Rz. 20
Die Revisionsfrist ist eine gesetzliche Frist i. S. v. § 56 Abs. 1 FGO, sodass bei Versäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Dies ist der Fall, wenn der Revisionskläger ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsfrist einzuhalten. Verschuldet ist die Säumnis, wenn die nach den Umständen gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Jedes Verschulden, also auch die einfache Fahrlässigkeit, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
Das Verschulden seines Beraters muss sich der Revisionskläger zurechnen lassen. Wer geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, muss hat zur Vermeidung eines Organisationsverschuldens Vorkehrungen (Notfallvorsorge) treffen, dass auch bei einer nicht vorhergesehenen Erkrankung Fristen gewahrt werden. Entsprechend muss für einen Ausfall der Computeranlage vorgesorgt werden.
Unerlässliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung, in der der Ablauf sämtlicher Fristen vermerkt und eine Frist erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen wird. Die Erfassung der Frist in einer Wiedervorlageliste oder die Berücksichtigung der Wiedervorlage in einem elektronischen Dokumentationssystem genügt nicht. Bei der Beurteilung, ob eine Behörde sich die Fristversäumung als schuldhaft anrechnen lassen muss, gelten die gleichen Maßstäbe wie für das Verschulden von Angehörigen der rechtsberatenden und steuerberatenden Berufe.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nunmehr beim BFH (nicht mehr beim FG) zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist muss außerdem die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden, d. h., es muss beim BFH ebenfalls die Revision eingelegt werden. Ferner sind innerhalb der Antragsfrist die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, vollständig, substanziiert und in sich schlüssig darzulegen. Die erforderliche Glaubhaftmachung der Tatsachen kann auch noch im weiteren Verfahren über den Antrag geschehen. Neue Wiedereinsetzungsgründe können nach Fristablauf nicht nachgeschoben werden.
Die Nichtbeachtung der Rechtsmittelbelehrung schließt regelmäßig die Gewährung von Wiedereinsetzung aus. Wird die Revisionsschrift unzutreffend an das FG statt an den BFH gerichtet, wo der Schriftsatz erst nach Fristablauf eingeht, ist die Revision unzulässig. Mangels Beachtung der Rechtsmittelbelehrung scheidet Wiedereinsetzung regelmäßig aus. Auf eine Mitverantwortung des FG an der Fristversäumung kann sich der Revisionskläger hier nicht berufen. Denn es besteht keine rechtliche Verpflichtung des FG, den Revisionskläger in einem solchen Fall telefonisch von der Unzuständigkeit in Kenntnis zu setzen bzw. die Revisionsschrift per Telefax dem BFH zu übermitteln. Gleichwohl sollte – auch ohne Rechtspflicht – der Beteiligte in einem solchen Fall auf sein Versehen aufmerksam gemacht werden. Wiedereinsetzung ist nur zu gewähren, wenn der Schriftsatz so rechtzeitig beim FG eingegangen ist, dass im ordentlichen Geschäftsgang mit der Weiterleitung und dem fristgerechten Eingang beim BFH gerechnet werden kann. Der Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Revisionsfrist steht nicht entgegen, dass der BFH bereits die Revision als unzulässig verworfen hat. Hat die Beschwerde gegen die Abweisung eines Richterablehnungsgesuchs nach Erlass des FG-Urteils Erfolg, ist dem Revisionskläger Wiedereinsetzung zu gewähren.
Rz. 21
Der Prozessbevollmächtigte, dem die Akten zur Vorbereitung der Revision vorgelegt werden, handelt von diesem Zeitpunkt an nicht mehr unverschuldet, wenn er auf die Fristkontrolle durch das Büropersonal vertraut und eine eigenständige Fristprüfung unterlässt. Die Frist muss zum Vorfristtermin nochmals überprüft werden.
Auch für den Antrag auf Wiedereinsetzung beim BFH gilt der Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO; zu den weiteren Einzelheiten der Wiedereinsetzung vgl. Erl. bei Schwarz, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, zu § 56 FGO.