Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle
Leitsatz (redaktionell)
1. § 2 Abs 3 LFZG ist einschränkend dahin auszulegen, daß er eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung über die Bemessung der Krankenbezüge durch Tarifvertrag (nur) hinsichtlich der Berechnungsmethode ermöglicht.
2. Bei einer solchen Auslegung verstößt § 2 Abs 3 LFZG nicht deshalb gegen Art 3 Abs 1 GG, weil die gesetzlichen Vorschriften, die die Berechnung der Krankenbezüge der Angestellten regeln, keine Tariföffnungsklausel enthalten.
Orientierungssatz
Auslegung des § 12 Nrn 1 und 3 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Autokraft GmbH vom 13. Dezember 1989.
Normenkette
TVG § 1; LFZG § 1; BGB § 362; GG Art. 3 Abs. 1; LFZG § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 12.02.1992; Aktenzeichen 5 Sa 570/91) |
ArbG Kiel (Entscheidung vom 18.10.1991; Aktenzeichen 4a Ca 1733/91) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt einen Betrag von 434,62 DM brutto als Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für den 15. und 16. Juni 1991.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Februar 1979 als Busfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Autokraft GmbH vom 13. Dezember 1989 (im folgenden kurz: MTV) anzuwenden. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers beträgt monatlich 165 Stunden, sie wird auf fünf Tage je Woche verteilt (§ 2 MTV). Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle wird vom MTV auszugsweise wie folgt geregelt:
§ 12
Krankenbezüge
1. Im Krankheitsfall erhält der Arbeiter aufgrund
des Gesetzes vom 27. Juli 1969 (Lohnfortzah-
lungsgesetz) das Arbeitsentgelt für die Dauer
von sechs Wochen fortgezahlt, sofern er, ohne
daß ihn ein Verschulden trifft, nachweislich
durch Krankheit oder ein von einem öffentlich
rechtlichen Sozialleistungsträger verordnetes
Heilverfahren an der Arbeit verhindert ist.
2. .....
3. Die Krankenbezüge werden für die Tage, an
denen der Arbeiter dienstplanmäßig oder be-
triebsüblich zu arbeiten gehabt hätte und für
lohnfortzahlungspflichtige Wochenfeiertage ge-
währt. Bemessungsgrundlage für die Krankenbe-
züge ist der Urlaubslohn.
4. .....
Zum Urlaubslohn heißt es in
§ 8 - Urlaub -
.....
5. Während des Urlaubs erhält der Arbeitnehmer
ein Urlaubsentgelt entsprechend den Bestimmun-
gen des § 11 BUrlG, wobei Grundlage der berei-
nigte Jahreslohn des vergangenen Jahres ist.
......
Für das Fahrpersonal der Beklagten werden wöchentliche Dienstpläne aufgestellt, die jeweils von Montag bis Sonntag laufen. Jeder Wochenplan (als "Umlauf" bezeichnet) weist neben den Arbeitstagen einen freien Tag sowie einen Ruhetag aus. Nach dem "Dienstplan 1991/92" war der Kläger in der 24. Kalenderwoche 1991, d. h. vom 10. bis zum 16. Juni, in der Weise zum Fahrdienst eingeteilt, daß er am Sonnabend, dem 15.6., 9,18 Stunden und am Sonntag, dem 16.6., 10,44 Stunden zu arbeiten hatte. Für die Woche vom 17. bis zum 23. Juni war für den Kläger der 17. als Ruhetag, der 20. als freier Tag vorgesehen. In gleicher Weise war Dienstag, der 25., als Ruhetag und Freitag, der 28., als freier Tag eingeplant.
Der Kläger erkrankte am 14. Juni nach Arbeitsende und war bis zum Freitag, dem 28. Juni, arbeitsunfähig krank. Die Beklagte gewährte ihm Krankenbezüge für insgesamt zehn Tage. Sie berechnete den Lohnfortzahlungszeitraum vom 17. bis zum 21. sowie vom 24. bis zum 28. Juni. Den 15. und den 16. Juni wies sie dagegen nicht als lohnfortzahlungspflichtige Tage aus. Für jeden bezahlten Tag setzte die Beklagte entsprechend der tariflichen Regelung 7,6 Stunden an mit einem Stundenlohn von 20,12 DM; ferner zahlte sie arbeitstäglich einen Mehrarbeitszuschlag von 15,82 DM.
Der Kläger hat geltend gemacht, da er für den 15. und 16. Juni 1991 dienstplanmäßig zur Arbeit eingeteilt gewesen sei, schulde die Beklagte ihm für diese beiden Tage Lohnfortzahlung. Nach dem Dienstplan rechne die Woche von Montag bis Sonntag. Für ihn seien daher der 15. und der 16. Juni ebenfalls Arbeitstage gewesen. Die Beklagte sei folglich verpflichtet, ihm für den 15. 9,18 und für den 16. Juni 10,44 Stunden, insgesamt also 19,62 Stunden zu vergüten. Einschließlich des Zuschlags für Sonntagsarbeit errechnet der Kläger bei einem Stundensatz von 19,55 DM danach einen Gesamtbetrag von 434,62 DM.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
an ihn für den 15. und 16. Juni 1991 434,62 DM
brutto an Lohnfortzahlung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Der Anspruch des Klägers auf Lohnfortzahlung sei dadurch erfüllt worden, daß sie ihm für die ausgefallenen 14 Kalendertage unter Berücksichtigung der Fünf-Tage-Woche für zehn Arbeitstage insgesamt Lohnfortzahlung gewährt habe. Ein Anspruch auf Berücksichtigung bestimmter Tage, wie vorliegend des 15. und 16. Juni 1991, bestehe nicht. Für die Berechnung der Krankenbezüge sei nämlich nicht auf einzelne Tage oder gar Stunden abzustellen, sondern auf den Zeitraum der Erkrankung. Die Bemessungsgrundlage für das während der Erkrankung zu zahlende Entgelt ergebe sich aus dem Manteltarifvertrag. Die dem Kläger demgemäß erteilte Abrechnung weise keine bestimmten Krankheitstage auf, sondern stelle ausschließlich auf den gesamten Zeitraum der Erkrankung ab. Der Kläger habe für jeweils fünf Tage der Arbeitswoche Lohnfortzahlung erhalten, für 14 Kalendertage mithin zehn Arbeitstage. Damit sei sein Anspruch erfüllt.
Das Arbeitsgericht hat (über den Feststellungsantrag des Klägers hinaus) die Beklagte verurteilt, an den Kläger 434,62 DM brutto als Lohnfortzahlung für den 15. und 16. Juni 1991 zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils verfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Begründung bedarf jedoch zusätzlicher Erwägungen.
I.1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG behält ein Arbeiter, der nach Beginn der Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Der für die Rechtsbeziehungen der Parteien maßgebliche Manteltarifvertrag regelt die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle in § 12. Dessen Nr. 1 verweist zunächst auf das Lohnfortzahlungsgesetz als Grundlage für die Gewährung von Krankenbezügen. § 12 Nr. 3 Satz 1 MTV bestimmt, daß Krankenbezüge für die Tage gewährt werden, an denen der Arbeiter dienstplanmäßig zu arbeiten gehabt hätte.
Nach dieser Regelung, die mit § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG übereinstimmt, sind Krankenbezüge für die Tage zu gewähren, an denen der Arbeiter ohne krankheitsbedingte Verhinderung hätte arbeiten müssen. Der Kläger war dienstplanmäßig zur Arbeitsleistung für Sonnabend, den 15., und Sonntag, den 16. Juni 1991, vorgesehen. Da er an diesen beiden Tagen nicht hat arbeiten können, steht ihm an sich nach dem Manteltarifvertrag für diese Tage Lohnfortzahlung zu.
2. Der Kläger hätte weiter am 18., 19., 21., 22., 23., 24., 26. und 27. Juni 1991 dienstplanmäßig arbeiten müssen. Diese Tage sind durch seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ausgefallen. Er hat daher für sie jeweils Anspruch auf Lohnfortzahlung. Dagegen kommt eine Lohnfortzahlung nicht in Betracht für den 17., 20., 25. und 28. Juni. Diese Tage waren vorgesehen als Ruhetage und freie Tage. An diesen Tagen hätte der Kläger auch ohne Krankheit nicht zu arbeiten brauchen und infolgedessen auch keinen Anspruch auf Lohnzahlung gehabt.
Für die Zeit vom 15. bis zum 28. Juni steht dem Kläger daher ein Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Dauer von zehn Tagen zu.
3.a) Die Beklagte hat für zehn Tage auf der Grundlage des bereinigten Jahreslohnes des Jahres 1990 Krankenbezüge berechnet und gewährt. Dabei ist sie von einem Tagessatz von 7,6 Stunden ausgegangen. Diese rechnerische Größe ist im Hinblick auf die monatliche Arbeitszeit des Klägers von 165 Stunden, die auf fünf Tage je Woche verteilt sind (§ 2 MTV), zutreffend berechnet. Das Rechenwerk der Beklagten ist vom Kläger nicht bestritten worden. Das Landesarbeitsgericht hat dazu festgestellt, aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich nicht, daß der bereinigte Jahreslohn unrichtig berechnet worden sei. Diese Feststellung bedeutet, daß der Kläger substantiierte Einwendungen gegen das Rechenwerk nicht erhoben hat. Weiter hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, der Kläger habe der Berechnung des Mehrarbeitszuschlags nicht widersprochen. Aus diesen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht geschlossen, daß die Abrechnung zugestanden, also unstreitig sei (§ 138 Abs. 4 ZPO). Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit die Revision einen Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen § 286 ZPO rügt, kann sie keinen Erfolg haben. Stellt das Tatsachengericht fest, daß eine Prozeßpartei zu einer bestimmten Behauptung ihres Gegners keine Stellung genommen hat, so kann diese Feststellung nur mit einem Berichtigungsantrag, nicht aber mit einer Verfahrensrüge bekämpft werden (BAG Urteil vom 13. März 1964 - 1 AZR 100/63 - AP Nr. 32 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu II 1 der Gründe). Der Senat ist daher an die Feststellung des Landesarbeitsgerichts gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO).
b) Die Beklagte hat bei ihrer Abrechnung den 15. und 16. Juni 1991 nicht als anspruchsberechtigende Tage der Lohnfortzahlung ausgewiesen. Daraus kann der Kläger aber keine Rechte herleiten. Die Beklagte wollte den Anspruch des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis auf Lohnfortzahlung für die Dauer seiner Krankheit erfüllen. Das ist geschehen. Sie hat ihm für zehn Tage den Lohn fortgezahlt, allerdings dabei die Ruhetage und freien Tage nicht ausdrücklich als anspruchsfreie Tage hervorgehoben. Im Endergebnis kann das jedoch keine Rolle spielen, denn die Beklagte hat den Anspruch des Klägers erfüllt. Nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Erbringt der Schuldner den geschuldeten Leistungserfolg, so tritt die Erfüllungswirkung regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein, ohne daß weitere Umstände hinzutreten müßten. Voraussetzung ist lediglich, daß die Leistung einem bestimmten Schuldverhältnis zugeordnet werden kann. Dazu reicht es aus, daß die bewirkte Leistung die allein geschuldete ist und daneben keine andere, gleichartige Schuld besteht, auf welche die Leistung daneben oder statt dessen erbracht worden sein könnte (BGH Urteil vom 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89 - DB 1991, 691; zu der Theorie der realen Leistungsbewirkung vgl. im übrigen Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 362 Rz 6).
II. Die Klageforderung ist auch nicht deshalb ganz oder teilweise begründet, weil die Zahl der von der Beklagten bezahlten 76 Arbeitsstunden nicht die Zahl der während der Arbeitsunfähigkeit nach dem Dienstplan zu leistenden und ausgefallenen 88,53 Arbeitsstunden erreicht.
1. Die Leistung, die die Beklagte erbracht hat, entspricht der tarifvertraglichen Regelung über die Berechnung der Krankenbezüge (§ 12 Nr. 3 Satz 2 MTV), die in Höhe des Urlaubslohns zu gewähren sind. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt, wie vorstehend zu I 3 a dargelegt. § 12 Nr. 3 Satz 2 MTV stellt die tarifvertragliche Ablösung des gesetzlichen Lohnausfallprinzips des § 2 Abs. 1 LFZG dar. Wie aus § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 LFZG hervorgeht, kann durch Tarifvertrag von dem Lohnausfallprinzip abgewichen werden.
2. Für die Berechnung der Krankenbezüge der Angestellten enthalten die maßgebenden Bestimmungen (§ 616 Abs. 2 BGB, § 63 HGB, § 133 c GewO) keine Tariföffnungsklausel, die es erlaubt, die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts abweichend von den gesetzlichen Vorschriften zu regeln. Dementsprechend ist Tarifvorschriften, die etwa bestimmte Vergütungsbestandteile von der Berechnung der Krankenbezüge ausgenommen haben, die rechtliche Geltung versagt worden (vgl. BAGE 54, 308, 310 ff. = AP Nr. 1 zu § 20 a AVR, mit weiteren Nachweisen).
Sonach besteht nur für Arbeiterinnen und Arbeiter, nicht jedoch für Angestellte die gesetzlich eröffnete Möglichkeit, durch Tarifvertrag von der gesetzlichen Regelung über die Höhe der Krankenbezüge abzuweichen, was - wie der vorliegende Fall zeigt - für den gewerblichen Arbeitnehmer nachteilig sein kann. Gleichwohl begegnet § 2 Abs. 3 LFZG keinen Bedenken aus Art. 3 Abs. 1 GG, die eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfordern würden. Im einzelnen gilt dazu folgendes:
a) § 2 Abs. 3 LFZG bedarf zu der Frage des Umfangs der zulässigen Abweichung durch Tarifvertrag einer einschränkenden Auslegung. Die gesetzlichen Vorschriften haben das sogenannte Lohnausfallprinzip zum Gegenstand. Zweck der Tariföffnungsklausel ist es, von dem vorgenannten Prinzip abweichend eine andere Berechnungsmethode, das sogenannte Referenzprinzip, zuzulassen. Damit soll praktischen Bedürfnissen, wie sie typisch bei gewerblichen Arbeitnehmern auftreten (wechselnde Arbeitsentgelte, Leistungslöhne, Mehrarbeit u.a.), für die zu ermittelnden Krankenbezüge entsprochen werden (vgl. Begründung der Bundesregierung BT-Drucks. IV/817 S. 12; BAG Urteil vom 2. Oktober 1974 - 5 AZR 555/73 - AP Nr. 5 zu § 2 LohnFG, zu II 1 der Gründe; Urteil vom 28. Januar 1982 - 6 AZR 911/78 - AP Nr. 11 zu § 2 LohnFG, zu II 4 der Gründe; BAGE 43, 95, 98 = AP Nr. 13 zu § 2 LohnFG, zu 1 der Gründe; zuletzt noch Urteil vom 8. März 1989 - 5 AZR 116/88 - AP Nr. 17 zu § 2 LohnFG, zu III 1 der Gründe; aus dem Schrifttum Kehrmann/Pelikan, Lohnfortzahlungsgesetz, 2. Aufl., § 2 Rz 27 ff.; Kaiser/Dunkl, Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, 2. Aufl., I. Teil § 2 Rz 69 ff.; Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., Stand November 1992, § 2 Rz 48 ff.; Feichtinger, Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle, AR-Blattei (D) Krankheit III Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle, zu E I 3 a); Marienhagen, Lohnfortzahlungsgesetz, Stand November 1991, § 2 Rz 37 ff.; Schmitt, Lohnfortzahlungsgesetz, § 2 Rz 86 ff.).
Auf dieser Grundlage ist klarzustellen, daß nach der Tariföffnungsklausel zwar andere Wege für die Ermittlung der Krankenbezüge beschritten werden können (Referenz- statt Lohnausfallprinzip), daß aber vom Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht gedeckt wäre, Vergütungsbestandteile wie Prämien, Zuwendungen und andere Bezüge von der Berechnung der Krankenbezüge generell auszunehmen. Diese Erwägungen brauchen für den zu entscheidenden Fall nicht vertieft zu werden. Die hier anzuwendende tarifliche Regelung hält sich im Rahmen der gesetzlichen Tariföffnungsklausel: Anstelle des für die Tage der Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Lohns ist Bemessungsgrundlage der Urlaubslohn, der entsprechend § 11 BUrlG aus einem vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit liegenden Bemessungszeitraum nach näherer Bestimmung des § 8 Nr. 5 MTV zu berechnen ist.
b) Wenn die tarifliche Regelung - wie hier - zulässig auf die Verhältnisse vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Berechnung der Krankenbezüge abstellt, kann sich ergeben, daß der Arbeitnehmer weniger an Bezügen erhält, als dies bei Anwendung des Lohnausfallprinzips der Fall wäre. Diese Folge ergibt sich z. B., wenn die tatsächlich ausgefallene tägliche Arbeitszeit länger ist, als die Arbeitszeit im Referenzzeitraum war. Entsprechendes gilt, wenn im Bemessungszeitraum für die Berechnung der täglichen Arbeitszeit zu berücksichtigende Freischichten lagen, die in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht angefallen wären (vgl. dazu BAG Urteil vom 15. Mai 1991 - 5 AZR 440/90 - EzA § 1 LFZG Nr. 118 = NZA 1991, 775). Die Verhältnisse können aber auch gerade umgekehrt liegen mit einer sich dann für den Arbeitnehmer ergebenden Besserstellung (vgl. statt vieler: BAG Urteil vom 8. März 1989 - 5 AZR 116/88 - AP Nr. 17 zu § 2 LohnFG).
Die vorgenannte Folge, die sich aufgrund einer vom Gesetz abweichenden, von ihm aber gestatteten anderen Berechnungsmethode ergeben kann, kann für die allein auf die gesetzliche Regelung abstellende Ermittlung der Krankenbezüge der Angestellten nicht eintreten. Gleichwohl sind auch für den Fall eines dem Arbeiter nachteiligen Ergebnisses bei Anwendung des Referenzprinzips verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 3 GG nicht zu erheben. Die durch die Tariföffnungsklausel des § 2 Abs. 3 LFZG ermöglichte tarifliche Gestaltung mit dem vorstehend zu II 2 a beschriebenen eingeschränkten Umfang und Inhalt ist deshalb nicht zu beanstanden, weil die anderweitige Berechnung der Krankenbezüge wegen der genannten im wesentlichen nur bei gewerblichen Arbeitnehmern anzutreffenden Umstände die Berechnung der Krankenvergütung vielfach erleichtert und beschleunigt und damit sachgerecht von der für die Angestellten geltenden Gesetzeslage unterscheidet. Das gilt auch insoweit, wie die Referenzmethode im Einzelfall zu ungünstigeren Ergebnissen führt.
c) Auf dieser Grundlage sind vorliegend Bedenken gegen die Berechnung der für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit gezahlten Vergütung nicht zu erheben. Nach der tariflichen Regelung ist für jeden Tag zwar nur die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit berücksichtigt worden. Die Vergütung für Mehrarbeit ist aber nicht außer Betracht geblieben. Insoweit ist dem Kläger ein aus der Mehrarbeit des Referenzzeitraums berechneter Betrag von täglich 15,-- DM zugeflossen. Damit ist dem Anliegen des § 1 LFZG genügt.
Dr.Thomas Dr. Gehring Dr. Rost
Heel Arntzen
Fundstellen
Haufe-Index 439770 |
BAGE 72, 297-304 (LT1-2) |
BAGE, 297 |
BB 1993, 1435 |
BB 1993, 1435-1437 (LT1-2) |
DB 1993, 1723-1724 (LT1-2) |
NJW 1993, 2397 |
NJW 1993, 2397-2398 (LT1-2) |
EBE/BAG 1993, 114-116 (LT1-2) |
EEK, I/1117 (ST1-3) |
NZA 1993, 699 |
NZA 1993, 699-701 (LT1-2) |
USK, 9303 (ST) |
WzS 1994, 57 (L) |
ZTR 1993, 379-380 (LT1-2) |
AP § 2 LohnFG (LT1-2), Nr 25 |
AR-Blattei, ES 1000.3.1 Nr 167 (LT1-2) |
EzA § 2 LohnFG, Nr 23 (LT1-2) |
MDR 1993, 991 (LT1-2) |
SVFAng Nr 82, 19 (1994) (S) |