel nunmehr ein Zerlegungsanteil von 100 %, also ... EUR, auf die Gemeinde Norderfriedrichskoog entfielen nunmehr 0 %, somit 0 EUR. Zur Begründung der Änderung wurde in der Anlage zum Bescheid angeführt, die Änderung sei erfolgt, weil im Bescheid vom 11. September 2003 die aktuelle Gesetzeslage nicht berücksichtigt worden sei. Diesem Hinweis liegt die Änderung des § 28 Abs. 2 GewStG durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16.Mai 2003 zu Grunde. Der Vorschrift wurde ein neuer Absatz2 Nr. 4 hinzugefügt, welcher besagt, dass bei der Zerlegung Gemeinden nicht zu berücksichtigen sind, in denen der Hebesatz 200 v.H. unterschreitet.
Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2003 fristgerecht Einspruch ein; des weiteren beantragte sie die AdV, soweit der Gemeinde A ein über ....EUR hinausgehender Zerlegungsanteil zugewiesen wurde.
Der Antragsgegner hat über den Einspruch noch nicht entschieden. Der Antrag auf AdV wurde mit Bescheid vom 10. November 2003 abgelehnt.
Nach zwischenzeitlicher Zahlung der von der Gemeinde A festgesetzten GewSt-Vorauszahlung für 2003 in Höhe von .... EUR sucht die Antragstellerin gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) bei Gericht um die Aufhebung der Vollziehung nach.
Zur Begründung trägt sie, ähnlich wie teilweise bereits schon im Verwaltungsverfahren, vor:
1. Für den Erlass des geänderten Bescheides vom 1. Oktober 2003 bestehe keine verfahrensrechtliche Grundlage, weil keine der in der AO bestehenden Änderungsvorschriften eingreife. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 Satz 2 AO nicht vor. Nach dieser Vorschrift stelle zwar die Festsetzung einer Vorauszahlung stets eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung dar und könne auch ohne ausdrücklichen Vorbehaltsvermerk geändert werden. Der Bescheid über die Zerlegung des GewSt-Messbetrages für Zwecke der Vorauszahlung sei indessen kein Bescheid im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 2 AO. Denn in diesem Bescheid würden keine Vorauszahlungen festgesetzt. Vielmehr werde lediglich die Zerlegung des Messbetrages auf die Betriebsstätten für Zwecke der Festsetzung von Vorauszahlungen durch die Gemeinde festgesetzt. Der Bescheid selbst könne und dürfe aber keine Vorauszahlungen festsetzen. Er bilde lediglich die Grundlage für die Festsetzung von Vorauszahlungen durch die Gemeinde, setze also gerade nicht Selbstvorauszahlungen fest.
Die von dem Antragsgegner vorgenommene Änderung widerspreche auch dem Sinn und Zweck des § 164 Abs. 1 Satz 2 AO. Steuervorauszahlungen hätten per se vorläufigen Charakter, weil eine endgültige Feststellung der Besteuerungsgrundlagen noch ausstehe. Sofern es sich um Grundlagen vorläufiger Art ...