Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzungsbeschluss. materiell-rechtliche Einwendungen
Orientierungssatz
1. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierteren Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen. Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
2. Aus verfahrensökonomischen Gründen können materiell-rechtliche Einwendungen auch im Kostenfestsetzungsverfahren beschieden werden, wenn sie keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen.
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die Auslegung eines nur nach
Normenkette
ZPO § 104
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Beschluss vom 23.03.2015; Aktenzeichen 4 Ta 290/14 (2)) |
ArbG Leipzig (Beschluss vom 07.07.2014; Aktenzeichen 2 Ca 3972/12) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 23. März 2015 – 4 Ta 290/14 (2) – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 949,14 Euro festgesetzt.
Tatbestand
A. Der Kläger des Ausgangsverfahrens wandte sich mit seiner Klage gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die gegen dieses Urteil von der Beklagten eingelegte Berufung wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. März 2014 auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Die Parteien schlossen in einem weiteren Kündigungsrechtsstreit am 17. Juni 2014 einen gerichtlichen Vergleich, der folgende Abgeltungsklausel
enthält:
„Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt. Erledigt ist auch der vorliegende Rechtsstreit.”
Auf Antrag des Klägers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2014 die dem Kläger von der Beklagten zu erstattenden Kosten aus dem Ausgangsverfahren auf 949,14 Euro festgesetzt. Gegen diesen Beschluss wandte sich die Beklagte mit ihrer rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde und erstrebt dessen Aufhebung.
Sie hat geltend gemacht, sie sei aufgrund des gerichtlichen Vergleichs in dem weiteren Kündigungsschutzrechtsstreit der Parteien und der darin enthaltenen Abgeltungsklausel dem Kläger nicht mehr zur Erstattung der Kosten aus dem Ausgangsverfahren verpflichtet.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen, da materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen, weil die Abgeltungsklausel nach ihrem Inhalt dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers nicht entgegenstehe, und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten ist unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Unbegründetheit der sofortigen Beschwerde folgt allerdings bereits daraus, dass materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können und entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts kein diesbezüglicher Ausnahmefall vorliegt.
I. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass materiell-rechtliche Einwendungen, wie die Abgeltungsklausel aus dem späteren Vergleich der Parteien, außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen sind. Denn dieses Verfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses endet, ist eine Umsetzung der zwischen den Parteien ergangenen Kostengrundentscheidung. Es hat allein die Frage zum Gegenstand, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Deshalb ist das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und aus diesem Grund auf den Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und von komplizierteren Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch sind daher grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Diese sind vielmehr vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (vgl. BGH 14. Mai 2014 – XII ZB 539/11 – Rn. 7 mwN; Stein/Jonas/Bork 22. Aufl. § 104 ZPO Rn. 14; MüKoZPO/Schulz 4. Aufl. § 104 Rn. 34).
II. Aus verfahrensökonomischen Gründen kann es allerdings angezeigt sein, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf die – einen ungleich höheren Aufwand erfordernde – Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Das kann etwa der Fall sein, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Solche Einwendungen können deshalb ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (vgl. BGH 14. Mai 2014 – XII ZB 539/11 – Rn. 8 mwN).
III. Ein solcher Ausnahmefall ist hier entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht gegeben.
1. Die Beklagte beruft sich gegen den Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus dem Ausgangsrechtsstreit auf einen Vergleich der Parteien in einem Folgerechtsstreit und dessen nach ihrer Ansicht maßgebliche Auslegung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dieser Vergleich, dessen Auslegung durch die Beklagte der Kläger unter Bezugnahme auf umfangreiche eigene Erwägungen entgegengetreten ist, stellt keine materiell-rechtliche Einwendung dar, die sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lässt und vom Rechtspfleger ohne Schwierigkeiten aus der Akte ermittelt werden kann.
a) Der Wortlaut des Vergleichs der Parteien nimmt den Ausgangsrechtsstreit, der dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegt, nicht unmittelbar in Bezug. Eine Bedeutung dieses Vergleichs für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers kann sich allenfalls im Wege der Auslegung ergeben. Wie schon der Vortrag der Parteien zeigt, ist es jedenfalls nicht offenkundig, dass die Abgeltungsklausel in dem Vergleich den bereits rechtskräftig festgestellten Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus dem Ausgangsrechtsstreit betrifft. Auch die Beklagte nimmt zur Begründung ihrer Rechtsansicht eine umfangreiche Auslegung der Klausel unter Berücksichtigung des Willens der Parteien und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor.
b) Das Landesarbeitsgericht hat sich selbst zu einer umfassenden Auslegung der Klausel nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB veranlasst gesehen und ein eindeutiges Verständnis der Reichweite der Abgeltungsklausel auch unter Berücksichtigung von Begleitumständen, wie dem Verhalten des Klägers nach Vergleichsabschluss, verneint. Dabei hat es sich mit arbeitsrechtlichem Schrifttum sowie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs auseinandergesetzt. Zudem hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, da eine höchstrichterliche Rechtsprechung bezüglich des Umfangs der vorliegenden Abgeltungsklausel noch nicht vorliege.
2. Diese Erwägungen der Parteien und des Beschwerdegerichts machen deutlich, dass die materiell-rechtliche Einwendung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung im Kostenfestsetzungsverfahren weder vorgesehen ist noch dem Rechtspfleger ohne Schwierigkeiten möglich wäre. Vielmehr erfordert sie eine eingehende Auslegung der in dem gerichtlichen Vergleich vereinbarten Abgeltungsklausel. Dies ist im Kostenfestsetzungsverfahren, das im Wesentlichen auf eine formale Prüfung von Kostentatbeständen ausgerichtet ist, nicht zu leisten. Dem Rechtspfleger steht keine Entscheidung über die Begründetheit materiell-rechtlicher Einwendungen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zu (vgl. Stein/Jonas/Bork § 104 ZPO Rn. 14). Es ist insbesondere nicht seine Aufgabe, über die Auslegung eines nur nach seinem Wortlaut unstreitigen Vergleichs zu entscheiden, dessen rechtliche Bewertung zwischen den Parteien jedoch im Streit steht und der jedenfalls nicht so offenkundig einen bestimmten Inhalt hat, dass keine ernsthaften Auslegungsschwierigkeiten auftreten können (vgl. MüKoZPO/Schulz § 104 Rn. 35; Musielak/Voit/Lackmann ZPO 12. Aufl. § 104 Rn. 9).
C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Linck, Brune, Schlünder
Fundstellen
Haufe-Index 8152229 |
BB 2015, 1908 |
NJW 2015, 2606 |
FA 2015, 279 |
JurBüro 2015, 583 |
NZA 2015, 958 |
AP 2016 |
EzA-SD 2015, 13 |
EzA 2015 |
Rpfleger 2015, 670 |
ZfS 2015, 584 |
AE 2016, 67 |
AGS 2015, 588 |
AUR 2015, 376 |
RVGreport 2015, 388 |
PAK 2016, 18 |
RVG prof. 2016, 3 |