Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 57
Zur Wahrung der Fristen ist insbesondere die Führung eines Fristenkontrollbuchs oder einer vergleichbaren Einrichtung erforderlich. Ein Fristenkalender anstelle eines Fristenkontrollbuchs soll nach m. E. überspitzter Auffassung nicht ausreichen. Auch das bloße Notieren eines Wiedervorlagetermins in der Handakte ohne Vermerk des Termins in einem Fristenkontrollbuch soll keine ausreichende Fristenkontrolle sein. Bereits das Fehlen einer solchen Einrichtung oder ihrer täglichen Überwachung ist ein Organisationsmangel, der die Fristversäumung schuldhaft sein lässt. In dieses Buch ist der Ablauf der gesetzlichen Rechtsbehelfsfrist jeder einzelnen Sache einzutragen. In dem geführten Fristenkontrollbuch müssen besondere Spalten für die Überwachung von Revisionsbegründungsfristen eingerichtet sein. Für die Kontrolle von Fristen bei Fristverlängerungsanträgen sollen im Übrigen grundsätzlich entsprechende Voraussetzungen wie für die unmittelbare Fristenkontrolle gelten. Die Führung des Fristenkontrollbuchs oder vergleichbarer Einrichtungen muss so organisiert sein, dass eine notierte Frist frühestens nach Unterzeichnung und Postfertigmachen des fristwahrenden Schriftstücks gelöscht wird. Beruht die Fristversäumung auf einem falschen Eintrag im Fristenkontrollbuch, so ist wiederum maßgebend, ob dieses auf einem Organisationsmangel beruht. So muss bei täglicher Abholung der dort eingelegten Postsendungen aus einem Postfach auch für den Sonderfall der Einschreibsendung mit Einlegen nur des Auslieferungsscheins die Fixierung des Auslieferungstags im Fristenbuch organisatorisch sichergestellt sein. Das Fristenkontrollbuch muss täglich überprüft werden. Der Vertreter muss durch geeignete Anweisungen sicherstellen, dass die Fristberechnung, ihre Notierung auf der Handakte, die Eintragung im Fristenkalender usw. zum frühest möglichen Zeitpunkt vorgenommen werden und Fristen im Fristenkontrollbuch erst auf der Grundlage einer Eintragung im Postausgangsbuch gelöscht werden dürfen. Die Eintragungen zur Ausgangskontrolle müssen so genau sein, dass eindeutig erkennbar ist, für wen und wann welcher Vorgang das Büro verlassen hat. Trifft der Vertreter über die Führung eines ordnungsmäßigen Fristenkontrollbuchs hinaus weitere organisatorische Sicherungen wie z. B. eine doppelte Fristenkontrolle, so führt dies nicht zu einer Verschärfung der Sorgfaltspflichten. Bei Fristversäumung infolge einer nicht ausgeführten, auf Tonträgern diktierten Büroanweisung kann ein Büroversehen und kein Organisationsmangel gegeben sein.
Rz. 58
Der Einsatz eines Personalcomputers oder ähnlicher elektronischer Medien bei der Fristenkontrolle begegnet keinen grundsätzlichen Bedenken. Es muss nur gewährleistet sein, dass sich die derart aufgezeichneten Daten "ebenso schlüssig und zwingend nachvollziehen lassen" wie die erforderlichen Angaben in einem herkömmlichen Fristenkontroll- und Postausgangsbuch. Dazu gehört auch die Sicherung durch ein besonderes Programm gegen spätere Veränderungen und Korrekturen.
Rz. 59
Mit der Aktenvorlage zur Bearbeitung und Vorbereitung der fristgebundenen Handlung geht die Pflicht zur eigenverantwortlichen Fristenüberwachung vom Gehilfen auf den Berater über. Dieser kann sich davon nicht durch Anweisung an das Büropersonal befreien, die Fristwahrung weiter zu kontrollieren und ihn gegebenenfalls zu erinnern. Außerdem ist eine wirksame Ausgangskontrolle erforderlich, die gewährleistet, dass fristwahrende Schriftstücke nicht über den Fristablauf hinaus im Büro liegen bleiben. S. dazu Rz 61.
Rz. 60
Für eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle reicht ein Anordnen, Eintragen und Überwachen einer Wiedervorlagefrist nicht aus. Dasselbe gilt für ähnliche Maßnahmen wie die Anlage von Fristmappen, in denen Fristsachen abgelegt werden. Eine Fristmappe ist auch dann nicht ausreichend, wenn gleichzeitig ein Terminkalender geführt wird und der Wiedervorlagetag aufgrund des jeweils mit Bleistift auf der Mappe vermerkten (und später wieder wegradierten) Tags in den Terminkalender übertragen wird. Auch bei der Erteilung von Einzelweisungen des Vertreters gegenüber den Gehilfen ist eine ausreichende Ausgangskontrolle erforderlich. Dies gilt auch für die Übermittlung per Telefax, die durch Prüfung des Sendeberichts oder fernmündliche Befragung des Adressaten geschehen könnte.
Für die Fristenkontrolle erforderlich ist es auch, dass der Berater bei der Zustellung von Einspruchs- und ähnlichen Rechtsbehelfsentscheidungen den Zustellungstag auch auf dem Schriftstück oder sonst in der Handakte vermerkt, und zwar im Fall von Empfangsbekenntnissen bei deren Unterzeichnung. Erhält ein steuerlicher Berater von seinem Mandanten lediglich die mit einem Rechtsbehelf anzufechtende Entscheidung, nicht dagegen den Briefumschlag mit dem Freistempel bzw. dem Zustelldatum, so muss er wegen der Unsicherheit hinsichtlich des Beginns und Ablaufs der Rechtsbehelfsfrist sicherheitshalber sol...