Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitzuschläge. Betriebliche Übung
Leitsatz (redaktionell)
Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar nicht aufgrund betrieblicher Übung sondern einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden.
Normenkette
Transport und Verkehr vom 15. Dezember 1966 §§ 10-11, 16; Anlage 9 (= Zusatztarifvertrag vom 19. Dezember 1983)
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.04.2007; Aktenzeichen 12 Sa 9/06) |
ArbG Mannheim (Urteil vom 12.01.2006; Aktenzeichen 3 Ca 179/05) |
Tenor
1. Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 25. April 2007 – 12 Sa 9/06 – werden zurückgewiesen.
2. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 25. April 2007 – 12 Sa 9/06 – teilweise aufgehoben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 12. Januar 2006 – 3 Ca 179/05 – insgesamt zurückgewiesen.
3. Die Kläger haben die Kosten der Berufungen und der Revisionen zu jeweils einem Drittel zu zahlen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechnung tariflicher Zeitzuschläge.
Die Beklagte betreibt schienengebundenen Güter- und Personennahverkehr. Sie ist Mitglied im Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e.V.. Die Kläger sind Mitglieder der Gewerkschaft ver.di und als Angestellte für die Beklagte tätig.
Die 1974 bzw. 1979 geschlossenen Arbeitsverträge der Kläger enthalten folgende Klausel:
“Für Ihren Arbeitsvertrag gelten die Bestimmungen des Eisenbahntarifvertrages – ETV – mit seinen für die OEG gültigen Anlagen.”
Der Tarifvertrag für die Bediensteten der nichtbundeseigenen Eisenbahnen und von Kraftverkehrsbetrieben zwischen dem Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e.V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 15. Dezember 1966 (im Folgenden: ETV) enthält ua. folgende Regelungen:
Ҥ 10
Überzeitarbeit
(1) Überzeitarbeit im Sinne dieses Paragraphen sind diejenigen Arbeitsstunden, die auf Anordnung über die regelmäßige oder dienstplanmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistet werden müssen. …
…
(8) Überzeitarbeit wird je Stunde bei Angestellten mit 1/174 des Monatseinkommens aus Grundgehalt und Ortszuschlag der Stufe 2 und bei Arbeitern mit 1/174 des jeweiligen Monatstabellenlohnes bezahlt.
(9) Für Überzeitarbeit werden folgende Zuschläge gezahlt:
a) |
an Werktagen, im Betriebs- und Verkehrsdienst auch im Anschluss an dienstplanmäßige Arbeit an Sonntagen und an Ausgleichsruhetagen |
30 % |
b) |
an Sonntagen und bei Nacht, im Betriebs- und Verkehrsdienst auch an den anstelle des Sonntags gewährten Ruhetagen |
60 % |
c) |
an gesetzlichen Feiertagen |
100 % |
d) |
für nicht im Anschluss an die regelmäßige Arbeitszeit geleistete Überzeitarbeit Lohn für mindestens 3 Stunden und für die tatsächliche Arbeitszeit |
33 1/3 % |
Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge für eine Arbeitsleistung wird nur ein Zuschlag, und zwar der jeweils günstigste, gezahlt.
(10) Die Überzeitarbeitszuschläge werden wie folgt errechnet:
a) bei Angestellten aus 1/174 des Monatseinkommens aus Grundgehalt und Ortszuschlag der Stufe 2
b) bei Arbeitern in der Lohngruppe A…, B… und C… aus 1/174 des Monatstabellenlohnes der 1. Dienstzeitstufe der jeweiligen Lohngruppe
c) bei Arbeitern der Lohngruppe A 0 und A 1 aus 1/174 des Monatstabellenlohnes der 1. Dienstzeitstufe der Lohngruppe A….
§ 11
Sonn- und Feiertagsarbeit
…
(7) Einen Zuschlag von 100 % (Feiertagszuschlag) zum Gehalt oder Lohn (ohne Sozialzuschläge) erhalten die nicht und die nicht regelmäßig im Betriebs- und Verkehrsdienst beschäftigten Bediensteten
a) für Arbeit an den unter Absatz 3 bezeichneten Wochenfeiertagen,
b) für Arbeit an den unter Absatz 3 bezeichneten Feiertagen, auch dann, wenn sie auf einen Sonntag fallen,
c) für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag.
Zu a) bis c)
Überzeitzuschlag wird an diesen Tagen nicht gezahlt.
(8) Für Sonntagsarbeit, die durch Freizeitgewährung ausgeglichen wird, erhalten die nicht und die nicht regelmäßig im Betriebs- und Verkehrsdienst beschäftigten Bediensteten einen Zuschlag von 30 % (Sonntagszuschlag) zum Gehalt oder Lohn (ohne Sozialzuschläge). Überzeitarbeitszuschlag wird an diesen Tagen nur gewährt, wenn die regelmäßige oder dienstplanmäßige Arbeitszeit überschritten wird.
(9) Bei Arbeitern werden die Zuschläge nach den Absätzen 6, 7 und 8 in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 10 errechnet.
…
§ 16
Nachtarbeit
(1) Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 22 bis 6 Uhr; sie ist auf das Notwendigste zu beschränken.
(2) Für Nachtarbeit wird ein Nachtdienstzuschlag von DM 0,75 je angefangene Stunde als Aufwandsentschädigung gezahlt. Ob die Arbeit planmäßig oder außerplanmäßig geleistet wird und ob sie in wirklicher Arbeitsleistung, in Dienstbereitschaft oder in Reisezeit (Fahrgastfahrt) besteht, ist nicht zu berücksichtigen.
(3) Für Nachtwachdienst wird kein Zuschlag gezahlt.
(4) Bei Überzeitarbeit während des Nachtdienstes besteht Anspruch auf Nachtdienst- und Überzeitzuschlag. Bei der Berechnung des Überzeitzuschlages bleibt der Nachtdienstzuschlag unberücksichtigt.”
Am 19. Dezember 1983 schloss der Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e.V. mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr für die Beklagte einen “Zusatztarifvertrag” (ZusatzTV).
Der ZusatzTV enthält unter anderem folgende Regelungen:
Ҥ 1
Der Tarifvertrag für die Bediensteten der nichtbundeseigenen Eisenbahnen und von Kraftverkehrsbetrieben vom 15. Dezember 1966 (ETV) gilt in der jeweils gültigen Fassung für den Bereich der OEG mit den Abweichungen, die sich aus den folgenden Vorschriften ergeben.
…
§ 4
§ 10 Absatz 9 ETV findet keine Anwendung. Zeitzuschläge werden nach den für die Stadt Mannheim jeweils geltenden tarifvertraglichen Vorschriften gezahlt; dabei gelten die entsprechenden Bestimmungen des BMT-G II auch für Angestellte.
§ 5
§ 11 Absätze 6, 7, 8 und 9 ETV werden durch die für die Stadt Mannheim geltenden tarifvertraglichen Vorschriften über Zeitzuschläge ersetzt; dabei gelten die entsprechenden Bestimmungen des BMT-G II auch für Angestellte.
…
§ 8
Anstelle von § 16 ETV gilt § 67 Nr. 27 BMT-G II. Die Höhe des Nachtdienstzuschlags richtet sich nach § 22 BMT-G II.”
Mit Aushang vom 24. Januar 1990 teilte die Beklagte ihrer Belegschaft mit, steuerrechtliche Änderungen hätten die Tarifpartner des öffentlichen Dienstes dazu veranlasst, die Vorschriften über die Gewährung von Zuschlägen für Nacht-, Sonntags-, Feiertags- und Vorfesttagsarbeit hinsichtlich der Uhrzeiten, für die sie geleistet werden, neu zu fassen. Die in § 22 BMTG und § 12 der Anlage 1 zum BMTG enthaltenen Zuschlagsprozentsätze würden nicht verändert.
§ 22 des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) lautet:
“…
§ 22
Zeitzuschläge
(1) Für die in Satz 2 genannten Arbeiten erhält der Arbeiter Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde
a) |
für Arbeit an Sonntagen |
30 v. H. |
b) |
für nicht dienstplanmäßige Sonntagsarbeit, die keine Überstundenarbeit ist, |
50 v. H. |
c) |
für Arbeit an |
|
|
aa) |
gesetzlichen Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag |
|
|
– |
ohne Freizeitausgleich |
135 v. H. |
|
– |
bei Freizeitausgleich |
35 v. H. |
|
bb) |
gesetzlichen Wochenfeiertagen, die auf einen Sonntag fallen, |
|
|
– |
ohne Freizeitausgleich |
150 v. H. |
|
– |
mit Freizeitausgleich |
50 v. H. |
d) |
für Arbeit nach 12 Uhr an den Tagen vor Neujahr, vor Ostersonntag, vor Pfingstsonntag und vor dem ersten Weihnachtsfeiertag gemäß § 15 Abs. 4 |
100 v. H. |
e) |
für Überstunden und Mehrarbeitsstunden |
30 v. H. |
f) |
für Nachtarbeit |
20 v. H. |
|
für die ersten sechs aufeinander folgenden Tage nicht dienstplanmäßiger Nachtarbeit, die keine Überstundenarbeit ist, soweit kein anderer Zeitzuschlag zusteht, |
33 1/3 v. H. |
|
des auf die Arbeitsstunde umgerechneten Monatsgrundlohnes der Stufe 1 der jeweiligen Lohngruppe, |
|
g) |
für Arbeit an Samstagen in der Zeit von 13 Uhr bis 20 Uhr |
0,64 Euro. |
…”
Bis März 2004 berechnete die Beklagte die Zeitzuschläge aus dem individuellen Tarifentgelt. Seit Einführung eines digitalen Lohn- und Gehaltsabrechnungssystems im April 2004 legt die Beklagte nur noch das Monatsgrundeinkommen der Beschäftigungszeitstufe 1 zugrunde.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die prozentualen Zuschläge für Überzeitarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtdienstarbeit seien jedenfalls für Angestellte unter Berücksichtigung der jeweiligen Beschäftigungszeitstufe zu ermitteln. Lediglich die Höhe der Prozentsätze richte sich nach § 22 BMT-G II. Die Beklagte habe eine entsprechende betriebliche Übung begründet.
Die Kläger haben, soweit für die Revision noch von Bedeutung, sinngemäß beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zuschläge für Überzeitarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie den Nachtdienstzuschlag je Stunde im Zeitraum vom 1. März 2004 bis zum 30. April 2006 aus 1/167,4 und ab dem 1. Mai 2006 aus 1/169,5 des jeweiligen Monatseinkommens, bestehend aus Grundgehalt und Ortszuschlag der Stufe 2, zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der ZusatzTV verweise sowohl hinsichtlich der Prozentsätze als auch der Berechnungsgrundlage auf § 22 BMT-G II. Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufungen der Kläger hat das Landesarbeitsgericht den Klagen hinsichtlich der Zuschläge für Überzeitarbeit stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre weitergehenden Ansprüche und die Beklagte die vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
A. Die Revisionen der Kläger sind nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Berücksichtigung ihres individuellen Monatseinkommens bei der Berechnung von Nachtdienst-, Sonn- und Feiertagszuschlägen. Die Beklagte hat sich insoweit auch nicht durch eine betriebliche Übung gebunden.
I. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung von Nachtdienstzuschlägen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Dienstaltersstufe.
1. § 16 Abs. 2 ETV begründet keinen Anspruch auf einen Nachtdienstzuschlag in Höhe eines Prozentsatzes oder eines Bruchteils des Entgelts. Die Regelung sieht lediglich einen nominalen Betrag von 0,75 DM je angefangener Stunde vor.
2. § 8 ZusatzTV begründet ebenfalls keinen dahingehenden Anspruch.
a) § 8 ZusatzTV findet auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien gemäß § 4 Abs. 1 TVG Anwendung. Die Parteien sind als Mitglieder von ver.di bzw. des Arbeitgeberverbands Deutscher Eisenbahnen e.V. beiderseits tarifgebunden iSv. § 3 Abs. 1 TVG. Nach § 1 ZusatzTV hat der ZusatzTV Vorrang vor dem ETV.
b) Gemäß § 8 Satz 2 ZusatzTV richtet sich die Höhe des Nachtdienstzuschlags nach § 22 BMT-G II. § 22 Abs. 1f) BMT-G II sieht für Nachtarbeit einen Zuschlag iHv. 20 bzw. 33 1/3 % des auf die Arbeitsstunde umgerechneten Monatsgrundlohns der Stufe 1 der jeweiligen Lohngruppe und nicht der jeweiligen Dienstaltersstufe vor.
c) Es kann dahinstehen, ob mit Ablösung des BMT-G II durch den TVöD seit dem 1. Oktober 2005 nunmehr dieser Tarifvertrag für die Berechnung von Nachtdienstzuschlägen maßgeblich sein soll. Denn auch nach § 8 TVöD besitzt die individuelle Dienstaltersstufe für die Berechnung von Nachtdienstzuschlägen keine Relevanz. § 8 Abs. 1 Satz 2b) TVöD sieht vielmehr einen Zuschlag iHv. 20 % des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe vor.
3. Ein Anspruch der Kläger ist nicht aufgrund betrieblicher Übung entstanden.
a) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen gehabt, sondern weil er einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen gegenüber dem Erklärungsempfänger geäußert hat (vgl. Senat 9. Februar 2005 – 5 AZR 164/04 – EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 6, zu II 3d aa der Gründe). Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände gemäß §§ 133, 157 BGB auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (st. Rspr., vgl. BAG 28. Mai 2008 – 10 AZR 274/07 – Rn. 15, NJW 2008, 2875; Senat 26. September 2007 – 5 AZR 808/06 – Rn. 21, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13). Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 653/05 – Rn. 43, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54).
b) Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze zutreffend angewandt. Sofern die Beklagte prozentual bemessene Nachtdienstzuschläge geleistet hat, konnten die Arbeitnehmer dies nur als Leistung nach Maßgabe des § 22 Abs. 1f) BMT-G II verstehen, denn die Regelung in § 16 ETV sieht keinen prozentual bemessenen Nachtdienstzuschlag vor. Die Arbeitnehmer konnten und mussten davon ausgehen, dass sich die Beklagte nicht nur hinsichtlich der prozentualen Bemessung, sondern auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage tarifkonform verhalten wollte. Dem festgestellten Sachverhalt und dem Vortrag der Kläger ist kein Umstand zu entnehmen, der den Schluss auf den Willen zu einer uneinheitlichen Handhabung der Nachtdienstzuschläge rechtfertigt, dh. auf eine Berechnungshöhe nach einer tarifvertraglichen Grundlage (§ 22 BMT-G II) und eine außerhalb aller einschlägigen Tarifwerke liegenden Berechnungsgrundlage. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte im Aushang vom 24. Januar 1990 zum Thema Zeitzuschläge ausdrücklich auf § 22 BMT-G II bezogen hat.
II. Auch hinsichtlich der Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit besteht kein Anspruch auf Berücksichtigung der jeweiligen Dienstaltersstufe.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 11 Abs. 6, 7 und 8 ETV, denn § 5 ZusatzTV enthält eine umfassende, von § 11 ETV abweichende Regelung der Sonn- und Feiertagszuschläge. § 5 ZusatzTV “ersetzt” § 11 Abs. 6 bis 9 ETV durch die für die Stadt Mannheim geltenden tarifvertraglichen Vorschriften über Zeitzuschläge. Diese treten damit vollständig an deren Stelle. In § 5 ZusatzTV wird ausdrücklich geregelt, dass die entsprechenden Bestimmungen des BMT-G II auch für Angestellte gelten. Nach § 22 Abs. 1a) und c) BMT-G II ist der Berechnung der Sonn- und Feiertagszuschläge der auf die Arbeitsstunde umgerechnete Monatstabellengrundlohn der Stufe 1 der jeweiligen Lohngruppe zugrunde zu legen und nicht die individuell erreichte Dienstaltersstufe. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2c) und d) TVöD ist ebenfalls nicht die individuelle Dienstaltersstufe zu berücksichtigen, sondern das auf eine Stunde entfallende Tabellenentgelt der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe.
2. Eine iSv. § 4 Abs. 3 TVG günstigere Regelung ist nicht in den Arbeitsverträgen der Kläger enthalten. Die Arbeitsverträge nehmen zwar Bezug auf die “Bestimmungen des Eisenbahntarifvertrages – ETV – mit seinen für die OEG gültigen Anlagen”. Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag ist aber keine günstigere Regelung, denn sie umfasst nicht nur die Regelungen des ETV, die den Anspruch der Kläger begründen könnten, sondern auch die “für die OEG gültigen Anlagen”. In § 21 ZusatzTV haben die Tarifparteien den ZusatzTV als Anlage 9 zum Bestandteil des ETV erklärt.
3. Eine günstigere Berechnung der Sonn- und Feiertagszuschläge folgt nicht aus einer betrieblichen Übung.
Das Verhalten der Beklagten lässt auch hinsichtlich der Sonn- und Feiertagszuschläge nicht auf eine Erklärung schließen, mit der sich die Beklagte verpflichtet hat, Sonn- und Feiertagszuschläge auf einer übertariflichen Berechnungsgrundlage zu ermitteln. Arbeitsvertraglich hat sich die Beklagte lediglich verpflichtet, die Arbeitsverhältnisse der Kläger nach den Regelungen des ETV nebst Anlagen, zu denen auch der ZusatzTV gehört, zu behandeln. Der ZusatzTV ist als Verbandsfirmentarifvertrag darüber hinaus allein für das Unternehmen der Beklagten anwendbar. Die Kläger haben kein Verhalten der Beklagten aufgezeigt, dem die Erklärung entnommen werden konnte, von diesen Verpflichtungen abweichen zu wollen. Allein die abweichende Berechnung und Auszahlung beinhaltet keine derartige Willenserklärung, sondern ein rein tatsächliches Verhalten, dem kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zukommt. Der Irrtum, dem die Beklagte unterlag, ist umso plausibler, als die Kläger ihren Anspruch selbst auf tarifliche Anspruchsgrundlagen stützen.
Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die Zuschläge nach übertariflichen Grundlagen zu bemessen, lässt sich auch nicht dem Aushang vom 24. Januar 1990 entnehmen. Dieser nimmt vielmehr ausdrücklich auf § 22 BMT-G II Bezug. Ebenso stellt die Aussage des Arbeitsdirektors C… im Jahr 2001 anlässlich der Umstrukturierung, “Ihr verliert doch nichts”, keine Willenserklärung dar. Denn die Zahlung auf einer anderen Grundlage als der in § 22 BMT-G II vorgesehenen Dienstaltersstufe 1 erfolgte bereits vor 1990. Sie kann nicht unter Berücksichtigung späterer Umstände ausgelegt werden und einen anderen als den ursprünglichen Erklärungswert erhalten.
B. Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, Zuschläge für Überzeitarbeit auf der Grundlage des individuellen Monatseinkommens zu zahlen.
I. Nach § 4 Satz 1 ZusatzTV richten sich die Zuschläge für Überarbeit nicht nach § 10 Abs. 9 ETV, welcher unterschiedliche Prozentsätze für die Zuschläge vorsieht. Nach § 4 Satz 2 ZusatzTV sind Zeitzuschläge vielmehr nach den für die Stadt Mannheim geltenden tarifvertraglichen Vorschriften zu zahlen, wobei die entsprechenden Bestimmungen des BMT-G II auch für Angestellte gelten sollen. § 22 BMT-G II ist eine für die Stadt Mannheim geltende tarifvertragliche Vorschrift, die wegen der ausdrücklichen Regelung in § 4 Satz 2 ZusatzTV damit auch für Angestellte Anwendung findet. Dieser Zusammenhang zwischen § 4 Satz 2 und Satz 1 ZusatzTV spricht gegen die Auslegung des Landesarbeitsgerichts. Verstünde man § 4 Satz 1 ZusatzTV als Ausschluss lediglich der in § 10 Abs. 9 ETV enthaltenen Regelung, ergäbe sich ein Widerspruch zu § 4 Satz 2 ZusatzTV. Denn nach dem Verständnis des Landsarbeitsgerichts von § 4 Satz 1 ZusatzTV wäre hinsichtlich der Berechnungsgrundlage der Zuschläge für Überarbeit § 10 Abs. 10a) ETV anzuwenden. Diese tarifvertragliche Regelung gehört aber gerade nicht zu den für die Stadt Mannheim geltenden tarifvertraglichen Vorschriften, auf die es nach § 4 Satz 2 ZusatzTV ausschließlich ankommen soll. Der Regelungsgehalt des § 4 Satz 2 ZusatzTV liefe nach dem Verständnis der Kläger leer.
Auch § 8 ZusatzTV stützt die Auffassung der Kläger nicht. Die in § 8 und § 4 ZusatzTV geregelten Tatbestände sind nicht vergleichbar. § 8 ZusatzTV bezieht sich auf § 16 ETV, der wiederum Zuschläge für Nachtarbeit regelt. Diese sind in § 16 ETV rein nominal und nicht mit einem bestimmten Prozentsatz festgelegt. Daher bestimmt § 8 Satz 2 ZusatzTV, dass sich die Höhe nach § 22 BMT-G II richtet.
§ 4 ZusatzTV bezweckt gerade, Zeitzuschläge für Arbeiter und Angestellte auf gleiche Weise nach den Tarifvorschriften zu ermitteln, die für die Stadt Mannheim gelten (vgl. § 4 Satz 2 ZusatzTV). Diesem Regelungszweck wird nur eine Anwendung des § 22 BMT-G II bezüglich Höhe und auch Berechnungsgrundlage der Zuschläge für Überzeitarbeit gerecht. Bezöge man, wie dies die Kläger wollen, bei Angestellten die Überstundenzuschläge auf das individuelle Gehalt, führte der ZusatzTV zu einer unterschiedlichen Behandlung von Arbeitern und Angestellten (vgl. § 10 Abs. 10 ETV).
II. Ein Anspruch auf Berechnung der Zuschläge für Überzeitarbeit auf der Grundlage der individuellen Monatsvergütung ergibt sich für die Zeit ab 1. Oktober 2005 nicht aus § 5 ZusatzTV iVm. § 8 Abs. 1 Satz 2c) und d) TVöD. § 8 Abs. 1 Satz 2a) TVöD regelt für Überstunden je nach Entgeltgruppe einen prozentualen Zuschlag, berechnet auf der Grundlage des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe. Die sich aus der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD ergebenden Einschränkungen (Dienstaltersstufe 4) sind im Klageantrag unberücksichtigt geblieben, so dass dieser auch nach neuem Tarifrecht unbegründet ist.
III. Ein Anspruch ergibt sich schließlich nicht aus betrieblicher Übung. Insofern kann auf die Ausführungen zu A I 3 und A II 3 der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden.
C. Die Kläger haben die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu gleichen Teilen zu tragen, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Laux, Hromadka, Dittrich
Fundstellen
Haufe-Index 2096891 |
AP 2010 |