Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
- Verweisungsbeschlüsse nach § 17a GVG n. F. sind förmlich zuzustellen ( § 329 Abs. 3 ZPO).
- Das abgebende Gericht darf die Akten nicht vor Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses an das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, übersenden ( § 17b Abs. 1 GVG n. F.).
- Bei unterbliebener Zustellung von Verweisungsbeschlüssen ordentlicher Gerichte sind die §§ 516, 552 ZPO entsprechend anzuwenden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beginnt dann fünf Monate nach der Verkündung oder – bei nicht verkündeten Beschlüssen – fünf Monate nach der formlosen Mitteilung des Verweisungsbeschlusses.
- Das Gericht, an das verwiesen worden ist, kann den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit innerhalb “seines” Rechtsweges weiterverweisen ( § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n. F.).
- Durch das Bestimmungsverfahren nach § 36 Nr. 6 ZPO erhält der Verweisungsbeschluß keine weitergehende Bindungswirkung als es § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n. F. vorsieht. Das bedeutet: Auch das Gericht, das in einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege nach § 36 Nr. 6 ZPO für zuständig erklärt worden ist, kann den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit weiterverweisen.
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6, § 577 Abs. 2, §§ 516, 552; GVG § 17a Abs. 2, 4 n. F, § 17b Abs. 1 n. F; ArbGG § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.09.1991; Aktenzeichen 9 Ca 374/91) |
Tenor
Als sachlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Frankfurt am Main bestimmt.
Tatbestand
I. Die Beklagte war von Januar bis Mai 1990 für die Klägerin als Buchhalterin tätig. Die Klägerin verlangt mit ihrer beim Amtsgericht Hanau erhobenen Klage von der Beklagten Zahlung von 1.500, -- DM wegen angeblich weisungswidriger Einlösung eines Schecks auf deren Privatkonto.
Die Beklagte hat Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Arbeitsgericht beantragt, da sie in arbeitnehmerähnlicher Stellung weisungsabhängig tätig gewesen sei. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, die Beklagte sei in eigenem Bürotätig und daher selbständig gewesen. Vorsorglich hat sie die “Abgabe” an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main beantragt.
Durch nicht begründeten Beschluß vom 22. August 1991, der den Parteien am 29. bzw. 30. August 1991 formlos zuging, ihnen aber zu keiner Zeit förmlich zugestellt wurde, hat sich das Amtsgericht Hanau für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main verwiesen.
Durch Beschluß vom 17. September 1991 hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Verweisungsbeschluß sei nicht bindend, da er mangels Zustellung noch nicht rechtskräftig sei. Außerdem sei er nicht begründet worden, und es sei nicht ersichtlich, daß die Beklagte Arbeitnehmerin gewesen sei. Im übrigen sei – wenn überhaupt – das Arbeitsgericht Hanau zuständig.
Das Amtsgericht Hanau hat die ihm übersandten Akten dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit der Begründung zurückgesandt, der Verweisungsbeschluß sei unanfechtbar. Daraufhin hat die Klägerin mit einem beim Bundesarbeitsgericht am 30. März 1992 eingegangenen Schriftsatz beantragt, “das Bestimmungsverfahren gem. § 36 Nr. 6 ZPO durchzuführen”.
Entscheidungsgründe
II. Zuständig sind die Arbeitsgerichte.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Diese Vorschrift ist auch bei einem negativen Kompetenzkonflikt von Gerichten verschiedener Gerichtsbarkeiten anwendbar (BAGE 44, 246 = AP Nr. 34 zu § 36 ZPO). Das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann von einer Partei oder durch ein Gericht gestellt werden. Das Bundesarbeitsgericht ist vorliegend für die beantragte Bestimmung zuständig, weil es in dem Zuständigkeitsstreit zwischen dem Arbeitsgericht und dem Amtsgericht zuerst um die Bestimmung angegangen worden ist (vgl. BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe, m.w.N. ; BGHZ 44, 14, 15).
Allerdings hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main die Übernahme des Rechtsstreits in erster Linie deshalb abgelehnt, weil es der Ansicht war, der Verweisungsbeschluß sei wegen fehlender Zustellung noch nicht rechtskräftig. Es hat sich damit also nur für zur Zeit unzuständig erklärt. Möglicherweise hätte es die Übernahme nach Zustellung und Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht mehr abgelehnt. Doch auch in diesem Sonderfall eines negativen Kompetenzkonfliktes ist § 36 Nr. 6 ZPO von seinem Sinn und Zweck her entsprechend anwendbar, da die Ablehnung einer Entscheidung einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbaren Rechtsverweigerung gleichkäme (BAGE 23, 167, 169 = AP Nr. 8 zu § 36 ZPO).
2. Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Hanau ist inzwischen rechtskräftig geworden.
a) Gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 GVG n.F. wird der Rechtsstreit (erst) “nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses … mit Eingang der Akten bei dem im Beschluß bezeichneten Gericht anhängig”. Die Versendung der Akten durch das abgebende Gericht ist folglich erst nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses zulässig (Kissel, NJW 1991, 945, 950; Klimpe-Auerbach, ArbuR 1992, 110, 113). Die Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses tritt aber nach § 705 ZPO vor Ablauf der für die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels bestimmten Frist nicht ein. § 705 ZPO ist auch auf Beschlüsse anwendbar, die mit der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO) anfechtbar sind (vgl. nur Zöller/Stöber, ZPO, 17. Aufl., § 705 Rz 1). Dazu gehören Verweisungsbeschlüsse gemäß § 17a Abs. 2 GVG n.F., gegen die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG n.F. die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben ist.
Nach § 329 Abs. 3 ZPO sind Entscheidungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, zuzustellen. Gemäß § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Beschwerde binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen, die mit der Zustellung beginnt. Bei unterbliebener Zustellung von Verweisungsbeschlüssen ordentlicher Gerichte nach § 17a GVG n.F. sind jedoch die §§ 516, 552 ZPO analog anzuwenden. Nach diesen Vorschriften beginnt die Frist zur Einlegung der Berufung und der Revision spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung .
Grundsätzlich bedarf zwar die zeitliche Beschränkung der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen einer ausdrücklichen Regelung (BGHZ 43, 289, 293). Dementsprechend haben der Bundesgerichtshof (BGHZ 30, 299, 300) und das Bundesarbeitsgericht (BAGE 3, 185, 187 = AP Nr. 1 zu § 615 BGB Betriebsrisiko = NJW 1957, 518) die entsprechende Anwendung der §§ 516, 552 ZPO auf die Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO abgelehnt.
Eine analoge Anwendung der genannten Bestimmungen ist damit jedoch nicht ausgeschlossen. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß die Notfrist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach dem Bundesentschädigungsgesetz spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Berufungsurteils beginnt (Beschluß vom 24. Juni 1975 – IX ZB 354/72 – MDR 1976, 40). Die zivilprozessuale Rechtsprechung bejaht ganz überwiegend die analoge Anwendung der §§ 516, 552 ZPO auf verkündete Beschlüsse (KG Beschluß vom 5. Februar 1935 – 8 W 729/35 – JW 1935, 1709; OLG Oldenburg Beschluß vom 30. Oktober 1975 – 8 W 125/75 – NJW 1976, 245; OLG Zweibrücken Beschluß vom 24. Januar 1986 – 2 WF 211/85 – FamRZ 1986, 377; OLG Hamm Beschluß vom 18. September 1990 – 15 W 272/90 – Rpfleger 1991, 73; vgl. ferner Zöller/Schneider, ZPO, 17. Aufl., § 577 Rz 10; Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 577 Anm. 2a bb; a.A. wohl Wieczorek/Rössler/Schütze, ZPO, 2. Aufl., § 577 Anm. B II d; und für den Sonderfall des Haftbeschlusses im früheren Offenbarungseidsverfahren OLG Oldenburg Beschluß vom 8. Dezember 1964 – 2 W 112/64 – MDR 1965, 212; OLG Stuttgart Beschluß vom 2. April 1968 – 8 W 341/67 – OLGZ 1968, 305; a.A. für das arbeitsgerichtliche Verfahren LAG Frankfurt am Main Beschluß vom 31. Juli 1970 – 5 Ta 43/69 – NJW 1971, 166). Ebenso ist die analoge Anwendung auf nicht verkündete Beschlüsse bejaht worden (OLG Hamm Beschlüsse vom 1. Dezember 1952 – 15 W 437/52 – JZ 1953, 154 und vom 8. Mai 1953 – 3 W 47/53 – JMBl NRW 1953, 150; HansOLG Hamburg Beschluß vom 24. März 1955 – 6 W 81/55 – MDR 1955, 366; KG Beschluß vom 23. Dezember 1959 – 1 W 1816/59 – MDR 1961, 153; KG Beschluß vom 10. März 1966 – 1 W 413/66 – MDR 1966, 849; OLG Koblenz Beschluß vom 6. September 1990 – 11 WF 864/90 – FamRZ 1991, 100; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., 1986, § 149 I 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., § 577 Anm. 2 A b; wohl auch Bischof, NJW 1980, 2235, 2237; a.A. OLG Stuttgart Beschluß vom 25. Oktober 1965 – 8 W 150/65 – ZZP 79 (1966), 305, 307). Im ersten Fall soll die Notfrist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde mit der Verkündung, im zweiten mit der formlosen Mitteilung des Beschlusses beginnen.
Der herrschenden Meinung ist zumindest für Verweisungsbeschlüsse der ordentlichen Gerichte nach § 17a GVG n.F. zuzustimmen. Dies hat der Senat in seinem Beschluß vom 26. Mai 1992 (– 5 AS 1/92 –, n.v.) für den Fall eines verkündeten Verweisungsbeschlusses bereits ausgesprochen. Dasselbe gilt aber auch für nicht verkündete Verweisungsbeschlüsse. Ob für Verweisungsbeschlüsse der Arbeitsgerichte im Hinblick auf § 9 Abs. 5 ArbGG anders zu entscheiden ist, bedarf hier keiner Erörterung.
Das Beschwerdeverfahren ist in der ZPO nicht abschließend geregelt. Daher erscheint eine entsprechende Anwendung einzelner für das Berufungs- und Revisionsverfahren geltender Vorschriften grundsätzlich zulässig (KG Beschlüsse vom 5. Februar 1935 – 8 W 729/35 – JW 1935, 1709; und vom 23. Dezember 1959 – 1 W 1816/59 – MDR 1961, 153). Die §§ 516, 552 2. Halbsatz, 2. Alternative ZPO dienen der Rechtssicherheit. Das Urteil wird bereits durch Verkündung existent; bereits ab diesem Zeitpunkt können Rechtsmittel eingelegt werden (BAG Urteil vom 17. Februar 1961 – 1 AZR 287/59 – AP Nr. 16 zu § 519 ZPO; RGZ 112, 164, 167; vgl. auch BGH Urteil vom 18. September 1963 – V ZR 192/61 – MDR 1964, 43). Die §§ 516, 552 ZPO sollen den durch die Urteilsverkündung entstehenden Schwebezustand beenden und der Rechtssicherheit dienen (BGH Beschluß vom 24. Juni 1975 – IX ZB 354/72 – MDR 1976, 40; OLG Hamm Beschluß vom 8. Mai 1953 – 3 W 47/53 – JMBl NRW 1953, 150; OLG Koblenz Beschluß vom 6. September 1990 – 11 WF 864/90 – FamRZ 1991, 100, 101). Bei den der sofortigen Beschwerde unterliegenden, also der formellen Rechtskraft fähigen Beschlüssen, besteht aber das Interesse an einer Beschränkung des Schwebezustandes in gleichem Maße wie bei Urteilen (KG Beschlüsse vom 5. Februar 1935 und vom 23. Dezember 1959, aaO). Dies gilt gerade auch für Verweisungsbeschlüsse nach § 17a GVG n.F., die die Sachentscheidung nur vorbereiten. Damit beginnt die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen Verweisungsbeschlüsse der ordentlichen Gerichte spätestens fünf Monate nach deren Verkündung oder – bei nicht verkündeten Beschlüssen – fünf Monate nach der formlosen Mitteilung.
b) Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes: Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Hanau vom 22. August 1991 ist den Parteien zu keiner Zeit formgerecht zugestellt worden. Eine Heilung dieses Mangels kommt nicht in Betracht (§ 187 Satz 2 ZPO). Das Amtsgericht Hanau durfte daher die Akten dem Amtsgericht Frankfurt am Main weder sofort nach der Beschlußfassung noch nach Rückgabe übersenden. Es hätte vielmehr den Beschluß begründen und die Zustellung veranlassen müssen. Erst nach Ablauf der Beschwerdefrist hätte es die Akten übersenden dürfen. Da der Verweisungsbeschluß noch nicht rechtskräftig war, die Voraussetzungen des § 17b Abs. 1 Satz 1 GVG n.F. also noch nicht vorlagen, hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 17. September 1991 die Übernahme des Rechtsstreits zu Recht abgelehnt. Es konnte die Akten daher ohne Verstoß gegen § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n. F., wonach Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das verwiesen worden ist, bindend sind, an das Amtsgericht zurücksenden.
Wäre das Bundesarbeitsgericht schon zum damaligen Zeitpunkt angegangen worden, so hätte es gleichwohl nicht das zuständige Gericht bestimmen können. § 36 Nr. 6 ZPO ist im vorliegenden Fall, in dem es um die Frage geht, ob der Verweisungsbeschluß bereits rechtskräftig ist, nur entsprechend anwendbar. Die Vorschrift kann nicht dazu führen, daß anstelle der in § 17a Abs. 4 GVG vorgesehenen Instanzen das nach § 36 Nr. 6 ZPO zuständige Gericht entscheidet. Das Bundesarbeitsgericht hätte also in diesem Fall nur feststellen können, daß der Rechtsstreit wegen fehlender Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses noch immer vor dem Amtsgericht Hanau anhängig ist.
Eine solche Feststellung kommt aber nicht mehr in Betracht. Denn der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Hanau vom 22. August 1991 ist inzwischen rechtskräftig geworden. Mangels Zustellung begann die Zweiwochenfrist des § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit Ablauf von fünf Monaten nach Mitteilung des Beschlusses an die Parteien (29. bzw. 30. August 1991), also noch im Januar 1992 zu laufen. Sie endete daher bereits im Februar 1992.
Wie sich bereits aus den §§ 516, 552 ZPO ergibt, wonach die Rechtsmittelfrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung beginnt, hindert die fehlende Begründung den Eintritt der Rechtskraft nicht.
3. Der Verweisungsbeschluß bindet das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, jedoch nur hinsichtlich des Rechtswegs.
a) Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO). Nur so kann der Zweck des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n. F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden.
Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschlüsse vom 24. März 1992 – 5 AS 3/92 – sowie vom 26. März 1992 – 5 AS 7/91 –, beide n.v.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 17. Aufl., § 36 Rz 25, 28; a.A. zum neuen Recht Zöller/Gummer, aaO, GVG § 17a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 22. Januar 1992 – 5 AS 9/91 –, n.v., zu II 3a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
Offensichtlich gesetzwidrig ist der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Hanau jedoch nicht. Der Verweisungsbeschluß ist zwar entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG n.F., auf den § 48 Abs. 1 ArbGG n.F. verweist, nicht begründet worden. Dies ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschluß vom 23. August 1989 – 5 AS 10/89 –, n.v.) zumindest dann unschädlich, wenn sich der Verweisungsgrund aus der Akte ergibt. Das ist hier der Fall. Das Amtsgericht Hanau hat sich erkennbar die Auffassung der Beklagten zu eigen gemacht, wonach sie eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist.
b) Der Gesetzgeber hat aber, wie sich aus Wortlaut und Sinn des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. ergibt, die Bindungswirkung ausdrücklich auf den Rechtsweg beschränkt. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bindet der Verweisungsbeschluß nicht. Das Gericht, an das verwiesen worden ist, ist daher nicht daran gehindert, wegen örtlicher Unzuständigkeit innerhalb “seines” Rechtsweges weiterzuverweisen (BT-Drucks. 11/7030, S. 37; Kissel, NJW 1991, 945, 949). Es besteht kein Anlaß, dem Verweisungsbeschluß im Rahmen des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO eine weitergehende Bindungswirkung zuzumessen, als es § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. vorsieht, und dem Gericht, an das verwiesen worden ist, die Möglichkeit der Weiterverweisung zu nehmen. Die Gegenauffassung würde darauf hinauslaufen, daß etwaige Fehler des verweisenden Gerichts zu Lasten der beklagten Partei gingen. Das bedeutet: Auch das Gericht, das in einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege nach § 36 Nr. 6 ZPO für zuständig erklärt wurde, kann den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit innerhalb “seines” Rechtsweges weiterverweisen.
Im vorliegenden Fall ist möglicherweise das Arbeitsgericht Hanau örtlich zuständig. § 36 Nr. 6 ZPO setzt voraus, daß eines der Gerichte, zwischen denen der Zuständigkeitsstreit besteht, “für den Rechtsstreit zuständig ist”. In Ausnahmefällen kann aber das übergeordnete Gericht auch ein bisher nicht beteiligtes Gericht unmittelbar als das zuständige Gericht bestimmen. Das gilt insbesondere dann, wenn das bisher nicht beteiligte Gericht ausschließlich zuständig ist und der Bestimmung dieses Gerichts kein anderweitig bindender Verweisungsbeschluß entgegensteht (BGHZ 71, 69, 74). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke
Fundstellen
Haufe-Index 846758 |
BAGE, 374 |
NZA 1992, 1047 |
RdA 1992, 404 |
AP, 0 |