Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

 

Orientierungssatz

Krankheitsbedingte KÜndigung, prozessuale Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers bei negativer Gesundheitsprognose, Darlegungslast des Arbeitgebers für Betriebsablaufstörungen, Interessenabwägung.

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Entscheidung vom 10.11.1988; Aktenzeichen 2 Sa 221/88)

ArbG Bamberg (Entscheidung vom 19.01.1988; Aktenzeichen 3 Ca 417/87 C)

 

Tatbestand

Der am 5. Juni 1946 geborene, verheiratete und seiner Ehefrau sowie vier Kindern unterhaltspflichtige Kläger war bei der Beklagten, einem Zulieferunternehmen für die Automobilindustrie, seit dem 22. November 1976 als Arbeiter beschäftigt. Bis zum 17. Juli 1983 war er in der Galvanik eingesetzt. Anschließend wurde er aus gesundheitlichen Gründen in die Zinkfertigungsbearbeitung versetzt. Im Jahre 1984 wies ihm die Beklagte eine leichtere Tätigkeit im Bereich der Montagesitz-Fertigung zu.

Am 2. August 1984 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. September 1984. In dem deswegen geführten Kündigungsschutzprozeß (ArbG B) schlossen die Parteien am 27. November 1984 einen Prozeßvergleich. Darin einigten sie sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1984. Die Beklagte verpflichtete sich, den Kläger spätestens am 1. Oktober 1985 unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit und bei sofortigem Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes wieder einzustellen, falls er zu diesem Zeitpunkt arbeitsfähig sein und hierüber eine ärztliche Bescheinigung vorliegen sollte.

Aufgrund dieses Vergleichs stellte die Beklagte den Kläger am 1. Oktober 1985 wieder ein, nachdem er ein Attest eines Internisten vom 24. September 1985 vorgelegt hatte, in dem ihm bescheinigt worden war, es bestünden derzeit keine Bedenken gegen Akkord- oder Schichtarbeit bzw. den Umgang mit chemischen Stoffen. Der Kläger wurde seitdem im Kleinpreßwerk als Maschinenbediener eingesetzt.

Der Kläger hatte während seiner Beschäftigungszeiten bis zum 30. Juli 1987 folgende krankheitsbedingte Fehlzeiten:

Arbeitstage Lohnfortzahlung

1977 Bekl.: 20 zwei Erkrankungen

Kl.: 16 1.544,64 DM

1978 13 zwei Erkrankungen 1.039,51 DM

1979 Bekl.: 20

Kl.: 19 drei Erkrankungen 1.789,81 DM

1980 12 zwei Erkrankungen 1.047,68 DM

1981 28 zwei Erkrankungen 2.798,70 DM

1982 keine --

Arbeitstage Lohnfortzahlungskosten

1983

25.01. - 13.03. 34

27.04. - 27.05. 23 (Kl.: 21)

28.06. - 11.07. 10

10.10. - 18.11. 30 (Kl.: 29) 7.694,89 DM

1984 (bis 02.08.)

16.01. - 27.02. 31

09.05. - 15.06. 27

25.06. - 11.08. 35 6.479,57 DM

1985 (ab 01.10.)

20.12. - 31.12.

1986

01.01. - 14.02. 27 (einschl. 1985) 2.894,24 DM

23.06. - 01.08. 27

13.11. - 24.12. 30 3.664,56 DM

1987 (bis 30.07.)

14.05. - 26.06. 30

16.07. - 30.07. 10 3.732,69 DM

Mit Schreiben vom 30. Juli 1987 kündigte die Beklagte dem Kläger zum 14. August 1987.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger sich gegen diese Kündigung gewandt. Er hat ein Attest seines behandelnden Arztes vom 28. Oktober 1987 vorgelegt, in dem bescheinigt wird, daß er bei absolutem Wohlbefinden derzeit als arbeitsfähig zu bezeichnen sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der

Parteien durch die Kündigung der Beklagten

vom 30. Juli 1987 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Gesundheitsprognose sei negativ. Im Hinblick auf Dauer und Häufigkeit der Fehlzeiten jedenfalls seit dem Jahre 1983 müsse mit entsprechenden krankheitsbedingten Ausfällen auch in Zukunft gerechnet werden. Sie habe den Kläger im zweiten Halbjahr 1986 und im ersten Halbjahr 1987 auf seine Fehlzeiten angesprochen. Er habe erklärt, er habe ständig Magenbeschwerden. Er sei in ärztlicher Behandlung, die Beschwerden würden nicht besser. Ihr Angebot, sich in einer Universitätsklinik auf ihre Kosten untersuchen zu lassen, habe er abgelehnt. Die von ihm vorgelegte ärztliche Bescheinigung besage nichts über seine künftige gesundheitliche Entwicklung. Seine Fehlzeiten nach der Wiedereinstellung seien erheblich geblieben, obwohl er im Kleinpreßwerk die leichteste der ihm bisher übertragenen Arbeiten verrichtet habe. Er lege dort Teile in eine Kleinpresse, drücke auf den Knopf und nehme nach dem maschinell erfolgenden Stanzen das Teil wieder heraus. Er könne die Arbeit im Stehen oder Sitzen ausführen.

Seine Ausfälle hätten auch zu erheblichen Betriebsablaufstörungen geführt. Die Fehlzeitenquote betrage mindestens 30 % gegenüber der durchschnittlichen betrieblichen Quote von 5 %. Sie beliefere mehrere Automobilhersteller in Deutschland und Europa. 80 % bis 85 % der Produkte müßten nach dem sog. "just in time" System so angeliefert werden, daß sie bei dem Kunden einen Tag nach der Herstellung eingebaut werden könnten. Gelange eine Lieferung mehr als einen Tag später zum Abnehmer, könne es dort zum Stillstand eines Montagebandes kommen. Deshalb müsse für einen reibungslosen Fortgang der Produktion Sorge getragen werden. Im Kleinpreßwerk werde in zwei Schichten jeweils an fünf Maschinen gearbeitet. Falle ein Mitarbeiter z.B. eine Woche aus, so müsse jeder der übrigen vier Maschinenbediener insgesamt 50 Stunden in der Woche arbeiten und damit zehn Überstunden leisten, um die ausgefallene Produktion aufzuholen. Die Überstunden müßten jeweils vor bzw. nach der Schichtzeit geleistet werden. Hierdurch würden die Mitarbeiter bald körperlich überfordert. Sie seien daher auf Dauer dazu nicht bereit. Springer seien nur eingeplant, um 5 %, nicht aber um mehr als 32 % an Fehlzeiten abzudecken.

Erhebliche Schwierigkeiten ergäben sich aus der Verzahnung der Arbeitsplätze. Da die Teile bei Ausgleich des Ausfalls des Mitarbeiters durch Überstunden erst später in die Abteilung Schlosserei gelangten, müßten dort Sonderschichten oder Überstunden geleistet werden, damit sie nicht verspätet in die Montageabteilung gelangten. Nur durch Überstunden und Sonderschichten der Mitarbeiter in den Vorabteilungen und durch weitere organisatorische Maßnahmen könne die Verspätung bis zu 80 % und durch zusätzliche Leistungen der Mitarbeiter in der Montageabteilung gänzlich aufgeholt werden.

Würden Aushilfen eingesetzt, so müßten diese etwa 14 Tage bis zwei Monate eingearbeitet werden. Kurzfristige Produktionsumstellungen könnten zum Zusammenbruch des EDV-Systems führen, mit dessen Hilfe die termingebundenen Lieferungen durchgeführt würden. Umrüstungen hätten erhebliche finanzielle Auswirkungen.

Auch die eingetretenen und zu erwartenden wirtschaftlichen Belastungen durch Lohnfortzahlungskosten seien für sie unzumutbar. Zu der Lohnfortzahlung in Höhe von rund 32.000,-- DM müßten noch 78 % bis 79 % Lohnnebenkosten hinzugerechnet werden.

Dem Kläger sei bereits der leichteste Arbeitsplatz im Betrieb zugewiesen worden. Andere freie Arbeitsplätze stünden nicht zur Verfügung. Bei einer Beschäftigtenzahl von rund 1.930 Arbeitnehmern halte sie eine Personalreserve von auf Dauer eingestellten Mitarbeitern vor, um krankheitsbedingte Ausfälle von 5 % der Belegschaft sowie die Ausfälle wegen Urlaubs und anderer Freizeiten auszugleichen. Zusätzliche Überbrückungsmaßnahmen könnten deshalb nicht mehr von ihr verlangt werden.

Liege somit ein personenbedingter Grund zur Kündigung vor, habe keine allgemeine Interessenabwägung mehr stattzufinden. Aber auch sie führe zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung. Trotz mehrerer Versetzungen und einer einjährigen Unterbrechung der Tätigkeit sei keine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten und deshalb auch nicht mehr zu erwarten. Das Arbeitsverhältnis sei auch bereits lange Zeit nicht mehr ungestört verlaufen.

Der Kläger hat erwidert, die bisherigen Fehlzeiten sagten nichts über die künftige Entwicklung seines Gesundheitszustandes aus. Das Gesamtbild der Fehlzeiten habe sich gegenüber den Jahren 1983/1984 gebessert. Im Hinblick auf die ärztliche Bescheinigung vom 28. Oktober 1987 bestünden keine Anhaltspunkte für das Auftreten vergleichbarer Fehlzeiten in der Zukunft. Die Beklagte habe mit ihm weder Gespräche über seine Fehlzeiten geführt noch ihm eine Untersuchung auf ihre Kosten angeboten. Er entbinde die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht. Ihm sei sein Krankheitsbefund und die vermutliche Entwicklung seines Gesundheitszustandes unbekannt. Vorsorglich biete er Sachverständigenbeweis über die Krankheitsursache sowie die inzwischen eingetretene Gesundung an.

Seine Fehlzeiten hätten nicht zu Betriebsablaufstörungen geführt. Tatsächlich seien seine Ausfälle sämtlich durch den Einsatz der vorhandenen Personalreserve ausgeglichen worden.

Die Höhe der Lohnfortzahlungskosten werde bestritten. Darüber hinaus seien 30.000,-- DM im Verhältnis zu der langen Beschäftigungsdauer nicht als erheblich anzusehen.

In jedem Falle sei aber seinem Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf Lebensalter, Unterhaltspflichten und schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt der Vorzug einzuräumen.

Schließlich habe die Beklagte auch die Kündigungsfrist falsch berechnet, da die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB verfassungswidrig sei, soweit dort erst Beschäftigungsjahre ab dem 35. Lebensjahr für die Berechnung der verlängerten Kündigungsfristen zählten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

A. Das Berufungsgericht hat die Kündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Im Zeitpunkt der Kündigung habe die Besorgnis künftiger krankheitsbedingter Ausfälle im bisherigen Umfang bestanden. Der Kläger sei seit dem Jahre 1983 in zwölf verschieden langen Zeiträumen der Arbeit ferngeblieben. Offensichtlich habe es sich um die gleiche Art der Erkrankung gehandelt, weil er außer "magenkrank" keine andere Krankheitsursache angegeben habe.

Die vom Kläger übergebene ärztliche Bescheinigung enthalte keine Angaben über die zu erwartende künftige gesundheitliche Entwicklung. Mit seinem Vortrag, er sei nicht mehr magenkrank, genüge er nicht seiner prozessualen Mitwirkungspflicht. Der Kläger hätte vortragen müssen, daß die Krankheit ausgeheilt sei oder mit einer alsbaldigen Genesung zu rechnen gewesen sei. Er könne sich nicht damit begnügen, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Kenne der Arbeitnehmer die Krankheiten und den Zeitpunkt der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit nicht, so müsse er dies substantiiert vortragen. Darüber hinaus hätte der Kläger alternativ darlegen müssen, daß er vom Arzt nicht oder nur unzureichend aufgeklärt worden sei.

Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, daß die entstandenen und zu erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen Betriebsablaufstörung führten. Negative Auswirkungen auf den Betriebsablauf seien dann erheblich, wenn der Arbeitgeber ihnen durch Überbrückungsmaßnahmen nicht mehr begegnen könne und ihm außerdem eine weitere Maßnahme nicht mehr zugemutet werden könne.

Die Beklagte hätte darlegen müssen, daß der Ausfall des Klägers während einer Krankheitsperiode durch Anordnung von Überstunden, durch Umsetzungen oder durch sonstige Überbrückungsmaßnahmen wie den Einsatz von Vorhaltepersonal ausgeglichen worden sei. Konkrete Betriebsstörungen habe sie nicht vorgetragen. Offensichtlich sei es ihr gelungen, den Ausfall des Klägers durch verschiedene Überbrückungsmaßnahmen auszugleichen.

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß sie eine ausreichende Personalreserve vorhalte und damit in der Vergangenheit für einen reibungslosen Betriebsablauf gesorgt habe, durch die jedoch künftige weitere Fehlzeiten des Klägers nicht mehr ausgeglichen werden könnten.

Aus ihrem Vortrag ergebe sich einmal, daß sie durch ihre Personalreserve nur die durchschnittlichen Ausfallzeiten auffangen könne. In einem solchen Fall sei entscheidend, ob mit der vorhandenen Personalreserve gerade die Ausfallzeiten des Klägers hätten ausgeglichen werden können. Sei ihr dies - wie offensichtlich bisher - gelungen, so könne die Gefahr erneuter Erkrankungen des Klägers nicht zu unzumutbaren Betriebseinschränkungen führen. Die Beklagte hätte im einzelnen darlegen müssen, ob und ggf. weshalb die Ausfallzeiten des Klägers künftig nicht mehr durch die vorhandene Personalreserve hätten abgedeckt werden können.

Die Kündigung sei auch nicht wegen unzumutbarer wirtschaftlicher Belastungen mit Lohnfortzahlungskosten sozial gerechtfertigt. Auch dies seien betriebliche Beeinträchtigungen. Hierbei sei auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses des gekündigten Arbeitnehmers abzustellen. Ob die finanzielle Belastung dem Arbeitgeber noch zumutbar sei, hänge insbesondere von der Dauer des ungestörten Bestehens des Arbeitsverhältnisses, dem Alter und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers ab.

Bei der Interessenabwägung seien zugunsten der Beklagten die hohen bisher gezahlten Lohnfortzahlungskosten, nach ihrer Berechnung mehr als 33.000,-- DM zu berücksichtigen. Der Auffassung des Klägers, das Gesamtbild seiner Fehlzeiten und damit auch der Lohnfortzahlungskosten habe sich verbessert, stehe entgegen, daß in den ersten 7 1/2 Monaten des Jahres 1987 bereits wieder 3.732,69 DM aufgewendet worden seien. Der Kläger sei auch zweimal umgesetzt und ihm schließlich einer der leichtesten Arbeitsplätze zugewiesen worden. Schließlich habe sich die Beklagte nach ihrer Darstellung zu einer Untersuchung des Klägers in einer Universitätsklinik auf ihre Kosten bereiterklärt. Zugunsten des Klägers seien jedoch die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die nicht überdurchschnittlich hohen Lohnfortzahlungskosten in den ersten vier Jahren zu berücksichtigen. Wesentlich sei jedoch sein Alter von 41 Jahren, seine ungünstigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie seine Unterhaltspflicht für eine Familie mit vier Kindern, die ihn in besonderem Maße schutzwürdig erscheinen lasse.

B. Dieser Würdigung kann nicht in allen Punkten gefolgt werden. Die Interessenabwägung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - DB 1989, 2075, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; ferner Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zur Veröffentlichung bestimmt) ist die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochenen Kündigung in drei Stufen zu prüfen.

1. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen.

a) Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Wenn der Arbeitgeber die Krankheitsursachen nicht kennt, wird ihm die Prognose bei häufigen Kurzerkrankungen dadurch erleichtert, daß der Arbeitnehmer verpflichtet ist, zur Klärung der Frage, ob Fortsetzungserkrankungen im Sinne des LohnFG vorliegen, seinen Arzt oder die Krankenkasse von der Schweigepflicht zu befreien (BAGE 51, 308, 313 = AP Nr. 67 zu § 1 LohnFG, zu III 1 der Gründe; G. Reinecke, DB 1989, 2069, 2073).

b) Daraufhin muß der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Dieser prozessualen Mitwirkungspflicht genügt er bei unzureichender ärztlicher Aufklärung oder Kenntnis von seinem Gesundheitszustand schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet, soweit darin die durch Auslegung seines Vortrags unter Berücksichtigung von § 139 ZPO zu ermittelnde Darstellung liegt, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber positiv beurteilt. Unsubstantiiert ist die Einlassung des Arbeitnehmers nur dann, wenn die "Berufung auf die behandelnden Ärzte" erkennen läßt, daß er sich selbst erst noch durch deren Zeugnis die noch fehlende Kenntnis über den weiteren Verlauf seiner Erkrankungen verschaffen will. Mit dieser Klarstellung hält der Senat an seiner schon in BAGE 43, 129 (= AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) vertretenen Ansicht fest, der Arbeitnehmer, der Krankheitsbefund und die vermutliche Entwicklung nicht hinreichend kenne oder schildern könne, genüge seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinde. Darin liegt eine gebotene Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung (BAGE 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit), weil in der Praxis davon auszugehen ist, daß ein Arbeitnehmer, der sich auf die Auskunft seines Arztes beruft, damit hinreichend das Fehlen einer eigenen Kenntnis zum Ausdruck bringt (vgl. Ascheid, Beweislastfragen im Kündigungsschutzprozeß, S. 103 f.). Ein "Zwischenbeweisverfahren" über die vom Arbeitnehmer behauptete Unkenntnis ist allenfalls dann zu erwägen, wenn er selbst Arzt ist. In allen übrigen Fällen ersetzt die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht ein substantiiertes Bestreiten der vom Arbeitgeber dargelegten negativen Prognose durch den Arbeitnehmer.

Zur Klärung, ob durch diese Art des Bestreitens durch den Arbeitnehmer die sich möglicherweise aus dem schlüssigen Vortrag des Arbeitgebers zur negativen Prognose ergebende Indizwirkung erschüttert werden kann, wird es regelmäßig erforderlich sein, den behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO) zu vernehmen, oder von ihm nach § 377 Abs. 3 und 4 ZPO eine schriftliche Zeugenaussage einzuholen.

Trägt der Arbeitnehmer selbst konkrete Umstände für seine Beschwerden und deren Ausheilung oder Abklingen vor, so müssen diese geeignet sein, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern; er muß jedoch nicht den Gegenbeweis führen, daß nicht mit weiteren häufigen Erkrankungen zu rechnen sei (BAGE 43, 129, 139 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, zu B III 2 c der Gründe).

2. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigung ist Teil des Kündigungsgrundes. Hierbei kommen zwei Arten von Beeinträchtigungen in Betracht.

a) Wiederholte kurzfristige Ausfallzeiten des Arbeitnehmers können zu schwerwiegenden Störungen im Produktionsprozeß führen (Betriebsablaufstörungen).

Solche Störungen sind nur dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn sie nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können. Hierzu gehören Maßnahmen, die anläßlich des konkreten Ausfalls eines Arbeitnehmers ergriffen werden, wie die Neueinstellung einer Aushilfskraft, aber auch der Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer vorgehaltenen Personalreserve. Können und werden auf diese Weise Ausfälle überbrückt, so liegt bereits objektiv keine Betriebsablaufstörung und damit insoweit kein zur sozialen Rechtfertigung geeigneter Grund vor. Ist eine Betriebsablaufstörung mit den geschilderten Mitteln nicht zu vermeiden, so gehört zum Kündigungsgrund, daß die Störung erheblich ist. Ist dies der Fall, so ist in der dritten Stufe bei der Interessenabwägung zu prüfen, ob weitergehende Überbrückungsmaßnahmen zur Behebung der Störung dem Arbeitgeber zumutbar sind.

b) Ein zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeigneter Grund kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers sein. Davon ist auszugehen, wenn mit immer neuen beträchtlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers und entsprechenden Mehraufwendungen für die Beschäftigung von Aushilfskräften zu rechnen ist. Das gilt auch für außergewöhnlich hohe Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind. Dabei ist nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die Gesamtbelastung des Betriebes mit Lohnfortzahlungskosten abzustellen.

3.a) Liegt nach den vorstehenden Grundsätzen eine erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in einer dritten Stufe im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, daß sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Bei der Interessenabwägung ist allgemein zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ferner das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers.

b) In der dritten Stufe ist ferner zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen durch an sich mögliche weitere Überbrückungsmaßnahmen zu verhindern.

Dies gilt zunächst für die Betriebsablaufstörungen. Kann durch eine vorgehaltene Personalreserve der konkrete Ausfall des Arbeitnehmers ohne Umsetzungen oder andere organisatorische Maßnahmen überbrückt werden, so fehlt es an einer Betriebsablaufstörung und damit bereits an einem Kündigungsgrund. Erst wenn die vorhandene Personalreserve nicht ausreicht, ist zu prüfen, ob etwa die Einstellung einer Aushilfskraft oder das Vorhalten einer größeren Personalreserve zumutbar ist. Vermeidet der Arbeitgeber bereits durch die vorgehaltene Personalreserve weitgehend Betriebsablaufstörungen, so sind von ihm weniger Überbrückungsmaßnahmen zu verlangen.

Das Vorhalten einer Personalreserve ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers ebenfalls zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Diese Maßnahme stellt auch in diesem Bereich einen zusätzlichen Umstand dar, der die Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten unzumutbar machen kann, ohne daß daneben noch Betriebsablaufstörungen oder weitere den Betrieb belastende Auswirkungen vorliegen müßten.

II. Die negative Gesundheitsprognose hat das Berufungsgericht nach dem bisherigen Parteivortrag in den Vorinstanzen richtig beurteilt.

Die Beklagte hat mit dem Vortrag der bisherigen zahlreichen Fehlzeiten sowie deren zeitlicher Lage ihrer Darlegungslast genügt. Jedoch ist der Kläger seiner prozessualen Mitwirkungspflicht, darzulegen, weshalb in Zukunft mit einer günstigeren gesundheitlichen Entwicklung zu rechnen sei, nicht nachgekommen. Seiner Einlassung ist zu entnehmen, daß die Ärzte, die er von der Schweigepflicht entbunden hat, seine künftige gesundheitliche Entwicklung nicht bereits positiv beurteilt haben und dies nunmehr auch vor Gericht bezeugen würden, sondern daß er sich diese ihm selbst bisher noch fehlende Kenntnis erst durch ihr Zeugnis verschaffen will. Die von ihm vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 28. Oktober 1987 enthält nur eine auf den Zeitpunkt der Ausstellung beschränkte Aussage über seinen Gesundheitszustand und somit keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Arzt habe auch über die voraussichtliche weitere gesundheitliche Entwicklung bereits eine Beurteilung vorgenommen. Eine solche Behauptung enthält auch nicht der Vortrag des Klägers in dem in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsatz vom 29. August 1988, er kenne die Krankheitsursachen nicht, könne die künftige gesundheitliche Entwicklung nicht beurteilen und biete zusätzlich noch Sachverständigenbeweis für die Krankheitsursachen sowie die eingetretene Gesundung an. Auch damit bringt der Kläger nicht zum Ausdruck, daß ein behandelnder Arzt seine künftige gesundheitliche Entwicklung bereits positiv beurteilt habe und diese Beurteilung nunmehr noch zusätzlich durch ein Sachverständigengutachten bestätigt werden solle. Überdies hat der Kläger den Sachverständigenbeweis nur für eine "eingetretene" Gesundung, mithin für den im Zeitpunkt dieses Beweisantritts in der Berufungsinstanz bestehenden Zustand, angeboten. Maßgebend für die Prognose sind jedoch die Umstände bei Zugang der Kündigung. Dieses Beweisanerbieten läuft somit ebenfalls auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.

III. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht auch zutreffend angenommen, die Beklagte habe durch die Ausfälle des Klägers verursachte erhebliche Betriebsablaufstörungen in den Vorinstanzen nicht ausreichend dargelegt.

1. Hält der Arbeitgeber, wie hier die Beklagte, eine an Durchschnittswerten ausgerichtete Personalreserve vor, und können und werden mit deren Hilfe die krankheitsbedingten Ausfälle des gekündigten Arbeitnehmers tatsächlich überbrückt, so liegt keine erhebliche Betriebsablaufstörung und damit insoweit kein zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung geeigneter Grund vor (Senatsurteil vom 16. Februar 1989, aaO, zu B I 2 a der Gründe). Entscheidend ist somit, ob die vorhandene Personalreserve herangezogen wurde und auch in Zukunft herangezogen werden könnte, um gerade die Ausfallzeit des gekündigten Arbeitnehmers auszugleichen. Ist das aufgrund der gegebenen objektiven Umstände für die Zukunft zu bejahen, so könnte die Gefahr von erneuten Erkrankungen des Arbeitnehmers nicht zu unzumutbaren Betriebsbeeinträchtigungen führen. Eine an Durchschnittswerten ausgerichtete Planung der Personalreserve zielt gerade darauf ab, die auch auftretenden überdurchschnittlichen Fehlzeiten einiger Arbeitnehmer auszugleichen, weil sich Durchschnittswerte erst aus der Einbeziehung über- und unterdurchschnittlicher Werte ergeben (Senatsurteil vom 24. November 1983 - 2 AZR 347/82 - AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972, zu B II 3 b der Gründe). Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

2. Dem Berufungsgericht ist auch in seinen Ausführungen zur Darlegung von Betriebsablaufstörungen zuzustimmen. Die Beklagte hat nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, daß die Ausfälle des Klägers jedenfalls in erheblichem Umfang durch Mehrarbeit des übrigen Personals hätten ausgeglichen werden müssen.

Sie hat in der Berufungsbeantwortung zu diesem Punkt einleitend bemerkt, infolge der Fehlzeiten des Klägers hätten sich jeweils schwerwiegende betriebliche Störungen ergeben. Sodann hat sie näher geschildert, wie ein Ausfall des Klägers zur Vermeidung von Produktionsstörungen und nachteiligen Auswirkungen auf die vertraglichen Beziehungen zu ihren Kunden durch Mehrarbeit ausgeglichen werde, wenn hierfür seine Kollegen und die Mitarbeiter in den nachgeordneten Abteilungen eingesetzt würden. Sie hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, Springer seien allenfalls dafür eingeplant, 5 % an Fehlzeiten abzudecken, nicht aber, wie im Falle des Klägers, 32 %.

Die sich bei einem Einsatz des übrigen Stammpersonals nach der Schilderung der Beklagten ergebenden Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmer stellen zwar eine erhebliche betriebliche Betriebsablaufstörung dar, die auf Dauer der Beklagten nicht mehr zumutbar sein könnte. Betriebsablaufstörungen sind nicht nur Störungen im Produktionsprozeß wie Stillstand von Maschinen oder Rückgang der Produktion, sondern auch die Überlastung des verbliebenen Personals (Senatsurteil vom 16. Februar 1989, aaO), hier durch Ableistung von Mehrarbeit in der Abteilung des Klägers und den nachgeordneten Abteilungen. Die Beklagte hat jedoch nicht ausreichend substantiiert dargelegt, daß die Ausfallzeiten des Klägers zumindest in erheblichem Umfang auf diese Weise ausgeglichen worden seien. Allein ihrem Hinweis, Springer seien nur zum Ausgleich von Fehlzeiten bis zu 5 % eingeplant, kann nicht entnommen werden, daß auch der Ausfall des Klägers durch ihre Personalreserve nur in diesem Umfang oder überhaupt nicht habe überbrückt werden können, weil, wie bereits ausgeführt, eine an Durchschnittswerten ausgerichtete Planung der Personalreserve gerade darauf abzielt, auch überdurchschnittliche Fehlzeiten einzelner Arbeitnehmer auszugleichen. Es hätte somit zumindest ausdrücklich vorgetragen werden müssen, daß gerade der Ausfall des Klägers nicht oder jedenfalls in nur unwesentlichem Umfang auf diese Weise habe überbrückt werden können. Sollte dies teilweise möglich gewesen sein, hätte jeweils für die einzelnen Ausfallzeiträume der Anteil der durch Mehrarbeit überbrückten Zeitabschnitte dargelegt werden müssen. Dies wäre der Beklagten auch ohne unzumutbare Anforderungen an die Feststellungen dieser Daten möglich gewesen. Soweit die Ausfälle des Klägers in der von der Beklagten geschilderten Weise durch Mehrarbeit des restlichen Stammpersonals ausgeglichen wurden, sind die von den Kollegen des Klägers und den Mitarbeitern in den nachgeordneten Abteilungen geleisteten Überstunden in ihren Lohnkarten bzw. Lohnabrechnungen erfaßt. Da der Beklagten sowohl die Ausfallzeiten des Klägers wie auch die in seiner Abteilung und den nachgeordneten Abteilungen beschäftigten Arbeitnehmer bekannt sind, war es ihr möglich, aufgrund dieser Unterlagen in dem Zeitpunkt, in dem sie sich zur Kündigung entschloß, festzustellen, wann der Ausfall des Klägers durch Mehrarbeit ausgeglichen wurde, zumindest aber den Umfang dieser Art des Ausgleichs in den einzelnen Ausfallzeiträumen des Klägers näher zu bestimmen. Entgegen dem Vortrag der Revision ist es deshalb zur Darlegung dieser Betriebsablaufstörungen nicht erforderlich, zusätzliches Personal einzusetzen, um für jeden Arbeitnehmer jeweils bereits im Zeitpunkt der Erkrankung jene Daten zu ermitteln und festzuhalten, um sie später vortragen zu können, falls es einmal zu einer Kündigung kommen sollte.

IV. Das Berufungsgericht ist schließlich auch zutreffend davon ausgegangen, allein die zu erwartende wirtschaftliche Belastung der Beklagten mit Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, sei ein zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeigneter Grund, wobei nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses abzustellen sei. Die Berücksichtigung der Lohnfortzahlungskosten für die Kündigung stellt weder einen Wertungswiderspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB dar. Dies hat der Senat in dem Urteil vom 16. Februar 1989 (aaO, zu B III der Gründe) mit eingehender Begründung entschieden.

V. Die Interessenabwägung des Berufungsgerichts hält jedoch der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Soweit die Revision meint, ähnlich wie bei der betriebsbedingten Kündigung dürfe es bei der personenbedingten grundsätzliche keine allgemeine Interessenabwägung mehr geben, wenn ein "an sich" personenbedingter Grund vorliege, kann ihr allerdings nicht gefolgt werden (Senatsurteil vom 16. Februar 1989, aaO, zu B I 3 der Gründe).

2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht die Vorhaltung der Personalreserve von 5 % durch die Beklagte nicht in die Beurteilung der Zumutbarkeit der wirtschaftlichen Belastung mit Lohnfortzahlungskosten einbezogen. Die damit verbundene Aufwendung erheblicher Kosten, um eine bestimmte, auf Erfahrungsregeln beruhende krankheitsbedingte Fehlquote auszugleichen, ist ein Umstand, der die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit weiteren Lohnfortzahlungskosten unzumutbar machen kann (Senatsurteil vom 16. Februar 1989, aaO, zu B I 3 b bb der Gründe).

Das Berufungsgericht hat ferner das Lebensalter des Klägers nur einseitig aus sozialen Gründen zu seinen Gunsten gewertet. Ihm kommt aber auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit der zu erwartenden wirtschaftlichen Belastung der Beklagten eine wesentliche Bedeutung zu. Ist mit Ausfallzeiten im bisherigen Umfang aufgrund der negativen Gesundheitsprognose auf nicht absehbare Zeit zu rechnen, so ist auch die zu erwartende Belastung mit entsprechenden Lohnfortzahlungskosten um so höher, je jünger der Arbeitnehmer ist (BAGE 45, 146, 154 f. = AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B II 5 der Gründe; Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 224/89 - zur Veröffentlichung bestimmt). Im vorliegenden Fall war der Kläger bei Ausspruch der Kündigung 40 Jahre alt. Die Beklagte hatte deshalb mit der vom Berufungsgericht angenommenen Belastung im Umfang der seit dem Jahre 1983 angefallenen Lohnfortzahlungskosten auf eine noch erhebliche Zeit zu rechnen.

VI. Wegen der aufgezeigten Fehler bei der Interessenabwägung muß der Rechtsstreit zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG steht dem Tatrichter gerade im Rahmen der Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob alle für diese Abwägung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind. Ist dies nicht der Fall, so ist es Aufgabe des Tatrichters, die Interessenabwägung unter Einbeziehung der bisher unberücksichtigt gebliebenen Umstände erneut vorzunehmen.

Vorsitzender Richter Triebfürst Dr. Ascheid

Hillebrecht ist wegen

Krankheit an der Unter-

schrift verhindert

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Fundstellen

Dokument-Index HI437659

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