Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang und Betriebsstillegung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Pächter kann einen gepachteten Betrieb stillegen (im Anschluß an das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Februar 1987 - 2 AZR 768/85 = DB 1987, 991).
2. Die Verpachtung eines Betriebs zum Zwecke der Stillegung durch den Pächter kann eine dem Verpächter zuzurechnende Betriebsstillegung im Sinne von § 111 Satz 1 BetrVG darstellen.
Normenkette
BetrVG § 112 Abs. 1, § 111 Sätze 1, 2 Nr. 1; BGB § 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
A. Der Betriebsrat will festgestellt wissen, daß die früheren Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft verpflichtet sind, mit ihm einen Sozialplan aus Anlaß der Stillegung eines Betriebs aufzustellen.
Der Antragsteller war der Betriebsrat eines Betriebs der Bauunternehmung B GmbH & Co.. Persönlich haftende Gesellschafterin dieser Kommanditgesellschaft war die Hermann B Verwaltungs GmbH. Die Herren B waren Kommanditisten. Herr Hermann-Peter B war zugleich Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin.
Die Hermann B GmbH & Co. verpachtete am 5. Oktober 1983 ein Grundstück mit Gebäuden, das gesamte bewegliche Anlagevermögen, den Firmennamen und alle sonstigen mit dem Unternehmen verbundenen immateriellen Werte an die in der Gründung befindliche H. B GmbH & Co. KG. Persönlich haftende Gesellschafterin dieser Kommanditgesellschaft war die Be GmbH. Die Pächterin beschäftigte zunächst alle Arbeitnehmer des Betriebs weiter.
Im November 1983 war die Pächterin nicht in der Lage, die Löhne für die Arbeitnehmer zu zahlen. Am 2. Januar 1984 teilten die Vertreter der Pächterin den Arbeitnehmern mit, es solle nicht mehr weitergearbeitet werden, die Löhne könnten nicht mehr gezahlt werden. Am gleichen Tage kündigten alle Kunden der Pächterin die Aufträge, da die Pächterin zu deren Erfüllung nicht mehr in der Lage war. Lediglich das Betonwerk, ein Betriebsteil mit ca. 15 Beschäftigten, arbeitete noch bis Mitte Januar 1984. Bis Ende Januar 1984 wurde lediglich auf den Baustellen weitergearbeitet, die abrechnungsmäßig noch der Verpächterin zugeordnet waren. Für diese Arbeiten zahlte die Verpächterin den Lohn.
Auf Antrag des Geschäftsführers der persönlich haftenden GmbH vom 2. Januar 1984 wurde am 27. Januar 1984 das Konkursverfahren über das Vermögen der H. B GmbH & Co. KG eröffnet. Der Konkursverwalter kündigte auf einer Betriebsversammlung am 30. Januar 1984 allen Arbeitnehmern. Auf einer Gläubigerversammlung am 24. Februar 1984 wurde beschlossen: "Das Geschäft ist und bleibt geschlossen. Dem Konkursverwalter wird zur Veräußerung des Warenlagers im ganzen die erforderliche Genehmigung gemäß § 134 KO erteilt".
Die Verpächterin, die B GmbH & Co., war bereits am 16. Dezember 1983 im Handelsregister gelöscht worden. Die Gesellschafter, die Herren B, und der Konkursverwalter schlossen am 21. März 1984 folgenden Vertrag:
"Der Pachtvertrag vom 05.10.1983 wird zum 29.02.
1984 im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben.
Die Pächterin übergibt zum vorgenannten Termin
den Pachtgegenstand an die Verpächterin. Soweit
sich angepachtete Gegenstände nicht auf dem Be-
triebsgrundstück M ,
befinden, tritt die Pächterin der Verpächterin
die Herausgabeansprüche gegen die unmittelba-
ren Besitzer, z. B. Bauherren, ab. Die evtl.
Rückholung der auf den Baustellen noch befind-
lichen Gerätschaften übernimmt die Verpächte-
rin auf eigene Kosten."
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Gesellschafter B seien für die Betriebsstillegung verantwortlich und daher verpflichtet, mit ihm einen Sozialplan aufzustellen. Die Gesellschafter hätten durch die Vereinbarung vom 21. März 1984 einen lebensfähigen Betrieb durch Rechtsgeschäft zurückerworben und erst dann stillgelegt. Sie hätten jederzeit den Betrieb fortführen können. Es könne auch nicht richtig sein, daß der illiquide Pächter allein verpflichtet sei, einen Sozialplan aufzustellen, während der Verpächter die Pachtgegenstände "unbelastet" zurückerhalte. Der Betriebsrat hat deshalb beantragt
festzustellen, daß die Gesellschafter Her-
mann-Peter und Hans-Jürgen B ver-
pflichtet sind, mit dem Betriebsrat wegen
der Schließung des Betriebs der Bauunter-
nehmung Hermann B GmbH & Co. KG ei-
nen Sozialplan aufzustellen.
Die Gesellschafter B haben beantragt, diesen Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, der Konkursverwalter habe den Betrieb stillgelegt; er habe lediglich einzelne Pachtgegenstände zurückgegeben.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen. Die Gesellschafter B haben als Unternehmer keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG geplant und durchgeführt, die sie zur Aufstellung eines Sozialplans verpflichten könnte (§ 112 Abs. 1 BetrVG).
I. Eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG liegt nicht schon im Abschluß eines Pachtvertrags und Übergabe des Betriebsvermögens an die Pächterin.
1. Durch Abschluß des Pachtvertrags und Übergabe des Betriebsvermögens ist der Betrieb von der damaligen Verpächterin auf die Pächterin übergegangen. Die Pächterin ist in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eingetreten (§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Zu den Rechtsgeschäften, die einen Betriebsübergang bewirken können, gehört auch der Pachtvertrag (BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, 1980, S. 44; Heinze, DB 1980, 205, 208; Kraft, in 25 Jahre BAG, S. 299, 305 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen).
2. Der Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist als solcher keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG. Die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs sind in § 613 a BGB geregelt. Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer ändern sich nicht. Ändert sich nur die rechtliche Zuordnung eines Betriebs zu einem Unternehmen, liegt keine Betriebsänderung vor (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. Urteile vom 4. Dezember 1979 - 1 AZR 843/76 - und 21. Oktober 1980 - 1 AZR 145/79 - AP Nr. 6 und 8 zu § 111 BetrVG 1972).
3. Das könnte nur anders sein, wenn der Verpächter den Betrieb an den Pächter zum Zwecke der Betriebsstillegung verpachtet und übergibt. Dann könnte in der Übergabe zum Zwecke der Stillegung eine Betriebsänderung liegen, die dem Verpächter als Unternehmer im Sinne von § 111 Satz 1 BetrVG zuzurechnen wäre.
Dazu braucht sich der Senat im vorliegenden Fall nicht abschließend zu äußern. Zwar hat der Betriebsrat als möglich angedeutet, daß Verpächter und Pächter zusammengewirkt hätten, um dem Verpächter Lasten aus einem Sozialplan zu ersparen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch festgestellt, daß nach den eigenen Angaben des Betriebsrats Tatsachen hierfür nicht beweisbar sind. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb mit Recht diese Rechtsfrage nicht weiter erörtert.
II. Nach der Aufhebung des Pachtvertrags und der Rückgabe der Grundstücke kam eine Betriebsstillegung nicht mehr in Betracht. Der Konkursverwalter über das Vermögen der Pächterin hatte den Betrieb bereits stillgelegt. Ein bereits stillgelegter Betrieb kann nicht noch einmal nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen Dritten - hier auf die an die Stelle der Verpächterin tretenden Gesellschafter - übergehen und erneut stillgelegt werden.
1. Der Pächter der Vermögensgegenstände, die einen Betrieb ausmachen, kann den von ihm übernommenen Betrieb stillegen, und zwar unabhängig davon, ob er dazu im Verhältnis zum Verpächter vertragsrechtlich befugt ist (BAG Urteil vom 26. Februar 1987 - 2 AZR 768/85 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Das Betriebsverfassungsrecht knüpft nur an den äußeren Tatbestand einer Betriebsänderung an. Es fragt nicht danach, welchen rechtlichen Beschränkungen der Unternehmer im Einzelfall unterworfen war.
2. Die Stillegung eines Betriebs durch den Pächter setzt voraus, daß der Pächter die Stillegungsabsicht unmißverständlich kundgibt, die Betriebstätigkeit vollständig einstellt, allen Arbeitnehmern kündigt, den Pachtvertrag zum nächstmöglichen Termin kündigt und die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert (BAG Urteil vom 26. Februar 1987 - 2 AZR 768/85 -). Das ist einerseits alles, was der Pächter tun kann. Andererseits reichen diese Maßnahmen aus, um von einer Betriebsstillegung im Sinne des § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG sprechen zu können.
Diese Voraussetzungen einer Betriebsstillegung sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfüllt. Die Erklärung des Konkursverwalters vom 30. Januar 1984 enthielt die unmißverständliche Stillegungserklärung. An diesem Tage kündigte der Konkursverwalter allen Arbeitnehmern. Die Gläubigerversammlung stimmte dieser Betriebsstillegung am 24. Februar 1984 zu. Anschließend veräußerte der Konkursverwalter das Warenlager und kündigte den Pachtvertrag zum nächstmöglichen Termin. Damit war jede Betriebstätigkeit erloschen. Am 21. März 1984, als der Pachtvertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben wurde, konnten nur noch einzelne Pachtgegenstände, nicht aber ein Betrieb auf die Gesellschafter der früheren Verpächterin zurückfallen.
3. Danach war der Konkursverwalter verpflichtet, den Betriebsrat über die geplante Betriebsstillegung rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, die geplante Betriebsstillegung mit ihm zu beraten (§ 111 Satz 1 BetrVG), einen Interessenausgleich über diese Betriebsstillegung zu versuchen und zusammen mit dem Betriebsrat einen Sozialplan zum Ausgleich oder zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile aufzustellen (§ 112 Abs. 1 BetrVG). Der Konkursverwalter hatte insoweit alle Pflichten des Unternehmers nach §§ 111 ff. BetrVG zu erfüllen. Er trat an die Stelle der Gemeinschuldnerin (BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 323/83 - AP Nr. 13 zu § 113 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
4. Ein bereits stillgelegter Betrieb kann nicht noch einmal stillgelegt werden. Der Konkursverwalter hatte diese Betriebsänderung bereits durchgeführt. Eigene unternehmerische Entscheidungen und Maßnahmen, die als Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG angesehen werden könnten, haben die Gesellschafter der Verpächterin nicht mehr getroffen. Die Verwertung einzelner an den Verpächter zurückgefallener Pachtgegenstände ist keine Betriebsänderung mehr. Auch darin ist dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen. Die Auffassung des Betriebsrats, im Zeitpunkt der Aufhebung des Pachtvertrags sei noch ein Betrieb vorhanden gewesen, der an die Gesellschafter der Verpächterin zurückgefallen sei, trifft danach nicht zu.
5. Nach Auffassung des Betriebsrats muß sich der Verpächter nach Rückgabe des Pachtgegenstands so behandeln lassen, als ob er selbst und nicht der Pächter die Betriebsänderung geplant und durchgeführt habe. Das müsse vor allem in den Fällen gelten, in denen während einer laufenden Liquidation eine übertragungsfähige Betriebseinheit an den Verpächter zurückgegeben werde.
Gerade an dieser Voraussetzung fehlt es aber. Die Gesellschafter der früheren Verpächterin haben keinen Betrieb von der Pächterin zurückerlangt, sondern nur noch einzelne Pachtgegenstände. Sie waren nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht mehr in der Lage, mit den vorhandenen Betriebsmitteln den Betrieb anstelle des Pächters fortzuführen. Auf die weitere Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafter, die einzelne Pachtgegenstände zurückerhalten, mit diesem Vermögen für Sozialplanforderungen haften, kommt es in diesem Verfahren nicht an (zur Haftung im Rahmen des arbeitsrechtlichen Konzernrechts oder des Gesellschaftsrechts vgl. zuletzt Heinze, NZA 1987, 41, 45 mit weiteren Nachweisen).
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Koerner Heisler
Fundstellen
BB 1987, 1603 |
BB 1987, 1603-1604 (LT1-2) |
DB 1987, 1540-1540 (LT1-2) |
NZA 1987, 523-524 (LT1-2) |
RdA 1987, 255 |
ZIP 1987, 1005 |
ZIP 1987, 1005-1006 (LT1-2) |
AP § 111 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 18 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVE Entsch 29 (T) |
AR-Blattei, ES 530.14.5 Nr 29 (T) |
ArbuR 1987, 178-178 (T) |
EzA § 111 BetrVG 1972, Nr 19 (LT1-2) |