Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Ausgleich für Nachtarbeit. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ausgleich für Nachtarbeit. Fehlen einer Sachverhaltsdarstellung im Beschluss des Landesarbeitsgerichts
Leitsatz (amtlich)
- Enthält im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der Beschluss des Landesarbeitsgerichts keine Sachverhaltsfeststellungen, so führt dies regelmäßig zu seiner Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache. Eine Ausnahme gilt, wenn für das Bundesarbeitsgericht der Streitstoff, über den das Landesarbeitsgericht entschieden hat, zuverlässig feststellbar ist.
- Der Betriebsrat hat bei der Ausgestaltung des vom Arbeitgeber gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG geschuldeten Ausgleichs für Nachtarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht entfällt nur dann, wenn der Tarifvertrag eine abschließende Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG enthält.
- Eine tarifliche Regelung, die sich darin erschöpft, den Anspruch auf Nachtarbeitszuschlag auszuschließen, ist keine Ausgleichsregelung iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG. In diesem Fall reduziert sich die gesetzlich eröffnete Wahlmöglichkeit auf die Gewährung von Freizeitausgleich. Bei dessen Ausgestaltung hat der Betriebsrat mitzubestimmen.
Orientierungssatz
- Enthält im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der verfahrensbeendende Beschluss des Landesarbeitsgerichts keinen Sachverhalt, ist seine Aufhebung und die Zurückverweisung der Sache unabhängig davon, ob die Verfahrensweise des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft war, regelmäßig schon deshalb erforderlich, weil dem Bundesarbeitsgericht eine rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht möglich ist.
- Eine Ausnahme gilt, wenn für das Bundesarbeitsgericht der Streitstoff, über den das Landesarbeitsgericht entschieden hat, auf andere Weise zuverlässig feststellbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn er sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt oder wenn die Beteiligten den vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalt übereinstimmend für zutreffend erklären und sich im zweiten Rechtszug an ihrem tatsächlichen Vorbringen nichts geändert hat.
- § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des vom Arbeitgeber geschuldeten Ausgleichs für Nachtarbeit grundsätzlich den Tarifvertragsparteien. Diese können eine Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG ausdrücklich oder stillschweigend treffen.
- Um den gesetzlichen Ausgleichsanspruch zu suspendieren, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen darstellen. Eine Regelung, die – wie § 4 Nr. 2.1 des Manteltarifvertrags für die Markengastronomie Bereich: Westdeutschland vom 7. Juli 2000 – lediglich bestimmt, dass ein Nachtarbeitszuschlag nicht zu zahlen ist, stellt keine Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar. In einem solchen Fall reduziert sich die nach § 6 Abs. 5 ArbZG dem Arbeitgeber eröffnete – mitbestimmungspflichtige – Wahlmöglichkeit auf die Alternative des Freizeitausgleichs.
- Bei der Ausgestaltung des vom Arbeitgeber geschuldeten Freizeitausgleichs hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auch auf eine Regelung, nach der sich ein Freizeitausgleichsanspruch in einen Entgeltanspruch umwandelt, wenn aus betrieblichen Gründen die Gewährung von Freizeitausgleich innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht möglich ist.
Normenkette
ArbZG § 6 Abs. 5, § 7; BetrVG § 77 Abs. 3 S. 1, § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz, Abs. 1 Nrn. 2, 7; ArbGG § 69 Abs. 1 S. 2, Abs. 2-3, § 73 Abs. 1 S. 1, § 91 Abs. 1 S. 2, § 93 Abs. 1 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1, § 545 Abs. 1, §§ 546, 547 Nr. 6, § 559; ZPO a.F. § 543
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juli 2003 – 8 TaBV 2/03 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs über den Ausgleich für Nachtarbeit.
Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Autohöfe. Für den Autohof in W… ist ein Betriebsrat gebildet. Die dort beschäftigten ca. 40 Arbeitnehmer werden in einem umlaufenden Schichtdienst eingesetzt. Die Arbeitgeberin ist seit dem 1. Januar 2001 Mitglied des Bundesverbands der Systemgastronomie e.V. Sie wendet auf die Arbeitsverhältnisse die Vorschriften des Manteltarifvertrages für die Markengastronomie Bereich: Westdeutschland vom 7. Juli 2000 (MTV) an. Der MTV enthält ua. folgende Regelungen:
Ҥ 3
Arbeits- und Ruhezeit
1. Regelmäßige Arbeitszeit
Die Regelarbeitszeit, ausschließlich der Pausen, beträgt für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer/innen täglich 8 Stunden bzw. 40 Stunden wöchentlich bzw. 173 Stunden monatlich. …
…
2. Arbeitszeitausgleich
Für alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer/innen ist jeweils für zwei Beschäftigungsmonate ein bezahlter Ausgleichstag zu gewähren.
…
6. Beginn der Woche
Die Woche beginnt am Montag um 0.00 Uhr und endet am Sonntag um 24.00 Uhr.
§ 4
Zuschlagspflichtige Tätigkeiten
…
2. Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtarbeit-Zuschläge
1. Entsprechend dem besonderen Charakter des Gaststättengewerbes gelten die Sonntage und die Nachtarbeit als zuschlagsfreie Arbeitstage/Arbeitszeit. Davon kann nur einzelvertraglich im Rahmen der jeweils geltenden steuerlichen Bestimmungen abgewichen werden.
Die Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie zusätzliche Freizeit für geleistete Arbeit an Feiertagen richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages …”
Die Arbeitgeberin zahlte ihren Arbeitnehmern für die Nachtarbeit weder einen Zuschlag noch gewährte sie Freizeitausgleich. Eine auf Antrag des Betriebsrats “zur Regelung des Ausgleichs für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG” eingesetzte Einigungsstelle fasste am 19. August 2002 folgenden Beschluss:
“Betriebsvereinbarung
1. Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Nachtarbeitnehmer der Betriebsstätte K… Autohof.
2. Alle Nachtarbeitnehmer erhalten eine angemessene Zahl bezahlter Freizeit oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihnen hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt für während der Nachtzeit geleistete Arbeitsstunden.
3. Vorrang hat der Freizeitausgleich. Er erfolgt innerhalb von 3 Monaten ab Entstehungsmonat. Sollte aus betrieblichen Gründen Freizeitgewährung nicht möglich sein, erfolgt die Ausbezahlung eines entsprechenden Entgeltzuschlags im Folgeabrechnungsgang. § 7 Abs. 4 und 5 der Betriebsvereinbarung vom 25.1.2001 (Arbeitszeiten, Dienstplangestaltung und Mehrarbeit) gelten entsprechend.
4. Der Ausgleich in Freizeit und der Ausgleich sind in Relation zueinander zu bringen (z.B. 25 % Nachtarbeitszuschlag entsprechen 15 Min Freizeitausgleich).
5. Der Nachtarbeitszuschlag wird zu dem Zeitpunkt fällig zu dem üblicherweise auch der Lohn/das Gehalt gezahlt wird. Die geleisteten Nachtarbeitsstunden sind in der Lohn- und Gehaltsabrechnung stundenmäßig aufzuführen.
6. Die Betriebsvereinbarung tritt zum 1.9.2002 in Kraft. Sie ist mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31.12.2003 kündbar. Die Kündigung bedarf der Schriftform.”
Die Arbeitgeberin hat die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs und der Unzuständigkeit der Einigungsstelle für eine Regelung zum Ausgleich von Nachtarbeit begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, einer betrieblichen Regelung stehe bereits § 4 Nr. 2.1 MTV entgegen. Diese Bestimmung sei eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG. Über diese einen Anspruch auf Nachtarbeitszuschlag ausschließende Negativregelung hinaus enthalte der MTV in § 3 Ziff. 2 und 6 auch positive Regelungen über den Ausgleich von Nachtarbeit. Im Übrigen sei bei der Bildung des tariflichen Grundlohns der besondere Charakter des Gaststättengewerbes von den Tarifvertragsparteien berücksichtigt worden. Da der MTV den Ausgleich von Nachtarbeit abschließend regele, gebe es in seinem Anwendungsbereich bei diesem Regelungsgegenstand kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über die Gewährung eines Nachtarbeitszuschlags vom 19. August 2002 rechtsunwirksam ist,
2. festzustellen, dass die Einigungsstelle für eine Ausgleichsregelung für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG nicht zuständig ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, der MTV enthalte weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende tarifliche Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Es hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen und von einer Darstellung des Sachverhalts ausdrücklich abgesehen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihre Anträge weiter. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Spruch der Einigungsstelle ist wirksam. Der Betriebsrat hat bei der Ausgestaltung des Freizeitausgleichs für geleistete Nachtarbeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen.
I. Die Rechtsbeschwerde hat nicht bereits deshalb Erfolg, weil der Beschluss des Landesarbeitsgerichts keine Sachverhaltsdarstellung enthält.
1. Allerdings führt eine zulässige Rechtsbeschwerde regelmäßig zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache, wenn der angefochtene Beschluss keine Sachverhaltsfeststellungen enthält, die dem Bundesarbeitsgericht die rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung ermöglichen. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn der Streitstoff, über den das Landesarbeitsgericht entschieden hat, zuverlässig feststellbar ist.
a) Die fehlende Darstellung eines die rechtsbeschwerderechtliche Prüfung ermöglichenden Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht macht grundsätzlich die Aufhebung seiner Entscheidung und die Zurückverweisung erforderlich.
Dabei ist letztlich nicht maßgeblich, ob das Landesarbeitsgericht zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Entscheidung verfahrensrechtlich zur Darstellung des Sachverhalts verpflichtet war. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist dies allerdings regelmäßig der Fall. Hier findet § 69 Abs. 2 ArbGG, nach dem im Berufungsurteil von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen werden kann, keine Anwendung. § 91 Abs. 2 Satz 2 ArbGG erklärt nur § 69 Abs. 1 Satz 2 ArbGG für entsprechend anwendbar (vgl. ErfK/Eisemann § 91 ArbGG Rn. 1; GK-ArbGG/Dörner Stand März 2005 § 91 Rn. 3; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 91 Rn. 6).
Auch bei Anwendbarkeit des § 69 Abs. 2 ArbGG ergibt sich aber nichts anderes. Das grundsätzliche Erfordernis der Aufhebung und Zurückverweisung folgt beim Fehlen eines vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts nicht aus einer – etwaigen – Rechtsverletzung des Landesarbeitsgerichts iSv. § 93 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 545 Abs. 1 Satz 1, § 546 ZPO. Zwar wurde in der bisherigen Rechtsprechung in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig darauf hingewiesen, es fehle “entgegen den gesetzlichen Bestimmungen” an einem Tatbestand (vgl. zu § 543 ZPO aF BAG 25. April 2002 – 2 AZR 352/01 – AP ZPO 1977 § 543 Nr. 11 = EzA ZPO § 543 Nr. 11, zu I 1 der Gründe; 15. August 2002 – 2 AZR 386/01 – AP ZPO 1977 § 543 Nr. 12 = EzA ZPO § 543 Nr. 12, zu I 2 der Gründe; 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02 – AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 4, zu I der Gründe mwN; vgl. auch BGH 13. August 2003 – XII ZR 303/02 – NJW 2003, 3352). Unabhängig davon, ob die Verfahrensweise des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft war, ist in diesen Fällen die Aufhebung und Zurückverweisung allein deshalb erforderlich, weil es an einem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt fehlt, der dem Bundesarbeitsgericht die rechtsbeschwerderechtliche oder revisionsrechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ermöglichen würde.
Grundlage der rechtsbeschwerderechtlichen Prüfung ist nach der im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zumindest entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 559 ZPO (vgl. GK-ArbGG/Dörner Stand März 2005 § 96 Rn. 8; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 96 Rn. 13) prinzipiell nur der Tatsachenstoff, der sich aus dem Beschwerdebeschluss einschließlich der in ihm enthaltenen wirksamen Bezugnahmen und aus dem Sitzungsprotokoll erschließt (vgl. BGH 13. August 2003 – XII ZR 303/02 – NJW 2003, 3352, zu II 5b der Gründe). Einem Beschwerdebeschluss ohne festgestellten Sachverhalt kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Beschwerdegericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Damit ist dem Rechtsbeschwerdegericht eine rechtsbeschwerderechtliche Prüfung regelmäßig verwehrt (vgl. BAG 25. April 2002 – 2 AZR 352/01 – aaO; 15. August 2002 – 2 AZR 386/01 – aaO; 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02 – aaO). Eine Prüfung der Begründetheit der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich. Dies zwingt auch ohne Feststellung eines Rechtsfehlers des Landesarbeitsgerichts und ohne entsprechende Rüge des Rechtsbeschwerdeführers in der Regel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung. Deshalb stellt sich auch nicht die Frage, inwiefern eine bereits beratene und verkündete Entscheidung auf dem Fehlen eines Tatbestands bei der späteren schriftlichen Abfassung iSv. § 545 Abs. 1 ZPO, § 73 Abs. 1 Satz 1, § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG “beruhen” kann.
b) Von einer Aufhebung und Zurückverweisung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten und deren im Beschwerdeverfahren gestellte Anträge auf andere Weise als durch einen (gesonderten) Tatbestand in der angefochtenen Entscheidung zuverlässig feststellbar sind. Dies kann der Fall sein, wenn sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt (vgl. BAG 25. April 2002 – 2 AZR 352/01 – aaO; 15. August 2002 – 2 AZR 386/01 – aaO; 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02 – aaO mwN). Gleiches gilt nach dem Grundsatz der Prozessökonomie ausnahmsweise dann, wenn die Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren den der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalt übereinstimmend unstreitig stellen und sich die vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge aus dessen Sitzungsprotokoll ergeben. Ein solcher Fall kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Beteiligten den Tatbestand der arbeitsgerichtlichen Entscheidung für zutreffend erklären und sich im zweiten Rechtszug an ihrem tatsächlichen Vorbringen nichts geändert hat.
2. Hiernach war im Streitfall keine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht geboten.
a) Allerdings enthält der Beschluss des Landesarbeitsgerichts keine tatsächlichen Feststellungen, die dem Senat die rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung ermöglichen würden. Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich von einer Darstellung des Sachverhalts abgesehen, weil es davon ausgegangen ist, sein Beschluss unterliege nicht der Rechtsbeschwerde. In dem Absehen von einer Darstellung des Tatbestands liegt keine Bezugnahme auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Beschlusses (vgl. BAG 25. April 2002 – 2 AZR 352/01 – aaO, zu I 2a der Gründe; 15. August 2002 – 2 AZR 386/01 – aaO, zu I 2 der Gründe).
b) Gleichwohl ist dem Senat die rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses möglich. Die Beteiligten haben in der mündlichen Anhörung vor dem Senat nach entsprechender Erörterung übereinstimmend erklärt, der im Beschluss des Arbeitsgerichts festgestellte Sachverhalt treffe zu. Dass sich demgegenüber im zweiten Rechtszug Änderungen oder Ergänzungen ergeben hätten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die im zweiten Rechtszug von den Beteiligten gestellten Anträge ergeben sich aus dem Protokoll über ihre Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht. Damit steht fest, über welchen Streitstoff das Landesarbeitsgericht entschieden hat.
II. Der auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtete Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig. Er ist auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Die Arbeitgeberin möchte festgestellt wissen, dass für sie Rechtspflichten nach Maßgabe des Spruchs der Einigungsstelle nicht wirksam begründet worden sind. Hierfür ist das Feststellungsbegehren die richtige Antragsart. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs zu beantragen und nicht dessen Aufhebung (BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 4/03 – AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 20 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 2, zu B II 1 der Gründe; 24. August 2004 – 1 ABR 23/03 – AP BetrVG 1972 § 112a Nr. 12, zu B II 1 der Gründe). Die Arbeitgeberin hat an der begehrten Feststellung das erforderliche rechtliche Interesse. Für sie ist von gegenwärtiger Bedeutung, ob die in dem Einigungsstellenspruch getroffenen Regelungen gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbare und zwingende Wirkung entfalten.
2. Der Antrag ist unbegründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam. Er verstößt insbesondere nicht gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Dessen Regelungssperre greift schon deshalb nicht ein, weil der Betriebsrat bei der Ausgestaltung des vorliegend von der Arbeitgeberin nach § 6 Abs. 5 ArbZG geschuldeten Freizeitausgleichs gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat. Dieses ist nicht durch § 4 Nr. 2.1 MTV beseitigt. Die tarifliche Bestimmung schließt zwar wirksam eine betriebliche Regelung über einen Nachtarbeitszuschlag aus. Sie steht aber einer Regelung des für die Nachtarbeit zu gewährenden Freizeitausgleichs nicht entgegen. Der angefochtene Spruch der Einigungsstelle regelt, wie die gebotene Auslegung ergibt, ausschließlich den Freizeitausgleich. Seine Bestimmungen überschreiten nicht die Regelungskompetenz der Einigungsstelle.
a) Der Einigungsstellenspruch verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
aa) Nach dieser Bestimmung können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebsparteien ausgehöhlt werden können (BAG 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 8, zu B II 2a der Gründe mwN). Sonstige Arbeitsbedingungen im Sinne der Vorschrift sind alle Regelungen, die Gegenstand der Inhaltsnormen eines Tarifvertrags sein können. Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Gleiches gilt für den Spruch einer Einigungsstelle, der die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts greift die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht ein, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134; 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – aaO mwN). Ein solches Mitbestimmungsrecht setzt allerdings nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG voraus, dass insoweit keine zwingende tarifliche Regelung besteht, an die der Arbeitgeber gebunden ist. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt daher auch im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG dann zur – vollständigen oder partiellen – Unwirksamkeit einer betrieblichen Regelung, wenn dieser eine zwingende tarifliche Regelung entgegensteht. Etwas Anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (BAG 29. Oktober 2002 – 1 AZR 573/01 – BAGE 103, 187, zu I 1a bb der Gründe; 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – aaO).
bb) Hier sind Gegenstand des streitbefangenen Einigungsstellenspruchs Arbeitsbedingungen iSd. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Dessen Sperre ist aber hinsichtlich einer betrieblichen Regelung über einen Freizeitsausgleich beseitigt, weil dem Betriebsrat dabei gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zusteht.
(1) Der Betriebsrat hat bei einer Regelung über den Ausgleich für geleistete Nachtarbeit grundsätzlich mitzubestimmen.
(a) Nach dem Beschluss des Senats vom 26. August 1997 (– 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249) besitzt der Betriebsrat bei der Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob ein Ausgleich für Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG durch bezahlte freie Tage oder durch einen angemessenen Entgeltzuschlag zu gewähren ist, grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht jedenfalls nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
(aa) Für die Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG kommt es nicht darauf an, ob die gesetzliche Rahmenvorschrift, um deren Ausfüllung es geht, unmittelbar oder nur mittelbar dem Gesundheitsschutz dient (vgl. BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 – AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 1, zu B I 2b aa der Gründe mwN). Der in § 6 Abs. 5 ArbZG vorgesehene Ausgleichsanspruch dient zumindest mittelbar dem Gesundheitsschutz, weil er die Nachtarbeit mit Zusatzkosten belastet und so für den Arbeitgeber weniger attraktiv macht (vgl. BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249, zu B II 2b der Gründe).
Der Ausgleichsanspruch und eine der Mitbestimmung zugängliche Wahlmöglichkeit entfällt allerdings, soweit eine tarifliche Ausgleichsregelung besteht. § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen deren größerer Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch (vgl. BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249, zu B II 1a der Gründe). Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu suspendieren, muss die tarifliche Regelung aber eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen darstellen. Dies folgt schon aus dem Wortsinn des Begriffs “Ausgleichsregelung” und entspricht dem Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend geregelt sein (BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – aaO, zu B II 1b der Gründe). Den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann dabei nur dann eine stillschweigende Ausgleichsregelung entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – aaO, zu B II 1b aa der Gründe).
(bb) Hier enthält der MTV, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG.
Die Bestimmungen des MTV stellen entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin keine ausdrückliche tarifliche Ausgleichsregelung dar. Allerdings bestimmt § 4 Nr. 2.1 Satz 1 und 3 MTV, dass die Nachtarbeit als zuschlagsfreie Arbeitszeit gilt und sich ihre Entlohnung ausschließlich nach den Bestimmungen des Tarifvertrags richtet. Damit regelt der MTV jedenfalls die Frage der Vergütung von Nachtarbeit unmissverständlich dahin, dass ein Zuschlag für geleistete Nachtarbeit nicht zu zahlen ist. Darin liegt jedoch keine Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG. Die tarifliche Regelung enthält keinerlei Kompensation für die mit Nachtarbeit verbundenen Erschwernisse und Belastungen. Allein der Ausschluss eines Anspruchs auf Nachtarbeitszuschläge dient erkennbar nicht dem Gesundheitsschutz, wird doch die Nachtarbeit gerade nicht mit Zusatzkosten verbunden und für den Arbeitgeber weniger attraktiv gemacht.
Den weiteren Bestimmungen des MTV kann ein Ausgleich für Nachtarbeit ebenfalls nicht entnommen werden. Insbesondere stellt § 3 Nr. 2 MTV keine Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar. Den darin vorgesehenen bezahlten Ausgleichstag für jeweils zwei Beschäftigungsmonate erhalten alle vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer unabhängig davon, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang sie Nachtarbeit geleistet haben. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin enthält auch § 3 Nr. 6 MTV, nach dem die Woche am Montag um 0.00 Uhr beginnt und am Sonntag um 24.00 Uhr endet, ersichtlich keine Kompensation für die Belastungen durch Nachtarbeit.
Von einer stillschweigenden tariflichen Ausgleichsregelung kann nicht ausgegangen werden. Es gibt keine Umstände, die den Schluss rechtfertigen würden, die Belastungen durch Nachtarbeit seien bereits bei dem tariflichen Grundentgelt berücksichtigt. Der pauschale Hinweis in § 4 Nr. 2.1 Satz 1 MTV auf den “besonderen Charakter des Gaststättengewerbes” genügt hierfür nicht. In Fällen ständiger oder nahezu ausschließlicher Nachtarbeit – etwa bei Nachtwächtern – mag die Annahme gerechtfertigt sein, ein Nachtarbeitszuschlag sei bereits bei der Höhe der tariflichen Grundvergütung berücksichtigt (vgl. BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249, zu B II 1b aa der Gründe). Die Verhältnisse im Gaststättengewerbe sind damit jedoch nicht vergleichbar. Die Tätigkeit der dort beschäftigten Arbeitnehmer findet keineswegs überwiegend oder gar ausschließlich nachts statt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche Beschäftigte in gleichem Umfang zu Nachtarbeit herangezogen werden. Daher wäre auch eine Regelung, die unabhängig von der tatsächlichen Heranziehung zu Nachtarbeit für alle Arbeitnehmer als pauschalen Ausgleich für Nachtarbeit dieselbe Grundvergütung vorsähe, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (vgl. BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – aaO, zu B II 1b aa der Gründe).
(b) Hinsichtlich der Ausgestaltung eines zu gewährenden Freizeitausgleichs folgt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Es geht dabei um die regelungsfähige und regelungsbedürftige Verteilung und Lage der Arbeitszeit.
(c) Wie der Senat bereits im Beschluss vom 26. August 1997 (– 1 ABR 16/97 – aaO) entschieden hat, kann der Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG mitbestimmungsfrei darüber befinden, wie viele bezahlte freie Tage oder in welcher Höhe Entgeltzuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu beanspruchen sein sollen. Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Kompensation ist nicht der betrieblichen Regelung überlassen, sondern eine Rechtsfrage (BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – aaO, zu B II 3 der Gründe; vgl. auch 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – BAGE 102, 309, zu B I 5 der Gründe).
(2) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung eines Freizeitausgleichs scheitert nicht etwa an einer entgegenstehenden tariflichen Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin schließt § 4 Nr. 2.1 MTV eine betriebliche Regelung über einen Freizeitausgleich für Nachtarbeit nicht aus. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist danach zunächst vom Tarifwortlaut. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Von maßgeblicher Bedeutung sind ferner der tarifliche Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung. Ohne Bindung an eine Reihenfolge können die Gerichte für Arbeitssachen weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder auch die praktische Tarifübung heranziehen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. etwa 24. November 1999 – 4 AZR 479/98 – BAGE 93, 26, zu I 4a der Gründe mwN). Eine Auslegung, die zu einem mit höherrangigem Recht unvereinbaren Inhalt einer tariflichen Regelung führt, ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Tarifbestimmungen sind vielmehr möglichst so auszulegen, dass sie nicht in Widerspruch zu zwingendem Gesetzesrecht geraten. Die Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigen Recht in Einklang stehen und damit auch Bestand haben (vgl. 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364, zu B II 1a bb der Gründe mwN; 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249, zu B II 1b aa der Gründe; 31. Juli 2002 – 10 AZR 578/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 3 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 167, zu II 2a bb (4) der Gründe).
(b) Hiernach stehen die Bestimmungen des MTV einer betrieblichen Regelung über Freizeitausgleich für geleistete Nachtarbeit nicht entgegen.
Der MTV regelt in § 4 Nr. 2.1 ausdrücklich nur, dass eine zusätzliche Entlohnung für Nachtarbeit nicht vorgesehen ist. Zur Frage eines bezahlten Freizeitausgleichs verhält er sich nicht. Zwar könnte es sich hierbei um ein “beredtes Schweigen” handeln und der tarifliche Gesamtzusammenhang dafür sprechen, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für Nachtarbeit weder eine zusätzliche Vergütung noch ein bezahlter Freizeitausgleich erfolgen soll. Zwingend ist dies jedoch nicht. Vielmehr lässt der Gesamtzusammenhang ebenso die Auslegung zu, dass die Tarifvertragsparteien zwar die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags vermeiden, nicht aber einen Freizeitausgleich ausschließen wollten.
Für ein solches Verständnis spricht entscheidend der Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung tariflicher Bestimmungen. Wäre die tarifliche Regelung in § 4 Nr. 2.1 MTV dahin zu verstehen, dass nicht nur die Gewährung eines Nachtarbeitszuschlags, sondern auch ein Freizeitausgleich für geleistete Nachtarbeit ausgeschlossen sein soll, verstieße sie gegen höherrangiges Recht. Ein Tarifvertrag kann den Anspruch des Arbeitnehmers nach § 6 Abs. 5 ArbZG auf einen Ausgleich für Nachtarbeit nicht insgesamt beseitigen, ohne selbst eine tarifliche Ausgleichsregelung zu schaffen. § 6 Abs. 5 ArbZG ist zwingendes Gesetzesrecht und steht nur unter dem Vorbehalt einer tariflichen Ausgleichsregelung. Eine ersatzlose Streichung ohne tarifliche Kompensation ist nicht vorgesehen. Insbesondere enthält § 7 ArbZG keine entsprechende Öffnungsklausel. Nach dem MTV fehlt es an einer Ausgleichsregelung. Daher ist § 4 Nr. 2.1 MTV dahin auszulegen, dass der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit nicht ersatzlos beseitigt werden soll, sondern sich lediglich die dem Arbeitgeber grundsätzlich eröffnete – mitbestimmungspflichtige – Wahlmöglichkeit des § 6 Abs. 5 ArbZG (vgl. BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249, zu B II 2 der Gründe; 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – BAGE 102, 309, zu A II 1 der Gründe) auf die Alternative des Freizeitausgleichs reduziert. Andernfalls wäre die tarifliche Regelung unwirksam.
b) Der Einigungsstellenspruch hält sich im Rahmen des dem Betriebsrat zustehenden Mitbestimmungsrechts. Er enthält insbesondere keine § 4 Nr. 2.1 MTV widersprechende Regelung. Ein Widerspruch zu der tariflichen Regelung läge allerdings vor, wenn der Spruch der Einigungsstelle auch die Gewährung eines Nachtarbeitszuschlags vorsähe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der angefochtene Spruch regelt ausschließlich die betriebliche Ausgestaltung des Freizeitausgleichs und – entgegen dem teilweise unpräzisen Wortlaut – nicht etwa die Gewährung eines Entgeltzuschlags.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung von Betriebsvereinbarungen – und damit auch von Beschlüssen der Einigungsstelle – wegen ihrer normativen Wirkung ebenso wie die Auslegung von Tarifverträgen den Regeln über die Auslegung von Gesetzen (vgl. 1. Juli 2003 – 1 ABR 22/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 103 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2a der Gründe; 2. März 2004 – 1 AZR 272/03 –, zu A I 1 der Gründe mwN).
bb) Vorliegend könnte die Wortwahl in dem Spruch der Einigungsstelle zu dem Schluss verleiten, es solle nicht nur die Gewährung eines Freizeitausgleichs, sondern alternativ auch die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags geregelt werden. Immerhin ist in Nr. 2 des Spruchs von einem “angemessenen Zuschlag”, in Nr. 3 von einem “Entgeltzuschlag” und in Nr. 4 und 5 jeweils von einem “Nachtarbeitszuschlag” die Rede. Gleichwohl ergibt sich bei näherer Betrachtung, dass es sich lediglich um unpräzise Formulierungen handelt und der angefochtene Spruch der Sache nach allein den Freizeitausgleich und dessen Schicksal im Falle der betrieblichen Unmöglichkeit seiner Inanspruchnahme regelt. Hierfür sprechen die Systematik der Regelung, ihr Sinn und Zweck sowie der Grundsatz der geltungserhaltenden Auslegung.
Der Einigungsstellenspruch bestimmt in Nr. 3 Satz 1, dass der Freizeitausgleich “Vorrang” habe. Anschließend regelt Nr. 3 Satz 2, dass der Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten ab dem Entstehungsmonat zu erfolgen habe. Für den Fall, dass die Freizeitgewährung aus betrieblichen Gründen nicht möglich sein sollte, sieht Nr. 3 Satz 3 des Spruchs die “Ausbezahlung eines entsprechenden Entgeltzuschlags” vor. Bei diesem “Entgeltzuschlag” handelt es sich deshalb, wie der Zusammenhang zeigt, nicht um einen originären Nachtarbeitszuschlag, sondern um ein Surrogat für den zunächst entstandenen Anspruch auf Freizeitausgleich. Dagegen enthält der Spruch keinerlei Regelung darüber, ob und ggf. wann an Stelle des Anspruchs auf Freizeitausgleich von vorneherein ein Anspruch auf Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags entstehen soll. Eine entsprechende Regelung hätte die Einigungsstelle aber treffen müssen, wenn sie die Wahlmöglichkeit zwischen Freizeitausgleich und Nachtarbeitszuschlag hätte eröffnen wollen. Das Fehlen einer solchen Regelung spricht daher dafür, dass eine Wahl zwischen den beiden gesetzlichen Ausgleichsmöglichkeiten nicht vorgesehen ist. Dementsprechend ist auch die in Nr. 2 des Spruchs enthaltene Passage “oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihnen hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt” im Zusammenhang mit der Nr. 3 des Spruchs zu verstehen. Durch sie soll nicht eine Wahlmöglichkeit eröffnet werden, sondern ist lediglich das sodann in Nr. 3 geregelte Surrogat für den nicht gewährten Freizeitausgleich angesprochen.
Ein solches Verständnis entspricht dem erkennbaren Zweck der Regelung, die mit Nachtarbeit verbundenen Belastungen grundsätzlich durch Freizeitausgleich und nicht durch zusätzliches Entgelt zu kompensieren. Zugleich verhindert diese Auslegung einen partiellen Widerspruch zwischen dem Einigungsstellenspruch und den Regelungen des MTV und entspricht damit dem Grundsatz, Betriebsvereinbarungen nach Möglichkeit geltungserhaltend auszulegen. Würde man demgegenüber den Einigungsstellenspruch dahin verstehen, dass in ihm auch – wenn auch unvollständige – Regelungen über einen Nachtarbeitszuschlag getroffen werden sollten, wären sowohl die Passage in Nr. 2 “oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihnen hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt” als auch Satz 1 der Nr. 5 wegen Verstoßes gegen den MTV unwirksam. Am Ergebnis würde sich freilich nichts ändern. Trotz der Teilunwirksamkeit des Spruchs wären die Regelungen über den Freizeitausgleich als weiterhin sinnvolle und praktikable Bestimmungen aufrechtzuerhalten.
c) Die Einigungsstelle hat ihre Kompetenzen nicht überschritten. Die Regelungen des Spruchs sind durch das dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 zustehende Mitbestimmungsrecht gedeckt. Dies gilt auch für die Bestimmungen in Nr. 3 Satz 3 des Spruchs. Danach wandelt sich der Anspruch auf Freizeitausgleich in einen Anspruch auf einen Entgeltzuschlag um, wenn aus betrieblichen Gründen innerhalb von drei Monaten die Freizeitgewährung nicht möglich ist. Eine solche Regelung dient zumindest mittelbar dem Gesundheitsschutz. Sie soll dazu beitragen, dass der Freizeitausgleich nach Möglichkeit relativ zeitnah erfolgt.
Die Einigungsstelle hat beachtet, dass sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht auf den Umfang des Freizeitausgleichs erstreckt. Sie hat Regelungen zur Angemessenheit des Freizeitausgleichs nicht getroffen.
III. Der auf die Feststellung der Unzuständigkeit der Einigungsstelle gerichtete Antrag der Arbeitgeberin ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Er bedarf allerdings der Auslegung. Seinem Wortlaut nach ist er gerichtet auf die Feststellung, dass die Einigungsstelle für eine Ausgleichsregelung für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG nicht zuständig ist. Die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit einer Einigungsstelle stellt als solche kein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO dar (vgl. BAG 13. Oktober 1987 – 1 ABR 10/86 – BAGE 56, 197, zu B I 6a der Gründe). Anträge, die sich gegen Beschlüsse der Einigungsstelle wenden, mit denen diese ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint, sind nach der Rechtsprechung des Senats jedoch regelmäßig dahin auszulegen, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats festgestellt werden möge (vgl. 10. Dezember 2002 – 1 ABR 27/01 – BAGE 104, 187, zu B II 1a der Gründe). Dementsprechend hat der Senat auch den vorliegenden Antrag dahin verstanden, dass das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrecht betreffend den Ausgleich für geleistete Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG begehrt wird. Bei diesem Verständnis betrifft der Antrag ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.
b) Die Arbeitgeberin hat an der begehrten alsbaldigen Feststellung das erforderliche rechtliche Interesse. Dem steht nicht entgegen, dass das Bestehen des Mitbestimmungsrechts eine entscheidungserhebliche Vorfrage bei der Entscheidung über die mit dem Antrag zu 1) begehrte Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs bildet. Die Arbeitgeberin hat zur endgültigen Beilegung des Streits der Beteiligten ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung, durch die mit Rechtskraft über das Bestehen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats entschieden wird. Eine solche, auch einen künftigen Streit bereinigende Rechtskraft entfaltet die Entscheidung über die Geltung des Spruchs der Einigungsstelle nicht.
2. Der Antrag ist unbegründet. Wie oben näher dargelegt, hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 BetrVG bei der Ausgestaltung des Freizeitausgleichs mitzubestimmen, der den im Betrieb der Arbeitgeberin in W… beschäftigten Arbeitnehmern gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG für geleistete Nachtarbeit zusteht.
Unterschriften
Schmidt, Kreft, Linsenmaier, Münzer, Spoo
Fundstellen
Haufe-Index 1381922 |
BAGE 2006, 272 |
DB 2005, 2030 |
EBE/BAG 2005, 116 |
FA 2005, 282 |
FA 2005, 320 |
NZA 2005, 884 |
SAE 2005, 298 |
AP, 0 |
AuA 2005, 503 |
EzA-SD 2005, 10 |
EzA |
RdW 2005, 576 |
BAGReport 2005, 344 |
sis 2005, 564 |
www.judicialis.de 2005 |