Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Betriebsstillegung – Betriebsübergang (Anzeigenblatt)
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1; ZPO § 89 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. Juli 1997 – 11 Sa 83/96 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision und der Nebenintervention zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die die Beklagte unter Berufung auf eine beabsichtigte Betriebsstillegung ausgesprochen hat.
Die Beklagte gab bis zum 31. Dezember 1995 ein Anzeigenblatt heraus, das unter dem Namen „Der Neue B.” im B.kreis und unter dem Namen „Der Neue K.” im Landkreis S. und im Raum S. erschien. Sie unterhielt für den Vertrieb des Anzeigenblattes je eine Geschäftsstelle in F. und in S. mit insgesamt acht Arbeitnehmern. Die 1952 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit April 1978 als Kontoristin beschäftigt. Sie arbeitete in der Geschäftsstelle in F..
Gesellschafter der Beklagten waren die S. KG und die Südkurier GmbH. Die letztere kündigte den Gesellschaftsvertrag im Dezember 1994 zum 31. Dezember 1995. Die nach dem Gesellschaftsvertrag mögliche Fortführung der Gesellschaft durch eine der beiden Gesellschafterinnen unterblieb. Die Geschäftsführer der Beklagten beschlossen am 8. Juni 1995, die letzte Ausgabe des Anzeigenblattes am 22. Dezember 1995 erscheinen zu lassen und die Mitarbeiter über die Liquidation zum 31. Dezember 1995 und die dadurch notwendigen Kündigungen zu unterrichten. Die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter wurden sodann zum 31. Dezember 1995 gekündigt, das der Klägerin am 22. Juni 1995. Mit Schreiben vom 13. Juli 1995 kündigte die Beklagte die Mietverträge über die Geschäftsstellenräume zum 31. Januar bzw. 31. Dezember 1996 sowie am 23. November 1995 Telefonanschlüsse und Festverbindungen zum 31. Dezember 1995. In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 19. Dezember 1995 wurde ergebnislos über den Verbleib der Unterlagen von Anzeigenkunden und der Personal- und Trägerlisten verhandelt. Die Auflösung der Gesellschaft zum 31. Dezember 1995 wurde am 3. April 1996 zum Handelsregister angezeigt.
Die S. KG hatte im Jahre 1979 eine Firma N. GmbH gegründet. Diese wurde zunächst geschäftlich nicht aktiv. Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 21. September 1995 erhielt sie den Namen „INFO N. GmbH”. Seit dem 28. Dezember 1995 gibt sie im Verbreitungsgebiet des zuvor von der Beklagten vertriebenen Anzeigenblattes ein neues Anzeigenblatt unter dem Namen „INFO N.” heraus. Sie benutzt dazu aufgrund entsprechender Mietverträge seit dem 1. Januar 1996 die bisher von der Beklagten gemieteten Räume in F. und S. als Geschäftsstellen. Ferner hat sie mit sechs der acht Arbeitnehmer der Beklagten neue Arbeitsverträge abgeschlossen, nicht jedoch mit der Klägerin. Während des Berufungsverfahrens ist sie dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Mit der am 3. Juli 1995 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Ein wirksamer Beschluß, den Betrieb zum 31. Dezember 1995 stillzulegen, sei nicht gefaßt worden. Zudem habe ein Betriebsübergang von der Beklagten auf deren Streithelferin stattgefunden. Auch die Geschäftsführer seien am 8. Juni 1995 noch nicht von einer Betriebsstillegung ausgegangen, sondern von einer eventuellen Betriebsübernahme durch Gründungsgesellschafter oder andere Gesellschaften. Die Kündigung der Mieträume sei nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresschluß möglich gewesen. Tatsächlich sei sie erst im Juli 1995 ausgesprochen worden. Dies wäre mit Sicherheit im Laufe des Juni geschehen, wenn die Beklagte den Stillegungsbeschluß bereits im Juni gefaßt hätte. In Wirklichkeit sei allen Beteiligten klar gewesen, daß ein Betriebsübergang erfolgen solle. Durch zahlreiche Einzelmaßnahmen sei die Streithelferin in den Stand gesetzt worden, den Betrieb fortzuführen. So seien ihr die Mitarbeiterverträge und die Listen aller Inserenten zugeleitet worden. Auch habe sie die Geschäftsräume schon nach dem 22. Dezember 1995 benutzt. Ab dem 1. Januar 1996 sei sie in die Mietverträge eingestiegen. Im Einwohnermeldebuch der Stadt F., Ausgabe November 1995, habe sie unter der Geschäftsadresse der Beklagten mit deren Telefon- und Telefaxnummern firmiert. Eine entsprechende Anmeldung müsse bereits im Juli 1995 erfolgt sein. Die Streithelferin habe die Außenreklame an den Geschäftsräumen in F. erst im Mai 1996 durch eine eigene ersetzt. Der Verlagsleiter E. der Beklagten sei schon im Dezember 1995 für die neue Firma als Geschäftsstellenleiter in F. tätig gewesen. Die im INFO N. enthaltenen Sonderseiten „Bauen und Sanieren” seien unverändert von dem bisherigen Anzeigenblatt unter Weiterverwendung der Kundenklischees übernommen worden. Die Fortführung der Kundenanzeigen bedeute der Sache nach eine Fortsetzung der bestehenden langfristigen Anzeigenverträge. Allerdings seien die Kunden ohnehin bekannt gewesen und im übrigen durch einen Blick in die alten Anzeigenblätter unschwer zu ermitteln gewesen. Schließlich habe die Beklagte sämtliche Personalakten ihrer Mitarbeiter an die Streithelferin übergeben. Darüber hinaus beschäftige diese mehrere Mitarbeiter der S. Zeitung als Leiharbeitnehmer. Ihr Geschäftsführer habe den Arbeitnehmern der Beklagten erklärt, die Kündigungen der Arbeitsverträge seien lediglich als „Formalakt” anzusehen; sie würden letztlich ihre Arbeitsstelle nicht verlieren, weil es weitergehe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Juni 1995 nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte und deren Streithelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, die Gesellschafter der Beklagten hätten am 9. Mai 1995 die Stillegung des Betriebes dem Grunde nach beschlossen. Die Bestimmung des Zeitpunktes sei den Geschäftsführern nach Maßgabe der Kündigungsfristen für die Arbeitsverhältnisse überlassen worden. Nach Ermittlung dieser Fristen hätten die beiden Geschäftsführer beschlossen, den Betrieb zum 31. Dezember 1995 zu schließen. Ein Betriebsübergang sei weder vorgesehen gewesen noch erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung der Beklagten vom 22. Juni 1995 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 31. Dezember 1995 aufgelöst.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Entgegen der Auffassung der Klägerin fehle es nicht an einer Unternehmerentscheidung der Beklagten, den Betrieb zum 31. Dezember 1995 zu schließen. Hierüber hätten nicht die Gesellschafter, sondern die Geschäftsführer als Unternehmensführung zu entscheiden. Aus dem Protokoll vom 8. Juni 1995 gehe die beschlossene Betriebsstillegung unzweifelhaft hervor; denn dort sei von der „Liquidation zum 31. Dezember 1995 und den dadurch notwendigen Kündigungen” die Rede und ferner davon, daß die letzte Ausgabe des Anzeigenblattes am 22. Dezember 1995 erfolgen solle. Den Darlegungen der Parteien lasse sich nicht entnehmen, daß bei Ausspruch der Kündigung am 22. Juni 1995 aus Sicht der Beklagten gleichwohl noch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung der Klägerin, etwa aufgrund des Übergangs des Betriebs auf einen neuen Inhaber, bestanden habe. Nicht ersichtlich sei eine Kenntnis der Geschäftsführer der Beklagten von etwaigen Plänen oder gar Aktivitäten der S. KG, ein anderes Anzeigenblatt als Ersatz zu gründen. Die erste nach außen sichtbare Handlung insoweit sei die Mitwirkung an der Gesellschafterversammlung der Streithelferin am 21. September 1995 gewesen. Wollte man davon ausgehen, die Prognose der Beklagten habe sich im Nachhinein als unzutreffend erwiesen, weil die Streithelferin den Betrieb der Beklagten durch Rechtsgeschäft übernommen und fortgeführt habe, ändere dies an der Wirksamkeit der Kündigung nichts. Es komme dann allenfalls ein Anspruch der Klägerin gegen die Streithelferin auf Wiedereinstellung in Betracht. In Wahrheit liege aber ein rechtsgeschäftlicher Übergang des Betriebs der Beklagten auf die Streithelferin nicht vor.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
I. Die auch im Revisionsverfahren wieder vorgetragene Rüge der Klägerin, die Berufung der Beklagten sei unzulässig gewesen, geht fehl. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 1996 eine von beiden gesamtvertretungsberechtigten Liquidatoren unterzeichnete Vollmacht vorgelegt, die zumindest als Genehmigung der Prozeßführung anzusehen ist. Entgegen der Auffassung der Revision kann nach § 89 Abs. 2 ZPO der bei Einlegung eines Rechtsmittels etwa bestehende Mangel der Vollmacht durch Genehmigung des Vertretenen mit rückwirkender Kraft geheilt werden, solange das Rechtsmittel nicht als unzulässig verworfen worden ist (vgl. nur BGH Urteil vom 14. Dezember 1990 – V ZR 329/89 – NJW 1991, 1175, 1176; Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 89 Rz 13 ff., m.w.N.). Darauf hat schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.
II. Die Kündigung der Beklagten vom 22. Juni 1995 ist nicht gem. § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam.
1. Wegen eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613 a BGB wird eine Kündigung dann ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muß Beweggrund für die Kündigung sein. Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung abzustellen. Damit kann ein bevorstehender Betriebsübergang nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 613 a Abs. 4 BGB führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits feststehen oder zumindest greifbare Formen angenommen haben (vgl. nur Senatsurteile vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – AP Nr. 169 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; vom 22. Januar 1998 – 8 AZR 623/96 –, n.v., zu B II 1 a der Gründe).
Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit (st. Rspr. des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 – Rs C-13/95 – EuGHE I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 [Ayse Süzen]; vgl. nur Senatsurteile vom 24. April 1997 – 8 AZR 848/94 –, n.v., zu II 2 b der Gründe; vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – AP Nr. 171 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I der Gründe).
2. Ob es im Dezember 1995/Januar 1996 zu einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang auf die Streithelferin gekommen ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls lagen zum Kündigungszeitpunkt entsprechende Tatsachen nicht vor, hatten auch nicht zumindest greifbare Formen angenommen. Deshalb kommt es auf die Rüge der Revision zum Vorliegen eines Betriebsübergangs nicht an.
a) Das Landesarbeitsgericht hat unangefochten festgestellt, die Geschäftsführer der Beklagten hätten im Kündigungszeitpunkt keine Kenntnis von etwaigen Plänen oder gar Aktivitäten gehabt, ein neues Anzeigenblatt als Ersatz herauszugeben. Die Absicht, wieder ein Anzeigenblatt herzustellen und im bisherigen Verbreitungsgebiet zu vertreiben, hätte sich ohne weiteres überhaupt nur auf eine Funktionsnachfolge bezogen. Die bloße Funktionsnachfolge stellt aber keinen Betriebsübergang dar (Senatsurteil vom 13. November 1997, aaO, zu II 2 der Gründe).
b) Von einer rechtsgeschäftlichen Übernahme materieller oder immaterieller Betriebsmittel und von der Einstellung der Arbeitnehmer der Beklagten war zum Kündigungszeitpunkt keine Rede. Die Auffassung der Klägerin, die Geschäftsführer der Beklagten seien am 8. Juni 1995 von einer Betriebsübernahme ausgegangen, ist nicht mit Tatsachen belegt und deshalb vom Landesarbeitsgericht zu Recht zurückgewiesen worden. Was die Klägerin zum Zustandekommen eines Betriebsübergangs vorträgt, liegt nach der Kündigung vom 22. Juni 1995 und hatte bis dahin auch noch keine greifbaren Formen angenommen.
c) Insbesondere kann nicht deswegen auf eine vorgesehene Übertragung des Geschäftsbetriebs als ganzen geschlossen werden, weil die Beklagte Überlegungen zu Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer und zu einer „Regelung bei Übernahme eines Mitarbeiters durch die Gesellschafterunternehmen” angestellt hat. Eine solche Übernahme war unabhängig von einem Betriebsübergang möglich und sinnvoll. Ebenso deutet die verspätete Kündigung der Mietverträge nicht darauf hin, es habe zum Kündigungszeitpunkt bereits ein Übernehmer des Betriebs bereitgestanden. Es hätte sich in diesem Falle eine Kündigung erübrigt. Zudem ging die Beklagte nach dem Protokoll der Sitzung vom 8. Juni 1995 offenbar davon aus, die Mietverträge ohnehin erst zum 31. Dezember 1996 kündigen zu können. Schließlich stellt es eine bloße Vermutung der Klägerin dar, wenn sie aus der angeblichen Äußerung des Geschäftsführers der Streithelferin, „es gehe weiter”, die Absicht eines Betriebsübergangs folgert. Konkrete Anhaltspunkte für die Motivation der Beklagten ergeben sich daraus jedenfalls nicht.
III. Die Kündigung der Beklagten ist nicht sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 1 KSchG), sondern durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG).
1. Dringende betriebliche Erfordernisse können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. nur BAG Urteil vom 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 – AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.).
2. Die Stillegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zählt zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die eine Kündigung rechtfertigen. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stillegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sein (st. Rspr.: vgl. BAG Urteile vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – AP Nr. 74 zu § 613 a BGB und vom 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, jeweils m.w.N.).
3. Die wirksame Entscheidung, den von einer GmbH geführten Betrieb stillzulegen, erfordert keinen formell gültigen Beschluß der Gesellschafter. Der Entschluß zur Betriebsstillegung unterliegt grundsätzlich keiner bestimmten Form. Er ist von dem Beschluß zur Auflösung der Gesellschaft strikt zu unterscheiden und kann von den Geschäftsführern formlos getroffen werden (BAG Urteil vom 11. März 1998 – 2 AZR 414/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 1 c der Gründe, m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zu Recht angenommen, daß die Geschäftsführer der Beklagten die Schließung des Betriebs vornehmen konnten.
4. Bei Ausspruch der Kündigung am 22. Juni 1995 haben danach alle Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung vorgelegen. Das Landesarbeitsgericht hat den ernstlichen Willen der Beklagten festgestellt, die betriebliche Tätigkeit des Anzeigenblattes zum 31. Dezember 1995 endgültig zu beenden. Die Beklagte hat diese Entscheidung wie vorgesehen umgesetzt. Damit war die Prognose der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt, das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin werde zum Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, gerechtfertigt.
5. Die Arbeitsgerichte können die unternehmerische Entscheidung nicht auf deren Zweckmäßigkeit oder sachliche Rechtfertigung, sondern nur auf die Einhaltung äußerster Grenzen der offenbaren Unvernunft oder Willkür hin überprüfen (BAG Urteil vom 26. September 1996, aaO, zu II 2 b der Gründe, m.w.N.). Anhaltspunkte für eine Verletzung dieser Grenzen bestehen nicht und werden von der Klägerin auch nicht aufgezeigt.
IV. Die maßgebliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB ist gewahrt.
C. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision und die Kosten der Nebenintervention zu tragen (§§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, P. Knospe, Scholz
Fundstellen