Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Versetzung. Sozialauswahl
Leitsatz (amtlich)
- Fallen mehrere vergleichbare Arbeitsplätze weg und stehen lediglich für einen Teil der betroffenen Arbeitnehmer andere gleichwertige Arbeitsplätze zur Verfügung, so kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen niedriger einzustufenden Arbeitsplatz gem. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG mit der Begründung verweigern, der Arbeitgeber habe soziale Auswahlkriterien nicht berücksichtigt (Anschluß an Senatsbeschluß vom 30. August 1995 – 1 ABR 11/95 – AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung).
- Entspricht die Versetzung dem Wunsch des betreffenden Arbeitnehmers, so kann der Betriebsrat die Zustimmung nicht wegen ungerechtfertigter Benachteiligung des Arbeitnehmers verweigern. Allein der Versicht auf die Erhebung einer Klage gegen eine entsprechende Änderungskündigung genügt jedoch nicht, um auf einen solchen Wunsch schließen zu lassen.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nrn. 3-4; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Juni 1995 – 10 TaBV 14/95 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung und Herabgruppierung von Arbeitnehmern.
Die Arbeitgeberin, die in ihrem Druckereibetrieb ca. 1600 Arbeitnehmer beschäftigt, hat ihre Führungsstruktur umorganisiert. Die bisherige Hierarchie sah sechs Stufen vor: Abteilungsleiter, Schichtleiter, Saalmeister, Maschinenführer, Fachkräfte und Hilfskräfte. Saalmeister waren in die VergGr. G 7 bzw. G 8, Schichtleiter in die VergGr. G 8 des maßgebenden Gehaltstarifvertrages eingruppiert. Mit der neuen Struktur hat die Arbeitgeberin die Aufgaben auf vier Hierarchiestufen konzentriert: Schichtabteilungsleiter, Schichtteamleiter, Fachkräfte und Hilfskräfte. Die Positionen der insgesamt 19 Schichtleiter und 37 Saalmeister entfallen dadurch. Gleichzeitig wurden statt der bisher vier Abteilungsleiterstellen nunmehr 15 Positionen als Schichtabteilungsleiter der VergGr. G 9 geschaffen. Diese Stellen wurden innerbetrieblich ausgeschrieben.
Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat am 27. September 1993 darüber, daß sie beabsichtige, 12 von Stellenstreichungen betroffene Mitarbeiter auf die neugeschaffenen Schichtabteilungsleiterstellen zu versetzen und in die VergGr. G 9 höherzugruppieren. Zugleich teilte sie mit, daß sie die anderen betroffenen Mitarbeiter unter Abgruppierung in VergGr. G 7 auf Schichtteamleiterstellen umzusetzen beabsichtige. Der Betriebsrat verweigerte in sieben Fällen seine Zustimmung zur Versetzung auf die höherwertigen Schichtabteilungsleiterstellen. Gleichzeitig widersprach er der Versetzung von sieben “übergangenen” Arbeitnehmern auf Stellen als Schichtteamleiter. In seinem Schreiben vom 30. September 1993 heißt es im einzelnen:
“Aus Ihren Vorstellungen geht hervor, daß bei Nichtberücksichtigung bisheriger Schichtleiter und Saalmeister als Schichtabteilungsleiter, eine Abgruppierung zwangsläufig die Folge ist und somit die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Änderungskündigungen bzw. Beendigungskündigungen bedroht sind oder Nachteile durch Abqualifizierung erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.
Der Betriebsrat hält alle innerbetrieblichen Bewerber als auch betroffene Schichtleiter und Saalmeister für gleichqualifiziert und vermißt eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten, da Ihre Auswahl der Schichtabteilungsleiter auch gleichzeitig eine Auswahl der Abzugruppierenden ist.
Aus diesem Grund stimmt der Betriebsrat der Versetzung und Abgruppierung … nicht zu, weil eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten nicht erfolgte. Der Betriebsrat ist bei seiner Auswahl nach den Richtlinien verfahren, die im zur Zeit verhandelten Sozialplan beinhaltet sind.”
Die Arbeitgeberin legte mit Schreiben vom 27. Oktober 1993 nochmals ihren Standpunkt dar und bestätigte, daß eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bis zum 10. November 1993 erwartet werde. Am 5. November 1993 teilte der Betriebsrat mit, er halte an der Zustimmungsverweigerung fest. Am 26. November 1993 schlossen die Betriebspartner wegen der geplanten Umstrukturierungen einen Sozialplan. Dieser sieht u.a. vor, daß Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz entfällt, ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz angeboten wird. Soweit dies nicht möglich ist und betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen sind, soll ein Punkteschema für die Sozialauswahl maßgebend sein.
Nach Abschluß des Sozialplans erhielten die sieben Arbeitnehmer, die die Arbeitgeberin dafür vorgesehen hatte, eine Änderungskündigung. Die bisher als Saalmeister in VergGr. G 8 tätigen Arbeitnehmer K… und S… erhoben keine Änderungsschutzklage, wie in der Rechtsbeschwerdeinstanz unstreitig wurde. Die übrigen fünf Arbeitnehmer sind inzwischen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
Die Arbeitgeberin leitete zwei Beschlußverfahren ein. Mit dem ersten verfolgte sie das Ziel, die Zustimmung des Betriebsrats insoweit zu ersetzen, als er Versetzungen auf Schichtabteilungsleiterstellen und den damit verbundenen Höhergruppierungen widersprochen hatte. Ihrem Antrag wurde in zwei Instanzen stattgegeben. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat der Senat durch Beschluß vom 30. August 1995 (1 ABR 11/95 – AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung) den Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung zurückverwiesen.
Im vorliegenden zweiten Verfahren begehrt die Arbeitgeberin nunmehr die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmer K… und S… auf Stellen als Schichtteamleiter und zu der damit verbundenen Herabgruppierung. Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe die Zustimmung nicht verweigern dürfen. Die vorgesehene Änderung der Arbeitsbedingungen bedeute keine Benachteiligung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. Sie beruhe auf dem Wegfall der Saalmeisterstellen, nicht aber auf einer negativen Auswahlentscheidung. Im übrigen wäre die Nichtberücksichtigung bei einer Beförderung nur dann ein Nachteil im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, wenn die übergangenen Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch oder eine rechtsverbindliche Anwartschaft auf die Beförderungsstelle gehabt hätten. Daran fehle es bei den Arbeitnehmern K… und S…. Soziale Gesichtspunkte seien bei der Auswahl der zu befördernden Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen gewesen. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG stelle nicht auf den Maßstab der sozialen Rechtfertigung ab. Anders als bei § 1 Abs. 2 KSchG genügten betriebliche oder persönliche Gründe, um eine personelle Maßnahme zu rechtfertigen.
Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,
die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung und Versetzung der Arbeitnehmer Oswin K… und Bernhard S… zu Schichtteamleitern mit der Gehaltstarifgruppe 7 zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er habe die Zustimmung zu Recht verweigert. Den Arbeitnehmern K… und S… sei ein nicht gerechtfertigter Nachteil im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG entstanden. Ihnen sei eine geringer qualifizierte und schlechter vergütete Arbeitsaufgabe zugewiesen worden. Dieser Nachteil habe zwei Ursachen: den Wegfall des alten Arbeitsplatzes und die Besetzung der Schichtabteilungsleiterstellen mit anderen Bewerbern. Letzteres sei weder aus betrieblichen noch aus persönlichen Gründen gerechtfertigt. Die Arbeitgeberin hätte bei der Auswahlentscheidung soziale Gesichtspunkte berücksichtigen müssen, weil es um die Alternative Änderungskündigung oder Weiterbeschäftigung zu besseren Bedingungen gegangen sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben und die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, da es weiterer Tatsachenfeststellungen bedarf.
I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob sich der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG weigern durfte, der beabsichtigten Versetzung zuzustimmen. Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist nicht auszuschließen, daß die Arbeitnehmer K… und S… durch die Versetzung benachteiligt wurden, ohne daß dies aus betrieblichen oder in ihrer Person liegenden Gründen gerechtfertigt gewesen wäre.
1. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung formgerecht und innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter Angabe konkreter Gründe verweigert. Er hat im Schreiben vom 30. September 1993 ausgeführt, daß die vorgesehene Versetzung u.a. die Arbeitnehmer K… und S… benachteilige, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sei. Alle innerbetrieblichen Bewerber um die Schichtabteilungsleiterstellen seien gleichqualifiziert, so daß eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten geboten gewesen wäre. Damit hat der Betriebsrat einen Zustimmungsverweigerungsgrund dargetan.
2. Die Berufung des Betriebsrats auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Arbeitnehmer K… und S… keine Änderungsschutzklage erhoben haben.
a) § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG dient allerdings allein der Wahrung der Interessen des betroffenen Arbeitnehmers (s. schon Senatsbeschluß vom 6. Oktober 1978 – 1 ABR 51/77 – AP Nr. 10 zu § 99 BetrVG 1972, zu II 1b der Gründe; Senatsbeschluß vom 20. September 1990 – 1 ABR 37/90 – BAGE 66, 57, 67 = AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 3a cc der Gründe; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 128; Kraft in GK-BetrVG, 5. Aufl., § 99 Rz 143). Die Vorschrift spricht nur von der Benachteiligung des Arbeitnehmers, der durch eine personelle Maßnahme belastet wird. Sie stellt nicht auf mittelbar betroffene Arbeitnehmer oder die Belegschaft ab. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht bei Nichtbeachtung berechtigter Belange des unmittelbar von einer personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers einzuräumen (vgl. Amtliche Begründung BT-Drucks. VI/1786, S. 51).
Weitergehende Auffassungen im Schrifttum (vgl. etwa Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, 1982, Rz 326; Kittner in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 5. Aufl., § 99 Rz 194; jedenfalls für die Einstellung Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 99 Rz 55) überzeugen nicht. Es läßt sich weder aus dem Regelungszusammenhang noch aus der möglichen Betroffenheit anderer Arbeitnehmer folgern, der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG sei dem Betriebsrat allein im Interesse der Gesamtbelegschaft verliehen worden, so daß er einer personellen Maßnahme selbst dann widersprechen könne, wenn diese Wünsche des betroffenen Arbeitnehmers erfüllt. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG will erkennbar den einzelnen Arbeitnehmer kollektivrechtlich schützen und dessen individualrechtlichen Schutz dadurch ergänzen. Soweit andere Arbeitnehmer durch eine im Einverständnis mit diesem Arbeitnehmer vorgenommene personelle Maßnahme betroffen sind, kann sich ein Zustimmungsverweigerungsgrund aus den übrigen Tatbeständen des § 99 Abs. 2 BetrVG – insbesondere aus § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG – ergeben. Es entsteht also keine Mitbestimmungslücke.
Der Senat hat dementsprechend in seinem Beschluß vom 20. September 1990 (1 ABR 37/90 – BAGE 66, 57 = AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972) angenommen, bei einer im Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers beabsichtigten Versetzung laufe der Schutzzweck des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG leer, weil der betroffene Arbeitnehmer “in der Tat nicht gegen seinen Willen geschützt” zu werden brauche. Die überwiegende Auffassung in der Literatur sieht das nicht anders. Einige Autoren wollen im Wege teleologischer Reduktion die Geltendmachung des Zustimmungsverweigerungsrechts aus § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG bei einverständlicher Versetzung ausschließen (Kraft, aaO, § 99 Rz 146; Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 99 – 101 Rz 179d; Gaul, Anm. zum Senatsbeschluß vom 20. September 1990, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 95), andere kommen auf der Basis eines subjektiven Nachteilsbegriffs zum gleichen Ergebnis (so etwa Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 99 Rz 128; MünchArbR/Matthes, § 344 Rz 82).
b) Eine derartige Übereinstimmung der Interessen ist allerdings nur dann zu bejahen, wenn der betroffene Arbeitnehmer die Versetzung selber angestrebt hat oder diese doch seinen Wünschen und seiner freien Entscheidung entspricht (Senatsbeschluß vom 20. September 1990, BAGE 66, 57, 68, zu B II 3a cc der Gründe). Das Schutzbedürfnis, das mit § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG erfüllt werden soll, entfällt nur dann, wenn der Arbeitnehmer sich frei für die streitige personelle Maßnahme entschieden hat, weil sie seinen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht (in diesem Sinne auch MünchArbR/Matthes, § 344 Rz 82; Gaul, Anm. zu BAG EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 95). Nur dann kann man sagen, daß er nicht gegen seinen Willen geschützt zu werden brauche.
Diese Voraussetzungen sind nicht schon dann erfüllt, wenn sich der Arbeitnehmer lediglich nicht zur Wehr setzt und keine Kündigungsschutzklage erhebt (so auch MünchArbR/Matthes, § 344 Rz 82). Nimmt der Arbeitnehmer die Änderungskündigung nur hin, läßt sich daraus nicht schließen, daß die Versetzung seinen Wünschen und seiner freien Entscheidung entspräche. Es sind viele Gründe denkbar, warum ein Arbeitnehmer die Störung des Arbeitsverhältnisses durch eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden und nicht mit seinem Arbeitgeber prozessieren will. Gerade deshalb ist dem Betriebsrat das Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG eingeräumt worden. Die kollektive Schutzebene ist grundsätzlich nicht davon abhängig, daß der Arbeitnehmer seine individuellen Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft. Wenn dieser von der aktiven Geltendmachung seiner Individualrechte absieht, kann er dennoch mit der Wahrung seiner Interessen durch den Betriebsrat einverstanden sein. Bei einem zeitlichen Verlauf wie im vorliegenden Fall liegt das besonders nahe. Der Betriebsrat hatte der Versetzung schon widersprochen, bevor die Arbeitgeberin die Änderungskündigung aussprach. Die betroffenen Arbeitnehmer wußten also, daß ihre Interessen wahrgenommen wurden, so daß sie mit der Unterlassung einer Änderungsschutzklage nicht zwangsläufig den Verlust ihrer bisherigen Position riskieren mußten.
Hier sind keine Umstände ersichtlich, die darauf schließen lassen könnten, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen den Wünschen oder Interessen der Arbeitnehmer S… und K… entsprochen haben könnte. Die Arbeitgeberin hat zwar erstmalig in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgetragen, die beiden Arbeitnehmer hätten die Versetzungen “einvernehmlich mitvollzogen”. Dies ist aber – anders als der Umstand der unterbliebenen Änderungsschutzklage – nicht unstreitig gestellt worden und schon deshalb nicht zu berücksichtigen. Im übrigen wäre dieser Vortrag auch viel zu vage und substanzlos.
3. Die Arbeitnehmer K… und S… werden durch die hier streitigen Versetzungen benachteiligt.
a) Eine Benachteiligung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG kann sich aus dem Verlust einer Rechtsposition, aber auch aus tatsächlichen Nachteilen von nicht unerheblichem Gewicht ergeben, wie sie etwa bei ungünstigen Auswirkungen auf die Umstände der Arbeit anzunehmen sind. Diese Voraussetzungen liegen vor. Durch die beabsichtigte Versetzung auf die Schichtteamleiterstellen verschlechtern sich die materiellen Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer K… und S…, die für den zugewiesenen neuen Tätigkeitsbereich nur noch Gehalt nach der niedrigeren VergGr. G 7 beziehen. Darüber hinaus stellt die Position des Schichtteamleiters geringere Anforderungen an ihre Qualifikation, wodurch sich auch die tatsächlichen Umstände der Arbeit ändern.
b) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings angenommen, daß diese Benachteiligung eine Zustimmungsverweigerung nicht begründen könne, weil sie aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt sei. Diese lägen in der durchgeführten Betriebsänderung. In einem solchen Fall sei die Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin nach Wortlaut und Zweck des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht an die Grundsätze des § 1 Abs. 3 KSchG gebunden.
Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. Wie der Senat schon in dem Streit der Beteiligten um die Besetzung der Schichtabteilungsleiterstellen entschieden hat (Beschluß vom 30. August 1995 – 1 ABR 11/95 – AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung), kann der Betriebsrat im Rahmen des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG seine Zustimmung zur Versetzung eines Arbeitnehmers verweigern mit der Begründung, der Arbeitgeber habe soziale Auswahlkriterien nicht berücksichtigt. Dies muß entsprechend gelten für § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, dessen Widerspruchsgründe trotz leicht abweichenden Wortlauts nach überwiegender Auffassung wie diejenigen des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG auszulegen sind (vgl. etwa Däubler in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 99 Rz 196; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 183; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 96; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 99 Rz 130). § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG enthält zwar keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine Kündigung, sondern erfaßt Benachteiligungen ganz allgemein, aber die Versetzung auf einen geringerwertigen Arbeitsplatz, wegen derer eine Änderungskündigung ausgesprochen wird, führt zu einer Benachteiligung in diesem Sinne. § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 BetrVG stellen in gleicher Weise auf betriebliche oder persönliche bzw. in der Person liegende Gründe ab. Es ist daher davon auszugehen, daß der Widerspruchstatbestand der Nr. 4 auch eine Stärkung der kündigungsschutzrechtlichen Position der von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer erreichen will.
Liegt der Versetzung eine Änderungskündigung zugrunde, ist in Anlehnung an § 1 Abs. 3 KSchG auch die Sozialauswahl zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluß vom 30. August 1995 – 1 ABR 11/95 –, aaO, zu II A 4b der Gründe). Es wäre ein Wertungswiderspruch, dem Betriebsrat zwar einerseits das Recht zu geben, bei Beförderungen einzuwenden, daß andere Arbeitnehmer nach sozialen Auswahlkriterien vorrangig hätten berücksichtigt werden müssen (Nr. 3), ihm aber die Berufung auf eben diesen Gesichtspunkt im Rahmen der Nr. 4 zu versagen, soweit es um die Interessenwahrung zugunsten der übergangenen Arbeitnehmer geht. Beide Maßnahmen sind Folgen derselben Betriebsänderung und durch die Erforderlichkeit einer Auswahlentscheidung ursächlich verknüpft.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin wird damit das Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht zu einem “Vehikel verspäteter individualrechtlicher Kündigungsschutzprozesse”. Der Arbeitnehmer, der eine Kündigungsschutzklage unterläßt, gibt damit seinen individualrechtlichen Kündigungsschutz aus der Hand und kann nur noch auf den Erfolg der kollektiven Interessenvertretung hoffen. Er läuft Gefahr, daß der Betriebsrat die tatsächliche Durchführung der Versetzung nach Verhandlungen mit dem Arbeitgeber toleriert. So ist nicht auszuschließen, daß er seine Zustimmung schließlich erteilt, weil sich der Arbeitnehmer selbst nicht zur Wehr gesetzt hat.
c) Nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, daß ein Zustimmungsverweigerungsgrund aus § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG besteht. Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob bei der Besetzung der Schichtabteilungsleiterstellen eine Sozialauswahl vorzunehmen war und diese evtl. zugunsten der Arbeitnehmer K… und S… ausgefallen wäre. Deren Versetzung auf eine Stelle als Schichtteamleiter wäre dann als Benachteiligung anzusehen. Das Landesarbeitsgericht ist offensichtlich davon ausgegangen, daß die neuen Stellen der Schichtabteilungsleiter Beförderungsstellen sind, bei denen keine soziale Rangfolge zu beachten wäre. Die bisher getroffenen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht. Wie der Senat schon in seinem Beschluß vom 30. August 1995 (– 1 ABR 11/95 –, aaO) im Anschluß an die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts erkannt hat, bleiben auch Beförderungsstellen bei der Prüfung von Umsetzungsmöglichkeiten und bei der diesbezüglichen Sozialauswahl nicht uneingeschränkt außer Betracht. Fallen die bisherigen Arbeitsabläufe nicht weg, sondern gestaltet der Arbeitgeber sie lediglich um, so daß auf dem neuen Arbeitsplatz im wesentlichen die gleichen Tätigkeiten wie bisher zu verrichten sind, so kommt es nicht darauf an, ob sie als “Beförderungsstellen” ausgestaltet werden. Steht nur eine geringere Zahl derart umgestalteter Arbeitsplätze zur Verfügung, hat der Arbeitgeber bei ihrer Besetzung unter den bisherigen Arbeitsplatzinhabern eine Sozialauswahl vorzunehmen. Voraussetzung ist allerdings, daß diese für die neue Stelle persönlich und fachlich geeignet sind (BAG Urteil vom 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
Das Landesarbeitsgericht hat keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei den Schichtabteilungsleiterstellen um echte Beförderungsstellen handelt. Für die Beantwortung dieser Frage ist die neue Bezeichnung und Eingruppierung nicht allein maßgeblich. Es kann sich um eine inhaltlich nur unwesentlich aufgewertete Tätigkeit handeln. Entscheidend ist, ob die Schichtabteilungsleiter im wesentlichen die gleichen Aufgaben verrichten wie die bisherigen Schichtleiter bzw. Saalmeister. Der Vortrag der Beteiligten hierzu ist streitig und ohne weitere Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus – aus seiner Sicht konsequent – keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich die Arbeitnehmer K… und S… persönlich und fachlich für die Tätigkeit eines Schichtabteilungsleiters eignen.
Der angefochtene Beschluß ist demnach aufzuheben. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zur anderweiten Anhörung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dieses hat zunächst zu klären, ob es sich bei den Schichtabteilungsleiterstellen um echte Beförderungsstellen oder nur um die geringfügig aufgewertete Tätigkeit der früheren Schichtleiter oder Saalmeister handelt. Im letzteren Fall hätte bei ihrer Besetzung – persönliche und fachliche Eignung der betroffenen Arbeitnehmer K… und S… vorausgesetzt – eine Sozialauswahl durchgeführt werden müssen. Deren Grundsätze wären dann in Anlehnung an § 1 Abs. 3 KSchG auch im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG zu berücksichtigen (vgl. im einzelnen Senatsbeschluß vom 30. August 1995 – 1 ABR 11/95 –, aaO).
II. Die Rechtsbeschwerde ist ferner begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmer K… und S… ersetzt hat. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Umgruppierung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern, wenn sie gegen die angewandte tarifliche Vergütungsordnung verstößt. Das hängt hier davon ab, ob die geplante Umgruppierung der Arbeitnehmer in die Gehaltsgruppe G 7 deren auszuübender Tätigkeit entspricht. Dies kann aber nicht beurteilt werden, solange nicht über die Versetzung entschieden ist. Hat der Betriebsrat seine Zustimmung zur Versetzung zu Recht verweigert, bleibt maßgebend zunächst die bisherige Tätigkeit, die der Gehaltsgruppe G 8 zugeordnet war. Dies wäre anders zu entscheiden, wenn die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats unbegründet sein sollte, K… und S… also rechtswirksam versetzt worden wären. Der Betriebsrat behauptet nämlich nicht, daß die Eingruppierung der neugeschaffenen Tätigkeit eines Schichtteamleiters in die Gehaltsgruppe G 7 unzutreffend sei.
Der Beschluß ist also auch insoweit aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Anhörung und Entscheidung zurückzuverweisen. Ob die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur Umgruppierung berechtigt war, hängt von den gleichen Tatfragen ab wie bei der Zustimmungsverweigerung bezüglich der Versetzung.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, H. Blanke, Gentz
Fundstellen
Haufe-Index 872462 |
NZA 1997, 219 |
SAE 1998, 92 |