Tenor
Der Antragstellerin wird Stundung bewilligt.
Aus der Insolvenzmasse sind vorweg zu begleichen die Gerichtskosten einschließlich der Vergütung.
Zum Insolvenzverwalter wird bestellt: …
Tatbestand
I.
Die Schuldnerin betrieb ein Fitness-Studio. Am 28.04.2000 wurde aufgrund eines Eigenantrages das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Mit dem Beschluss über die Eröffnung und die Anberaumung eines Berichtstermines auf den 11.07.2000 wurde der Schuldnerin ein Merkblatt zur Restschuldbefreiung zugestellt mit dem Hinweis, dass – nach damaliger Rechtslage – ein Antrag auf Restschuldbefreiung spätestens bis zum Berichtstermin zu stellen war. Antrag auf Restschuldbefreiung stellte die Schuldnerin erst mit Schreiben vom 13.09.2000, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag. Der Rechtspfleger wies den Antrag als unzulässig zurück, da er spätestens im Berichtstermin habe gestellt werden müssen. Den Antrag auf Wiedereinsetzung und die gegen den Beschluss des Rechtspflegers eingelegte sofortige Erinnerung wies das Landgericht Göttingen mit Beschluss vom 14.11.2000 – 10 T 142/00 – zurück (ZInsO 2001, 90 = NZI 2001, 220).
Am 31.03.2005 ist das Insolvenzverfahren auf Antrag des Insolvenzverwalters gemäß § 207 InsO mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt worden. Im Berichtstermin vom 11.07.2000 hatte die Gläubigerversammlung das Gericht dazu ermächtigt für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die Masselosigkeit anzeigt. Nach dem Tenor des am 11.04.2005 veröffentlichten Beschlusses wird dieser am dritten Tag nach seiner Veröffentlichung im Staatsanzeiger wirksam, mit diesem Zeitpunkt erhält die Schuldnerin das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen.
Am 18.04.2005 hat die Schuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, Stundung und Restschuldbefreiung gestellt und zur Begründung Bezug genommen auf das gemäß § 207 InsO eingestellte Verfahren 74 IN 64/00.
Entscheidungsgründe
II.
Das Insolvenzgericht hat der Schuldnerin Stundung bewilligt und das Insolvenzverfahren eröffnet.
1) Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (LG Koblenz ZInsO 2004, 679 = NZI 2004, 679 = ZVI 2005, 91) ist ein erneuter Antrag nach einem vergessenen Restschuldbefreiungsantrag im Erstverfahren nicht unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis kann nicht verneint werden.
a) Ein rechtliches Interesse für die Durchführung des Verfahrens fordert § 14 Abs. 1 InsO nur für den Fall, dass der Gläubiger den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt. Vorliegend hat die Schuldnerin einen Eigenantrag gestellt.
Anerkannt ist weiter, dass die Anhängigkeit eines vom Schuldner gestellten Erstantrages die Stellung eines Zweitantrages durch den Schuldner hindert (AG Potsdam ZInsO 2002, 340, 341 = NZI 2002, 272 = DZWir 2002, 218; HK-InsO/Kirchhoff § 13 Rz. 10). Ist bereits ein Verfahren eröffnet, ist ein erneuter Antrag eines Gläubigers unzulässig (BGH ZInsO 2004, 739 = NZI 2004, 446 = ZIP 2004, 1160 = InVo 2004, 440 = DZWir 2004, 516; AG Duisburg NZI 2003, 159). Dies gilt auch in der Wohlverhaltsperiode gemäß §§ 291 ff InsO (AG Oldenburg ZInsO 2004, 1154). Unklar ist, was bei Eröffnung aufgrund eines Gläubigerantrages gilt, wenn der Schuldner einen Eigenantrag gekoppelt mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung stellt (Pape NZI 2004, 543, 544). Hintergrund der Problematik ist, dass gemäß § 35 InsO auch der Neuerwerb in die Insolvenzmasse fällt. Argumentiert wird damit, dass über ein und dasselbe Vermögen nicht gleichzeitig mehrere Insolvenzverfahren anhängig sein können.
Darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Das vormalige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ist beendet.
b) Nicht erforderlich ist es, dass neue zusätzliche Forderungen bei der Schuldnerin entstanden sind (so LG Koblenz ZInsO 2004, 679 = NZI 2004, 679 = ZVI 2005, 91). Dafür bietet das Gesetz keine Stütze. Im übrigen wäre es für eine Schuldnerin ein leichtes, eine neue, zusätzliche Forderung zu begründen.
Nicht gefolgt kann dem LG Koblenz auch in der Auffassung, die Gläubiger könnten in dem nunmehr beantragten (Zweit-)Verfahren nicht mehr erreichen als bereits in dem Erstverfahren. Während der Wohlverhaltensperiode treffen den Schuldner Obliegenheiten gem. § 295 InsO, die zu einer (teilweisen) Befriedigung der Gläubiger führen sollen. Ob dies im Einzelfall tatsächlich erreicht wird, ist nicht absehbar und nicht erheblich.
Rechtlich unerheblich ist es auch, ob die Schuldnerin den Antrag auf Stellung des Restschuldbefreiungsantrages im Erstverfahren aus von ihr zu vertretenden Gründen unterließ. Dies steht der Durchführung eines Insolvenzverfahrens nicht entgegen, auch stellt dieses Verhalten keinen Versagungsgrund gemäß § 290 InsO dar. Im übrigen sind durchaus Fälle denkbar, in denen der Schuldner mit der Stellung eines Antrages auf Restschuldbefreiung wartet, um den Ablauf von Fristen abzuwarten, innerhalb derer ein Versagungsantrag gestellt werden kann (vgl. im einzelnen § 290 Abs. 1 Nr. 1 – 4 InsO).
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