BMF, Schreiben v. 13.11.2014, IV C 2 - S 2742-a/07/10001 :009, BStBl I 2014, 1516
Bezug: BFH-Beschluss vom 18.12.2013, I B 85/13
Der Bundesfinanzhof hat am 18.12.2013, I B 85/13 in einem Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz entschieden, dass Zweifel an der Verfassungskonformität der Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwendungen gemäß § 4h EStG (sog. Zinsschranke) bestehen, und deshalb die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids nach § 69 Absatz 2 Satz 2 i.V.m. Absatz 3 Satz 1 FGO gewährt.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist der Beschluss über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.
1. Keine Zweifel an der Verfassungskonformität der Norm
Die vom Bundesfinanzhof geäußerten Zweifel an der Verfassungskonformität der Vorschriften des § 4h EStG und § 8a KStG sind nicht berechtigt. Der Bundesfinanzhof begründet seine Zweifel mit einem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot (Artikel 3 GG). Hierbei verkennt der Bundesfinanzhof, dass ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip – unabhängig von weiteren sachlichen Gründen, die eine Abweichung davon erlauben würden – schon insofern vermieden wird, als die Zinsschranke ohnehin veranlagungszeitraumübergreifend konzipiert ist. Zinsaufwendungen sind aufgrund der Vortragsmöglichkeit nach § 4h Absatz 1 Satz 5 EStG allenfalls vorübergehend nicht abziehbar. Die Entscheidung steht insoweit in Widerspruch zu anderen aktuellen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG bzw. § 10a Satz 2 GewStG (vgl. BFH-Urteile vom 22.8.2012, I R 9/11, BStBl 2013 II S. 512 ; vom 20.9.2012, IV R 36/10, BStBl 2013 II S. 498 und IV R 29/10, BStBl 2013 II S. 505 ; sowie vom 23.1.2013, I R 35/12, BStBl 2013 II S. 508).
Im Übrigen ist die Regelung zur Zinsschranke verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da sie zielgerichtet Gewinnverlagerungen im Konzern einschränkt und damit zugleich einen qualifizierten Fiskalzweck verfolgt. Dies wird vom Bundesfinanzhof weithin ausgeklammert, indem er die Zinsschranke überwiegend unter dem Aspekt einer Missbrauchsbekämpfungsvorschrift würdigt.
Überdies hat bislang kein Finanzgericht (auch nicht der Bundesfinanzhof) die Regelung der Zinsschranke gemäß Artikel 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die beiden – soweit ersichtlich einzigen – hierzu ergangenen erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen sprechen sich für die Verfassungskonformität der Zinsschranke aus (Urteile des FG Baden-Württemberg vom 26.11.2012, 6 K 3390/11, DStRE 2014 S. 452 [Revision anhängig unter I R 2/13] sowie des Niedersächsischen FG vom 11.7.2013, 6 K 226/11, EFG 2013 S. 1790 [Revision anhängig unter I R 57/13]).
2. Besonderes Aussetzungsinteresse
Selbst in der – hier derzeit nicht gegebenen – Situation eines anhängigen konkreten Normenkontrollverfahrens nach Artikel 100 Absatz 1 GG vor dem Bundesverfassungsgericht kann im Hinblick auf den Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes eine Aussetzung der Vollziehung nur bei einem besonderen berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen gewährt werden.
Bei der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids vorliegt, ist das individuelle Interesse des Steuerpflichtigen mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf den Gesetzesvollzug und das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse vom 20.7.1990, III B 144/89, BStBl 1991 II S. 104; vom 27.8.2002, XI B 94/02, BStBl 2003 II S. 18 ; vom 11.6.2003, IX B 16/03, BStBl 2003 II S. 663; vom 1.4.2010, II B 168/09, BStBl 2010 II S. 558; vom 9.3.2012, VII B 171/11, BStBl 2012 II S. 418; und vom 13.3.2012, I B 111/11, BStBl 2012 II S. 611).
Die vom Bundesfinanzhof in der Entscheidung vom 18.12.2013, I B 85/13 vorgenommene „Interessenabwägung” stellt entscheidend auf das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung ab, das seines Erachtens im Hinblick auf die Zinsschranke vergleichsweise gering zu gewichten sei. Die Gefahren für die öffentlichen Haushalte sind aber schon deshalb nicht als gering einzustufen, weil sich die finanziellen Auswirkungen bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Veranlagungszeitraum 2008 über etliche Jahre aufsummieren würden.
Ein besonderes persönliches Interesse des Steuerpflichtigen wurde vom Bundesfinanzhof ohne weitere Begründung nicht geprüft. Ein solches lag im Streitfall auch nicht vor, da dem Verfahren ein Sachverhalt zugrunde lag, bei dem es bei einem großen Unternehmen mit Zinsaufwendungen...