Entscheidungsstichwort (Thema)
Redakteur an Tageszeitung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Lokalberichterstatter ist Redakteur nach der Erweiterung des Redakteurbegriffs durch den Manteltarifvertrag Redakteure an Tageszeitungen vom 23. November 1980; danach genügt es, daß eigene Wort- oder Bildbeiträge zur Berichterstattung und Kommentierung beitragen. Auf eine veröffentlichungsreife Bearbeitung kommt es nicht mehr an.
2. Als Berufsjahre sind alle Zeiten anzurechnen, die der Redakteur in derselben Tätigkeit verbracht hat. Es kommt nicht darauf an, ob er auch nach früherem Recht als Redakteur anzusehen war.
3. Zinsen können nur vom Nettobetrag verlangt werden.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 291, 288 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 13.04.1983; Aktenzeichen 2 Sa 197/83) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 25.01.1983; Aktenzeichen 1 Ca 1353/82) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1969 für die Beklagte tätig, die die Tageszeitung "G " herausgibt. Seit 1970 ist er mit der Lokalberichterstattung aus dem Stadtbezirk B für den "G " betraut. Er schreibt regelmäßig Wortbeiträge und Kommentierungen. Der Kläger hat im Hause der Beklagten keinen Arbeitsplatz und ist nicht an feste Arbeitszeiten gebunden. Er nimmt an den regelmäßigen Redakteursbesprechungen nicht teil. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag wird der Kläger als kaufmännischer Angestellter bezeichnet. Beide Parteien sind Mitglieder der tarifschließenden Verbände für Redakteure an Tageszeitungen.
Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger am 13. September 1982 eine Beendigungskündigung und am 14. Dezember 1982 eine Änderungskündigung ausgesprochen. Beide Kündigungen sind durch rechtskräftige Urteile für unwirksam erklärt worden. Die Beklagte ist ferner durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. April 1982 - 2 Sa 81/82 - zur Zahlung von DM 6.193,-- an den Kläger verurteilt worden. Dieser Betrag entspricht der Gehaltsdifferenz zwischen dem von der Beklagten an den Kläger für die Monate April bis September 1981 gezahlten Gehalt und dem Gehalt für Redakteure im 11. Berufsjahr nach dem Gehaltstarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen.
Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten für die Zeit vom Oktober 1981 bis Dezember 1982 die Gehaltsdifferenz zwischen dem von der Beklagten gezahlten Gehalt und dem Tarifgehalt für Redakteure an Tageszeitungen im 11. Berufsjahr zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld in der rechnerisch unstreitigen Höhe von DM 18.130,--.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei nach der Definition des Gehaltstarifvertrags für Redakteure an Tageszeitungen vom 22. Mai 1981 Redakteur im tariflichen Sinne. Denn er trage durch eigene Wortbeiträge zur Berichterstattung und Kommentierung des "G " bei. Für den tariflichen Redakteursbegriff sei nicht erforderlich, daß der Redakteur Zeitungsbeiträge veröffentlichungsreif bearbeite. Er sei auch schon unter der Geltung des vorhergehenden Tarifvertrags als Redakteur anzusehen gewesen. Unerheblich sei, wie er im Arbeitsvertrag bezeichnet werde. Entscheidend sei die Durchführung des Vertrags.
Der Kläger hat demgemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
DM 18.130,-- brutto nebst 4 % Zinsen
ab 1. Juni 1982 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die vom Kläger gelieferten Berichte würden regelmäßig inhaltlich oder formal vom zuständigen Redakteur korrigiert und unter Umständen gekürzt oder ergänzt abgedruckt oder auch abgelehnt. Der Kläger arbeite völlig selbständig, er nehme Urlaub nach eigenen Vorstellungen. Im Krankheitsfalle unterrichte er die Beklagte häufig nicht durch Übersendung eines ärztlichen Attestes. Der Kläger sei danach freier Journalist. Er könne nicht als Redakteur an einer Tageszeitung angesehen werden. Die tariflichen Regelungen weiteten den Redakteursbegriff nicht auf Lokalberichterstatter aus. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei ein Redakteur ein angestellter Journalist, der Beiträge für Zeitungen redigiere und damit verantwortlich gestalte. Eine solche Tätigkeit habe der Kläger niemals ausgeübt; er erfülle nicht das tarifliche Merkmal der Kreativität. Bei der Beklagten sei ein Redakteur auch presserechtlich verantwortlich. Wenn die Beklagte den Kläger bei der Einstellung als kaufmännischen Angestellten bezeichnet habe, beruhe dies auf einem Entgegenkommen der Beklagten. Selbst wenn der Kläger seit Inkrafttreten des Manteltarifvertrags für Redakteure an Tageszeitungen ab 1. Januar 1981 als Redakteur anzusehen sei, stehe er danach nicht bereits im 11. Berufsjahr als Redakteur.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision unter Beschränkung seines Zinsanspruchs auf die Zeit ab 1. Januar 1983.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im wesentlichen unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von DM 18.130,-- brutto als Tarifgehalt für die Zeit vom Oktober 1981 bis Dezember 1982 verlangen. Denn er war im Klagezeitraum Redakteur im 11. bis 14. Berufsjahr im tariflichen Sinne. 4 % Zinsen für die Zeit ab 1. Januar 1983 kann der Kläger jedoch nur aus dem einer Bruttovergütung von DM 18.130,-- entsprechenden Nettobetrag beanspruchen. Dies hat der Senat in der Urteilsformel klargestellt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand zwischen den Parteien im Klagezeitraum ein Arbeitsverhältnis. Dies steht aufgrund eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 16. Dezember 1982 - 1 Ca 2515/82 - fest. Durch dieses Urteil ist festgestellt worden, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 13. September 1982 nicht beendet wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht. Damit erstreckt sich die den Senat bindende Rechtskraft des Urteils zunächst darauf, daß zwischen den Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 16. Dezember 1982 ein Arbeitsverhältnis bestand. Dann aber ist auch für den vorliegenden Klagezeitraum (Oktober 1981 bis Dezember 1982) von einem Arbeitsverhältnis der Parteien auszugehen. Der gesamte Tatsachenstoff, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses vorgebracht werden könnte, lag bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bonn am 16. Dezember 1982 vor. Demgemäß ist die Beklagte mit dem Vortrag präkludiert, im Klagezeitraum habe kein Arbeitsverhältnis bestanden (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 156 II 1). Denn wollte man zulassen, daß die Beklagte die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers im Klagezeitraum vom Oktober 1981 bis Dezember 1982 mit Tatsachen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vorlagen, bestreiten könnte, würde sie damit dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 16. Dezember 1982 die Grundlage (Arbeitsverhältnis) entziehen. Dies liefe auf eine unzulässige Beseitigung der Rechtskraft des Urteils hinaus. Deshalb greift hier die Präklusionswirkung, die eine Folge der Rechtskraft ist, ein. Irgendwelche neue Tatsachen, die der Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien in der Zeit vom Oktober 1981 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bonn am 16. Dezember 1982 entgegenstehen könnten, hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgetragen.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen vom 23. November 1980 (MTV Redakteure), der am 1. Januar 1981 in Kraft getreten ist, sowie der Gehaltstarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen vom 22. Mai 1981 (GTV Redakteure), der mit Wirkung vom 1. Mai 1981 in Kraft trat, mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Der Kläger ist Redakteur im Sinne des GTV Redakteure und kann deshalb Vergütung eines Redakteurs beanspruchen. Der GTV Redakteure regelt in seinem § 1 den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags wie folgt: "Für alle hauptberuflich an Tageszeitungen festangestellten Redakteure und entsprechend für Redaktionsvolontäre, sofern für diese nichts anderes bestimmt ist". Eine nähere Bestimmung des Begriffs "Redakteure" enthält der GTV Redakteure nicht. Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff des Redakteurs jedoch im MTV Redakteure näher bestimmt. Deshalb ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte im GTV Redakteure davon auszugehen, daß dieselben Tarifvertragsparteien im später abgeschlossenen GTV Redakteure den Begriff des Redakteurs so verstanden wissen wollen, wie sie ihn im MTV Redakteure näher umschrieben haben.
Der danach maßgebende MTV Redakteure bestimmt in seinem § 1 hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs: "Für alle hauptberuflich an Tageszeitungen festangestellten Redakteure und entsprechend für Redaktionsvolontäre, sofern für diese nichts anderes bestimmt ist". Damit stimmt der persönliche Geltungsbereich des MTV Redakteure mit dem persönlichen Geltungsbereich des GTV Redakteure wörtlich überein, so daß dann auch für den GTV Redakteure die Protokollnotiz zu § 1 MTV Redakteure hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs anwendbar ist. Diese Protokollnotiz lautet:
Als Redakteur gilt, wer - nicht nur zum Zweck
der Vorbereitung auf diesen Beruf (gleichgül-
tig in welchem Rechtsverhältnis) - kreativ an
der Erstellung des redaktionellen Teils von
Tageszeitungen regelmäßig in der Weise mit-
wirkt, daß er
- Wort- und Bildmaterial sammelt, sichtet,
ordnet, dieses auswählt und veröffentli-
chungsreif bearbeitet und/oder
- mit eigenen Wort- und/oder Bildbeiträgen
zur Berichterstattung und Kommentierung
in der Zeitung beiträgt und/oder
- die redaktionell-technische Ausgestal-
tung (insbesondere Anordnung und Um-
bruch) des Textteils besorgt und/oder
- diese Tätigkeit koordiniert.
Mit dieser Legaldefinition des tariflichen Redakteursbegriffs haben die Tarifvertragsparteien gegenüber dem allgemeinen pressefachlichen und presserechtlichen Redakteursbegriff eine Erweiterung vorgenommen. Im Sinne des früheren pressefachlichen Sprachgebrauchs und des Presserechts konnte als Redakteur nur angesehen werden, wer das "Redigieren" besorgt, d. h. das Sammeln, Sichten, Ordnen und Bearbeiten des zu publizierenden Stoffes (BAG 35, 251, 264 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse), wobei es auf eine veröffentlichungsreife Bearbeitung ankam (BAG Urteil vom 21. Januar 1981 - 4 AZR 871/78 -, AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Wer den zu publizierenden Stoff veröffentlichungsreif bearbeitet, fällt auch nach der tariflichen Legaldefinition des MTV Redakteure unter den Begriff des Redakteurs (in diesem Sinne versteht der Senat die Ausführungen im Senatsurteil vom 21. Januar 1981 - 4 AZR 871/78 -, AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk).
Der MTV Redakteure erweitert demgegenüber durch die in Ziff. 2 bis 4 der Protokollnotiz zu § 1 beschriebenen Tätigkeiten den herkömmlichen Begriff des Redakteurs. Der Kläger erfüllt hierbei den tariflichen Begriff des Redakteurs im Sinne der Ziff. 2 der Protokollnotiz. Danach ist es im Gegensatz zum früheren Tarifrecht bereits ausreichend, wenn der betreffende Angestellte mit eigenen Wort- oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung beiträgt. Wenn der Angestellte regelmäßig an der Erstellung des redaktionellen Teils einer Tageszeitung dadurch mitwirkt, daß er Wortbeiträge für die Presseberichterstattung und Kommentierung liefert, ist er nunmehr Redakteur im tariflichen Sinne, ohne daß es noch darauf ankäme, ob er auch die veröffentlichungsreife Bearbeitung vornimmt (BAG 35, 251, 267 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse). Unstreitig ist der Kläger für die Beklagte als Lokalberichterstatter aus dem Stadtbezirk B tätig. Zu seinen Aufgaben zählt insbesondere die regelmäßige Abfassung von Wortbeiträgen und Kommentierungen, die - gegebenenfalls nach einer Überarbeitung durch den verantwortlichen Redakteur - in der Tageszeitung der Beklagten "G " abgedruckt werden. Damit sind die Voraussetzungen von Ziff. 2 der Protokollnotiz erfüllt.
Darüber hinaus wirkt der Kläger auch "kreativ" an der Erstellung des redaktionellen Teils einer Tageszeitung mit, wie es die Tarifvertragsparteien für alle Redakteure nach dem Eingangssatz der Protokollnotiz verlangen. Hierbei verwenden die Tarifvertragsparteien das Wort "kreativ" in seiner allgemeinen, auf seine lateinische Wurzel zurückgehenden Bedeutung und verstehen demgemäß darunter eine eigenschöpferische, auf eigenen Einfällen und Entschlüssen beruhende Tätigkeit, ohne daß es insoweit auf Fragen des künstlerischen Charakters der Tätigkeit oder des Urheberrechts ankommt (BAG 35, 251, 266 f. = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse). In diesem Sinne ist der Kläger tätig; denn die von ihm gelieferten Wortbeiträge sind auch eine eigenschöpferische, auf eigenen Einfällen beruhende Tätigkeit; er sammelt insoweit nicht bereits aufbereitetes Material.
Eine veröffentlichungsreife Bearbeitung durch den Kläger ist hingegen nicht erforderlich. Ebensowenig kommt es darauf an, daß der verantwortliche Redakteur die vom Kläger eingereichten Berichte und Kommentierungen überarbeiten und ändern kann; denn das ist die veröffentlichungsreife Bearbeitung im Sinne der Ziff. 1, die vom Kläger gerade nicht erbracht werden muß, um die Ziff. 2 der Protokollnotiz zu erfüllen. Unerheblich ist auch, ob einzelne vom Kläger gelieferte Beiträge von der Beklagten abgelehnt und überhaupt nicht gedruckt werden. Entscheidend ist, daß der Kläger regelmäßig mit eigenen Wortbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung in der Zeitung beiträgt.
Die dagegen erhobenen Einwendungen der Revision sind unbegründet. Auf die Bezeichnung der Tätigkeit des Klägers im Arbeitsvertrag kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, welche konkrete Tätigkeit der Kläger nach dem Willen der Parteien ausführen sollte und ausgeführt hat. Das ist eine Redakteurstätigkeit im Sinne der Protokollnotiz zum MTV Redakteure. Auf eine fehlende Arbeitnehmereigenschaft des Klägers kann sich die Beklagte nicht mehr berufen, da diese Frage durch das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 16. Dezember 1982 rechtskräftig geklärt ist. Mit dem presserechtlich verantwortlichen Redakteur hat der vorliegende Fall nichts zu tun. Wer im Sinne des Presserechts als Redakteur verantwortlich ist, kann nach wie vor die Beklagte bestimmen. Wenn der Kläger Redakteur im tariflichen Sinne ist, bedeutet dies nur, daß er entsprechend zu vergüten ist. Presserechtliche Auswirkungen hat diese tarifliche Einordnung nicht. Deshalb gehen alle Argumente der Beklagten zur Pressefreiheit nach Art. 5 GG ins Leere.
Der Kläger ist nach § 2 GTV Redakteure im Klagezeitraum als Redakteur im 11. bis 14. Berufsjahr zu vergüten. Dies gilt auch, wenn man davon ausgeht, daß er erst seit der tariflichen Neuregelung ab 1. Januar 1981 als Redakteur im tariflichen Sinne anzusehen ist. Für die Berechnung der Berufsjahre ist § 3 GTV Redakteure heranzuziehen, der in seiner Ziff. I (Berufsjahre) regelt: "Nachgewiesene Jahre als hauptberuflicher Redakteur an Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichtenagenturen und am Rundfunk gelten als Berufsjahre im Sinne dieses Gehaltstarifs". Da die Tarifvertragsparteien den Begriff des Redakteurs im MTV Redakteure näher umschrieben haben und dieser Begriff damit auch für den Geltungsbereich des später abgeschlossenen GTV Redakteure maßgebend ist, ist nach dem für die Tarifauslegung maßgebenden Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung (vgl. BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) unter "Redakteur" im Sinne von § 3 Ziff. I GTV Redakteure der Redakteur im Sinne der Protokollnotiz zu § 1 MTV Redakteure zu verstehen. Wer danach im Sinne dieser Protokollnotiz als hauptberuflicher Redakteur an Zeitungen tätig war, dessen insoweit nachgewiesene Jahre gelten als Berufsjahre im Sinne des Gehaltstarifs. Hierbei haben die Tarifvertragsparteien bewußt auch solche Redakteure einbezogen, die im Sinne des früheren Tarifrechts noch nicht als Redakteure anzusehen waren. Denn die anzurechnenden Jahre "gelten" als Berufsjahre im Sinne des GTV Redakteure; damit fingieren die Tarifvertragsparteien Berufsjahre, so daß insoweit die berufliche Qualifikation im Sinne des früheren Tarifrechts unbeachtlich ist.
Unstreitig ist der Kläger seit 1970 bei der Beklagten hauptberuflich mit der Lokalberichterstattung aus dem Stadtbezirk B betraut. Er ist damit seit dieser Zeit als hauptberuflicher Redakteur im Sinne des GTV Redakteure für die Beklagte tätig und hat daher im Klagezeitraum (Oktober 1981 bis Dezember 1982) mehr als zehn Berufsjahre aufzuweisen, so daß er nach der Vergütungsgruppe für Redakteure im 11. bis 14. Berufsjahr zu vergüten ist.
Dieses Ergebnis wird auch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung gerecht, der im Wortlaut seinen Niederschlag gefunden hat und deshalb für die Tarifauslegung zu berücksichtigen ist (vgl. BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Mit der Staffelung der Vergütung nach Berufsjahren gehen die Tarifvertragsparteien im Zweifel davon aus, daß sie die mit den Berufsjahren zunehmende Erfahrung des Redakteurs honorieren wollen. Dann aber ist es sachgerecht, daß alle Arbeitnehmer, die vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfaßt werden, für die in ihrer Tätigkeit gewonnene Berufserfahrung honoriert werden. Die Tätigkeit des Klägers ist seit 1970 unverändert. Wenn jetzt diese Tätigkeit aber nach der maßgebenden tariflichen Regelung als Redakteurstätigkeit anzusehen ist, ist der Kläger im Klagezeitraum seit mehr als elf Jahren in seinem Beruf als Redakteur tätig.
Mit dieser Auslegung berücksichtigt der Senat auch den Grundsatz, daß im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug zu geben ist, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II). Bei der Anrechnung früherer Redakteurstätigkeiten wird die frühere berufliche Qualifikation einheitlich nach der Begriffsbestimmung des MTV Redakteure ermittelt. Wollte man hingegen als Berufsjahre nur solche Tätigkeitszeiten anerkennen, die nach früherem Tarifrecht als Redakteurstätigkeiten anzusehen waren, müßte hierfür auf ganz unterschiedliche Tarifverträge und unterschiedliche tarifliche Begriffe zurückgegriffen werden, weil für Zeitschriften, Nachrichtenagenturen und Rundfunkanstalten jeweils andere tarifliche Regelungen maßgebend waren, wobei bei den Rundfunkanstalten sogar noch für jede Rundfunkanstalt eine eigene Vergütungsordnung mit einem jeweils speziellen Redakteursbegriff galt bzw. noch gilt. Damit würde es im Einzelfall erhebliche praktische Schwierigkeiten bereiten, nach den früher jeweils maßgeblichen tariflichen Regelungen zu ermitteln, ob der betreffende Arbeitnehmer damals als Redakteur anzusehen war, zumal - insbesondere bei den Vergütungsordnungen der Rundfunkanstalten - die früheren tariflichen Regelungen oft sehr unbestimmt und unklar waren. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien solche unterschiedlichen Regelungen der Berechnung der Berufsjahre zugrunde legen wollten.
Die gegenteilige Auffassung würde auch zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung der langjährig tätigen Redakteure im herkömmlichen Sinne und der langjährig tätigen Redakteure im erweiterten Sinne des MTV Redakteure führen. Die Erweiterung des Redakteursbegriffs im MTV Redakteure und dem darauf aufbauenden GTV Redakteure zeigt, daß die Tarifvertragsparteien den in Ziff. 2 bis 4 der Protokollnotiz erfaßten Personenkreis den Redakteuren im herkömmlichen Sinne gleichstellen wollten. Dieses Ziel würde in einem wesentlichen Punkte verfehlt, wenn die bisherigen Berufsjahre der unter Ziff. 2 bis 4 fallenden Redakteure bei der Vergütung nicht angerechnet würden. Gerade für die langjährig beschäftigten Redakteure im Sinne der Ziff. 2 bis 4 der Protokollnotiz, etwa für Redakteure mit 30 Berufsjahren, ergäbe sich durch die tarifliche Neuregelung keine Verbesserung, sondern eher eine Verschlechterung ihrer Rechtslage. Eine Gleichstellung mit den herkömmlichen Redakteuren könnten sie in ihrem Berufsleben oft nicht mehr erreichen. Die Einbeziehung unter den Redakteursbegriff bliebe für sie weitgehend ohne Bedeutung. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.
Die demgegenüber von der Revision erhobenen Einwendungen sind unbegründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten als Berufsjahre im tariflichen Sinne mit einer rückwirkenden Geltung des GTV Redakteure nichts zu tun. Der Kläger verlangt keine Vergütung für die Zeit vor Inkrafttreten des GTV Redakteure. Es geht insoweit nur um die Anrechnung und Berechnung von Berufsjahren. Es trifft zwar zu, daß der Kläger vor dem 1. Januar 1981 nach der Senatsrechtsprechung (vgl. BAG 35, 251, 267 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse) kein Redakteur im tariflichen Sinne war. Daraus folgt aber nicht, daß sich der Kläger im Jahre 1981 im tariflichen Sinne im 1. Berufsjahr als Redakteur befand. Vielmehr steht es den Tarifvertragsparteien frei, wie sie die Berufsjahre als Redakteur berechnen wollen. Im vorliegenden Fall haben sie hierzu in § 3 GTV Redakteure eine Regelung getroffen. Diese führt zu einer Anrechnung der von dem Kläger bisher bei der Beklagten verbrachten Zeit als Lokalberichterstatter auf seine Berufsjahre als Redakteur.
Der Kläger kann als Prozeßzinsen 4 v.H. aus dem der Bruttovergütung von DM 18.130,-- entsprechenden Nettobetrag seit 1. Januar 1983 verlangen (§ 291, § 288 Abs. 1 BGB). Die von ihm darüber hinaus begehrten Zinsen aus dem gesamten Bruttobetrag von DM 18.130,-- stehen ihm jedoch nicht zu. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Wetzlar (Urteil vom 8. Mai 1984 - 1 Ca 30/84 -, DB 1985, 288) ist die zu verzinsende Geldschuld im Sinne von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB und dementsprechend von § 291 BGB nicht der Bruttolohnanspruch. Prozeß- und Verzugszinsen sollen dem Gläubiger einen Ausgleich dafür gewähren, daß der Schuldner einer Zahlungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachkommt. Dann aber kann nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung der Zinsanspruch nur an den Geldbetrag anknüpfen, der durch Vollstreckung dem Gläubiger tatsächlich zufließen kann (vgl. BAG 42, 244, 258 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II). Bei der Vollstreckung aus einer Bruttoverurteilung kann der Arbeitgeber die Vollstreckung hinsichtlich der auf den Bruttobetrag entfallenden Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeträge dadurch abwenden, daß er dem Gerichtsvollzieher die Abführung dieser Beträge an die zuständigen Stellen belegt (vgl. § 775 Nr. 5 ZPO). Dann kann der Gerichtsvollzieher trotz der Verurteilung zur Zahlung des Bruttobetrags vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers nur den nach Abzug der abgeführten Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeträge verbliebenen Nettobetrag einziehen; nur dieser Betrag ist dann auch zu verzinsen.
Weist der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher allerdings nicht die Zahlung von Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeträgen nach, dann ist bei der Vollstreckung davon auszugehen, daß die Nettovergütung der Bruttovergütung entspricht; in diesem Fall kann der Gerichtsvollzieher vom Gesamtbetrag die Zinsen berechnen und einziehen. Insoweit handelt es sich aber nicht um Zinsen aus einem Bruttobetrag, sondern aus einem dem Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrag. Dem Arbeitgeber bleibt es dann überlassen, den Nachweis über die auf den Bruttobetrag entfallenden Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeträge zu führen und vom Arbeitnehmer die darauf entfallenden und vom Gerichtsvollzieher eingezogenen Zinsen zurückzufordern. Damit sind auch die Bedenken des Arbeitsgerichts Wetzlar erledigt, bei einer Vollstreckung aus Bruttobeträgen sei der Gerichtsvollzieher im Regelfall nicht in der Lage, den dem Arbeitnehmer zustehenden Nettobetrag zu berechnen.
Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel
Dr. Bermel Pallas
Fundstellen
ARST 1986, 28-28 (ST1) |
BlStSozArbR 1985, 182-182 (T) |
AP § 1 TVG Tarifverträge - Presse (LT1-3), Nr 3 |
AR-Blattei, ES 1860 Nr 13 (LT3) |
AR-Blattei, Zinsen Entsch 13 (LT3) |
AfP 1985, 232 |
EzA § 611 BGB, Nettolohn, Lohnsteuer Nr 5 |