Rz. 12
Die Haftung erstreckt sich auf diejenigen Steuerarten, für die die jeweiligen Organschaftsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Haftung für die Steuern, für die die Organgesellschaft im konkreten Fall von Bedeutung ist, geht weiter als die Haftung nach der Vorgängervorschrift § 114 RAO, die eine Beschränkung auf Steuern vorsah, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet. Eine Haftung kommt jetzt also für USt, GewSt, KSt und ESt in Betracht. Die Haftung für ESt kann in den Fällen eintreten, in denen eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft Organträger ist, sodass die Zurechnung des Einkommens der an sich körperschaftsteuerpflichtigen Organgesellschaft unmittelbar zu ESt führt. Andere Steuern kommen für die Haftung nicht in Betracht, da für sie eine Organschaft nicht von Bedeutung ist. Das gilt auch für die KapESt.
Gehaftet wird für die Steuern sowie für die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen. Für die übrigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wird nicht gehaftet.
Rz. 13
Eine Haftung der Organgesellschaft gilt also auch nicht für die steuerlichen Nebenleistungen, auch wenn sie im Bereich der Organschaftsteuern angefallen sind (z. B. Säumnis- oder Verspätungszuschläge). Die Haftung erstreckt sich auch nicht auf die Zinsen zu den unter § 73 AO fallenden Steuern. Entgegen der hier bisher vertretenen Auffassung kann das auch nicht aus § 239 Abs. 1 S. 1 AO abgeleitet werden, da es sich bei letzterer Vorschrift um eine Verfahrensvorschrift handelt. Auch die Steuerrückforderungsansprüche, also Erstattungsansprüche für zu Unrecht erstattete Steuern, fallen nicht unter die Haftung, da sie nicht etwa nach doppelter Umkehr den Steueransprüchen gleichstehen.
Rz. 14
Die Organgesellschaft haftet der Höhe nach für alle Steuern, für die die Organschaft Bedeutung hat. Sie hat also nicht nur für die durch sie selbst verursachte USt, GewSt, KSt oder ESt einzustehen, sondern für die gesamten vom Organträger geschuldeten Steuerbeträge des Organträgers dieser Steuerarten. Das gilt auch für diejenigen Steuern des Organträgers, die von anderen seiner Organgesellschaften verursacht worden sind. Kritisch wird die Auffassung der h. M. vor allem von Lüdicke gesehen, der eine tatbestandliche Beschränkung der Haftungsschuld und dafür eine stark einschränkende Auslegung des § 73 AO für erforderlich hält, als angebracht ansieht. Eine solche Beschränkung der Haftung nach § 73 AO ist jedoch mit dem Wortlaut der Vorschrift kaum zu vereinbaren. Bis zu einer möglichen Gesetzesänderung ist eine so krass vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Auslegung der von der h. M. vertretenen Anpassung im Rahmen der Ermessensentscheidung nicht vorzunehmen. Diese Haftung für die Steuern aus dem gesamten Organkreis mag im Einzelfall für die Organgesellschaft und insbesondere für ihre Minderheitengesellschafter unangemessen sein. Dies und auch die im KSt-Recht größere Selbstständigkeit der Organgesellschaft (eigenes Einkommen) sind jedoch keine ausreichenden Gründe, im Rahmen der Ermessensausübung ein angenommenes Übermaß der Regelung des § 73 S. 1 AO abzubauen und damit den bewusst so weit gewählten Wortlaut des Gesetzes einzuschränken. Zur Ermessensausübung im Einzelfall vgl. Rz. 22ff.
Rz. 15
Zeitlich beschränkt ist die Haftung auf die Ansprüche, die während des Bestehens der jeweiligen Organschaft, also beim Vorhandensein der Voraussetzungen der jeweiligen Organschaft, entstanden sind. Vorher entstandene Ansprüche fallen auch dann nicht in die Haftung, wenn sie während der Organschaft fällig werden. Für Ansprüche, die nach Beendigung des Organschaftsverhältnisses (vgl. Rz. 5) beim Organträger entstehen, haftet die – frühere – Organgesellschaft nicht. Sind die Organschaftsvoraussetzungen nur für eine der Steuerarten gegeben, so wird nur für die während der Organschaft entstandenen Steuern dieser Steuerart gehaftet.