Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung im öffentlichen Dienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muß in aller Regel davon ausgehen, daß ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besonderen Anhalt darf der Arbeitnehmer deshalb auch bei langjähriger Gewährung einer zusätzlichen Vergünstigung nicht darauf vertrauen, sie sei Vertragsinhalt geworden (im Anschluß an BAG Urteil vom 29. November 1983 - 3 AZR 491/81 = AP Nr 15 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
2. Steht die Leistungsgewährung gegenüber den Beamten im Ermessen des Dienstherrn und bezieht dieser in die innerdienstlichen Richtlinien, durch die er sein Ermessen ausübt, seine Arbeitnehmer ein, so sollen insoweit die Arbeitnehmer den Beamten gleichgestellt werden. Auch der Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich nur darauf vertrauen, daß auf ihn die Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung und mit einem der beamtenrechtlichen Ermessensausübung entsprechenden Inhalt angewandt werden (im Anschluß an BAG Urteil vom 16. Januar 1985 - 7 AZR 270/82 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).
Normenkette
BGB § 242; BBesG § 17
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 31.08.1982; Aktenzeichen 6 Sa 85/81) |
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 03.02.1981; Aktenzeichen 2 Ca 383/78) |
Tatbestand
Der Kläger ist als Bundesbahnarbeiter beim Bundesbahnbetriebswerk Basel, Badischer Bahnhof, der Beklagten beschäftigt. Für das seit 1951 bestehende Arbeitsverhältnis gilt kraft Tarifbindung der Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV). Dienstlicher Wohnsitz des Klägers ist Weil/Rhein; sein Arbeitsplatz liegt in der Schweiz. Während seiner Dienstschicht verpflegt sich der Kläger in der auf Schweizer Hoheitsgebiet gelegenen Kantine, die vom Bundesbahnsozialwerk betrieben wird.
Seit 1. September 1952 zahlte die Beklagte ihren auf deutschem Gebiet wohnenden und bei einer Dienststelle der Deutschen Bundesbahn auf Schweizer Gebiet im Raum Basel beschäftigten Bediensteten eine sog. Grenzgängerzulage nach Maßgabe der Erlasse ihrer Hauptverwaltung vom 1. September 1952 und 12. Dezember 1960 in Höhe von zunächst 1,50 DM je Schicht und ab 1. Januar 1961 in Höhe von 2,-- DM je Schicht; hinzu kam jeweils ein Kaufkraftzuschlag. Mit Wirkung vom 1. Januar 1964 wurde die bisherige Regelung durch die vom Bundesminister des Innern aufgestellten "Richtlinien über die Gewährung eines Zehrgeldes an Bundesbedienstete, die ihren Dienst im Ausland verrichten, deren dienstlicher Wohnsitz jedoch ein Ort in der Bundesrepublik Deutschland ist (Grenzgängerzehrgeld)" vom 10. Januar 1964 abgelöst, die die Beklagte durch Verfügung vom 4. März 1964 für ihren Bereich übernahm. Diese Richtlinien lauten:
Auf Grund des § 22 des Bundesbesoldungsgesetzes be-
stimme ich im Einvernehmen mit dem Bundesminister der
Finanzen folgendes:
1.
Bundesbedienstete, die ihren Dienst regelmäßig im
Ausland in Grenznähe verrichten, deren dienstlicher
Wohnsitz jedoch ein Ort in der Bundesrepublik ist,
erhalten ein Zehrgeld (Grenzgängerzehrgeld).
2.
Das Zehrgeld soll Mehraufwendungen abgelten, die den
Bundesbediensteten durch den Dienst auf ausländischem
Gebiet besonders dadurch entstehen, daß sie in der
Regel genötigt sind, eine Hauptmahlzeit in einer Gast-
stätte im Ausland einzunehmen. Ein Belegnachweis ist
nicht erforderlich.
3.
Das Zehrgeld wird gewährt, wenn der Bundesbedienstete
mindestens sechs Stunden zusammenhängend im Ausland
tätig war.
4.
Das Zehrgeld wird nach einem Grundbetrag von arbeits-
täglich 2 DM bemessen. Hierzu tritt ein Kaufkraftaus-
gleich in Höhe des für den ausländischen Dienstort je-
weils nach § 2 BBesG in Betracht kommenden Prozent-
satzes. Die Beträge sind auf volle 10 Pfennige aufzu-
runden.
5.
Abfindungen nach dem Reisekosten- oder Umzugskosten-
recht, die auf Grund der Dienstverrichtung im Ausland
gewährt werden, sind auf das Grenzgängerzehrgeld in
voller Höhe anzurechnen.
6.
Das Zehrgeld ist eine im Sinne des § 3 Ziffer 12
Satz 1 EStG (§ 4 Ziff. 1 Satz 1 LStDV) steuerfreie
Aufwandsentschädigung.
7.
Die vorstehenden Vorschriften sind entsprechend auch
auf Arbeiter anzuwenden. Die Anwendung auf die Ange-
stellten ergibt sich aus § 33 Abs. 1 a BAT, § 29
Abs. 2 TV für die Angestellten der Deutschen Bundes-
post und § 19 TV für die Angestellten der Deutschen
Bundesbahn.
8.
Diese Richtlinien gelten vom 1. Januar 1964 an.
Aufgrund einer Prüfungsbemerkung des Hauptprüfungsamtes der Beklagten verfügte die zuständige Bundesbahndirektion Karlsruhe mit Erlaß vom 25. November 1977, daß die bezeichneten Richtlinien ab 1. Dezember 1977 derart anzuwenden seien, daß ein Grenzgängerzehrgeld nur noch gezahlt wird, wenn dem Bediensteten durch die Einnahme einer warmen Hauptmahlzeit in Gaststätten im Ausland oder durch die Beschaffung von Kaltverpflegung unzumutbare Kosten gegenüber der Einnahme von Hauptmahlzeiten in Gaststätten im Inland entstehen. Die Beklagte stellte daraufhin mit Wirkung ab 1. Dezember 1977 die Zahlung des Zehrgeldes an den Kläger ein.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Fortzahlung des Grenzgängerzehrgeldes, da er nach wie vor Mehraufwendungen im Vergleich zu im Inland beschäftigten Bundesbahnarbeitern habe. Miteinander zu vergleichen seien die in- und ausländischen Kantinenpreise; bei einigen Posten seien die Preise in der Baseler Kantine höher als die in Weil/Rhein.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
ihm ab 1. Dezember 1977 weiterhin ein Grenz-
gängerzehrgeld in der jeweils festgesetzten Höhe
zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe die Grenzgängerzulage nicht zu, weil er die in den Richtlinien vom 10. Januar 1964 aufgestellten Voraussetzungen in der durch den Erlaß vom 25. November 1977 vorgeschriebenen Auslegung nicht erfülle. Der Kläger habe keine Mehraufwendungen im Vergleich zur Verpflegung in einer inländischen Gaststätte, denn er könne sich preiswert in einer Kantine verpflegen, die von der Beklagten bezuschußt werde. Die durch den Erlaß vom 25. November 1977 aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen seien sachgerecht, weil unzumutbare Mehraufwendungen im Vergleich zu einer Verpflegung in einer inländischen Gaststätte nur solchen Bediensteten entstünden, die sich in einer Gaststätte im Ausland verpflegen müßten. Dementsprechend werde das Grenzgängerzehrgeld im Bundesbahnbereich nur an im Ausland arbeitende Bedienstete gezahlt, die keine Möglichkeit hätten, eine Kantine im Ausland zu benutzen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, denn das Landesarbeitsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen (§ 563 ZPO). Dem Kläger steht ein Grenzgängerzehrgeld weder aufgrund von Rechtsvorschriften noch aufgrund der von der Beklagten erlassenen Richtlinien zu. Auch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz oder die Bindungswirkung einer betrieblichen Übung kann der Anspruch nicht gestützt werden.
1. Eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage ist nicht vorhanden. Bei dem Grenzgängerzehrgeld handelt es sich zwar um eine Aufwandsentschädigung i.S. des § 17 des Bundesbesoldungsgesetzes - BBesG - vom 23. Mai 1975 (BGBl. I S. 1173), der inhaltlich der Vorgängerregelung des § 22 BBesG in der Fassung vom 18. Dezember 1963 (BGBl. I S. 917) entspricht. Abgesehen davon, daß das Bundesbesoldungsgesetz für Arbeitnehmer nicht gilt (vgl. § 1 Abs. 1 BBesG), lassen sich jedoch unmittelbar aus § 17 BBesG keine Ansprüche herleiten. Die Vorschrift ermächtigt lediglich den Dienstherrn, nach seinem Ermessen Aufwandsentschädigungen zu gewähren, wenn dem Beamten aus dienstlicher Veranlassung unzumutbare Aufwendungen entstehen und der Haushaltsplan hierfür Mittel zur Verfügung stellt.
Eine tarifliche Regelung besteht nicht. Der LTV sagt weder etwas über ein Grenzgängerzehrgeld noch erklärt er für Aufwandsentschädigungen die für Beamte geltenden Vorschriften für anwendbar. Auch eine das Grenzgängerzehrgeld regelnde Dienstvereinbarung liegt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Daß schließlich auch die Parteien eine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung über die Gewährung des Zehrgeldes nicht getroffen haben, hat das Landesarbeitsgericht in den Senat bindender Weise (§ 561 Abs. 2 ZPO) festgestellt.
2. Das Landesarbeitsgericht ist auch zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger seinen Anspruch nicht auf die im Bereich der Beklagten geltenden Richtlinien und Erlasse stützen kann. Richtlinien dieser Art sind dem öffentlichen Recht angehörende Weisungen einer vorgesetzten Behörde gegenüber nachgeordneten Behörden bzw. mit ihrem Vollzug beauftragten Bediensteten ohne normativen Charakter. Als einseitigen Verwaltungsanordnungen kommt ihnen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine unmittelbare zivil- und arbeitsrechtliche Bedeutung zu (vgl. z.B. BAG Urteile vom 30. September 1970 - 4 AZR 343/69 -, vom 13. Dezember 1972 - 4 AZR 147/72 - AP Nr. 34 und 37 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, vom 25. November 1970 - 4 AZR 69/69 - BAG 23, 83, vom 31. Januar 1973 - 4 AZR 258/72 -, vom 30. Januar 1980 - 4 AZR 1098/77 - AP Nr. 2, 4 und 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, und vom 12. April 1984 - 2 AZR 348/82 -, nicht veröffentlicht). Sie können deshalb nur mittelbar durch einzelvertragliche Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis Bedeutung gewinnen, ggf. auch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder der Bindungswirkung einer betrieblichen Übung. In jedem Einzelfall ist jedoch der konkrete Inhalt der vertraglichen Vereinbarung bzw. des tatsächlichen Verhaltens des Arbeitgebers festzustellen, insbesondere ob die Richtlinien in ihrer jeweiligen oder in ihrer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung vereinbart bzw. vom Arbeitgeber tatsächlich angewendet wurden (vgl. z.B. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 - 4 AZR 1098/77 - AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).
3. Ob dem Landesarbeitsgericht darin gefolgt werden kann, die Anwendung der das Grenzgängerzehrgeld betreffenden Richtlinien und Erlasse der Beklagten sei im Streitfalle einzelvertraglich nicht vereinbart, kann dahinstehen. Denn selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, ihre Anwendung sei vereinbart, so bezieht sich dies hier nur auf die jeweils geltende Fassung; die Voraussetzungen der seit 1. Dezember 1977 und mithin für den Klagezeitraum geltenden Fassung aber erfüllt der Kläger nicht.
a) Durch die Übernahme der Richtlinien vom 10. Januar 1964 hat die Beklagte gegenüber ihren Beamten das ihr durch § 22 BBesG a.F. bzw. § 17 BBesG n.F. eingeräumte Ermessen ausgeübt und ihre Arbeitnehmer ausdrücklich in den Geltungsbereich der Richtlinien einbezogen. Hierdurch wollte sie ihren Arbeitnehmern erkennbar dieselbe Rechtsstellung einräumen wie ihren Beamten; eine Bevorzugung der Arbeitnehmer war ersichtlich nicht vorgesehen. Bei in sein Ermessen gestellten Leistungen kann jedoch der Dienstherr gegenüber seinen Beamten die Ermessensausübung für die Zukunft grundsätzlich ändern (vgl. BVerwG Beschluß vom 1. Juni 1979 - 6 B 33/79 - NJW 1980, 75). Mangels abweichender vertraglicher Vereinbarung darf deshalb auch der Arbeitnehmer, der in die beamtenrechtliche Regelung einbezogen wird, dies nur so verstehen, daß die beamtenrechtliche Regelung auf ihn in ihrer jeweils geltenden Fassung angewandt wird.
b) Die Einbeziehung der Arbeitnehmer in die beamtenrechtliche Regelung hat aber auch zur Folge, daß der Arbeitnehmer inhaltlich keine weitergehenden Ansprüche haben soll als der Beamte. Deshalb muß die Frage, ob die einzelvertraglich in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug genommene beamtenrechtliche Richtlinie eine sachgerechte Ermessensausübung darstellt, nach den gleichen Maßstäben beantwortet werden wie bei Beamten; das Ergebnis dieser Prüfung muß den zum Verwaltungsermessen entwickelten Grundsätzen entsprechen (vgl. zum ähnlich gelagerten Fall einer tarifvertraglichen Verweisung auf die für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Bestimmungen BAG Urteil vom 16. Januar 1985 - 7 AZR 270/82 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).
c) Für die in vergleichbarer Lage mit dem Kläger beim Bahnhof Basel eingesetzten Beamten der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit rechtskräftigem Urteil vom 1. März 1983 - 4 S 46/80 - entschieden, daß die durch den Erlaß vom 25. November 1977 angeordnete Auslegung der Richtlinien vom 10. Januar 1964 ermessensfehlerfrei und damit verbindlich ist.
Diese eingehend begründete Auffassung wird vom erkennenden Senat jedenfalls im Ergebnis geteilt. Dabei kann dahinstehen, ob die Frage der Unzumutbarkeit in § 17 BBesG, der die Gewährung von Aufwandsentschädigungen nur beim Vorliegen unzumutbarer Mehraufwendungen gestattet, in den Ermessensbereich hineinragt, wie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg annimmt, oder ob die Unzumutbarkeit zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 BBesG gehört. Denn auch im letzteren Falle handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung die Würdigung zahlreicher auf tatsächlichem Gebiet liegender Umstände erfordert und deshalb der Behörde einen Beurteilungsspielraum läßt. Im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums hält sich die Würdigung der Beklagten, die Aufwendungen für die Verpflegung im Ausland seien dem Beamten noch zumutbar, wenn diese zwar über die in einer inländischen Kantine aufzuwendenden Kosten hinausgehen, die in einer inländischen Gaststätte aufzuwendenden Kosten aber nicht übersteigen. Das gilt insbesondere angesichts der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts über die jeweils entstehenden Kosten. Nach diesen Feststellungen sind die dem Kläger entstehenden Mehrkosten gegenüber der Kantinenverpflegung im Inland unbedeutend und erreichen nicht annähernd die Höhe des Zehrgeldes. Wenn das Landesarbeitsgericht bei dieser Sachlage angenommen hat, die Tragung der Verpflegungsmehrkosten sei dem Kläger zumutbar, so hält sich diese Würdigung im Rahmen seines Beurteilungsspielraums und ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
4. Der Klageanspruch läßt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Der Kläger macht selbst nicht geltend, die Beklagte nehme ihn von einer sonst allgemein angewandten begünstigenden generellen Regelung aus. Er hat nicht behauptet, die Beklagte gewähre auch noch nach dem 1. Dezember 1977 anderen Arbeitnehmern, die sich in einer auf Schweizer Gebiet gelegenen Bundesbahnkantine verpflegen, ein Grenzgängerzehrgeld.
5. Der Kläger hat schließlich darauf hingewiesen, daß er das Grenzgängerzehrgeld trotz aller zwischenzeitlichen Richtlinienänderungen seit 1952 erhalten hat. Hierdurch sei eine betriebliche Übung entstanden, durch die er einen vertraglichen Anspruch auf Fortzahlung des Zehrgeldes erworben habe. Diesen Anspruch könne die Beklagte nicht durch einseitige Festsetzung neuer Abgrenzungskriterien, sondern nur durch Änderungsvereinbarung beseitigen.
Hiermit verkennt der Kläger die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen eine betriebliche Übung Bindungswirkung für die Zukunft entfaltet. Sie bezieht sich nur auf das Bestehen einer Verpflichtung des konkreten Inhalts, mit dem ein Bindungswille des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer nach Treu und Glauben angenommen werden konnte. Zwar kommt es für die Bindungswirkung einer betrieblichen Übung nicht auf das tatsächliche Vorliegen eines Verpflichtungswillens des Arbeitgebers an. Entscheidend ist allein, ob der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben aus dem Verhalten des Arbeitgebers - insbesondere aus einer über längere Zeit vorbehaltslos geübten Praxis - auf das Vorliegen eines Verpflichtungswillens bestimmten Inhalts schließen durfte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG 23, 213, 220 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 2 b der Gründe; BAG 39, 271, 276 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 2 der Gründe; BAG 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost, zu III 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 29. November 1983 - 3 AZR 491/81 - AP Nr. 15 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 6. März 1984 - 3 AZR 340/80 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 13; nicht veröffentlichtes Senatsurteil vom 16. Januar 1985 - 7 AZR 191/82 -). Insbesondere für die Bestimmung des Inhalts dieses aus dem Arbeitnehmerhorizont zu beurteilenden Bindungswillens des Arbeitgebers ist jedoch nach der angeführten Rechtsprechung bedeutsam, daß der Kläger dem öffentlichen Dienst angehört. Da der insbesondere an die Festlegungen des Haushaltsplans gebundene öffentliche Arbeitgeber gehalten ist, nur die gesetzlich und tarifvertraglich vorgesehenen Mindestleistungen zu erbringen, muß der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst davon ausgehen, daß sich sein Arbeitgeber normgemäß verhalten will. Allein aus der Gewährung einer übertariflichen Leistung kann er deshalb noch nicht schließen, daß eine zusätzliche Vergünstigung auf Dauer zugesagt werden sollte; hierzu bedarf es vielmehr im Einzelfalle zusätzlicher konkreter Anhaltspunkte.
Diese Grundsätze müssen in verstärktem Maße dann gelten, wenn sich die vom Arbeitgeber gewährten Leistungen als Vollzug von Regelungen darstellen, die für Beamte und Arbeitnehmer einheitlich gelten. Die Gleichbehandlung von Bediensteten derselben Behörde hat auch bei der Frage des Vertrauensschutzes Gewicht; bei zusammen mit Beamten arbeitenden Arbeitnehmern kann sich eine betriebliche Übung grundsätzlich nicht im Widerspruch zu der für die Beamten maßgebenden Regelung entwickeln (vgl. z.B. BAG Urteile vom 29. November 1983, aaO, zu II 2 b der Gründe, und vom 13. August 1980 - 4 AZR 622/78 - nicht veröffentlicht). Erbringt der öffentliche Arbeitgeber - auch über einen längeren Zeitraum hinweg - Leistungen aufgrund von innerdienstlichen Richtlinien und dergleichen, durch die er sein ihm durch das Beamtenrecht eingeräumtes Ermessen konkretisiert und in die er seine Arbeitnehmer einbezogen hat, so kann daher bei der Beurteilung, auf einen Bindungswillen welchen Inhalts der Arbeitnehmer vertrauen durfte, nicht außer acht gelassen werden, daß der Dienstherr sein Ermessen gegenüber seinen Beamten für die Zukunft neu ausüben kann und ggf. sogar muß, wenn die bisherige Ermessensausübung dem Zweck der Ermächtigungsnorm widersprach. Die Arbeitnehmer der Beklagten hatten keinen Anlaß zu der Annahme, sie sollten durch die Einbeziehung in die beamtenrechtliche Regelung bessergestellt werden als die Beamten. Da die Regelung der Arbeitsverhältnisse in erster Linie der Tarifautonomie unterliegt, war diese Einbeziehung ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt; die Beklagte hatte lediglich keine Veranlassung gesehen, ihren Arbeitnehmern die den Beamten gewährten Leistungen vorzuenthalten. Die Gewährung der Grenzgängerzulage stand deshalb von Anfang an unter dem erkennbaren Vorbehalt, die zugrunde liegende innerdienstliche Regelung durch eine erneute Ermessensausübung zu ändern. Mangels zusätzlicher konkreter Anhaltspunkte im Verhalten der Beklagten konnte daher auch der Kläger nur darauf vertrauen, daß sich die Beklagte zur Anwendung der Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung verpflichten wollte.
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob, wie der Kläger behauptet, die Grenzgängerzulage jahrzehntelang ohne Rücksicht auf das Entstehen tatsächlicher Mehraufwendungen gezahlt worden ist. Gerade eine derartige Praxis durfte und mußte die Beklagte unter Beachtung des § 17 BBesG auch gegenüber ihren Arbeitnehmern ändern.
Dr. Seidensticker Roeper Dr. Steckhan
Deckert Breier
Fundstellen
BAGE 49, 31-39 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
BAGE, 31 |
NJW 1986, 2593 |
NZA 1986, 604-605 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
RdA 1986, 131 |
AP § 242 BGB, Nr 19 |
AR-Blattei, Betriebsübung Entsch 14 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
AR-Blattei, ES 510 Nr 14 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
DÖD 1986, 121-124 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
EzA § 242 BGB Betriebsliche Übung, Nr 15 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
RiA 1986, 156-157 (Leitsatz 1 und Gründe) |