Rz. 1
Abs. 1 definiert den Begriff der Steuer in enger Anlehnung an § 1 Abs. 1 RAO, ohne die Zölle zu nennen. Abs. 2 nennt die beiden Realsteuern. Nach dem durch das SteuerändG 2001 v. 20.12.2001 eingefügten Abs. 3 wurden die Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 und 11 des ZKes (ZK) zu Steuern i. S. d. AO. Aufgrund der Änderung des Abs. 3 durch das ZKAnpG bezieht sich diese Regelung nunmehr auf Art. 5 Nr. 20 und 21 des ZK der Union (UZK); diese Änderung ist am 1.5.2016 in Kraft getreten. Bereits vor den Änderungen durch das SteuerändG 2001 waren die Zölle und Abschöpfungen in Abs. 1 S. 1 als Steuern genannt worden. Abs. 4 zählt als "steuerliche Nebenleistungen" die darunter fallenden Geldleistungen auf. Abs. 5 regelt die Aufkommensberechtigung für die Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK. Mit Abs. 5 wurde ein Streit zwischen Bund und Ländern entschieden, der sich an unterschiedlichen Auslegungen des Inhalts und Charakters der einzelnen steuerlichen Nebenleistungen entzündet hatte.
Rz. 2
Die Steuern sind die wichtigsten Einnahmeposten der öffentlichen Haushalte und damit auch ein wichtiger Begriff der Finanzwissenschaft. Diese hat zahlreiche, von § 3 Abs. 1 AO in wesentlichen Punkten abweichende Definitionen für die Steuer hervorgebracht. Abgestellt wird dabei regelmäßig auf Leistungen, die dem Grund und der Höhe nach einseitig hoheitlich auferlegt werden und der Befriedigung der Bedürfnisse der öffentlichen Hand und zur Erfüllung der Staatsleistungen dienen. Wie im Steuerrecht werden auch in der Finanzwissenschaft meist nur Geldleistungen als Steuern verstanden. Die Steuern und anderen öffentlichen Abgaben sind öffentliche Lasten, die als Geldleistungen zu erbringen sind. Zu den Steuern gehören nicht die steuerlichen Nebenleistungen, so dass § 1 Abs. 3 S. 1 AO die sinngemäße Anwendung der AO auf sie anordnen musste. Zu den anderen öffentlichen Abgaben vgl. Rz. 24ff., 31.
Rz. 3
Bei der Bestimmung des Steuerbegriffs durch § 3 AO hat sich der Gesetzgeber bemüht, außer den redaktionellen Abweichungen auch sachlich erscheinende Änderungen zur Anpassung der Begriffsbestimmung an die Entwicklung der Verfassungsrechtsprechung vorzunehmen. Art. 105ff. GG gehen nämlich von der früheren Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 1 RAO aus. Diese musste deshalb von der AO übernommen werden, und zwar unabhängig von der Lösung der Frage, ob § 1 Abs. 1 RAO Verfassungsrang zukommt oder der Verfassungsgeber lediglich von dem herkömmlichen, in § 1 Abs. 1 RAO festgehaltenen Steuerbegriff ausgegangen ist und dieser nur eine Auslegungshilfe darstellt. Der in Abs. 2 definierte Begriff "Realsteuern" wurde zunächst auch in Art. 106 Abs. 6 GG a. F. verwendet. Für das Verfassungsrecht ist dieser Begriff aufgrund der Neufassung des Art. 106 Abs. 6 GG durch die Begriffe "GrSt und GewSt" ersetzt worden. Damit sollten Zweifel am Realsteuercharakter der GewSt nach Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer beseitigt werden. Die Frage nach einer Einführungsmöglichkeit weiterer Realsteuern ohne eine Verfassungsänderung kann sich aufgrund der Neufassung des Art. 106 Abs. 6 GG nicht mehr stellen.
Rz. 4
Vom Steuerbegriff des § 3 Abs. 1 AO ist grundsätzlich der in Art. 105ff. GG verwendete, jedoch dort nicht definierte verfassungsrechtliche Steuerbegriff (dazu Rz. 35ff.) zu unterscheiden. Zwar knüpft der verfassungsrechtliche Steuerbegriff an den in der AO verwendeten Steuerbegriff an. Jedoch kann § 3 Abs. 1 AO als Bestimmung des einfachen Rechts nicht die Verfassungsauslegung binden. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff muss daher nicht mit der Regelung des § 3 Abs. 1 AO deckungsgleich sein und erfordert eine Auslegung nach spezifisch verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Insbesondere verliert eine als Steuer konzipierte Abgabe nicht dadurch ihren Steuercharakter i. S. d. § 3 Abs. 1 AO, dass dieser eine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Rechtsgrundlage fehlt.