Leitsatz (amtlich)
1. Der besondere Kündigungsschutz als Wahlbewerber gemäß § 15 Abs. 2 KSchG steht dem Arbeitnehmer noch nicht zu, solange nicht wenigstens ein Wahlvorschlag für seine Person aufgestellt ist, der den Anforderungen des § 14 Abs. 5 BetrVG 1972 (Unterzeichnung durch eine Mindestzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer) genügt. Die Benennung eines Arbeitnehmers als Betriebsratskandidat in einer Versammlung der gewerkschaftlichen Vertrauensleute des Betriebs und die Aufzeichnung seines Namens auf einem Zettel ohne Unterschriften kann den besonderen Kündigungsschutz nicht auslösen.
2. Eine Arbeitgeberkündigung kann unwirksam sein, wenn sie nur ausgesprochen wird, um einen demnächst zu erwartenden Kündigungsschutz des Arbeitnehmers als Wahlbewerber zu vereiteln. Dieser Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor, wenn der Arbeitgeber zu einer Zeit, als ihm die mögliche Wahlkandidatur des Arbeitnehmers unbekannt war, dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG 1972 seine auf andere Gründe gestützte Kündigungsabsicht mitgeteilt und dann aus diesen Gründen gekündigt hat.
3. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben in dieser Eigenschaft keinen dem § 15 KSchG entsprechenden besonderen Kündigungsschutz. Ob aus der in dem weitergeltenden § 76 Abs. 2 Satz 5 BetrVG 1952 vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des Benachteiligungsverbots aus § 78 BetrVG 1972 (früher: § 53 BetrVG 1952) ein Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat herzuleiten ist, bleibt unentschieden.
4. Allein die objektive Verletzung der Schweigepflicht, die dem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat entweder kraft Gesetzes obliegt (§ 116 in Verbindung mit § 93 AktG) oder die ihm durch die Unternehmensleitung besonders auferlegt wird, rechtfertigt in der Regel weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung. Es muß hinzukommen, daß der Verstoß auf Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Daran fehlt es, solange bei der derzeitigen Rechtslage ungeklärt ist, welchen Umfang die Schweigepflicht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hat. Ob und inwieweit die Verletzung einer Amtspflicht (Schweigepflicht) des Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat als Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten zu werten ist, bleibt dahingestellt.
5. Wenn schon ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Kenntnisse, die er in dieser Eigenschaft erlangt hat, an Dritte weitergibt, dann muß er genau und vollständig berichten und darf keine sachlich unbegründeten Bedenken äußern, die den Betriebsfrieden gefährden und das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit schädigen können. Eine Verletzung dieser Pflicht kann als Störung im Vertrauensbereich die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 15 (i.d.F. des § 123 BetrVG 1972) Wahlbewerber; KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung, § 9; BetrVG 1972 §§ 14, 78, 102-103, 123, 129; BetrVG 1952 §§ 53, 76-77; AktG §§ 93, 116
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.06.1973; Aktenzeichen 5 (3) Sa 80/72) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juni 1973 – 5 (3) Sa 80/72 – aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger wurde am 1. April 1957 bei der Beklagten als Ingenieur eingestellt. Seit dem 1. Januar 1967 war er Gruppenführer in der Abteilung Stahlwasserbau. Sein Gehalt betrug zuletzt monatlich 2.830,– DM brutto. Seit 1965 gehörte er als Arbeitnehmervertreter dem Aufsichtsrat der Beklagten an. Im Juni 1970 wurde er für den Betrieb der Beklagten zum Vertrauensmann der IG-Metall und am 7. September 1970 zum Vertrauensleute-Obmann für die Gruppe der Angestellten gewählt.
Mit Schreiben vom 12. Januar 1972 lud die Beklagte die Mitglieder des Aufsichtsrates zum 1. Februar 1972 für eine Sitzung (des Aufsichtsrates) ein. Als Punkt 3 der Tagesordnung war auf der Einladung angegeben: „Bericht der Geschäftsführung über die beabsichtigte Ausgliederung der Kapitalbeteiligungen … und Einbringung in die V.-Vermögensverwaltungs-GmbH.” Zusammen mit dem weiteren Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, dem Zeugen F., der zugleich der Vorsitzende des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats ist, traf der Kläger am Nachmittag des 12. Januar 1972 mit dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn R., zusammen, der die Arbeitnehmervertreter u.a. auch über Punkt 3 der Tagesordnung unterrichtete. Zwischen den Parteien ist streitig, inwieweit der Geschäftsführer diese Gespräche als vertraulich bezeichnet hat.
Am 24. Januar 1972 fand eine Versammlung der für den Betrieb der Beklagten gewählten Vertrauensleute der IG-Metall statt, an der etwa 100 Vertrauensleute teilnahmen. Der Kläger nahm bei dieser Gelegenheit zu der beabsichtigten Vermögensausgliederung Stellung, wobei Anlaß und Inhalt seiner Äußerungen streitig sind. Über den Verlauf dieser Veranstaltung unterrichtete der Kläger am 25. Januar 1972 in zwei getrennten Besprechungen die Angestellten der Abteilung Kunststofftechnik sowie des Büros Stahlwasserbau/Schweißkonstruktionen.
Unter Hinweis auf diese Vorfälle teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 1. Februar 1972 mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zu kündigen. Von einer außerordentlichen Kündigung sehe sie nur aus sozialen Erwägungen ab. Am 2. Februar 1972 wurde der Kläger in einer weiteren Vertrauensleute-Versammlung der IG-Metall neben anderen als Bewerber für die demnächst anstehende Betriebsratswahl genannt. Mit Schreiben vom 4. Februar 1972 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, sie erwäge nunmehr, dem Kläger aus wichtigem Grunde mit einer Auslauffrist zum 31. März 1972 zu kündigen, weil ihr weitere Einzelheiten über das Verhalten des Klägers am 24. und 25. Januar 1972 bekannt geworden seien. Der Betriebsrat hat sich weder mit der außerordentlichen noch mit der ordentlichen Kündigung einverstanden erklärt. Am 5. Februar 1972 unterrichtete der örtliche Gewerkschaftssekretär der IG-Metall die Geschäftsleitung der Beklagten davon, daß der Kläger als Wahlbewerber für die Liste der IG-Metall aufgestellt worden sei.
Mit Schreiben vom 7. Februar 1972 kündigte die Beklagte dem Kläger aus wichtigem Grund zum 31. März 1972 und vorsorglich zugleich ordentlich zum 30. September 1972. Am 7. März 1972 wurde das Wahlausschreiben des Wahlvorstandes für die auf den 17. Mai 1972 vorgesehene Neuwahl des Betriebsrats ausgehängt. Erst nach diesem Zeitpunkt wurden schriftliche Wahlvorschläge beim Wahlvorstand eingereicht. Bei der am 17. Mai 1972 durchgeführten Wahl ist der Kläger in den Betriebsrat gewählt worden.
Der Kläger hat Klage auf Feststellung erhoben, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 7. Februar 1972 weder zum 31. März 1972 noch zum 30. September 1972 aufgelöst worden sei. Nach seiner Ansicht ist die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil er bereits ab 2. Februar 1972 Wahlbewerber im Sinne des § 15 Abs. 2 KSchG gewesen sei. Im übrigen habe er auch keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Bei der Unterredung am 12. Januar 1972 seien von Herrn R. die Angaben über die geplante Vermögens-Verwaltungs-GmbH nicht als vertraulich bezeichnet worden. Am 24. Januar 1972 habe er sich hierzu erst auf Anfrage eines anderen Vertrauensmannes geäußert. Am 25. Januar 1972 habe er lediglich über das Ergebnis der Versammlung vom 24. Januar 1972 zusammenfassend berichtet. Wenn Unruhe in den Betrieb getragen worden sei, dann habe das die Beklagte selbst zu vertreten, weil sie Presseerklärungen über bevorstehende Massenentlassungen abgegeben habe.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat vorgebracht, der Kläger genieße nicht den Schutz eines Wahlbewerbers nach § 15 Abs. 2 KSchG, weil formgerechte Wahlvorschläge erst nach dem Erlaß des Wahlausschreibens eingereicht worden seien. Der Kläger habe seine Schweigepflicht verletzt, indem er am 24./25. Januar 1972 über die beabsichtigte Vermögensausgliederung berichtet habe, obwohl er gebeten worden sei, diese Mitteilungen vertraulich zu behandeln. Dabei habe er zudem unzutreffende Angaben über Art und Auswirkungen der Vermögensausgliederung gemacht und damit zu Unrecht den Eindruck erweckt, die Beklagte verletze die Interessen der Belegschaft.
Mit der Begründung, durch das Verhalten des Klägers am 24./25. Januar 1972 drohe ihr ein erheblicher materieller und immaterieller Schaden, hat die Beklagte Widerklage erhoben und die Feststellung begehrt, daß der Kläger verpflichtet sei, ihr den Schaden zu ersetzen, der aus dem Verhalten des Klägers entstanden sei bzw. noch entstehe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, soweit das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, und hilfsweise weiter beantragt, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG aufzulösen. Zur Begründung ihres Auflösungsantrages hat die Beklagte vorgetragen, eine Zusammenarbeit mit dem Kläger sei ihr nicht mehr zumutbar, insbesondere nachdem er am 15. Mai 1972 ein gegen sie gerichtetes Flugblatt der IG-Metall verteilt habe.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage und hilfsweise auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses weiter, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
I. Die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist nicht schon deswegen nach § 15 Abs. 2 KSchG (i.d.F. des § 123 Nr. 3 BetrVG 1972) unzulässig, weil die nach § 103 Abs. 1 BetrVG 1972 erforderliche Zustimmung des Betriebsrats fehlt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zutreffend den besonderen Kündigungsschutz eines Wahlbewerbers nach § 15 Abs. 2 KSchG versagt. Der Schutz des Wahlbewerbers beginnt nach dieser Vorschrift erst mit der „Aufstellung des Wahlvorschlages”. Dazu war es zur Zeit der Kündigung (7. Februar 1972) noch nicht gekommen.
Im Schrifttum ist umstritten, was unter „Aufstellung des Wahlvorschlags” zu verstehen ist. Nach der Auffassung von Gnade-Kehrmann-Schneider (BetrVG § 123 Anm. 6) soll es genügen, wenn ein wählbarer Arbeitnehmer, bevor ein gültiger Wahlvorschlag vorliegt, schriftlich erklärt hat, daß er bereit sei, sich um die Wahl zum Betriebsrat zu bewerben. Demgegenüber wird überwiegend darauf abgestellt, ob ein den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 14 Abs. 5 bis 7) und der Wahlordnung (WO 1972, § 6) entsprechender Wahlvorschlag für den gekündigten Arbeitnehmer bereits beim Wahlvorstand eingereicht worden ist (vgl. Brecht, BetrVG § 103 Anm. 2; Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 103 Anm. 7; Kraft, GemKomm. z. BetrVG § 103 Anm. 5 c; A. Hueck und G. Hueck, KSchG, 9. Aufl., § 15 Anm. 7; Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten, 3. Aufl., S. 195). Einen vermittelnden Standpunkt nehmen Fitting-Auffarth (BetrVG, 10. Aufl., § 103 Anm. 11) ein, die den Beginn des besonderen Kündigungsschutzes für einen Wahlbewerber davon abhängig machen, daß ein schriftlicher Wahlvorschlag mit der nach § 14 Abs. 5 bis 7 BetrVG erforderlichen Anzahl von Unterschriften vorliegt, ohne daß es auf dessen Einreichung beim Wahlvorstand ankommen soll.
2. Alle diese vom Schrifttum für wesentlich gehaltenen Voraussetzungen sind bis zum Zugang der hier streitigen Kündigung zu Gunsten des Klägers nicht erfüllt gewesen. Bis zu diesem für die Anwendung des § 15 Abs. 2 KSchG entscheidenden Zeitpunkt (vgl. Dietz-Richardi, a.a.O., und Fitting-Auffarth, a.a.O.) hatte der Kläger weder schriftlich seine Zustimmung zur Wahl erteilt noch war ein den Formvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung entsprechender schriftlicher Wahlvorschlag erstellt und oder gar beim Wahlvorstand eingereicht worden. Der Kläger war vielmehr in der Versammlung am 2. Februar 1972 nur formlos als Wahlbewerber vorgeschlagen worden und hatte sich nur mündlich mit seiner Bewerbung einverstanden erklärt. Er vertritt gleichwohl die Auffassung, diese auch gegenüber der Beklagten später verlautbarte Vorbereitung der Aufstellung eines förmlichen Wahlvorschlages reiche aus, um ihm den besonderen Kündigungsschutz eines Wahlbewerbers zu verschaffen.
3. Diese Ansicht ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck des § 15 Abs. 2 KSchG zu vereinbaren.
a) Die „Aufstellung” eines Wahlvorschlages setzt nach dem üblichen Sprachgebrauch die Einhaltung einer bestimmten Form voraus. Da § 15 Abs. 2 KSchG die erforderliche Form nicht nennt, muß zur Auslegung auf die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes zurückgegriffen werden, die festlegen, welche Anforderungen an einen Wahlvorschlag zu stellen sind. Das rechtfertigt sich daraus, daß der besondere Kündigungsschutz für Wahlbewerber durch § 123 Nr. 3 BetrVG 1972 in das Kündigungsschutzgesetz eingeführt worden ist. Der § 15 Abs. 2 KSchG ist demnach im Zusammenhang mit den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes zu sehen und zu würdigen. Nach § 14 Abs. 5 BetrVG 1972 liegt ein dem Gesetz genügender Wahlvorschlag nur dann vor, wenn er von einer bestimmten Zahl der wahlberechtigten Gruppenmitglieder unterzeichnet ist. Schon dieses Mindesterfordernis für die „Aufstellung” eines Wahlvorschlages war bis zum Zugang der Kündigung vom 7. Februar 1972 unstreitig nicht gegeben. Es kommt demgemäß im Streitfall nicht darauf an, ob darüber hinaus auch die Beachtung der Formvorschriften der Wahlordnung erforderlich gewesen wäre und ob der Wahlvorschlag bereits beim Wahlvorstand hätte eingereicht sein müssen.
b) Auch mit dem Zweck des besonderen Kündigungsschutzes für Wahlbewerber wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Kläger sich schon deshalb auf § 15 Abs. 2 KSchG berufen könnte, weil er am 2. Februar 1972 durch Zurufe von Versammlungsteilnehmern als Wahlbewerber benannt und daraufhin von dem Betriebsratsvorsitzenden sein Name auf einem „Schmierzettel” vermerkt worden ist.
Die Wahlbewerber sind deshalb in einem gewissen Umfang kündigungsschutzrechtlich den Betriebsratsmitgliedern gleichgestellt worden, weil sie wegen möglicher Interessenkonflikte mit ihrem Arbeitgeber für die Zeit der Wahl ähnlich schutzbedürftig sind wie die Mitglieder des Betriebsrates (vgl. die Begründung des Regierungs-Entwurfes des Betriebsverfassungsgesetzes, Anlagenband 146, Drucksache VI, 1786 S. 60). Dieses Schutzes bedürfen die Wahlbewerber aber erst dann, wenn für sie die konkrete Möglichkeit der Wahl zum Betriebsrat besteht (vgl. A. Hueck und G. Hueck, a.a.O.). Das war aber allein aufgrund der Versammlung der Vertrauensleute am 2. Februar 1972 für den Kläger noch nicht gewährleistet. Es stand weder an diesem Tage noch bis zum Zugang der Kündigung überhaupt fest, ob der Kläger für seine Bewerbung die erforderliche Unterstützung einer ausreichenden Zahl von Arbeitnehmern der Gruppe der Angestellten finden würde.
II. Das Verhalten der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung und ihre für die Kündigung gegebene Begründung rechtfertigt auch nicht die Annahme, die Beklagte habe dem Kläger nur deshalb gekündigt, um einen demnächst zu erwartenden Kündigungsschutz des Klägers als Wahlbewerber zu vereiteln. Nachdem die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 1. Februar 1972 um eine Stellungnahme zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung gebeten hatte, hat sie bereits mit Schreiben vom 4. Februar 1972 dem Betriebsrat ergänzend mitgeteilt, sie ziehe nunmehr auch eine außerordentliche Kündigung in Erwägung, weil sich das Bild der Vorkommnisse am 24. und 25. Januar 1972 für sie nunmehr so abgerundet habe. Da ihr erst am 5. Februar 1972 von dem örtlichen Gewerkschaftssekretär mitgeteilt wurde, daß der Kläger Wahlbewerber der IG-Metall sei, kann ihr die Absicht, durch die Kündigung den § 15 Abs. 2 KSchG zu umgehen (vgl. hierzu BAG 4, 306 = AP Nr. 34 zu § 1 KSchG für den Fall einer Kündigung kurz vor Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes), nicht unterstellt werden. Dafür bestehen auch deshalb keine ausreichenden Anhaltspunkte, weil die Beklagte dem Betriebsrat Gründe für ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hat, die mit der Vorbereitung der Betriebsratswahl nicht im Zusammenhang standen, und aus diesen anderen Gründen dann auch gekündigt hat.
III. Dem Kläger steht auch nicht als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ein besonderer Kündigungsschutz zu.
1. In seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied hat er keine dem § 15 Abs. 2 KSchG entsprechende Sonderstellung im Bereich des Kündigungsschutzrechtes. Diese schon vor Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 überwiegend im Schrifttum vertretene Auffassung (vgl. Dietz-Richardi, a.a.O., § 76 BetrVG 1952 Anm. 176 mit Nachweisen; Fitting-Auffarth, a.a.O., § 76 BetrVG 1952 Anm. 132 [S. 920]; A. Hueck und G. Hueck, a.a.O., § 15 Anm. 11 mit Nachweisen; a.A.: nur Schnorr, ArbuR 1953, 108, und Wächter, DB 1954, 822) ist dadurch bestätigt worden, daß gemäß § 129 Abs. 1 BetrVG 1972 die Vorschriften der §§ 76–77 a, 81, 85 und 87 BetrVG 1952 aufrechterhalten worden sind, ohne daß der Gesetzgeber dabei auf § 15 KSchG oder § 103 BetrVG 1972 verwiesen hat (vgl. A. Hueck und G. Hueck, a.a.O., § 15 Anm. 11).
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus der in dem weitergeltenden § 76 Abs. 2 Satz 5 BetrVG 1952 vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des Benachteiligungsverbotes aus § 78 BetrVG 1972 (früher § 53 BetrVG 1952) zumindest ein relativer Kündigungsschutz für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat herzuleiten ist. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß die Kündigung eines Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat dann wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot unwirksam ist, wenn sie nur deshalb erfolgt ist, um ihm die weitere Ausführung seines Amtes unmöglich zu machen oder ihn wegen seiner ordnungsmäßigen und pflichtgemäßen Tätigkeit zu maßregeln (vgl. Dietz-Richardi, a.a.O., § 78 BetrVG 1972 Anm. 7 und § 76 BetrVG 1952 Anm. 176; Fitting-Auffarth, a.a.O., § 76 BetrVG 1952 Anm. 132 Seite [920] – mit Nachweisen – und § 103 BetrVG 1972 Anm. 3; A. und G. Hueck, a.a.O., § 15 Anm. 9 und 11 mit Nachweisen, und für die früher nicht besonders geschützten Mitglieder der Jugendvertretung BAG 2, 50 [55] = AP Nr. 1 zu § 20 BetrVG Jugendvertreter).
Zu dieser Auslegung des § 78 BetrVG 1972 brauchte der Senat nicht abschließend Stellung zu nehmen, weil für die Voraussetzungen, unter denen möglicherweise eine Kündigung gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen könnte, aufgrund des Verhaltens der Beklagten keine tatsächliche Vermutung spricht (vgl. Fitting-Auffarth, a.a.O., § 76 BetrVG 1952 Anm. 132 Seite [920]). Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was bei der Beklagten auf einen „willensmäßig ursächlichen Zusammenhang” zwischen der Kündigung und der Aufsichtsratstätigkeit des Klägers schließen läßt (vgl. BAG 2, 50 [55] = AP Nr. 1 zu § 20 BetrVG Jugendvertreter). Die Beklagte hat ihre Kündigung zwar auch damit begründet, daß der Kläger die ihm als Mitglied des Aufsichtsrates obliegende Schweigepflicht verletzt habe. Sie hat ihm darüberhinaus aber insbesondere vorgeworfen, in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer in ihrem Betrieb und während der Arbeitszeit mehreren Gruppen von Betriebsangehörigen die Folgen der beabsichtigten Vermögensausgliederung unrichtig geschildert und damit treuewidrig gehandelt zu haben (vgl. dazu unter V der Gründe). Zumindest dieser weitere Kündigungsgrund hängt sachlich nicht mit dem Aufsichtsratsamt des Klägers zusammen. Der Kläger hat auch nicht geltend gemacht, daß dieser Kündigungsgrund von der Beklagten nur vorgeschoben worden ist und die Kündigung in Wahrheit nur deshalb erfolgt ist, weil er der Beklagten als Vertreter im Aufsichtsrat nicht mehr genehm war.
IV. Damit bleibt die Frage, ob die Kündigung vom 7. Februar 1972 entweder als außerordentliche gemäß § 626 BGB oder als ordentliche gemäß § 1 KSchG rechtsunwirksam ist. Insofern ist dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis darin zu folgen, daß die Beklagte nicht schon deshalb zur außerordentlichen oder auch nur zur ordentlichen Kündigung berechtigt gewesen ist, weil der Kläger am 24. Januar 1972 in der Versammlung der Vertrauensleute und am 25. Januar 1972 in zwei Besprechungen mit Angestellten Angaben über die beabsichtigte Gründung einer Vermögensverwaltungs-GmbH gemacht hat, die er am 12. Januar 1972 von dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn R., erfahren hatte, und damit, wie die Revision meint, seine Verschwiegenheitspflicht verletzt habe.
1. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu in seiner Hauptbegründung festgestellt, es sei nicht erwiesen, daß dem Kläger in der Besprechung am 12. Januar 1972 durch Herrn R. ausdrücklich auferlegt worden sei, die Angaben über die Gründung einer Vermögensverwaltungs-GmbH vertraulich zu behandeln. In einer Hilfsbegründung hat das Landesarbeitsgericht noch zusätzlich ausgeführt, auch eine etwaige Verletzung der Schweigepflicht rechtfertige keine Kündigung.
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Revision gegen die Feststellungen, die die Haupterwägungen des Landesarbeitsgerichts tragen, begründete Verfahrensrügen erhoben hat. Jedenfalls hat das Landesarbeitsgericht die Folgen einer etwaigen Verletzung der Schweigepflicht durch den Kläger in dem ihm zustehenden Beurteilungsspielraum rechtsfehlerfrei gewürdigt. Es kommt für die Entscheidung nicht darauf an, ob der Kläger objektiv eine im kraft Gesetzes obliegende (vgl. § 116 in Verbindung mit § 93 AktG) oder eine ihm durch Herrn R. besonders auferlegte Schweigepflicht verletzt hat. (Über den Umfang der Schweigepflicht vgl. neuerdings OLG Düsseldorf vom 15. Oktober 1973, DB 1973, 2441.) Das kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, weil der Kläger zumindest nicht schuldhaft gegen seine Amtspflichten als Mitglied des Aufsichtsrates verstoßen hat. Er hat nämlich entweder in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über das Bestehen und den Umfang der von einem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu wahrenden Schweigepflicht gehandelt oder ohne Verschulden angenommen, in Wahrnehmung berechtigter Interessen unter den gegebenen Umständen an eine an sich bestehende Schweigepflicht nicht gebunden zu sein. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
a) Im Schrifttum ist es streitig, ob die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hinsichtlich der gesetzlichen oder der ihnen auferlegten Schweigepflicht den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern völlig gleichstehen (so Fitting-Auffarth, a.a.O., § 76 BetrVG 1952 Anm. 125 [S. 917 f.]; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Band II Halbband 2 S. 1520; Galperin-Siebert, BetrVG, 4. Aufl., § 76 Anm. 51; Gaul, DB 1960, 1099; Veith, NJW 1966, 526) oder ob ihre Schweigepflicht durch ein berechtigtes Informationsbedürfnis des Betriebsrates oder der Belegschaft eingeschränkt wird (so Kittner, ZHR Bd. 136 [1972] S. 208 ff. [244–245]; Hensche, Mitb-Gespr. 1971, S. 111 [115]; Spieker, NJW 1965, 1937 [1944]). Auch Richardi (in Dietz-Richardi, a.a.O., § 76 BetrVG 1952 Anm. 166) hält es für geboten, den Inhalt der Schweigepflicht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat so zu beschränken, daß sie sich nicht auf alle Angaben bezieht, die als vertraulich bezeichnet werden, sondern das Interesse der Arbeitnehmer an einer Information „entsprechend” berücksichtigt wird.
Wie sich ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in einer solchen Interessenkollision verhalten soll, ist – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung noch nicht behandelt und geklärt worden. Deshalb kann dem Kläger kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn er die umstrittene Rechtslage unrichtig beurteilt haben sollte. Aus diesem Grunde rechtfertigt die Verletzung der Schweigepflicht in der Regel und so auch hier weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung.
b) Das gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Versammlung am 24. Januar 1972 nicht von sich aus die Gründung der Vermögensverwaltungs-GmbH angesprochen hat, sondern darauf erst dann eingegangen ist, als andere Versammlungsteilnehmer an ihn Fragen wegen der beabsichtigten Vermögensausgliederung gerichtet hatten.
In diesem Zusammenhang ist es entgegen der Auffassung der Revision unerheblich, ob sich aus der Aussage des Zeugen F., die das Landesarbeitsgericht insoweit nicht berücksichtigt hat, ergibt, daß der Zeuge Ri. nur Ungewisse Kenntnisse über die geplante Vermögensverwaltungs-GmbH gehabt habe. Darauf kommt es ebensowenig an wie auf die weitere Verfahrensrüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe Beweise fehlerhaft gewürdigt, indem es aus der Aussage des Zeugen H. geschlossen habe, der Geschäftsführer R. habe nicht nur die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, sondern auch die Abteilungsleiter über die beabsichtigte Ausgliederung von Beteiligungen unterrichtet.
Auch wenn eine solche Unterrichtung nicht stattgefunden und der Zeuge Ri. keine Einzelheiten über die geplante Vermögensverwaltungs-GmbH gekannt haben sollte, dann ändert das nichts daran, daß nach den von der Beklagten vorgetragenen weiteren Angaben des von ihr benannten Zeugen F. die Fragen nach der Vermögensausgliederung bei den Versammlungsteilnehmern Unruhe ausgelöst haben und sogar der Verdacht geäußert worden ist, es solle Geschäftskapital der Beklagten in die Schweiz verlagert werden. Der Kläger stand deshalb vor der schwierigen Entscheidung, ob er auf die Gerüchte schweigen oder ihnen nur entgegentreten sollte oder darüberhinaus das offenbaren durfte, was er durch den Geschäftsführer Herrn R. über die Gründung der Vermögensverwaltungs-GmbH erfahren hatte. Wenn er sich nach Rücksprache mit dem weiteren Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, dem Zeugen F., entschloß, sein Wissen preiszugeben, dann ist ihm zuzubilligen, daß er annehmen durfte, damit auch dem mutmaßlichen Interesse der Beklagten zu entsprechen.
3. Unter diesen Umständen bedarf es im Streitfall keiner eingehenden und abschließenden Klärung, unter welchen Voraussetzungen die Verletzung der Amtspflichten durch einen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat das konkrete Arbeitsverhältnis unmittelbar berührt und deshalb als gleichzeitiger Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch als Kündigungsgrund erheblich sein kann (vgl. hierzu Brox-Rüthers, Arbeitskampfrecht 1965, S. 114; Hueck-Nipperdey, a.a.O., S. 974 f; Gerd Müller, Fälle der Interessenkollision bei Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, Kölner Dissertation 1968, S. 137–138).
Auszugehen ist jedenfalls davon, daß die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu dem Unternehmen ihres Arbeitgebers in zwei verschiedenen, selbständigen Rechtsverhältnissen stehen (als Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis und als Organmitglieder in einem freien Dienstvertrag oder in einem körperschaftsrechtlichen Verhältnis), die in ihren Wirkungen grundsätzlich voneinander unabhängig sind (vgl. Hueck-Nipperdey, a.a.O., S. 1521; Müller, a.a.O., S. 4 ff. [27] und BGH AP Nr. 12 zu § 76 BetrVG). Aus dieser grundsätzlichen Trennung der beiden Rechtskreise folgt jedenfalls, daß eine allenfalls objektive, aber entschuldbare Verletzung der Amtspflichten als Vertreter im Aufsichtsrat dem Kläger nicht zugleich als Kündigungsgrund angelastet werden kann (vgl. für den Fall der schuldlosen Verletzung der Amtspflichten durch ein Mitglied des Betriebsrates: Dietz-Richardi, a.a.O., Anhang zu § 103 Anm. 9–10 mit Angabe der Rechtsprechung und des Schrifttums; Fitting-Auffarth, a.a.O., § 103 Anm. 9; Säcker, Rd.A. 65, 372 ff. und DB 1967, 2072 ff. [2073]; Thiele, GemKomm. z. BetrVG § 78 Anm. 38; Neumann-Duesberg, Rd.A. 1962, 289 ff. [295–299]).
V. Das angefochtene Urteil beruht jedoch deshalb auf einem Rechtsfehler, der zu seiner Aufhebung führt, weil das Landesarbeitsgericht die weiteren von der Beklagten vorgebrachten Kündigungsgründe nicht vollständig berücksichtigt und nicht ausreichend gewürdigt hat. Damit hat es den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB nicht richtig angewandt (vgl. z.B. BAG 2, 207, 214 = AP Nr. 5 und 4 zu § 626 BGB; ständige Rechtsprechung).
1. Die Beklagte hat dem Kläger nicht nur vorgeworfen, in den Versammlungen am 24. und 25. Januar 1972 seine Schweigepflicht verletzt zu haben, sondern darüber hinaus über die Form und die Folgen der geplanten Vermögensverwaltungs-GmbH unvollständig, unzutreffend und entstellend berichtet und gegen diesen Plan sachlich unbegründete Bedenken geäußert zu haben, für die nach der Unterrichtung durch ihren Geschäftsführer R. kein Anlaß bestanden habe. Sie hat insbesondere vorgetragen, der Kläger berufe sich zwar darauf, daß er keine Einzelheiten über die Vermögensausgliederung gekannt habe; er habe aber am 24. und 25. Januar 1972 gleichwohl eine ganze Anzahl angeblicher Einzelheiten mitgeteilt. So sollten in die Vermögensverwaltungs-GmbH erhebliche Vermögensteile verlagert werden. Das sei für die Belegschaft ungünstig, weil bei der Vermögensverwaltungsgesellschaft weder ein Betriebsrat bestehen werde noch eine Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in Betracht komme. Auch sonst könne sich die Gründung der Vermögensverwaltungs-GmbH ungünstig für die Arbeitnehmer der Beklagten auswirken, weil die Gefahr bestehe, daß die bislang gewährten Vergünstigungen, insbesondere die bislang gezahlten Erfolgsprämien wegfielen, und weil es fraglich sei, ob die Beklagte dann noch Mittel für einen damals in Vorbereitung befindlichen ausreichenden Sozialplan habe. Mehr dazu wolle er nicht sagen, um seinen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Bei dieser Kritik, die durch die künftige Entwicklung widerlegt worden sei, habe der Kläger, wie die Beklagte weiter vorgetragen hat, bewußt verschwiegen, daß der Geschäftsführer R. ihm ausdrücklich versichert habe, die Kapitalumwandlung würde keine Nachteile für die Belegschaft bringen. Das Verhalten des Klägers habe zu erheblicher Unruhe, im Betrieb und zu besorgten Antragen von Banken, Behörden und Wirtschaftsverbänden geführt.
2. Diese von der Beklagten behaupteten Umstände sind für die Zumutbarkeitsfrage nach § 626 Abs. 1 BGB ebenso wie für die Verhaltensbedingtheit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG erheblich. Wenn die Darstellung der Beklagten richtig sein sollte, hat der Kläger nämlich entgegen seiner Einlassung im Prozeß bewußt den Eindruck erweckt, daß die Beklagte mit der Gründung der Vermögensverwaltungs-GmbH gegen die Interessen der Belegschaft handele. Soweit der Kläger dabei Äußerungen gemacht hat, die nicht durch die Angaben von Herrn R. gedeckt und veranlaßt waren, ist in Betracht zu ziehen, daß er nicht in Wahrnehmung der ihm als Mitglied des Aufsichtsrates obliegenden Aufgaben und Befugnisse gehandelt hat. Der Kläger kann hierdurch vielmehr seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben, über die geplante Vermögensverwaltungs-GmbH entsprechend seinen Kenntnissen genau und vollständig zu berichten und keine nach der Unterrichtung nicht gerechtfertigten Bedenken zu äußern, die den Betriebsfrieden gefährden und das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit schädigen konnten (vgl. BAG 22, 178 [184 ff.] = AP Nr. 19 zu § 13 KSchG). Diese mögliche Pflichtverletzung des Klägers wäre als Störung im sog. Vertrauensbereich zu werten, bei der es grundsätzlich keiner Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung bedarf. (Vgl. BAG 19, 351 [354] = AP Nr. 1 zu § 124 GewO.).
3. Das Landesarbeitsgericht hat sich darauf beschränkt, zu diesen gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen allgemein auszuführen, es könne dem Kläger nicht verargt werden, wenn er sich aus der Sicht der Arbeitnehmer Gedanken über die Günstigkeit oder Ungünstigkeit einer derartigen Vermögensauslagerung gemacht und dazu auch wertend Stellung genommen habe, weil das in nicht „angreifbarer Weise” geschehen sei. Diese Würdigung ist unvollständig und vom Senat nicht nachprüfbar, weil sie nicht erkennen läßt, welche Umstände das Landesarbeitsgericht in seine Erwägung einbezogen und welche Tatsachen es dabei als unstreitig oder erwiesen zugrunde gelegt hat.
VI. Da es nicht nur einer umfassenden Interessenabwägung, sondern auch noch weiterer Tatsachenfeststellungen bedarf, muß die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. Wenn das Landesarbeitsgericht aufgrund der erneuten Verhandlung abermals zu dem Ergebnis kommen sollte, das Arbeitsverhältnis sei weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung beendet worden, wird es bei der Prüfung des von der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrages zu berücksichtigen haben, daß der Kläger im Mai 1972 in den Betriebsrat gewählt worden ist und nach diesem Zeitpunkt eingetretene Tatsachen den Auflösungsantrag nur dann rechtfertigen können, wenn sie geeignet sind, einen (möglicherweise nachträglich entstandenen) wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 BGB abzugeben (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 9 KSchG 1969 m. abl. Anm. von Schlessmann; zust. Herschel in der Anm. AR-Blattei „Betriebsverfassung IX” Entsch. 18).
Unterschriften
gez. Dr. Gröninger, zugleich für den wegen Urlaubs ortsabwesenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Rengier, Hillebrecht, A. Wörner, Dr. Wiedemann
Fundstellen
Haufe-Index 1436677 |
BAGE, 116 |
NJW 1974, 1399 |
Nachschlagewerk BGH |