Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachteilsausgleich im Konkurs
Orientierungssatz
Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen (§§ 111 bis 113 BetrVG) gelten auch im Konkurs des Unternehmens (Vergleiche BAG Großer Senat vom 13.12.1978 GS 1/77 = BAGE 31, 176 = AP Nr 6 zu § 112 BetrVG).
Normenkette
KO § 3; KVfSPlG § 1; GG Art. 20 Abs. 3; BetrVG § 112 Abs. 2, 1, § 113 Abs. 3, 1; KO § 61 Abs. 1 Nr. 1, § 59 Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 111 S. 2 Nr. 1, § 112 Abs. 5 Nr. 2; BGB § 613a Abs. 1 S. 1; KSchG § 10 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 02.11.1979; Aktenzeichen 11 Sa 69/79) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.06.1979; Aktenzeichen 24 Ca 25/79) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten, dem Konkursverwalter über das Vermögen seiner früheren Arbeitgeberin, Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG.
Der Kläger war vom 19. August 1969 bis 31. Dezember 1978 bei der Firma E. M GmbH & Co. KG als Vorarbeiter beschäftigt. In diesem Unternehmen wurden Webstoffe hergestellt. Der Kläger hatte zuletzt einen Stundenlohn von 10,-- DM brutto.
Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde am 27. Februar 1978 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Konkursverwalter bestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren bei der Gemeinschuldnerin 170 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Beklagte ließ einen Auftrag, Webstoffe für Polizeiuniformen herzustellen, noch ausführen. Doch wurde die Zahl der bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer ständig reduziert. Im November 1978 waren noch etwa 70 Arbeitnehmer beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt lagen auch keine Aufträge mehr vor. Zum 1. Dezember 1978 wurden alle vorhandenen Waren und die Maschinen der Abteilung "Weberei" aus dem Betrieb geholt; "sie verblieben im Bereich der M-Gruppe".
Eine Firma L GmbH & Co. KG bot dem Kläger und den übrigen noch bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in ihrem Unternehmen an. Dieses Unternehmen erwarb vom Beklagten die maschinellen Anlagen der "Färberei" und der "Warenschau". Das Unternehmen stellte Jerseystoffe her, eine Rundstrickware aus synthetischen Garnen und Mischfasern. Die erworbenen Maschinen mußten auf die neue Produktion eingerichtet und zum Teil wesentlich verändert werden.
Der Kläger und etwa ein Drittel der noch bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer lehnten das Angebot der Firma L GmbH & Co. KG auf Weiterbeschäftigung in deren Betriebsstätten ab. Dabei vertraten der Beklagte und Vertreter der Firma L GmbH & Co. KG auf einer Betriebsversammlung am 28. November 1978 die Auffassung, der vorhandene Betrieb der Gemeinschuldnerin werde zum 1. Dezember 1978 auf die L GmbH & Co. KG gemäß § 613 a Abs. 1 BGB übergehen.
Daraufhin kündigte der Beklagte vorsorglich das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1978. Daß das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt endete, steht rechtskräftig fest (Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Juni 1979 - 24 Ca 25/79 -).
Der Kläger hat behauptet, der beklagte Konkursverwalter habe den Betrieb stillgelegt, ohne über diese Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Er hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn ge-
mäß § 113 BetrVG einen Nachteilsausgleich
zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen
des Gerichts gestellt wird.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Gemeinschuldnerin sei auf die L GmbH & Co. KG gemäß § 613 a Abs. 1 BGB übergegangen. Vorsorglich hat er behauptet, Betriebsrat und Arbeitgeber seien sich einig gewesen, daß keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG vorliege, und daß deshalb auch kein Interessenausgleich nach § 112 BetrVG zu vereinbaren sei. Im übrigen hätten sich Konkursverwalter, Betriebsrat und die Firma L GmbH & Co. KG darauf verständigt, alle Arbeitnehmer zu übernehmen. Mehr wäre auch bei Durchführung eines Interessenausgleichs nicht erreicht worden. Schließlich macht der Beklagte geltend, nicht die Betriebsstillegung, sondern die Weigerung des Klägers, das Arbeitsverhältnis zur Firma L GmbH & Co. KG fortzusetzen, sei Ursache für die Entlassung gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des beklagten Konkursverwalters ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise soll die Forderung mit Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO festgestellt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf einen Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG). Dieser Anspruch ist eine Masseschuld im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO.
I. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 in Verb. mit § 113 Abs. 1 BetrVG zu. Nach dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und wenn infolge dieser Maßnahme der Arbeitnehmer entlassen wird oder andere wirtschaftliche Nachteile erleidet. Alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen sind erfüllt, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat.
1. Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen (§§ 111 bis 113 BetrVG) gelten auch im Konkurs des Unternehmers (vgl. BAG, Großer Senat, 31, 176, 185 ff. = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972, Teil II B der Gründe). Das wird jetzt auch durch das Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (BGBl. I S. 369) klargestellt. Dieses Gesetz sieht besondere Vorschriften für die Behandlung eines Sozialplans im Sinne von § 112 BetrVG in einem Konkurs- oder Vergleichsverfahren über das Vermögen des Unternehmers vor. Es setzt damit voraus, daß die §§ 111 und 112 BetrVG im Konkurs des Unternehmers anwendbar sind. Das gleiche muß auch für § 113 BetrVG gelten. Diese Norm sichert die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen.
Im Konkursverfahren tritt der Konkursverwalter an die Stelle des Unternehmers (§ 6 KO).
2. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin war ein Interessenausgleich durchzuführen.
a) Die §§ 111, 112 BetrVG waren anzuwenden. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin waren zuletzt mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Es war ein Betriebsrat vorhanden (§ 111 Satz 1 BetrVG).
b) Der Konkursverwalter hat den Betrieb stillgelegt. Das gilt als Betriebsänderung (§ 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG).
Der Konkursverwalter hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die bisherige wirtschaftliche Betätigung zum 1. Dezember 1978 eingestellt. Diese Betriebsstillegung beruht auf dem ernstlichen und endgültigen Beschluß des Konkursverwalters, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für immer aufzugeben (zu den Voraussetzungen einer Betriebsstillegung vgl. BAG Urteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung und in der Fachpresse bestimmt).
Eine Betriebsstillegung wäre nur dann als Betriebsänderung nicht in Betracht gekommen, wenn der Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt wurde, auf die Firma L GmbH & Co. KG nach § 613 a BGB übergegangen wäre. Soweit ein Betrieb auf einen Dritten nach § 613 a BGB übergeht, wird er nicht stillgelegt. Betriebsstillegung und Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 BGB schließen einander aus. Der bloße Betriebsübergang nach § 613 a BGB ist keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG (vgl. BAG Urteil vom 4. Dezember 1979 - 1 AZR 843/76 - AP Nr. 6 zu § 111 BetrVG 1972; Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 AZR 145/79 - AP Nr. 8 zu § 111 BetrVG 1972).
Mit Recht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB verneint. Auf die L GmbH & Co. KG ist weder ein Betrieb noch ein Betriebsteil übergegangen. Dieses Unternehmen hat vielmehr nur einzelne Wirtschaftsgüter erworben, nämlich nur die Maschinen, die zuvor in der Färberei und in der Warenschau genutzt worden waren. Diese Maschinen bildeten nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts als Betriebsmittel keine organisatorische Einheit. Die Firma L GmbH & Co. KG gliederte vielmehr die einzelnen Maschinen in ihren Produktionsprozeß ein, zum Teil nach erheblichen Veränderungen. Gegen einen Betriebsübergang spricht weiter, daß die Firma L GmbH & Co. KG ein anderes Produkt herstellt und daß Geschäftsbeziehungen weder zu Zulieferern noch zu Abnehmern der Gemeinschuldnerin fortgesetzt wurden. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht daraus den Schluß zieht, der Beklagte habe an die L GmbH & Co. KG nur einzelne Wirtschaftsgüter veräußert, aber keinen funktionsfähigen Betrieb oder funktionsfähigen Betriebsteil übertragen. Die Revision beanstandet diese rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts denn auch nicht mehr.
c) Der Interessenausgleich war nicht entbehrlich. Die Verpflichtung des beklagten Konkursverwalters, einen Interessenausgleich über die geplante Betriebsstillegung mit dem Betriebsrat zu versuchen, entfiel nicht deshalb, weil die Stillegung des Betriebs unausweichlich war und ein Verfahren nach § 112 BetrVG nutzlos gewesen wäre, wie der Konkursverwalter meint.
Der Unternehmer kann gegenüber einem Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG nicht geltend machen, der Interessenausgleich sei nicht erforderlich gewesen, weil ein zwingender Grund im Sinne von § 113 Abs. 1 BetrVG die Entlassung aller Arbeitnehmer ohnehin gerechtfertigt hätte. Zwar sollen nach § 113 Abs. 3 BetrVG die Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung entsprechend gelten. Damit sind aber nicht die Anspruchsvoraussetzungen gemeint, sondern nur die Rechtsfolgen. Die Abs. 1 und 2 des § 113 BetrVG regeln andere Tatbestände und deren Anspruchsvoraussetzungen als Abs. 3 (vgl. BAG Urteil vom 18. Dezember 1984 - 1 AZR 176/82 -, zu I 3 a der Gründe, mit weiteren Nachweisen, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Weiter entfällt die Verpflichtung des Unternehmers, einen Interessenausgleich anzustreben, auch nicht deshalb, weil die Betriebsstillegung die notwendige Folge einer wirtschaftlichen Zwangslage ist, hier des Konkurses. § 111 BetrVG will nach seinem sozialen Schutzzweck alle dort aufgezählten, für die Arbeitnehmer nachteiligen Maßnahmen erfassen, die dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zuzurechnen sind. Das gilt auch für solche Maßnahmen, die mehr oder minder durch die wirtschaftliche Situation diktiert werden. Das Wort "geplant" steht dem nicht entgegen; es hat nur Bedeutung für den Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer den Betriebsrat zu unterrichten und mit ihm zu beraten hat (vgl. das soeben erwähnte Urteil des Senats vom 18. Dezember 1984, zu I 3 b der Gründe, mit weiteren Nachweisen).
Schließlich ist auch der Einwand des Beklagten unbegründet, in einem Verfahren auf Interessenausgleich hätte der Betriebsrat nicht mehr erreichen können, als tatsächlich erreicht worden ist. Ob der Interessenausgleich dasselbe Ergebnis gehabt hätte, läßt sich nur vermuten. Es ist nicht auszuschließen, daß der Betriebsrat in dem Verfahren auf Herbeiführung eines Interessenausgleichs abweichende Vorstellungen entwickelt und mit guten Gründen gegenüber dem Konkursverwalter auch durchgesetzt hätte. Eine Norm, die der Sicherung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats dient, kann nicht dadurch unanwendbar werden, daß der Unternehmer, hier der Konkursverwalter, geltend macht, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hätte sich in keiner Weise auswirken können.
3. Ein wirksamer Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung (Betriebsstillegung) ist nicht zustande gekommen.
In dem nach § 112 BetrVG vorgesehenen Interessenausgleich geht es darum, ob, wann und in welcher Form die vorgesehene unternehmerische Maßnahme durchgeführt werden soll. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, auf die endgültige Entscheidung des Unternehmers im Interesse der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer einzuwirken, bevor der Unternehmer vollendete Tatsachen schafft (vgl. BAG Urteil vom 14. September 1976 - 1 AZR 784/75 - AP Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972, zu 2 der Gründe, mit weiteren Nachweisen; BAG Urteil vom 18. Dezember 1984 - 1 AZR 176/82 -, zu I 2 b der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Kommt ein solcher Interessenausgleich zustande, ist er schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Ein wirksamer Interessenausgleich kommt nur zustande, wenn diese Form gewahrt ist (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 112 Rz 18; Fabricius, GK-BetrVG, 2. Bearbeitung 1983, § 112 Rz 19; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 112 Rz 5; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 112 Rz 6; Stege/Weinspach, BetrVG, 4. Aufl., § 112 Rz 24). Das folgt aus § 125 BGB. Ein Rechtsgeschäft, das der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig.
Daß das Gesetz die Wirksamkeit des Interessenausgleichs von der Wahrung der Schriftform abhängig machen wollte, ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang der Regelungen über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich.
Zunächst werden die Beteiligten darauf hingewiesen, daß sie die Vereinbarung zu unterschreiben haben. Das wäre an sich selbstverständlich, weil Schriftform vorgeschrieben ("schriftlich niederzulegen") wird (§ 126 Abs. 1 BGB). Hier spricht dieser Hinweis für die konstitutive Bedeutung der Schriftform. Sie hat ihren Grund in der Bedeutung, die der Interessenausgleich nicht nur für Unternehmer und Betriebsrat hat. Vor allem die betroffenen Arbeitnehmer des Betriebes müssen wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen die geplante Betriebsänderung durchgeführt wird. Nur so erhalten sie eine verläßliche Auskunft darüber, mit welchen Nachteilen sie rechnen müssen. Nur so können sie prüfen, ob ein Interessenausgleich zustande gekommen ist und ob sich der Unternehmer an den vereinbarten Interessenausgleich hält. Das ist wichtig, um mögliche Ansprüche nach § 113 Abs. 1 oder Abs. 3 BetrVG beurteilen zu können. Zudem schafft nur der schriftlich niedergelegte Interessenausgleich für die Beteiligten die notwendige Rechtssicherheit.
Zu einem schriftlich niedergelegten Interessenausgleich ist es nicht gekommen. Das mündliche Einverständnis des Betriebsrats mit der geplanten Maßnahme reicht nicht aus. Die in diesem Zusammenhang vom Konkursverwalter aufgestellte Behauptung, der Betriebsrat habe einen Interessenausgleich für entbehrlich gehalten, ist daher unerheblich. Entweder hat der Betriebsrat damit nur seine Rechtsauffassung geäußert; das wäre ohnehin unbeachtlich. Oder aber er wollte zum Ausdruck bringen, daß er gegen die geplante Maßnahme des Konkursverwalters - Veräußerung der Maschinen an die Firma L GmbH & Co. KG verbunden mit der Bemühung, den Arbeitnehmern Arbeitsverträge mit diesem Unternehmen anzubieten - keine Einwendungen erheben wollte. Dann wäre zwar der Sache nach ein Interessenausgleich zustande gekommen. Er wäre aber unwirksam, weil die Schriftform nicht eingehalten wurde.
Der Konkursverwalter hätte deshalb den Betriebsrat veranlassen müssen, sein Einverständnis auch schriftlich niederzulegen und die Erklärung zu unterschreiben. Hätte sich der Betriebsrat geweigert - aus welchen Gründen auch immer - wäre offenkundig geworden, daß tatsächlich eine Einigung über den Interessenausgleich noch nicht erzielt worden war, vom Fall der arglistigen Verweigerung einer Unterschrift einmal abgesehen. Das Verfahren dient somit der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit; das liegt im Interesse aller Beteiligten.
4. Der Konkursverwalter hat nicht in ausreichendem Maße versucht, zu einem Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu kommen.
Da zwischen dem Konkursverwalter und dem Betriebsrat kein wirksamer und die Beteiligten bindender Interessenausgleich zustande gekommen war, hätte der Konkursverwalter alle Möglichkeiten einer Einigung über den Interessenausgleich vor der tatsächlichen Betriebsstillegung ausschöpfen müssen, wenn er Ansprüche auf Nachteilsausgleich der betroffenen Arbeitnehmer vermeiden wollte (BAG Urteil vom 18. Dezember 1984 - 1 AZR 176/82 -, zu I 2 b der Gründe, AP Nr. 11 zu § 113 BetrVG 1972, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
Das gilt auch für Fälle der vorliegenden Art, in denen es an der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform fehlt. Denn nur das weitere Verfahren vor der Einigungsstelle kann zu der notwendigen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit führen, auf die die Beteiligten und die betroffenen Arbeitnehmer angewiesen sind. Vom Unternehmer wird damit nichts Unzumutbares verlangt. Es ist praktisch ausgeschlossen, daß der Betriebsrat seine Unterschrift ohne Grund, d. h. arglistig, verweigert. Der Weigerung werden in der Regel sachliche Erwägungen zugrunde liegen, die deutlich machen, daß eine vollständige Einigung noch nicht erreicht ist. Diese nach Möglichkeit doch noch herbeizuführen, ist der Sinn des vom Unternehmer durch Ausschöpfung des vorgeschriebenen Verfahrens anzustrengenden Versuchs. Kommt es vor der Einigungsstelle zu einer Einigung, ist diese im Protokoll der Einigungsstelle niederzulegen (§ 112 Abs. 3 Satz 3 BetrVG). Gelingt eine Einigung nicht, wird das Scheitern des Versuchs von der Einigungsstelle festgestellt. Damit steht fest, daß entweder ein wirksamer Interessenausgleich zustande gekommen oder der Versuch dazu vom Unternehmer zwar unternommen worden, dieser aber gescheitert ist. Die vom Gesetz gewollte Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist damit erreicht. Sie liegt nicht zuletzt auch im Interesse des Unternehmers, der nunmehr weiß, daß er Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG nicht mehr befürchten muß.
Wie zu entscheiden wäre, wenn der Betriebsrat ohne jeden sachlichen Grund seine Unterschrift unter die abschließend erzielte Einigung verweigert, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Für ein solches Verhalten des Betriebsrats bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
5. Der Kläger ist schließlich infolge der Betriebsstillegung entlassen worden. Hätte der Konkursverwalter den Betrieb nicht stillgelegt, sondern zunächst auf Zeit weitergeführt oder wäre der Betrieb tatsächlich nach § 613 a Abs. 1 BGB auf einen Dritten übergegangen, wäre keine Kündigung erforderlich geworden.
Der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Klägers beruhe nur auf dessen Weigerung, ein Arbeitsverhältnis zur Firma L GmbH & Co. KG einzugehen, ist unberechtigt. § 113 Abs. 3 BetrVG stellt auf die Entlassung und damit auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Arbeitgeber ab; verlangt wird ein Zusammenhang zwischen Betriebsänderung und Entlassung. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer im Anschluß an das bisherige Arbeitsverhältnis ein neues Arbeitsverhältnis eingeht und ob der bisherige Arbeitgeber bei der Suche um einen neuen Arbeitsplatz geholfen hat. Entscheidend kommt es nur darauf an, ob der Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung entlassen wurde und dadurch seinen bisherigen Arbeitsplatz verloren hat. Das ist hier der Fall. Das von der Firma L GmbH & Co. KG angebotene Arbeitsverhältnis wäre ein neues Arbeitsverhältnis aufgrund eines neuen Arbeitsvertrags gewesen. Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Arbeitgeber (§ 613 a Abs. 1 BGB) kam aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht. Deshalb konnte der Kläger das Angebot eines Dritten annehmen oder ablehnen; seine Entscheidung hatte auf die Entstehung des Anspruchs nach § 113 Abs. 3 BetrVG keinen Einfluß.
§ 112 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG (in der Fassung des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26. April 1985 - BGBl. I S. 710) bestätigt diese Auslegung des § 113 Abs. 3 BetrVG. Arbeitnehmer, die anderweitig unter zumutbaren Bedingungen im Unternehmen oder im Konzern beschäftigt werden können, die Weiterbeschäftigung aber ablehnen, sollen danach von Leistungen (Abfindungen) ausgeschlossen werden. Das Gesetz geht folglich davon aus, daß sie von der Betriebsänderung als solcher betroffen sind und die Entlassung auf die Betriebsänderung (Betriebsstillegung) zurückzuführen ist.
6. Gegen die Höhe der vom Landesarbeitsgericht festgesetzten Abfindung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 40 % des durchschnittlichen Monatsverdienstes zugebilligt. Es hat dabei sein Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt.
Die Höhe der Abfindung setzt das Gericht nach seinem Ermessen fest. Es ist dabei an § 10 KSchG gebunden (§ 113 Abs. 1 BetrVG). Diese Grenze ist nicht überschritten.
Bei der Bemessung der Abfindung hat das Berufungsgericht die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die Interessen der übrigen am Konkursverfahren beteiligten Gläubiger berücksichtigt. Zum Nachteil des Klägers hat es die so errechnete Abfindung noch einmal gekürzt mit der Begründung, der Kläger hätte bei der Firma L GmbH & Co. KG einen angemessenen Arbeitsplatz finden können. Die Abfindung könne im Falle des Klägers lediglich dem Ausgleich für den Verlust seiner sozialen Beziehungen innerhalb des bisherigen Betriebs und zum Ausgleich der mit einer Einarbeitung verbundenen Nachteile dienen.
Damit hat das Landesarbeitsgericht alle für die Berechnung wesentlichen Umstände herangezogen. Andere Umstände nennt auch die Revision nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten brauchte das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Klägers nicht - rechtlich zwingend - "mit Null" zu bewerten.
II. Der Anspruch des Klägers ist eine Masseforderung im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO. Als Massegläubiger kann der Kläger Zahlung des geschuldeten Betrags vom Konkursverwalter fordern. Er ist kein Konkursgläubiger, der seine Forderung im Konkursverfahren anmelden müßte.
1. Das Berufungsgericht hat den beklagten Konkursverwalter zur Zahlung eines Betrags von 3.114,-- DM verurteilt. Das ist im Ergebnis richtig. Nur die Begründung des Landesarbeitsgerichts hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht meint nämlich, es brauche über den Rang der Forderung im Konkurs des Unternehmers nicht zu entscheiden, da der Kläger für seine Forderung zumindest das Vorrecht vor Ansprüchen nach Nr. 1 des § 61 Abs. 1 KO in Anspruch nehmen könne. Dabei beruft sich das Landesarbeitsgericht auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 1978 (BAG 31, 176, 206 ff. = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972, Teil IV A 2 und B 2 der Gründe).
Gerade von diesem Standpunkt aus wäre die Forderung des Klägers nur Konkursforderung gewesen. Der Kläger hätte sie beim Konkursgericht anmelden müssen (§ 138 KO). Im Fall des Widerspruchs des Konkursverwalters hätte der Kläger eine Feststellungsklage gegen den widersprechenden Konkursverwalter nach § 146 KO erheben müssen. Von seinem Standpunkt aus durfte das Landesarbeitsgericht den Beklagten nicht zur Zahlung des geschuldeten Betrags verurteilen.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Forderung des Klägers keine Konkursforderung, sondern Masseforderung im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO.
a) Die Einordnung von Ansprüchen auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG in eine durch Richterrecht neu geschaffene Rangstelle vor Nr. 1 des § 61 Abs. 1 KO ist mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485, 486/80 - BVerfGE 65, 182, 190 ff.). Die Ansprüche müssen so behandelt werden, wie die Konkursordnung das vorschreibt.
Den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 hat der Gesetzgeber zum Anlaß genommen, die konkursrechtliche Behandlung von Ansprüchen aus Sozialplänen neu zu regeln (vgl. Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 - SozplKonkG -, BGBl. I S. 369). Dieses Gesetz gilt nicht für Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG (§ 1 SozplKonkG). Es regelt ausdrücklich nur die Behandlung eines Sozialplans, der im Konkursverfahren oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens aufgestellt wird (§ 2 und § 3 des Gesetzes). Damit hat der Gesetzgeber bewußt auf besondere Regelungen für Ansprüche auf Nachteilsausgleich verzichtet. Das folgt sowohl aus dem Wortlaut des § 1, der nur Sonderregelungen für Sozialpläne vorsieht, als auch aus der Begründung der Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf. Dort heißt es:
"Die Vorschrift (gemeint ist § 1) verdeutlicht,
daß die §§ 2 bis 5 nur für den Sozialplan,
nicht aber auch für den Nachteilsausgleich
nach § 113 des Betriebsverfassungsgesetzes,
Sondervorschriften enthalten. Die Gleichbe-
handlung von Sozialplan- und Nachteilsaus-
gleichsforderungen ist verfassungsrechtlich
nicht geboten. Auf den Nachteilsausgleich las-
sen sich die allgemeinen konkursrechtlichen
Vorschriften, insbesondere §§ 3 und 59 Abs. 1
Nr. 1 der Konkursordnung, anwenden; in ihrer
Gesamtheit führen sie auch für die Arbeitneh-
mer zu angemessenen Ergebnissen. Es wäre der
Insolvenzrechtsreform abträglich, wenn ohne
dringendes Bedürfnis ein neues Vorrecht ge-
schaffen würde."
b) Nach allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich dann eine Masseforderung im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, wenn der Konkursverwalter einen Arbeitnehmer entlassen hat, obwohl der Interessenausgleich noch nicht in dem erforderlichen Maße versucht worden war.
Der Hinweis auf die §§ 3 und 59 Abs. 1 Nr. 1 KO in der Begründung zum SozplKonkG verlangt eine Unterscheidung danach, ob der Anspruch auf Nachteilsausgleich vor oder nach Konkurseröffnung entstanden ist (vgl. Düttmann/Kehrmann/Muff, AiB 1985, 35). Ist der Anspruch erst nach Konkurseröffnung "aus ... Handlungen des Konkursverwalters" entstanden, ist er nach dem Willen des Gesetzes Masseforderung im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO.
Im vorliegenden Fall ist der Anspruch des Klägers auf Nachteilsausgleich erst nach Konkurseröffnung entstanden. Erst nach Konkurseröffnung hat der Konkursverwalter den Betrieb stillgelegt und den Kläger entlassen. Für die Entstehung des Anspruchs ist damit allein der Konkursverwalter verantwortlich.
c) An dieser konkursrechtlichen Beurteilung des Anspruchs - hier die Einordnung als Masseforderung - ist der Senat nicht durch den Beschluß des Großen Senats vom 13. Dezember 1978 (vgl. BAG 31, 176 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972) gehindert. Die Rechtslage hat sich inzwischen durch das Inkrafttreten des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren geändert. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG nur deshalb als Konkursforderungen und nicht als Masseforderungen behandelt, weil die konkursrechtliche Behandlung dieses Anspruchs nach seiner Ansicht nicht verschieden sein könne von der konkursrechtlichen Behandlung eines Anspruchs aus einem Sozialplan. Auch nach Ansicht des Großen Senats hätte es an sich nähergelegen, den Anspruch auf Nachteilsausgleich unter § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO einzuordnen, weil er auf einer pflichtwidrigen Handlung des Konkursverwalters beruht (S. 205 f., Teil III F der Gründe).
Diese Gleichbehandlung ist nach dem Inkrafttreten des SozplKonkG nicht mehr möglich. Der Gesetzgeber hat jetzt entschieden, daß Abfindungsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG konkursrechtlich anders behandelt werden müssen als Abfindungsansprüche aus einem Sozialplan. Er hat in der Begründung zu diesem Gesetz auf § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO und damit auf die Begründung von Masseforderungen verwiesen. Für Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG kann daher nur allgemeines Konkursrecht gelten. Die vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts für richtig gehaltene Gleichbehandlung dieser Ansprüche mit Ansprüchen aus Sozialplänen hat der Gesetzgeber bewußt abgelehnt; damit entfällt auch die Bindung an den Rechtssatz, daß ein Anspruch auf Nachteilsausgleich keine Masseforderung ist.
d) Die Ansprüche des Klägers sind daher Masseforderungen im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO. Auf den Hilfsantrag kommt es nicht mehr an.
Präsident Prof. Dr. Heither Matthes
Dr. Kissel ist
in Urlaub
Dr. Heither
Rösch Dr. Wohlgemuth
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