Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei technischer Überwachung - Kienzle-Schreiber
Leitsatz (redaktionell)
In der technischen Erhebung von Leistungsdaten, die lediglich eine Aussage über die Leistung einer Gruppe von Arbeitnehmern enthalten, liegt dann eine technische Überwachung der Arbeitnehmer im Sinne von § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG, wenn der von der technischen Einrichtung ausgehende Überwachungsdruck auf die Gruppe auch auf den einzelnen Arbeitnehmer durchschlägt. Das ist der Fall, wenn die Arbeitnehmer in einer überschaubaren Gruppe im Gruppenakkord arbeiten.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 08.02.1984; Aktenzeichen 12 TaBV 92/83) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 06.05.1983; Aktenzeichen 1 BV 2/83) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Anbringung und Anwendung von Kienzle- Schreibern und Zählwerken an Schweißstraßen zusteht.
Der Arbeitgeber ist ein Großunternehmen der Automobilindustrie. Der Antragsteller ist der im Betrieb Bochum gebildete Betriebsrat.
Im Werk Bochum werden auf sogenannten Schweißstraßen Autoteile, etwa Türen oder Motorhauben, gefertigt. Das geschieht in der Weise, daß mehrere Arbeitnehmer die vorgeformten Einzelteile zusammenfügen und auf die Schweißstraße geben (sogenannte Arbeitnehmer in der Produktion), auf der sie dann in Schweißvorrichtungen automatisch zusammengeschweißt werden. Am Ende der Schweißstraße kontrollieren Arbeitnehmer (Inspektoren) die geschweißten Teile. An der Schweißstraße für Türen sind insgesamt sechs Arbeitnehmer in der Produktion und zwei Inspektoren beschäftigt, an der Schweißstraße für Hauben drei Arbeitnehmer in der Produktion und ein Inspektor.
Die Schweißstraßen bleiben stehen, wenn sie entweder nicht mehr von den Arbeitnehmern mit Teilen versorgt werden oder wenn ein technischer Defekt eintritt. Außerdem können die Anlagen durch Betätigung einer Schaltung stillgesetzt werden. Das erfolgt in der Regel z.B. bei Pausen durch Mitarbeiter der Instandhaltung. In Notfällen kann jeder Arbeitnehmer die Anlagen durch Betätigung der Schaltung stillsetzen.
Der Arbeitgeber hat an den Schweißstraßen sogenannte Kienzle-Schreiber installiert. Diese zeichnen auf einem Schaubild die auf jeder Schweißstraße produzierten Stückzahlen und die dazu aufgewandte Zeit sowie Zeiten des Stillstandes auf. Es sind jeweils 100 Stück gefertigt, wenn die aufgezeichnete Kurve den Scheitelpunkt oder Tiefstpunkt erreicht. Steht die Anlage, so erscheint auf dem Schaubild ein waagerechter Strich, dessen Länge die Dauer des Stillstands angibt. Das Schaubild wird nur mit der Kennzeichnung der Schweißstraße und in der Datumspalte manuell ausgefüllt. Weitere Eintragungen erfolgen nicht.
An den Türenstraßen 1 und 2 und an den Haubenstraßen Ascona/Manta und Kadett sind außerdem Zählwerke angebracht. Diese sind mit dem jeweiligen Meisterpult, der Reparaturstelle der Instandhaltung, dem Büro des Betriebsleiters und des Obermeisters der Produktionsvorbereitung Karosserie/Schweißmaschinenbau verbunden. An diesen Stellen kann jeweils, ähnlich wie auf einem Kilometerzähler in einem Pkw, die Zahl der auf jeder Straße gefertigten Stücke abgelesen werden. Die Zählwerke werden vor jeder Schicht auf 0 gestellt. Sie zeichnen die Anzahl der gefertigten Stücke auf und bleiben bei Produktionsunterbrechungen automatisch stehen, d.h. das Zahlenbild verändert sich nicht. Das Vorrücken um eine Zahl im Zählwerk wird ausgelöst durch einen Impuls, der in der Regel durch die Fertigung eines Stückes ausgelöst wird. Er kann aber auch durch andere Ereignisse, z.B. im Zusammenhang mit Reparaturen, ausgelöst werden. Der Anschluß des Zählwerkes befindet sich jeweils an der letzten Schweißvorrichtung einer Schweißstraße. Der jeweilige Meister hat stündlich auf den Zählwerken die Zahl der gefertigten Stücke abzulesen, diese Zahl auf einem Formular zu notieren und dieses Formular an den Hauptbetriebsleiter bzw. Produktionsleiter weiterzugeben.
In der Reparaturstelle der Instandhaltung und im Büro des Betriebsleiters bzw. Obermeisters leuchtet außerdem eine rote Lampe auf, wenn die Zählwerke und damit die Schweißstraße eine bestimmte Zeit stehen; nach dem Vorbringen des Betriebsrats schon nach drei Minuten, nach dem Vorbringen des Arbeitgebers erst nach etwa 20 Minuten.
Die Arbeiter an den Schweißstraßen arbeiten im Gruppenakkord. Die Taktzeit, innerhalb derer ein bestimmtes Stück gefertigt werden kann, ist vorgegeben. Diese Taktzeiten sind für die einzelnen Stücke unterschiedlich lang. Sie können wegen des vorgegebenen Laufes der Schweißstraße niemals unterschritten, sondern nur infolge Stillstandes aus den verschiedensten Gründen überschritten werden. Die Vorgabezeit je Stück für die Berechnung des Akkordlohns enthält eine sachliche Verteilzeit, mit der u.a. erfahrungsgemäß immer wieder auftretende kleinere Störungen und Unterbrechungen, wie das Wechseln von Elektroden u.ä. abgegolten werden. Bei größeren Unterbrechungen, etwa durch Materialmangel oder Reparatur der Anlage, erhalten die Arbeitnehmer eine sogenannte Sondergutschrift von der jeweils zuständigen Abteilung.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, ihm stehe hinsichtlich der Anbringung und Anwendung der Kienzle-Schreiber und Zählwerke ein Mitbestimmungsrecht zu. Diese Geräte seien unmittelbar zur Kontrolle der Leistung und des Verhaltens der an den Schweißstraßen beschäftigten Arbeitnehmer geeignet. Sie ließen nicht nur Rückschlüsse auf den Produktionsablauf zu, sondern versetzten den Meister in die Lage, von seinem Pult ohne Sichtverbindung zu den Schweißstraßen festzustellen, ob und in welchem Umfang gearbeitet werde.
Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht beantragt
festzustellen, daß ihm bei der Anbringung
und Betätigung von Kienzle-Schreibern und
Zählwerken - an den genannten Straßen -
mit direkter Verbindung zum Meisterpult,
zur Reparaturstelle, zum Betriebsleiter
und Obermeister ... ein Mitbestimmungs-
recht zusteht.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sowohl die Kienzle-Schreiber als auch die Zählwerke seien erforderlich, um eine ständige Aktualisierung des Planungsablaufs zu ermöglichen, damit der Produktionsvorgang in der Fertigung betriebswirtschaftlich optimal gesteuert werden könne. Daß der Stand der Zählwerke vom Meister an seinem Pult und nicht an den einzelnen Schweißstraßen abgelesen werde, diene lediglich der Arbeitserleichterung.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat der Arbeitgeber Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Der Betriebsrat hat bei der Anbringung und Anwendung der Kienzle- Schreiber und Zählwerke mitzubestimmen.
I. Der Antrag ist zulässig. Er umschreibt ausreichend bestimmt diejenige Maßnahme des Arbeitgebers, für die der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht geltend macht. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse ist gegeben. Daß die Geräte bereits installiert sind, steht dem nicht entgegen. Bei ihrer weiteren Anwendung kann der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht noch ausüben.
II. Der Antrag ist begründet.
1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Eine technische Einrichtung ist nach der Bildschirmentscheidung des Senats vom 6. Dezember 1983 (BAG 44, 285 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung) dann zur Überwachung von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer im Sinne der genannten Vorschrift bestimmt, wenn sie aufgrund vorhandener Programme Verhaltens- und Leistungsdaten ermittelt und aufzeichnet, die bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden können, unabhängig davon, zu welchem Zweck diese Daten erfaßt werden. Nur diese Art der technischen Einrichtung kommt vorliegend in Betracht. Technische Einrichtungen, die durch Verarbeitung von Verhaltens- und Leistungsdaten zu Aussagen über Verhalten und Leistung Arbeitnehmer überwachen (Technikerberichtssystem-Entscheidung vom 14. September 1984, BAG 46, 367 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung), sind die Zählwerke und Kienzle-Schreiber nicht.
2. Die Z ä h l w e r k e sind technische Einrichtungen. Sie ermitteln Daten. Daß sie dies nicht aufgrund eines "Programms", das bei technischen Einrichtungen der Datenerhebungs- und Datenverarbeitungstechnologie deren Arbeitsweise bestimmt, tun, ist unerheblich. Sie erheben die Daten aufgrund ihrer technischen Konstruktion. Diese geht gerade und ausschließlich dahin, daß das Zählwerk Daten erhebt.
Das Zählwerk erhebt das Datum "Zahl der gefertigten Stücke". Dieses Datum liefert zunächst nur eine Information darüber, wieviel Stücke auf der jeweiligen Schweißstraße gefertigt worden sind. Da an dieser Schweißstraße jedoch Arbeitnehmer arbeiten, ohne deren Arbeitsleistung die Schweißstraße keine Stücke fertigen kann, besagt dieses Datum gleichzeitig, daß die an der Schweißstraße beschäftigten Arbeitnehmer diese Zahl von Einzelstücken gefertigt haben. Damit ist das Datum "Zahl der gefertigten Stücke" ein Leistungsdatum. Es gibt Auskunft über das "vom Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Arbeitspflicht geleistete Arbeiten" im Sinne der Entscheidung des Senats vom 23. April 1985 (- 1 ABR 2/82 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Daß die Zahl der gefertigten Stücke nicht in Bezug zu einer bestimmten Zeiteinheit gesetzt wird, ist unerheblich, da "Leistung" im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht im naturwissenschaftlich-technischen Sinne als Arbeit pro Zeiteinheit zu verstehen ist (Beschluß des Senats vom 23. April 1985 - 1 ABR 2/82 -).
Gleiches gilt im Grunde auch für die Kienzle-Schreiber. Auch der Kienzle-Schreiber erhebt die Zahl der auf der jeweiligen Schweißstraße gefertigten Stücke. Im Unterschied zum Zählwerk zeichnet er diese Stückzahl auch auf und setzt sie in Bezug zu der seit Beginn der Produktion verstrichenen Zeit. Auf der Diagrammscheibe kann daher ohne Zuhilfenahme etwa einer Uhr abgelesen werden, innerhalb welcher Zeit die Stückzahl gefertigt worden ist. Der Kienzle-Schreiber sagt daher nicht nur, wieviel Stücke gerade im Zeitpunkt des Ablesens gefertigt wurden, sondern gibt die Zahl der gefertigten Stücke für jeden Zeitpunkt seit Beginn der Produktion an. Die vom Kienzle-Schreiber ermittelten und aufgezeichneten Daten über die Fertigung der Einzelstücke auf den Schweißstraßen sind damit umfangreicher und aussagekräftiger als der jeweilige Zählerstand auf dem Zählwerk. Unabhängig davon handelt es sich bei diesen Daten ebenso wie bei dem Zählwerk um Leistungsdaten. Der Unterschied liegt allein darin, daß das Zählwerk jeweils nur ein Leistungsdatum ermittelt und sichtbar macht, der Kienzle-Schreiber hingegen eine kontinuierliche Folge dieser Leistungsdaten. An der Qualifikation der Daten als Leistungsdaten mit dem Inhalt, die an der Schweißstraße beschäftigten Arbeitnehmer haben diese Stückzahlen gefertigt, ändert sich dadurch nichts.
3. Die technische Erhebung von Leistungsdaten stellt nach der Bildschirm-Entscheidung des Senats nur dann ein Überwachen durch eine technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar, wenn das Verhaltens- oder Leistungsdatum auch einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden kann, der einzelne Arbeitnehmer also identifizierbar ist. Das Erfassen der Leistung oder des Verhaltens einer ganzen Abteilung oder Gruppe reicht nicht aus. Der Senat hat dabei offengelassen, ob davon eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn erfaßte Verhaltens- und Leistungsdaten einer Gruppe von Arbeitnehmern zugeordnet werden kann, die als Gruppe auch für eine bestimmte Leistung oder ein bestimmtes Verhalten gemeinschaftlich verantwortlich ist. Diese Frage ist zu bejahen.
a) Das Leistungsdatum "Zahl der gefertigten Stücke" kann nur einer Gruppe von Arbeitnehmern zugeordnet werden, nämlich den an der jeweiligen Schweißstraße beschäftigten Arbeitnehmern, deren Person aufgrund der jeweiligen Schichtpläne feststeht, die damit individualisierbar sind. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob die gefertigte Stückzahl lediglich den Arbeitnehmern in der Produktion oder auch den Inspektoren zugeordnet werden kann. Welche Arbeitnehmer in den Gruppenakkord mit einbezogen sind, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall kann die Information "Zahl der gefertigten Stücke" allen Arbeitnehmern in der Produktion, also denen, die die Teile in die Schweißstraße einlegen, zugeordnet werden, da nur die Zahl von Stücken produziert werden kann, für die diese Arbeitnehmer Teile in die Schweißstraße eingelegt haben.
Für die Zahl der gefertigten Stücke ist die Gruppe der Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit verantwortlich. Sie verantwortet als Gruppe das Arbeitsergebnis mit dem Entgelt. Eine Mehr- oder Minderleistung wirkt sich unmittelbar auf das Entgelt aus, unabhängig davon, daß dieses nicht nur von der gefertigten Stückzahl, sondern auch von den zusätzlich erteilten Sondergutschriften abhängig ist. Allerdings haftet die Gruppe als Gesamtschuldner weder für die Fertigung einer bestimmten Stückzahl noch dafür, daß jedes Gruppenmitglied seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung auch unter zumutbarer Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten erbringt. Die vertragswidrige Schlechtleistung eines Gruppenmitglieds hat nur zur Folge, daß sich das Entgelt aller Gruppenmitglieder entsprechend mindert, im übrigen ist dafür aber dieses Gruppenmitglied allein verantwortlich. Das Arbeitsergebnis einer Gruppe besagt daher nichts darüber, ob das einzelne Gruppenmitglied vertragsgemäß gearbeitet hat. Nicht einmal dann, wenn das Arbeitsergebnis der Gruppe einem vorgegebenen Soll entspricht, ist damit gesagt, daß alle Gruppenmitglieder vertragsgemäß gearbeitet haben; die Schlechtleistung eines Gruppenmitglieds kann durch die Mehrleistung eines anderen ausgeglichen worden sein. Bleibt das Gruppenergebnis hinter dem vorgegebenen Soll zurück, folgt daraus allein, daß nicht von allen Gruppenmitgliedern vertragsgemäß gearbeitet worden ist, nicht aber läßt sich daraus herleiten, welches Gruppenmitglied oder welche Gruppenmitglieder nicht vertragsgemäß gearbeitet haben.
b) Die zur Haftung der Gruppenmitglieder angestellten Erwägungen schließen nicht aus, daß die Arbeitnehmer der Akkordgruppe durch eine technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG überwacht werden.
Der Senat hat die Mitbestimmungspflichtigkeit der technischen Erhebung von Verhaltens- und Leistungsdaten damit begründet, daß die Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über die Leistung und das Verhalten der Arbeitnehmer durch technische Einrichtungen die Gefahr in sich birgt, daß in Persönlichkeitsbereiche des Arbeitnehmers eingedrungen wird, die einer nicht technischen Überwachung nicht zugänglich sind, und daß der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann. Das Wissen um eine derartige Überwachung von Verhalten und Leistung erzeugt einen Anpassungsdruck, der zu erhöhter Abhängigkeit des Arbeitnehmers führen und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern kann. Die Objektstellung des Arbeitnehmers und dessen Behinderung in der Entfaltung seiner Persönlichkeit stellen sich als mögliche Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht dar (Beschluß des Senats vom 14. September 1984, aa0).
Der somit von einer technischen Einrichtung zur Erhebung von Verhaltens- und Leistungsdaten ausgehende Überwachungsdruck lastet zunächst nur auf der Gruppe von Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit, wenn die technische Einrichtung lediglich auf die Gruppe bezogene Leistungs- und Verhaltensdaten erhebt. In einer solchen Arbeitnehmergruppe können jedoch Gruppenzwänge bestehen, die den Arbeitnehmer bestimmen, sein eigenes Verhalten am Verhalten der Gruppe auszurichten. Solche Gruppenzwänge bestehen jedenfalls innerhalb kleiner und überschaubarer Akkordgruppen, wie sie hier an den Schweißstraßen arbeiten. Sie beruhen einmal darauf, daß sich die Leistung jedes einzelnen Gruppenmitglieds im Arbeitsentgelt niederschlägt. Sie haben ihre Grundlage aber auch darin, daß eine solche Gruppe nach dem Gruppenergebnis beurteilt, mit anderen Gruppen verglichen und letztlich für das Gruppenergebnis doch "verantwortlich" gemacht werden kann.
Der Umstand, daß diese Gruppenzwänge unabhängig davon bestehen, ob Verhalten oder Leistung der Gruppe technisch überwacht werden, ist dabei ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein, daß diese bestehen. Zwar dient dem Schutz der Arbeitnehmer vor den Gefahren einer Leistungsentlohnung und den zusätzlichen Gefahren eines Gruppenakkords schon das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG. Führt dieses Mitbestimmungsrecht dazu, daß nicht im Gruppenakkord gearbeitet wird, mag in der technischen Erhebung der Zahl der an einer Schweißstraße gefertigten Stücke keine technische Überwachung mehr liegen. Wird aber - aus welchen Gründen auch immer - im Gruppenakkord gearbeitet, können die daraus sich ergebenden Gruppenzwänge in ihren Auswirkungen auf die technische Überwachung der Akkordgruppe nicht unberücksichtigt bleiben.
Bestimmt damit der von einer technischen Überwachungseinrichtung ausgehende Überwachungsdruck das Verhalten der Gruppe, so wird dieser durch die in der Gruppe bestehenden Gruppenzwänge auf den einzelnen Arbeitnehmer übertragen. Auch er steht damit unter dem Überwachungsdruck, der von der technischen Einrichtung ausgeht. Auch er kann damit in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit behindert werden.
Das rechtfertigt es, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch bei technischen Einrichtungen zu bejahen, die lediglich auf eine solche Akkordgruppe bezogene Leistungsdaten erheben (so auch Schwarz, Arbeitnehmerüberwachung und Mitbestimmung, 1982, S. 102 ff.; Jobs, Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei Personalinformationssystemen und Bildschirmarbeitsplätzen, DB 1983, 2307, 2310).
c) Dem steht nicht entgegen, daß der von der technischen Erhebung des Datums "Zahl der gefertigten Stücke" ausgehende Überwachungsdruck auf die Akkordgruppe und damit auf den einzelnen Arbeitnehmer möglicherweise gering oder gar unbedeutend ist, zumal dieses Datum dem Arbeitgeber schon zur Abrechnung des Akkordlohns ohnehin bekannt werden muß. Die mehr oder weniger große Gefahr, daß durch die technische Erhebung von Verhaltens- und Leistungsdaten in den Persönlichkeitsbereich des Arbeitnehmers eingedrungen oder die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit behindert wird, ist erst bei der Ausgestaltung der mitbestimmten Regelung über die Anwendung der technischen Einrichtung zu berücksichtigen. Sie ist gegen das Interesse des Arbeitgebers an diesen Daten und gerade dieser Art der Datenerhebung abzuwägen. Diese Interessenabwägung kann dazu führen, daß eine solche Datenerhebung auch ohne Einschränkung und zusätzliche Sicherung vor weiteren Verwendungen zugelassen wird. Das zu entscheiden ist Aufgabe der Betriebspartner und notfalls der Einigungsstelle. Ein solches mögliches Ergebnis schließt aber ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht von vornherein aus. Dieses besteht vielmehr immer dann, wenn Verhaltens- und/oder Leistungsdaten der Arbeitnehmer durch technische Einrichtungen erhoben werden und dadurch in Persönlichkeitsbereiche des Arbeitnehmers eingedrungen und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit behindert werden kann.
4. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anbringung und Anwendung der Kienzle-Schreiber und Zählwerke an den Schweißstraßen ist damit schon deswegen zu bejahen, weil diese Geräte das Leistungsdatum "Zahl der - von der Gruppe - gefertigten Stücke" erheben. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob in der Erhebung der Stillstandszeiten auch die Erhebung des Datums "die Arbeitnehmer arbeiten nicht" zu sehen ist, und ob es sich bei diesem Datum um ein Verhaltens- oder Leistungsdatum handelt, was zweifelhaft ist, weil das Nichtarbeiten auch auf technischen Störungen in den Schweißstraßen beruhen kann.
Damit war die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Dr. Rust Dr. Hoffmann
Fundstellen
BAGE 51, 143-151 (LT) |
BAGE, 143 |
BB 1986, 1154-1156 (LT1) |
DB 1986, 1178-1179 (LT1) |
NJW 1986, 2069 |
NJW 1986, 2069-2070 (LT1) |
ARST 1987, 83-85 (LT1) |
NZA 1986, 188 |
NZA 1986, 488-490 (LT1) |
RdA 1986, 271 |
SAE 1986, 253-255 (LT1) |
AP § 87 BetrVG 1972 Überwachung (LT1), Nr 13 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVB1 Entsch 1 (LT1) |
AR-Blattei, ES 530.14.2.1 Nr 1 (LT1) |
ArbuR 1986, 283-285 (LT1) |
EzA § 87 BetrVG 1972 Kontrolle, nrichtung Nr 14 (LT1) |
Hexel 1986 1986, 218 |