Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Leiharbeit
Leitsatz (redaktionell)
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet, wenn Leiharbeitnehmer Vergütungsansprüche gegenüber dem Entleiher und nicht gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 26.10.2017; Aktenzeichen 2 Ta 170/17) |
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 07.02.2017; Aktenzeichen 2 Ca 2792/16) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Oktober 2017 – 2 Ta 170/17 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.395,86 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Prämie und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Der Kläger war bis zum 30. September 2014 bei der c GmbH (im Folgenden Verleiherin) aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 10. Januar 2014 als Pharmareferent beschäftigt. Die Verleiherin überließ den Kläger zur Arbeitsleistung an die Beklagte. Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Verleiherin enthält in § 5 Ziff. 5 folgende Regelung:
„Soweit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung der Kunde einen Bonus für den Arbeitnehmer auslobt und gegenüber dem Arbeitgeber zur Auszahlung bringt, wird der Arbeitgeber diesen ordnungsgemäß abrechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Betrag an den Arbeitnehmer auszahlen. Ein darüber hinausgehender Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aus Bonuszusagen eines Kunden besteht nicht. Der Arbeitgeber hat keinen Einfluss auf die Gewährung derartiger Boni durch den Kunden.”
Bei der Beklagten bestand eine Prämienvereinbarung nach Maßgabe des Prämienplans 2013 bis 2014, welcher Tertialprämien vorsieht. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Prämien für zwei Tertiale.
Der Kläger hat hierzu vorgetragen, es hätten auch seine Teammitglieder, welche teilweise bei der Beklagten beschäftigt und teilweise ebenfalls Leiharbeitnehmer gewesen seien, diese Prämien erhalten. Die zwischen der Verleiherin und der Beklagten geschlossene Arbeitnehmerüberlassungsvereinbarung begründe einen Anspruch aus § 328 BGB gegen die Beklagte, der auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz „equal pay”) folge.
Das Arbeitsgericht Bielefeld hat durch Beschluss vom 7. Februar 2017 (– 2 Ca 2792/16 –) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht München verwiesen. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des Klägers hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 21. März 2017 nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist. Es handelt sich vorliegend nicht um eine Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und seiner Arbeitgeberin.
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. d ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt vor. Der Kläger ist auch Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 ArbGG. Für den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des im Arbeitsvertrag mit der Verleiherin vereinbarten Bonus ist die Beklagte allerdings nicht Arbeitgeberin iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.
2. Für den Begriff des Arbeitgebers gibt es keine gesetzliche Definition.
Er lässt sich mittelbar aber aus dem Begriff des Arbeitnehmers ableiten. Arbeitgeber ist danach derjenige, der mindestens einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 5 ArbGG beschäftigt (BAG 1. August 2017 – 9 AZB 45/17 – Rn. 12). Bei einer legalen Arbeitnehmerüberlassung ist der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Mit diesem schließt der Leiharbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag. Mit dem Entleiher besteht bei einer Tätigkeit im Rahmen legaler Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis. Ein solches galt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF nur dann zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam war (vgl. BAG 15. März 2011 – 10 AZB 49/10 – Rn. 8, BAGE 137, 215). Hierauf beruft sich der Kläger nicht.
3. Die Arbeitgeberstellung der Beklagten folgt auch nicht aus der bei der Arbeitnehmerüberlassung gespaltenen Arbeitgeberstellung.
a) § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG begründet eine umfassende Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für individualrechtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 23. Februar 1979 – 1 AZR 172/78 – zu I der Gründe, BAGE 31, 318). Ziel des ArbGG ist es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen zu erfassen (BAG 25. November 2014 – 10 AZB 52/14 – Rn. 8).
b) Der Leiharbeitnehmer wird in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert. Dieser übt das Direktionsrecht aus und entscheidet über die Zuweisung des konkreten Arbeitsplatzes und die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung. Der Leiharbeitnehmer ist verpflichtet, die ihm aus dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher obliegende Arbeitspflicht gegenüber dem Entleiher zu erfüllen. Tatsächlich entstehen somit auch zum Entleiher rechtliche Beziehungen mit arbeitsrechtlichem Charakter. Werden dem Entleiher wesentliche Arbeitgeberfunktionen vom Verleiher übertragen, so muss dieser gespaltenen Arbeitgeberstellung bei der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen Rechnung getragen werden. Ergeben sich bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher aus dem Leiharbeitsverhältnis, ist nach Sinn und Zweck der Zuständigkeitsnorm des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. So kann der Leiharbeitnehmer nach § 13 AÜG von seinem Entleiher Auskunft über die im Betrieb des Entleihers geltenden Arbeitsbedingungen verlangen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 AÜG kann er gegenüber dem Entleiher die dort aufgeführten Rechte aus dem BetrVG geltend machen. Gemäß § 7 Satz 2 BetrVG sind Leiharbeitnehmer bei einem Einsatz von mehr als drei Monaten im Betrieb des Entleihers wahlberechtigt. Soweit der Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung gemäß den §§ 6 ff. AGG in Rede steht, gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AGG auch der Entleiher als Arbeitgeber. Ebenso sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG zuständig bei unerlaubten Handlungen zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, soweit sie mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen (BAG 15. März 2011 – 10 AZB 49/10 – Rn. 9 ff., BAGE 137, 215).
4. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus der Regelung in § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags mit der Verleiherin keine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass diese Bonusregelung auch für die streitgegenständliche Prämie gilt.
§ 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags begründet kein Arbeitsverhältnis und deshalb auch keinen Anspruch auf Arbeitsvergütung gegenüber der Beklagten. Diese war am Arbeitsvertrag nicht beteiligt. Der Anspruch steht auch nicht im Zusammenhang mit der bei der Arbeitnehmerüberlassung gespaltenen Arbeitgeberstellung. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen zwischen dem Verleiher und seinen Arbeitnehmern begründen regelmäßig ausschließlich zwischen diesen Rechte und Pflichten.
5. Es liegt auch kein Sic-non-Fall vor.
a) In den sog. Sic-non-Fällen kann der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden, deren Prüfung gemäß § 2 ArbGG in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt. Dann sind die für die Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen gleichzeitig Voraussetzung für die Begründetheit der Klage (doppelrelevante Tatsachen bei einer einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage). Der Klageerfolg hängt dann auch von den Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtswegs entscheidend sind (BAG 17. Februar 2003 – 5 AZB 37/02 – zu II 2 der Gründe, BAGE 105, 1).
b) Soweit sich der Kläger auf eine Verpflichtung der Beklagten aus § 328 BGB beruft, trägt er insoweit schon keine nachvollziehbaren Tatsachen vor. Dabei kann dahinstehen, ob § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags eine arbeitsvertragliche Pflicht der Beklagten begründen würde und könnte. Der Arbeitsvertrag wurde jedenfalls nur zwischen dem Kläger und der Verleiherin ohne Beteiligung der Beklagten geschlossen.
c) Aus den gleichen Gründen beruft sich der Kläger bezüglich des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ohne Erfolg auf den Grundsatz des „equal pay”.
6. Damit ist gemäß § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Brühler, Suckow, Krasshöfer
Fundstellen
Haufe-Index 11751267 |
AA 2018, 159 |
ArbR 2018, 323 |
RdW 2018, 601 |
SPA 2018, 131 |