Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. vermutete Arbeitsvermittlung
Leitsatz (redaktionell)
In Fällen vermuteter Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs 2, § 3 Abs 1 Nr 6 AÜG entstand nach diesen Vorschriften iVm § 13 AÜG in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer kraft Gesetzes. Daneben bestand das vertraglich begründete Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher fort. Der Arbeitnehmer war nicht verpflichtet, ein Wahlrecht zugunsten eines von beiden Arbeitsverhältnissen auszuüben und das andere Arbeitsverhältnis zu beenden.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 2, § 13 (in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung), § 3 Abs. 1 Nr. 6, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. Januar 2003 – 4 Sa 90/01 – aufgehoben.
Das Verfahren wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen nach den Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes entstanden ist.
Der Kläger war seit dem 12. Mai 1986 bei der G. KG bzw. deren Rechtsnachfolgerin G. GmbH (im folgenden: Firma G.) beschäftigt. Er wurde ausschließlich in zwei Betrieben des Beklagten, zunächst in L. und seit 1998 am R. als Lagerarbeiter eingesetzt und mit anderen Hilfsdiensten befaßt. Die Firma G. arbeitete über Jahre hinweg mit dem Beklagten zusammen. Zunächst erledigte sie die Garten- und Grundstückspflege. Später übernahm sie weitere Leistungen in folgenden Bereichen:
- Hausdienstleistungen R. (Transport, Umzüge, Möbellager, Garderobe, Wäschelager);
- Gartenpflege, Hof- und Wegereinigung, Müllentsorgung R.;
- Hausdienstleistungen L. (Transport, Umzüge, Möbellager);
- Gartenpflege, Hof- und Wegereinigung, Müllentsorgung L.;
- Spedition, Annahme, Verteilung, Versand L.;
- Haustransporte in L. (Kleingüter);
- Gartenarbeiten für Wohngebäude;
- Wegereinigung und Schneeräumung für Wohngebäude;
- Reinigung Klimaanlagen und Technikräume;
- Reinigung sonstiger Funktionsräume (insbesondere Bühnenwerkstatt).
Diesen Leistungen lagen sogenannte Rahmen-Werkverträge zugrunde.
Am 31. März 1997 endeten die Vertragsbeziehungen zwischen der Firma G. und dem Beklagten. Ab 1. April 1997 übertrug der Beklagte einen Großteil der bis dahin von der Firma G. erledigten Aufgaben auf die H.-GmbH (im folgenden: H. GmbH). Diese beschäftigte den Kläger und einen Teil der Mitarbeiter der Firma G. weiter. Der vom Beklagten und der H. GmbH am 18. April/28. April 1997 geschlossene Rahmenvertrag über die „Übernahme von Hausdienstleistungen und Reinigungsarbeiten in den Bereichen Hausverwaltung und Versorgungstechnik R. und L. sowie Ausstattung, Betrieb/Bühne in L.” enthält in § 11 folgende Regelung:
„Vertragsstrafe
Für den Fall, daß der Unternehmer Verpflichtungen aus der Vereinbarung oder aus ergänzenden Abreden schuldhaft verletzt und deswegen ein Arbeitnehmer gegenüber dem N. gerichtlich erfolgreich Feststellungsansprüche geltend macht, zahlt der Unternehmer an den N. eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,– DM. Unabhängig davon ist er verpflichtet, dem N. bei der Abwehr derartiger Ansprüche jegliche zumutbare Unterstützung zu gewähren.
Weitergehende Ansprüche auf Schadenersatz bleiben hiervon unberührt.”
Sowohl die Firma G. als auch die H. GmbH verfügten über die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung i.S.v. § 1 AÜG.
Am 28. Februar 2001 endeten die Vertragsbeziehungen zwischen dem Beklagten und der H. GmbH. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 28. Februar 2001.
Mit der am 9. November 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten seit dem 12. Mai 1986 geltend gemacht und die Beschäftigung mit Hilfstätigkeiten verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Verträge zwischen der Firma G. sowie der H. GmbH und dem Beklagten seien keine Werk- oder Dienstverträge, sondern Arbeitnehmerüberlassungsverträge. Da die gesetzlich zulässige Dauer der Arbeitnehmerüberlassung überschritten worden sei, sei kraft gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß zwischen den Parteien seit dem 12. Mai 1986 ein Arbeitsverhältnis besteht,
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger mit Hilfstätigkeiten zu beschäftigen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Einsatz des Klägers bei ihm sei keine Arbeitnehmerüberlassung gewesen. Der Kläger sei von der Firma G. und der H. GmbH lediglich im Rahmen von Werkverträgen beschäftigt worden. Nach dem Außerkrafttreten von § 13 AÜG am 31. März 1997 habe es keine Rechtsgrundlage mehr für die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien gegeben. Der Kläger habe sein Recht verwirkt, den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geltend zu machen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Auf Grund der bisher festgestellten Tatsachen kann der Senat den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Zwar hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, daß durch die Tätigkeit des Klägers ab dem 1. April 1997 kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, weil § 13 AÜG am 31. März 1997 außer Kraft getreten ist. Allerdings kann bereits zuvor nach den Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen sein. Dieses ist weder durch die Ausübung eines Wahlrechts des Klägers zugunsten der H. GmbH noch auf andere Weise beendet worden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger sein Recht, sich auf die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten zu berufen, auch nicht verwirkt (§ 242 BGB). Deshalb kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob zwischen den Parteien nach den Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ein Arbeitsverhältnis entstanden ist. Das kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil das Landesarbeitsgericht die dazu erforderlichen Tatsachenfeststellungen bislang nicht getroffen hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht nachzuholen.
I. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG entstanden. Nach dieser Bestimmung gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist, weil der Verleiher nicht die zur Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Erlaubnis be sitzt. Sowohl die Firma G. als auch die H. GmbH verfügten jedoch über die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
II. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Tätigkeit des Klägers nach dem 1. April 1997 nicht zu einem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten geführt hat. Zwar war der Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der H. GmbH ab dem 1. April 1997 länger als zwölf Monate beim Beklagten tätig. Wenn dieser Tätigkeit ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen dem Beklagten und der H. GmbH zugrunde gelegen hätte, wäre die nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG in der ab 1. April 1997 geltenden Fassung zulässige Überlassungsdauer überschritten worden. Das hätte nach § 1 Abs. 2 AÜG die Vermutung begründet, daß die H. GmbH Arbeitsvermittlung betrieb. Dadurch konnte jedoch kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstehen, weil § 13 AÜG mit Ablauf des 31. März 1997 außer Kraft getreten war.
1. Nach § 13 AÜG a.F. konnten, wenn ein Arbeitsverhältnis auf einer entgegen § 4 AFG ausgeübten Arbeitsvermittlung beruhte, die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber dieses Arbeitsverhältnisses nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. Diese Bestimmung enthielt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, an der der Senat festhält und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, eine § 10 Abs. 1 AÜG ergänzende Regelung, durch die bei einer als unerlaubte Arbeitsvermittlung anzusehenden Überlassung nach § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Beschäftigungsunternehmen begründet wurde (10. Februar 1977 – 2 ABR 80/76 – BAGE 29, 7 = AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 18, zu II 2 b der Gründe; 23. November 1988 – 7 AZR 34/88 – BAGE 60, 205 = AP AÜG § 1 Nr. 14 = EzA AÜG § 3 Nr. 1, zu II 1 der Gründe; 21. März 1990 – 7 AZR 198/89 – BAGE 65, 43 = AP AÜG § 1 Nr. 15 = EzA AÜG § 1 Nr. 2, zu I 3 a der Gründe; 1. Juni 1994 – 7 AZR 7/93 – BAGE 77, 52 = AP AÜG § 10 Nr. 11 = EzA AÜG § 1 Nr. 3, zu I 1 der Gründe; 26. April 1995 – 7 AZR 850/94 – BAGE 80, 46 = AP AÜG § 1 Nr. 19 = EzA AÜG § 1 Nr. 6, zu I der Gründe; 15. April 1999 – 7 AZR 437/97 – BAGE 91, 200 = AP AÜG § 13 Nr. 1 = EzA BGB § 620 Nr. 164, zu II 2 der Gründe; 28. Juni 2000 – 7 AZR 100/99 – BAGE 95, 165 = AP AÜG § 13 Nr. 3 = EzA AÜG § 1 Nr. 10, zu II 1 der Gründe).
2. Durch Art. 63 Nr. 9 des Arbeitsförderungsreformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 714 f.) ist § 13 AÜG mit Wirkung vom 1. April 1997 ersatzlos aufgehoben worden. Seitdem gibt es in den Fällen der nach § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG vermuteten Arbeitsvermittlung keine gesetzliche Grundlage mehr für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher. Die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses kann in diesen Fällen weder mit § 1 Abs. 2 AÜG noch mit einer entsprechenden Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG begründet werden (BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 100/99 – BAGE 95, 165 = AP AÜG § 13 Nr. 3 = EzA AÜG § 1 Nr. 10, zu III der Gründe).
III. Zwischen den Parteien kann ein Arbeitsverhältnis entstanden sein, wenn das Vertragsverhältnis zwischen der Firma G. und dem Beklagten, das der Tätigkeit des Klägers bis zum 31. März 1997 zugrunde lag, als Arbeitnehmerüberlassung anzusehen ist. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG in der im Jahr 1986 geltenden Fassung betrug die zulässige Überlassungsdauer sechs Monate. Sofern der Kläger dem Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen wurde, war nach § 1 Abs. 2 AÜG zu vermuten, daß die Firma G. Arbeitsvermittlung betrieb, so daß nach § 13 AÜG a.F. bei Beginn der Beschäftigung am 12. Mai 1986 ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstanden war (vgl. BAG 23. November 1988 – 7 AZR 34/88 – BAGE 60, 205 = AP AÜG § 1 Nr. 14 = EzA AÜG § 3 Nr. 1, zu II 1 der Gründe). Ob das der Fall war, kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil das Landesarbeitsgericht dazu keine Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann diese Frage nicht offenbleiben. Denn ein möglicherweise zwischen den Parteien entstandenes Arbeitsverhältnis ist bislang nicht beendet worden. Es ist dem Kläger auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber dem Beklagten auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu berufen.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß bei vermuteter Arbeitsvermittlung i.S.v. § 1 Abs. 2 AÜG nach § 13 AÜG a.F. ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien neben dem Arbeitsverhältnis des Klägers zur Firma G. zustande gekommen ist. Das Arbeitsverhältnis zum Entleiher wurde nach § 1 Abs. 2, § 13 AÜG a.F. fingiert. Das vertragliche Arbeitsverhältnis zum Verleiher bestand daneben fort. Das hat der Senat bereits für die als Arbeitsvermittlung zu bewertende nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung entschieden und die bis dahin bestehende gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben, nach der mit der Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher das Arbeitsverhältnis zum Verleiher beendet wurde (15. April 1999 – 7 AZR 437/97 – BAGE 91, 200 = AP AÜG § 13 Nr. 1 = EzA BGB § 620 Nr. 164, zu II 2 b der Gründe). Das gilt auch für die als Arbeitsvermittlung zu bewertende gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, um die es sich hier allenfalls handeln könnte.
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe ein möglicherweise fingiertes Arbeitsverhältnis zum Beklagten nicht durch die Ausübung eines Wahlrechts zugunsten der H. GmbH zum 31. März 1997 beendet. Das Gesetz sieht ein derartiges Wahlrecht nicht vor. Selbst wenn es bestünde, hätte es der Kläger nicht ausgeübt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob dem Arbeitnehmer bei der Entstehung eines Doppelarbeitsverhältnisses nach § 1 Abs. 2, § 13 AÜG a.F. im Wege einer Rechtsanalogie zu dem Widerspruchsrecht bei § 613 a BGB und dem Lösungsrecht nach § 12 KSchG ein Wahlrecht einzuräumen ist, das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher fortzusetzen oder sich auf das fingierte Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zu berufen (so Urban Anm. zu BAG AP AÜG § 13 Nr. 1; Bauer NZA 1995, 203, 205; Küttner/Bauer Personalbuch 5. Aufl. Rn. 35 zu Arbeitnehmerüberlassung Nr. 28; a.A. Feuerborn Anm. zu BAG EzA AÜG § 1 Nr. 10; Hager SAE 2000, 317).
b) Diese Wahlmöglichkeit entspricht nicht der bis zum 31. März 1997 geltenden Rechtslage nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Entstehung eines Doppelarbeitsverhältnisses gesetzlich möglich. Die Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers, sich für die Fortsetzung nur eines der beiden Arbeitsverhältnisse zu entscheiden, war im Gesetz nicht vorgesehen. Es ist auch nicht aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes erforderlich, diese Wahlmöglichkeit im Wege ergänzender Auslegung in Analogie zum Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang nach § 613 a BGB und zu der Regelung in § 12 Satz 1 KSchG zu entwickeln. Einen größeren Schutz als durch ein Doppelarbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer bei vermuteter Arbeitsvermittlung nicht erhalten. Bei ihr ist der Arbeitnehmer in einer anderen Lage als der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer. Im Gegensatz zu diesem erhält der zur Arbeitsleistung überlassene Arbeitnehmer nicht einen anderen anstelle des bisherigen Arbeitgebers. Vielmehr tritt zu seinem Vertragsarbeitgeber ein weiterer Arbeitgeber hinzu. Der zur Arbeitsleistung überlassene Arbeitnehmer ist auch nicht mit dem Arbeitnehmer vergleichbar, der sich nach einem obsiegenden Urteil in einem Kündigungsschutzprozeß in einem Doppelarbeitsverhältnis befindet, weil er zwischenzeitlich ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer nach § 12 Satz 1 KSchG binnen einer Woche nach Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit diesem verweigern. Dadurch will das Gesetz den Arbeitnehmer davor bewahren, gegenüber einem von beiden Arbeitgebern vertragsbrüchig zu werden, da er seine Arbeitsleistung – auch für die Dauer der Kündigungsfrist – nicht gleichzeitig bei beiden Arbeitgebern erbringen kann. Dieses Problem stellt sich dem Leiharbeitnehmer bei vermuteter Arbeitsvermittlung nicht. Durch seine Arbeitsleistung beim Entleiher erfüllt er gleichzeitig seine arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber dem Verleiher. Anders ist die Rechtslage nur dann zu beurteilen, wenn der Verleiher den Leiharbeitnehmer nicht mehr bei dem bisherigen Entleiher einsetzen, sondern ihn einem anderen Unternehmen zur Arbeitsleistung überlassen will. Dieser Fall bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Kläger von der Firma G. ausschließlich beim Beklagten eingesetzt wurde.
c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, selbst unter der Annahme einer Wahlmöglichkeit habe der Kläger davon keinen Gebrauch gemacht. Zwar hat er am 1. April 1997 ein neues Arbeitsverhältnis mit der H. GmbH begründet. Dadurch hat er jedoch kein Wahlrecht zugunsten der Verleiherseite ausgeübt. Da von der Ausübung eines Wahlrechts zwei Arbeitsverhältnisse betroffen sind, muß ein Arbeitnehmer gegenüber beiden Arbeitgebern Erklärungen abgeben, zumindest aber gegenüber dem Arbeitgeber, mit dem das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden soll. Gegenüber der Beklagten hat der Kläger jedoch keine entsprechende Erklärung abgegeben.
3. Ein zwischen den Parteien möglicherweise entstandenes Arbeitsverhältnis ist durch das Außerkrafttreten von § 13 AÜG am 31. März 1997 nicht beendet worden. Das Arbeitsförderungsreformgesetz, durch das § 13 AÜG ersatzlos gestrichen wurde, enthält keine Regelungen für bereits nach § 1 Abs. 2, § 13 AÜG a.F. entstandene Arbeitsverhältnisse zum Entleiher. Diese Arbeitsverhältnisse bestehen solange fort, bis sie nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln beendet werden. Die von der H. GmbH zum 28. Februar 2001 ausgesprochene Kündigung betraf nur ihr Arbeitsverhältnis mit dem Kläger, das neben dem möglicherweise gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbestand.
4. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger das Recht, sich auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten zu berufen, nicht verwirkt (§ 242 BGB).
a) Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechts längere Zeit zugewartet hat (Zeitmoment) und der Schuldner deswegen annehmen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, er sich darauf eingerichtet hat und ihm die gegenwärtige Erfüllung des Rechts oder Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist (Umstandsmoment; vgl. etwa BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – BAGE 67, 124 = AP AÜG § 10 Nr. 8 = EzA AÜG § 10 Nr. 3, zu 12 der Gründe).
b) Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall das Zeitmoment erfüllt ist. Denn es fehlt an dem für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment. Der Kläger war vom 12. Mai 1986 bis zum 28. Februar 2001 bei dem Beklagten tätig. Deshalb ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es für den Beklagten unzumutbar sein soll, den Kläger auch weiterhin zu beschäftigen. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, er habe im Vertrauen darauf, vom Kläger nicht als Arbeitgeber in Anspruch genommen zu werden, bestimmte Dispositionen getroffen, auf Grund derer eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar geworden sei. Es ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte ein anderes Unternehmen beauftragt oder eigene Arbeitnehmer eingestellt hat, um die vom Kläger verrichteten Arbeiten nach dem Ende des Vertrags mit der H. GmbH erledigen zu lassen. Der Beklagte kann sich auch nicht auf Beweisschwierigkeiten berufen, die durch die Geltendmachung eines Jahre zuvor entstandenen Arbeitsverhältnisses entstehen. Zwar können derartige Beweisschwierigkeiten für den Schuldner die sog. Prozeßverwirkung begründen, wenn der Gläubiger einen Anspruch illoyal verspätet gerichtlich geltend macht. Da der Kläger jedoch bis zur Erhebung der vorliegenden Klage im Betrieb des Beklagten beschäftigt war, mußte dieser bis zuletzt damit rechnen, wegen des Bestands eines Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Das hätte den Beklagten veranlassen müssen, Beweismittel für eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Kläger zu sichern. Zwar hat der Kläger nicht bereits früher den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht wie mehrere seiner Kollegen. Allein deswegen konnte der Beklagte aber nicht darauf vertrauen, daß sich der Kläger nicht zu einem späteren Zeitpunkt auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses berufen werde. Vielmehr hätte der Beklagte selbst damals bereits eine Klärung der Rechtsbeziehung zum Kläger herbeiführen können. Denn er hatte offenbar die rechtlichen Probleme hinsichtlich der bei ihm eingesetzten Arbeitnehmer der Firma G. bzw. der H. GmbH erkannt. Das folgt bereits aus der Vertragsstrafe, die er mit der H. GmbH im April 1997 vereinbart hat.
5. Ob die klageabweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zutreffend ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Das hängt davon ab, ob der Kläger dem Beklagten von der Firma G. nicht zur Arbeitsleistung überlassen wurde, sondern auf Grund eines Werk- oder Dienstvertrags beschäftigt war. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.
a) Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden die Arbeitskräfte dem Entleiher zur Verfügung gestellt, der sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetzt. Dabei sind sie voll in seinen Betrieb eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach den Weisungen des Entleihers aus. Demgegenüber endet die Vertragspflicht des Verleihers, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt hat. Von dieser Arbeitnehmerüberlassung ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten auf Grund eines Werk- oder Dienstvertrags zu unterscheiden. Dabei organisiert der Unternehmer selbst die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen der Weisung des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfaßt (BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – BAGE 67, 124 = AP AÜG § 10 Nr. 8 = EzA AÜG § 10 Nr. 3, zu II 2 der Gründe; 22. Juni 1994 – 7 AZR 286/93 – BAGE 77, 102 = AP AÜG § 1 Nr. 16 = EzA AÜG § 1 Nr. 4, zu IV 2 a der Gründe).
Über die rechtliche Einordnung eines Vertrags entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Vertragsbezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt widerspricht. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehung am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – BAGE 67, 124 = AP AÜG § 10 Nr. 8 = EzA AÜG § 10 Nr. 3, zu II 2 der Gründe).
b) Ob das Vertragsverhältnis zwischen der Firma G. und dem Beklagten als Arbeitnehmerüberlassung anzusehen ist, kann der Senat anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat bislang weder eine Auslegung der zwischen der Firma G. und dem Beklagten abgeschlossenen Rahmenverträge vorgenommen noch Tatsachen zur praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen festgestellt und gewürdigt. Beides ist Aufgabe des Tatsachengerichts und deshalb vom Landesarbeitsgericht nachzuholen. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß die Rahmenverträge nicht auf Arbeitnehmerüberlassung gerichtet sind, sondern Dienstleistungen zum Gegenstand haben, die die Firma G. gegenüber dem Beklagten zu erbringen hatte. Denn nach dem Inhalt dieser Verträge erschöpften sich die Vertragspflichten der Firma G. nicht darin, dem Beklagten Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen, die er nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb einsetzen konnte. Vielmehr war die Firma G. selbst für die ordnungsgemäße Erledigung der übernommenen Aufgaben verantwortlich. Sie hatte die in den Verträgen bezeichneten Leistungen mit ihren Arbeitnehmern und ihrer eigenen betrieblichen Organisation und mit Hilfe ihrer Betriebsmittel zu erbringen. Zwar waren die Leistungen in den Verträgen nur sehr allgemein beschrieben. Eine weitere Konkretisierung dürfte aber bei solchen stets wiederkehrenden und täglich anfallenden Tätigkeiten wie Hausdienstleistungen, Gartenpflege und Reinigungsarbeiten kaum möglich sein.
bb) Das Vertragsverhältnis zwischen der Firma G. und dem Beklagten könnte sich aber auf Grund der tatsächlichen Handhabung als Arbeitnehmerüberlassung darstellen. In diesem Zusammenhang wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob der Beklagte oder seine Mitarbeiter dem Kläger und den übrigen bei ihm eingesetzten Arbeitnehmern der Firma G. werkvertragliche oder arbeitsvertragliche Weisungen erteilt haben. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß die Grenze zur arbeitsvertraglichen Anweisung dann überschritten wird, wenn der Dritte erst durch seine Anweisungen den Gegenstand der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistung bestimmt. Dagegen läßt sich aus Weisungen des Dritten, durch die Art, Reihenfolge und Einzelinhalte verschiedener oder gleichartiger Werkleistungen im Rahmen zuvor vereinbarter Werkgegenstände festgelegt werden, nicht auf Arbeitnehmerüberlassung schließen, soweit sie nur bezogen auf das konkrete Werk erteilt werden. Das gilt auch für Verträge über die Erbringung gegenständlich konkretisierter Dienstleistungen.
cc) Schließlich wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß der Kläger die praktische Handhabung des Vertragsverhältnisses zwischen der Firma G. und dem Beklagten zeitlich nicht näher eingegrenzt und auch nicht zwischen seinem Einsatz bei der Firma G. und bei der H. GmbH unterschieden hat. Das ist jedoch erforderlich, weil nur die Vertragsbeziehungen zwischen der Firma G. und dem Beklagten bis zum 31. März 1997 zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien geführt haben kann. Dazu sind auch tatsächliche Angaben des Klägers notwendig, nach denen eine möglicherweise von den Rahmenverträgen abweichende Durchführung des Vertragsverhältnisses den zum Vertragsschluß berechtigten Personen der Firma G. und des Beklagten bekannt waren. Das ist erforderlich, um auf einen vom Inhalt der schriftlichen Rahmenverträge abweichenden Geschäftswillen der Parteien schließen zu können.
dd) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, das Vertragsverhältnis zwischen der Firma G. und dem Beklagten sei als Arbeitnehmerüberlassung anzusehen, wird es prüfen müssen, ob die nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG zulässige Überlassungsdauer überschritten wurde. Zwar hat der Beklagte vorsorglich mit Nichtwissen bestritten, daß der Kläger seit dem Jahr 1986 durchgängig und ausschließlich ohne Unterbrechung bei ihm eingesetzt gewesen sei. Dieses Bestreiten mit Nichtwissen ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gemäß § 138 Abs. 4 ZPO aber dann unzulässig, wenn der Kläger tatsächlich in die Arbeitsorganisation des Beklagten eingegliedert war. In diesem Fall muß seine Tätigkeit und deren Dauer zumindest von den Angestellten des Beklagten wahrgenommen worden sein. Deswegen war der Beklagte verpflichtet, zunächst in seinem Unternehmen Erkundigungen über den Einsatz des Klägers und dessen Dauer einzuholen (vgl. BGH 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93 – NJW 1995, 130, zu 3 d aa der Gründe). Erst bei einem ergebnislosen Verlauf dieser Erkundigungen kann sich der Beklagte auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen.
IV. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Pods, Berger, Wilms
Fundstellen