Rz. 3
§ 55 FGO regelt in seinem Absatz 1 den Fristbeginn für alle ordentlichen, fristgebundenen Rechtsbehelfe gegen eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren. Der Begriff "Rechtsbehelf" ist weit zu verstehen. Er umfasst als Oberbegriff außergerichtliche und gerichtliche Rechtsbehelfe; letztere und von § 55 FGO erfasst sind die prozessualen Mittel zur Rechtsverwirklichung im Wege gerichtlicher Verfahren, einschließlich Antrag, Klage und Rechtsmittel. Die Vorschrift gilt damit zunächst für die erstinstanzlichen Rechtsbehelfe gegen rechtsbehelfsfähige Verwaltungsakte wie die nach § 47 FGO fristgebundene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sowie den Antrag auf mündliche Verhandlung nach Erlass eines Gerichtsbescheids nach §§ 79a Abs. 2, 90a Abs. 2 FGO. Darüber hinaus gilt § 55 FGO auch für die Rechtsmittel zum BFH gegen die mit einem ordentlichen Rechtsbehelf anfechtbaren Entscheidungen der Finanzgerichte wie die Revision nach § 115 FGO, die Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision nach § 116 FGO, die Beschwerde nach § 128 Abs. 2 FGO und den Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 90a Abs. 2 FGO.
Rz. 4
Von der Regelung des § 55 FGO sind nicht nur schriftlich und elektronisch ergangene Verwaltungsakte erfasst, sondern nach dem durch das Justizkommunikationsgesetz (JKomG) v. 22.3.2005 neu gefassten Wortlaut grundsätzlich auch mündliche Verwaltungsakte. Auch im Falle einer gerichtlich anfechtbaren mündlichen Entscheidung wäre daher schriftlich oder elektronisch über den anzubringenden Rechtsbehelf zu belehren, soll die reguläre Rechtsbehelfsfrist zu laufen beginnen . Ob bei mündlich ergehenden Entscheidungen die Erteilung einer mündlichen Rechtsbehelfsbelehrung ausreichend ist oder gar jegliche Rechtsbehelfsbelehrung für den Beginn des Fristlaufs entbehrlich ist, ist vom BFH indes noch nicht entschieden.
Rz. 5
In welchem Verhältnis § 55 FGO zu der für in Form einer Allgemeinverfügung ergangenen Einspruchsentscheidung geltenden Sonderregelung des § 367 Abs. 2b AO steht, ist höchstrichterlich ebenfalls noch nicht entschieden. Danach können anhängige Einsprüche, die eine vom EuGH, vom BVerfG oder vom BFH entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, insoweit durch Allgemeinverfügung zurückgewiesen werden. Beginn und Dauer der Klagefrist gegen eine solche Allgemeinverfügung sind in § 367 Abs. 2b Sätze 4 und 5 AO gesondert geregelt. Die Klagefrist beträgt abweichend von § 47 Abs. 1 FGO ein Jahr nach dem Tag der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung im BStBl. Hierbei handelt es sich um eine ebenfalls nicht verlängerbare Ausschlussfrist ähnlich der in § 55 Abs. 2 FGO. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO ist bei unverschuldeter Fristversäumnis jedoch möglich. Zu der Frage, ob und welche Auswirkungen eine unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung auf diese Jahresfrist hat, verhält sich die Vorschrift indes nicht.
Rz. 6
Keine Anwendung findet § 55 FGO auf sog. außerordentliche Rechtsbehelfe. Insbesondere über die Möglichkeiten einer Anhörungsrüge oder einer Gegenvorstellung, eines Wiederaufnahmenverfahrens nach § 134 FGO, einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 56 FGO, einer Verfassungsbeschwerde oder eines Antrags auf Urteilsberichtigung oder auf Urteilsergänzung nach §§ 108, 109 FGO braucht daher nicht belehrt zu werden.