Die Klägerin unterfällt dem Sozialplan vom 24. November 1999.
1. Das folgt unmittelbar aus Nr. 2 des Sozialplans, falls es sich bei den Entlassungen im September und November 1999 um zwei selbständige Betriebsänderungen handelte. Nach dieser Bestimmung sind anspruchsberechtigt “die im Interessenausgleich genannten Mitarbeiter, die aufgrund der Betriebsänderung durch betriebsbedingte Kündigung aus der Firma ausscheiden”. Zwar ist ein Datum des Interessenausgleichs nicht genannt. Am 24. November 1999 wurden aber nicht nur der Sozialplan, sondern auch ein Interessenausgleich geschlossen. Unter diesen Umständen spricht viel dafür, Nr. 2 des Sozialplans dahin zu verstehen, daß dort der Interessenausgleich vom selben Tag und nicht der vorhergehende vom September 1999 in Bezug genommen wurde.
2. Wird zugunsten der Klägerin unterstellt, die Personalreduzierungen im September und November 1999 seien eine einheitliche Maßnahme, gilt nichts anderes. Die Einheitlichkeit der Maßnahme hinderte die Betriebsparteien nicht, die mit ihr verbundenen Nachteile in zwei unterschiedlichen Sozialplänen auszugleichen. Dies ist Teil des den Betriebsparteien zustehenden Regelungsermessens.
Selbst wenn in einem solchen Fall der Sozialplan vom September 1999 nicht nur für die vier Arbeitnehmer, die aus der ihm beigefügten Anlage ersichtlich waren, sondern auch für später Entlassene hätte gelten sollen, wäre es den Betriebsparteien möglich gewesen, ihn durch einen geänderten Sozialplan für die Zukunft aufzuheben. Ein Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Haben Betriebsparteien eine Angelegenheit durch Betriebsvereinbarung geregelt, können sie diese einvernehmlich aufheben und dieselbe Angelegenheit durch eine neue Betriebsvereinbarung regeln (BAG 10. August 1994 – 10 ABR 61/93 – BAGE 77, 313). Die neue Betriebsvereinbarung kann auch Regelungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach wird die ältere Regelung durch die jüngere abgelöst (BAG 6. August 2002 – 1 ABR 49/01 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 27 mwN; 15. November 2000 – 5 AZR 310/99 – BAGE 96, 249). Allerdings kann ein neuer Sozialplan bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht schmälern oder entfallen lassen (BAG 10. August 1994 – 10 ABR 61/93 – aaO; Fitting BetrVG 21. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 204 f.). Die Klägerin konnte aber bei Zugang der Kündigung noch keine Ansprüche aus dem Sozialplan vom September 1999 erworben haben. Auch galt zu diesem Zeitpunkt bereits der Sozialplan vom 24. November 1999. Nur dieser kommt deshalb als Grundlage für das Klagebegehren in Frage.
Die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Erziehungsurlaubs in Nr. 3.1 des Sozialplans verstößt gegen das Gebot zur Beachtung der Grundsätze von Recht und Billigkeit in § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Spielraum für die Bestimmung des angemessenen Ausgleichs der mit einer Betriebsänderung verbundenen Nachteile. Sie können grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder mildern wollen. Sie können von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen und bei ihrer Regelung nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden (BAG 14. August 2001 – 1 AZR 760/00 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 142 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 108 mwN). Die Betriebsparteien haben aber die Grenzen von Recht und Billigkeit und die Funktion eines Sozialplans zu beachten. Recht und Billigkeit verlangen insbesondere die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes; nach dem Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient der Sozialplan, also auch eine darin vorgesehene Abfindung, dem Ausgleich und der Überbrückung der – künftigen – Nachteile, die durch eine geplante Betriebsänderung entstehen können (BAG 9. November 1994 – 10 AZR 281/94 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 78).
2. Der von den Betriebsparteien zu beachtende Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, daß im Hinblick auf zu erwartende Nachteile in gleicher Weise betroffene Arbeitnehmer gleich, in ungleicher Weise betroffene Arbeitnehmer ungleich behandelt werden. Das Maß der Betroffenheit hängt bei einem mit der Betriebsänderung einhergehenden Verlust des Arbeitsplatzes regelmäßig mit dem Lebensalter, der Anzahl von Unterhaltsberechtigten, der Höhe des Verdienstes und der Schwierigkeit einer Vermittlung auf dem Stellenmarkt zusammen. Diese ist ihrerseits abhängig insbesondere von Lebensalter, Qualifikation, möglichen Behinderungen und ähnlichem. Auf solche eindeutig zukunftsbezogenen Kriterien stellt der Sozialplan vom 24. November 1999 nicht ab. Statt dessen haben die Betriebsparteien – ausschließlich – die Dauer der Beschäftigungszeit zum Maßstab für die Höhe der Abfindung genommen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist auch die Beschäftigungsdauer ein grundsätzlich zulässiges Kriterium für die Bemessung einer Abfindung. Zwar ist der Zweck einer Abfindung auf die künftige Lage der Arbeitnehmer bezogen. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist demgegenüber nicht vorrangig ausschlaggebend dafür, welche Nachteile ein Arbeitnehmer durch eine Betriebsänderung in der Zukunft erleidet. Es ist aber nicht auszuschließen, daß sich die Qualifikation eines Arbeitnehmers mit der Dauer der Beschäftigung auf die spezifischen Bedürfnisse des bisherigen Arbeitsplatzes verengt und damit eine Minderung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt einhergeht (BAG 14. August 2001 – 1 AZR 760/00 – aaO). Auch hängt der Umfang erworbener Besitzstände vor allem von der Dauer der Beschäftigung ab. Der Verlust von Besitzständen ist ein auch noch nach dem Ausscheiden fortwirkender Nachteil. Zu berücksichtigen ist ferner, daß der Sozialplan seine Befriedungsfunktion nur erfüllen kann, wenn die Kriterien für die Bemessung einer Abfindung der Belegschaft vermittelt werden können. Angesichts der Unsicherheit über den genauen Umfang der im Einzelfall zu erwartenden Nachteile hat der Rückgriff auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit den Vorzug hoher Transparenz und Praktikabilität. Durch ihn wird die Sozialplanabfindung noch nicht zu einer bloßen Entschädigung für den Verlust des Besitzstandes oder zu einer – nachträglichen – Vergütung der in der Vergangenheit geleisteten Dienste (BAG 14. August 2001 – 1 AZR 760/00 – aaO; 16. März 1994 – 10 AZR 606/93 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 75 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 73).
b) Im Streitfall haben die Betriebsparteien die Dauer der Beschäftigungszeit nicht als einen von mehreren Bemessungsfaktoren berücksichtigt, sondern – abgesehen von einem geringen Sockelbetrag – als einzigen Maßstab für die Höhe der Abfindung herangezogen. Hiergegen bestehen jedenfalls dann Bedenken, wenn sich die betroffenen Arbeitnehmer in den übrigen sachlich bedeutsamen Kriterien nicht unerheblich unterscheiden. Dazu, ob dies der Fall ist, hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Aus der Anlage zum Sozialplan ergibt sich lediglich, daß das Lebensalter der meisten entlassenen Arbeitnehmerinnen bei Kündigungsausspruch zwischen 28 und 32 Jahren lag – nur eine der Betroffenen war bereits 44 Jahre alt – und Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern nur für die Klägerin und eine weitere Mitarbeiterin – jeweils gegenüber einem Kind – bestanden. Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, daß sich die sozialplanrelevanten Daten der Betroffenen nur bei der Dauer der Betriebszugehörigkeit deutlich unterscheiden. Die Bemessung der Sozialplanabfindung allein nach der Beschäftigungsdauer verstößt dann nicht schon für sich betrachtet gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit.
3. Nr. 3.1 des Sozialplans verstößt gegen § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, weil die Betriebsparteien von der Dauer der Beschäftigung Zeiten des Erziehungsurlaubs ausgenommen haben.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es allerdings nicht ausgeschlossen, bei der Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit nur auf die Zeiten tatsächlicher Beschäftigung beim Arbeitgeber abzustellen. Das Recht der Betriebsparteien, bei der Bemessung einer Abfindung die Beschäftigungsdauer gänzlich außer Betracht zu lassen, enthält auch die Befugnis, Betriebszugehörigkeitszeiten aus sachlichen Gründen nur teilweise zu berücksichtigen. So hat es der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts als zulässig angesehen, Zeiten bei einem Rechtsvorgänger des Arbeitgebers und Zeiten der Zugehörigkeit zur Nationalen Volksarmee, die der Beschäftigung beim Arbeitgeber vorangingen und nach den Vorschriften der DDR als Betriebszugehörigkeitszeiten galten, bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer auszunehmen (vgl. BAG 16. März 1994 – 10 AZR 606/93 – aaO und 30. März 1994 – 10 AZR 352/93 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 76 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 74).
b) Im vorliegenden Fall haben die Betriebsparteien Zeiten ausgenommen, die in den Zeitraum des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber selbst fallen. Was sie dabei unter “Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung” verstanden haben, welche Zeiten des Arbeitsverhältnisses sie dabei neben Erziehungsurlaubszeiten ggf. außer Betracht lassen wollten und ob dies zulässig war, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Die Zeiten von Erziehungsurlaub jedenfalls durften die Betriebsparteien bei der Bemessung der Sozialplanabfindung nicht unberücksichtigt lassen. Die Herausnahme dieser Zeiten widerspricht den in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen, die nach § 75 Abs. 1 BetrVG auch von den Betriebsparteien zu beachten sind.
aa) Nach Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Zwar richtet sich die Vorschrift in erster Linie an den Staat selbst. Sozialpläne sind dagegen wie alle Betriebsvereinbarungen dem Bereich des privaten Rechts zuzuordnen. Sie erhalten nicht etwa dadurch, daß der Gesetzgeber ihnen in § 112 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 77 Abs. 4 BetrVG normative Wirkungen zuerkannt hat, den Charakter von Akten öffentlicher Gewalt (BVerfG 23. April 1986 – 2 BvR 487/80 – BVerfGE 73, 261).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 6 Abs. 1 GG aber nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe und eine Institutsgarantie, sondern zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung zugunsten von Ehe und Familie (BVerfG 17. Januar 1957 – 1 BvL 4/54 – BVerfGE 6, 55, 71; 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63, 1 BvL 31/66 – BVerfGE 24, 119, 135; 4. Mai 1971 – 1 BvR 636/68 – BVerfGE 31, 58; 30. November 1982 – 1 BvR 818/81 – BVerfGE 62, 323, 329; 18. April 1989 – 2 BvR 1169/84 – BVerfGE 80, 81, 92 f.). Das gleiche gilt für Art. 6 Abs. 2 GG (BVerfG 29. Juli 1968 – 1 BvL 20/63, 1 BvL 31/66 – aaO, S 149; 21. Mai 1974 – 1 BvL 22/71, 1 BvL 21/72 – BVerfGE 37, 217, 240; Gröschner in Dreier GG Bd. 1 1996 Art. 6 Rn. 80; Jestaedt in Dolzer/Vogel/Graßhof BK Stand März 2003 Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 10; Coester-Waltjen in von Münch/Kunig GG 5. Aufl. Bd. I Art. 6 Rn. 60 f.). Daraus ergibt sich eine entsprechende Schutzpflicht des Staates. Er hat diese grundrechtlichen Güter vor Eingriffen Dritter zu bewahren. Diese Pflicht trifft auch die Rechtsprechung (Jarass/Pieroth GG 6. Aufl. Vorb. vor Art. 1 Rn. 7; Coester-Waltjen aaO Rn. 35; Badura in Maunz/Dürig GG Stand Oktober 2002 Art. 6 Rn. 14, 67). Bei der Anwendung und Auslegung des Privatrechts kommt eine Bindung des Richters zwar nicht an die Grundrechte unmittelbar, wohl aber an deren Rechtsgehalt in Betracht. Dieser wirkt insbesondere durch Generalklauseln und sonstige auslegungsbedürftige Begriffe auch auf das Privatrecht ein (BVerfG 23. April 1986 – 2 BvR 487/80 – BVerfGE 73, 261, 269; 7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242). Diese Ausstrahlungswirkung ist insbesondere dann bedeutsam, wenn das Grundrecht selbst einen ausdrücklichen Schutzauftrag enthält (BAG 20. August 2002 – 9 AZR 353/01 – NZA 2003, 177).
Im Rahmen der richterlichen Überprüfung von Normen einer Betriebsvereinbarung nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist deshalb auch die wertentscheidende Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG zu beachten. Bei Anwendung des daraus folgenden Prüfungsmaßstabs erweist sich Nr. 3.1 Satz 3 des Sozialplans als unwirksam. Die gesetzliche Eröffnung von Erziehungsurlaub oder – neuerdings – Elternzeit ist Ausdruck der auf Art. 6 GG beruhenden Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Sie soll die Ausübung des Erziehungsrechts ohne Verlust des Arbeitsplatzes erleichtern. Regelungen wie diejenige in Nr. 3.1 Satz 3 des Sozialplans sind geeignet, dieses Ziel zu beeinträchtigen. Müßten Arbeitnehmer damit rechnen, daß Erziehungsurlaubs- bzw. Elternzeiten bei der Bemessung von Sozialplanabfindungen nicht als Beschäftigungszeiten zählen, könnte dadurch die Freiheit ihrer Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit eingeschränkt werden.
bb) Diese Beschränkung ist nicht etwa deshalb hinzunehmen, weil die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Erziehungsurlaubs notwendig aus Sinn und Zweck von Sozialplanabfindungen folgen würde – wie dies mit Blick auf Entgeltansprüche anzunehmen ist (vgl. nur BAG 12. Januar 2000 – 10 AZR 840/98 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 158). So ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, daß die Betroffenen während des Erziehungsurlaubs keinen Beitrag zur Wirtschaftskraft des Betriebs geleistet haben. Wollte man diesen Gesichtspunkt als allein maßgeblich ansehen, würde der Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verfehlt. Die Abfindung bekäme Entgeltcharakter und würde funktionswidrig zur nachträglichen Vergütung geleisteter Dienste. Auch unter dem Aspekt einer sich verengenden Qualifikation ist die Nichtbeachtung von Zeiten des Erziehungsurlaubs nicht gerechtfertigt. Zeiten der Kinderbetreuung dienen regelmäßig nicht der Weiterqualifikation. Die Nachteile auf dem Arbeitsmarkt sind deshalb für langjährig beim selben Arbeitgeber Beschäftigte unabhängig davon die gleichen, ob sie durchgehend für den Betrieb oder zwischenzeitlich im Rahmen der Kinderbetreuung tätig waren.