Rz. 45

§ 183a Abs. 2 S. 2 AO enthält den Grundsatz der "Beständigkeit" der rechtsgeschäftlich nach § 183a Abs. 1 S. 1 AO erteilten Empfangsvollmacht. Diese Beständigkeit der Vollmacht beruht auf dem Gedanken, dass der Feststellungsbeteiligte sich den Bevollmächtigten selbst aussucht, also zu ihm ein Vertrauensverhältnis besteht. Das lässt es gerechtfertigt erscheinen, den Feststellungsbeteiligten an dieser Vollmachterteilung festzuhalten. Der Grundsatz der Beständigkeit der Empfangsvollmacht gilt nur für den rechtsgeschäftlich bestellten Empfangsbevollmächtigten nach § 183a Abs. 1 S. 1 AO, nicht für den fiktiv Bevollmächtigten nach § 183a Abs. 1 S. 2 AO.

 

Rz. 46

Die rechtsgeschäftlich erteilte gemeinsame Empfangsvollmacht gilt nach Abs. 2 S. 2 nur in den Fällen des § 183a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO als beständig, also wenn ein Feststellungsbeteiligter aus der Personenvereinigung ausgeschieden ist oder ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Dies ergibt sich aus dem klaren und unzweideutigen Wortlaut des Gesetzes.[1] Wenn ein Feststellungsbeteiligter ausgeschieden ist oder das Vertrauensverhältnis zwischen den Feststellungsbeteiligten gestört ist, muss damit nicht auch das Vertrauensverhältnis zu dem gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten gestört sein. Will ein Feststellungsbeteiligter die Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten ausschließen, muss er die Empfangsvollmacht rechtzeitig widerrufen oder der Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten widersprechen.[2] Dies muss gegenüber der für die Bekanntgabe zuständigen Finanzbehörde geschehen. Der Widerruf bzw. Widerspruch kann schriftlich oder mündlich, durch ausdrückliches oder konkludentes Handeln erfolgen, notwendig ist aber immer, dass gegenüber der Finanzbehörde hinreichend bestimmt und für diese erkennbar zum Ausdruck gebracht wird, dass die Empfangsvollmacht nicht mehr gelten soll.[3] Die Mitteilung, dass ein Feststellungsbeteiligter aus der Personenvereinigung ausgeschieden ist, reicht m. E. für einen Widerruf der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht nicht aus, da damit nicht notwendig eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem Empfangsbevollmächtigten verbunden ist.[4]

In den Fällen, in denen die Vollmacht widerrufen worden ist, kann auch der Empfangsbevollmächtigte der Bekanntgabe widersprechen. Der Widerspruch wirkt als Beendigung der Vollmacht, die der Finanzbehörde nach § 80 Abs. 1 S. 3 AO bekannt gegeben werden muss.

 

Rz. 47

Wird die Empfangsvollmacht widerrufen oder widerspricht ein Feststellungsbeteiligter der Bekanntgabe, wird dieser Widerruf der Finanzbehörde gegenüber erst wirksam, wenn er dieser zugeht. Dies entspricht der Regelung des § 80 Abs. 1 S. 3 AO.[5] § 183a Abs. 2 S. 3 AO ist daher überflüssig.

Zur Kenntniserlangung der Finanzbehörde gelten die Ausführungen in Rz. 35 entsprechend.

[2] Schneider, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 80 AO Rz. 40.
[4] Im Ergebnis wie hier BFH v. 7.2.1995, IX R 3/93, BStBl II 1995, 357, BFH/NV 1995, 41 zu § 6 der VO zu § 180 Abs. 2 AO; AEAO zu § 122 AO Tz. 2.5.5. S. 4 i. V. m. S. 1 Buchst. a; von BFH v. 20.9.2022, VIII B 65/21, BFH/NV 2022, 1281, Rz. 10, 11 als mögliche Auslegung bezeichnet; a.  A. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 183 AO Rz. 26; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 183 AO Rz. 177; a.  A. wohl auch in einem obiter dictum BFH v. 14.12.1978, IV R 221/78, BStBl II 1979, 503.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Kanzlei-Edition enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge