Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit des Klageantrages. Tarifliche Ausschlußfrist. Prozeßrecht. Urlaubsrecht. Ausschlußfristen
Leitsatz (amtlich)
- Ein Klageantrag, mit dem Zinsen in Höhe bestimmter “Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank” gefordert werden, ist – auch für die Vergangenheit – bestimmt genug.
- Hat der Arbeitgeber einen tarifvertraglich vorgesehenen Vorschuß auf das Urlaubsgeld gezahlt, entsteht jedenfalls nach dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung ein Rückzahlungsanspruch, wenn die Entstehung des Urlaubsgeldanspruchs von der Urlaubsgewährung abhängig ist und der Urlaubsanspruch wegen einer ununterbrochenen Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums untergeht.
- Dieser Anspruch unterliegt einer tariflichen Ausschlußfrist, innerhalb der “tarifliche Ansprüche” geltend zu machen sind.
Orientierungssatz
- Der Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank wird im Bundesanzeiger bekannt gegeben. Ein Klageantrag, mit dem Zinsen in Höhe einer bestimmten Anzahl von Prozentpunkten über diesem Satz verlangt werden, ist deshalb bestimmt genug.
- Hängt das Entstehen eines tariflichen Urlaubsgeldes nach den Regelungen des Tarifvertrages von der Gewährung des Urlaubs ab, so geht der Anspruch auf Urlaubsgeld mit dem Urlaubsanspruch unter, wenn der kalenderjährliche Urlaub wegen einer Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht genommen werden kann. Das in § 13.1b) MTV vorgesehene Urlaubsgeld hängt danach vom Urlaubsanspruch ab.
- Hat der Arbeitgeber auf Grund tariflicher Vorschriften einen Vorschuß auf das Urlaubsgeld gezahlt, so ist dieser Vorschuß spätestens dann zurückzuzahlen, wenn der tarifliche Urlaubsanspruch endgültig entfällt. Soweit nicht bereits die Auslegung des Tarifvertrages ergibt, daß ein tariflicher Rückgewähranspruch begründet wird, folgt die Verpflichtung zur Rückzahlung jedenfalls aus § 812 Abs. 1 1. Alternative BGB. Denn der rechtliche Grund für den Vorschuß ist nachträglich weggefallen. Es bleibt offen, ob § 13 Ziff. 2 MTV eine tarifvertraglich geregelte Rückzahlungspflicht für diese Fallgestaltung vorsieht.
- Auch ein aus ungerechtfertigter Bereicherung folgender Rückforderungsanspruch unterliegt der Ausschlußfrist in § 19 MTV, innerhalb der “tarifliche Ansprüche” geltend zu machen sind.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 812 Abs. 1; Manteltarifvertrag für Angestellte der Druckindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 13. Mai 1997 (MTV) §§ 19, 12-13
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. März 2001 – 3 Sa 5/01 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15. November 2000 – 4 Ca 2341/00 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.674,48 Euro brutto nebst 4 % Zinsen auf 511,29 Euro seit dem 22. August 2000 und Zinsen auf 1.163,19 Euro in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 7. November 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob infolge einer Aufrechnungserklärung der Beklagten der Arbeitsentgeltanspruch des Kläger erloschen ist. Die Beklagte stützt ihre Aufrechnung auf einen Rückforderungsanspruch, den sie aus der Überzahlung von Urlaubsgeld im Jahre 1999 herleiten will.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1969 als Angestellter tätig. Beide Parteien sind tarifgebunden. Das Arbeitsverhältnis unterfällt dem Manteltarifvertrag für Angestellte der Druckindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 13. Mai 1997 (künftig: MTV). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:
“(…)
§ 12 Urlaub
- (…)
- Urlaub oder Urlaubsteile, die nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht wurden, werden nicht gewährt.
- Wird der Angestellte während des Urlaubs durch Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig, so werden die durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet. Mit Eintritt dieser Arbeitsunfähigkeit ist der Urlaub unterbrochen. Der Zeitpunkt für die Inanspruchnahme des durch die Unterbrechung entstandenen Resturlaubs bedarf einer neuen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber
- (…)
§ 13 Urlaubsbezahlung
Die Urlaubsbezahlung setzt sich zusammen aus dem Durchschnittsgehalt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld.
- (…)
Jedem Angestellten wird ein zusätzliches Urlaubsgeld für jeden tariflichen und gesetzlichen Urlaubstag bezahlt.
Das gesetzliche Urlaubsgeld beträgt pro Urlaubstag 50 % des vereinbarten Monatsgehalts (…) geteilt durch 22.
Durchschnittsgehalt und zusätzliches Urlaubsgeld sollen in ungefährer Höhe des Nettobetrages als Abschlag gezahlt werden. Die endgültige Abrechnung der Urlaubsbezahlung erfolgt zum Zeitpunkt der nächsten Gehaltsabrechnung.
Der Zeitpunkt der Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes kann hiervon abweichend durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden, z.B. einmal im Jahr vor Antritt des längeren Urlaubsabschnittes oder an einem bestimmten Tag einmal im Jahr für alle Arbeitnehmer.
Im Fall des Ausscheidens eines Angestellten während des Urlaubsjahrs kann die vorschußweise zuviel geleistete Urlaubsbezahlung (Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld) bei der Endabrechnung einbehalten oder zurückgefordert werden, wenn das Ausscheiden aufgrund eigener Kündigung des Angestellten oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Entlassung durch den Arbeitgeber erfolgt.
Die Rückzahlung erfolgt, wenn das Ausscheiden aufgrund einer fristgemäßen Kündigung seitens des Arbeitgebers oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Kündigung seitens des Arbeitnehmers erfolgt.
- (…)
§ 19 Geltendmachung tariflicher Rechte
”
Im Juni 1999 beantragte der Kläger für die Zeit vom 20. Juli bis 10. August 1999 Urlaub. Die Beklagte erteilte den Urlaub und zahlte dem Kläger für diesen Urlaub ein tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 3.275,00 DM. Der Kläger trat den Urlaub nicht an. Er war vom 5. Juli 1999 bis zum 30. April 2000 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt.
Erstmals mit Schreiben vom 25. Juli 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß das Urlaubsgeld infolge seiner Erkrankung über den 31. März 2000 hinaus zurückgezahlt werden müsse. Zum Ausgleich der Forderung behielt die Beklagte den streitigen Betrag in Teilbeträgen vom Vergütungsanspruch des Klägers für August, September und Oktober 2000 ein.
Mit der am 21. August 2000 erhobenen Klage hat der Kläger das von der Beklagten für August 2000 einbehaltene Arbeitsentgelt in Höhe von 1.000,00 DM brutto nebst Zinsen geltend gemacht. Mit Klageerweiterung vom 2. November 2000, zugestellt am 6. November 2000, hat der Kläger im September und Oktober weiter einbehaltenes Arbeitsentgelt in Höhe von 2.275,00 DM brutto nebst Zinsen gerichtlich geltend gemacht. Er meint, sein Urlaubsgeldanspruch habe unabhängig von dem Urlaubsanspruch bestanden. Überzahltes Urlaubsgeld könne nur nach Maßgabe des § 13 Ziff. 3 MTV zurückgefordert werden. Jedenfalls sei der Anspruch der Beklagten verfallen.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.000,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.275,00 DM brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Zustellung des Schriftsatzes vom 2. November 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Urlaubsgeldanspruch stehe in Abhängigkeit zum Urlaubsanspruch und könne deshalb hier auf Grund des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt werden. Er sei kein tariflicher Geldanspruch und unterfalle deshalb nicht der tariflichen Ausschlußfrist.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Unterschriften
Düwell, Krasshöfer, Zwanziger, Schwarz, Hintloglou
Fundstellen
BAGE 2004, 45 |
BB 2003, 204 |
NJW 2003, 2403 |
BuW 2003, 264 |
EBE/BAG 2003, 11 |
ARST 2003, 237 |
NZA 2003, 567 |
SAE 2003, 273 |
ZTR 2003, 192 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 13 |
EzA |
MDR 2003, 273 |
ArbRB 2003, 38 |
BAGReport 2003, 87 |