Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 190
§ 171 Abs. 10a wurde durch Gesetz v. 18.7.2016 eingefügt. Die Vorschrift gilt nach Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO erstmals, wenn steuerliche Daten eines Stpfl. für Besteuerungszeiträume nach 2016 oder Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2016 nach § 93c AO von einem Dritten elektronisch an die Finanzbehörde zu übermitteln sind.
Rz. 190a
Abs. 10a enthält eine besondere Ablaufhemmung für den Fall, dass der Finanzbehörde Daten eines Stpfl. nach § 93c AO zugehen. § 93c AO enthält Regelungen für den Fall, dass ein Dritter als mitteilungspflichtige Stelle Daten eines Stpfl. der Finanzbehörde elektronisch zu übermitteln hat. Sind die nach § 93c AO übermittelten Daten nicht oder nicht zutreffend in der Steuerfestsetzung berücksichtigt worden, enthält § 175b AO eine Regelung zur Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung. Nach § 93c Abs. 1 Nr. 4 AO hat die mitteilungspflichtige Stelle die Daten bis zum Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitpunkt oder Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres aufzubewahren. Nach § 93c Abs. 3 AO hat die mitteilungspflichtige Stelle die Mitteilung der Daten zu korrigieren, wenn die übermittelten Daten unzutreffend waren oder ein Datensatz übermittelt wurde, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorlagen. Diese Verpflichtung trifft die mitteilungspflichtige Stelle im Rahmen ihrer Aufbewahrungspflicht, d. h. bis zum Ablauf des siebten auf den Besteuerungszeitraum oder den Besteuerungszeitpunkt folgenden Kalenderjahres. Die Frist von Jahren orientiert sich an der regelmäßigen Festsetzungsfrist von 4 Jahren nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO und der Anlaufhemmung von 3 Jahren nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO. Hieran knüpft die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10a AO an. Soweit der Finanzbehörde Daten i. S. d. § 93c AO innerhalb der Frist von 7 Jahren nach Ablauf des Besteuerungszeitraums oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zugegangen sind, tritt eine Ablaufhemmung von 2 Jahren ein. Ohne Bedeutung ist es dabei, ob die Daten erstmals übermittelt werden oder ob es sich um die Korrektur der vorher übermittelten Daten handelt. Die Vorschrift greift ein, wenn die mitteilungspflichtige Stelle die Daten selbst korrigiert, oder wenn die Außenprüfung nach § 203a AO zu einer Änderung der Daten geführt hat. Maßgebend ist nur, dass der Finanzbehörde innerhalb von 7 Jahren Daten übermittelt werden. Die Ablaufhemmung beginnt mit dem Zugang dieser Daten. Die Finanzbehörde hat daher ab dem Zugang der Daten 2 Jahre Zeit, die Daten in der Steuerfestsetzung nach § 175b AO zu verwerten.
Rz. 190b
Die Ablaufhemmung ist nur punktuell gehemmt. Sie betrifft die Steuern nur insoweit, als sich die zu übertragenden Daten als Besteuerungsgrundlagen auf die Steuer auswirken. Im Übrigen tritt Teilverjährung ein.
Rz. 190c
Auffällig an der Regelung ist, dass sie eine Ablaufhemmung enthält, die u. U. weit über die sonstigen Tatbestände der Ablaufhemmung hinausgeht. Sie führt zur Durchbrechung der Festsetzungsfrist auch dann, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, öffnet also eine bereits abgelaufene Steuerfestsetzung wieder. Wenn die Übermittlung der geänderten Daten am Ende der 7-jährigen Frist erfolgt, tritt die Festsetzungsfrist für maximal 9 Jahre nach Ablauf des Besteuerungszeitraums oder des Besteuerungszeitpunktes nicht ein. Im Rahmen der mit dem Gesetz v. 18.7.2016 beabsichtigten Vereinfachung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens durch die elektronische Datenverarbeitung erscheint diese ausgedehnte Möglichkeit, die Festsetzungsfrist zu durchbrechen, überdimensioniert. Der Tatbestand knüpft an die Datenübermittlung durch Dritte an, d. h. durch Personen, die kein eigenes Interesse an einer Steuerverkürzung durch den Stpfl. haben. Die Datenübermittlung wird daher i. d. R. korrekt sein oder nur üblicherweise vorkommende Fehler enthalten. Um diese Fehler zu korrigieren ist eine Frist von bis zu 9 Jahren unnötig und übermäßig.