Dem folgt der Senat. Die ZVK kann ihre Ansprüche für das Jahr 1995 auf die §§ 24, 25 VTV stützen.
1. In der für den Klagezeitraum anwendbaren und für allgemeinverbindlich erklärten Fassung vom 12. Dezember 1994 des VTV vom 12. November 1986 heißt es zum betrieblichen Geltungsbereich in § 1 Abs. 2:
“Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
Abschnitt I
Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Abschnitt III
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
1. Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;
…
4. Bautrocknungsarbeiten, d.h. Arbeiten, die unter Einwirkung auf das Gefüge des Mauerwerks der Entfeuchtung dienen; …
…
10. Erdbewegungsarbeiten (Wegebau-, Meliorations-, Landgewinnungs-, Deichbauarbeiten, Wildbach- und Lawinenverbau, Sportanlagenbau sowie Errichtung von Schallschutzwällen und Seitenbefestigungen an Verkehrswegen);
…
26. Schachtbau- und Tunnelbauarbeiten;
…
36. Tiefbauarbeiten; …
Abschnitt VI
Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis IV genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Selbständige Betriebsabteilungen sind Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages.
…”
2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommt, ob im Kalenderjahr des Anspruchszeitraums im Betrieb des Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet worden sind, wobei auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer des Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien, wie zB die Eintragung in das Handelsregister oder in eine Handwerksrolle mit einem bestimmten Inhalt, abzustellen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 16. Mai 2001 – 10 AZR 438/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Dachdecker Nr. 7 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 106).
Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des Abschnitts V genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen (BAG 18. Januar 1984 – 4 AZR 41/83 – BAGE 45, 11). Den baugewerblichen Tätigkeiten ebenfalls zuzuordnen sind diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (BAG 25. Februar 1987 – 4 AZR 240/86 – BAGE 55, 78). Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV werden Betriebe als Ganzes vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihnen arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis IV des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb des beklagten Arbeitgebers überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet wurden, obliegt der ZVK (BAG 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 130).
3. Danach hat der Beklagte im Klagezeitraum einen Baubetrieb geführt.
a) Die von dem Beklagten durchgeführten Arbeiten fallen nicht unter die Beispielstätigkeiten des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 1 und 4 VTV. Sie dienten zwar der Entfeuchtung der unter der Oberfläche liegenden Bauwerksteile der zu bearbeitenden Gebäude und der Abdichtung gegen Feuchtigkeit. Der Beklagte hat diese Arbeiten jedoch nicht selbst durchgeführt. Die ZVK hat auch nicht vorgetragen, dass der Beklagte die durch Subunternehmer ausgeführten Arbeiten beaufsichtigt hätte (vgl. BAG 11. Juni 1997 – 10 AZR 525/96 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 200 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 85).
b) Die im Betrieb des Beklagten ausgeführten Arbeiten sind auch nicht als Erdbewegungsarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 10 VTV anzusehen. Erdbewegung ist das Bewegen von Erdmassen bei Bauarbeiten (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl.). Solche Arbeiten hat der Beklagte ausgeführt, da er Erdreich im Wege des Absaugens um die zu bearbeitenden Gebäudeteile entfernt, zwischengelagert und später wieder eingefüllt hat. Dies geschah zum Zweck der Ausführung baulicher Tätigkeiten. Dennoch sind diese Arbeiten nicht den Erdbewegungsarbeiten iSd. Nr. 10 des Beispielskatalogs zuzurechnen, da sie nicht zu den in der Klammer aufgezählten Arbeiten gehören. Durch diesen Klammerzusatz werden die Erdbewegungsarbeiten im tarifvertraglichen Sinne näher und erschöpfend erläutert, da sie nicht – anders als die in anderen Nummern des Beispielskatalogs aufgeführten Arbeiten – als bloße Beispielsfälle angeführt sind (BAG 5. Juni 1985 – 4 AZR 533/83 – BAGE 48, 390).
c) Es kann dahinstehen, ob im Betrieb des Beklagten Schachtbauarbeiten iSd. Nr. 26 des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV ausgeführt worden sind. Ein Schacht ist ein künstlich hergestellter, meist senkrecht in die Tiefe, besonders in die Erde führender langer Hohlraum mit mehr oder weniger gleichmäßiger Weite (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl.). In diesem Sinne dienten die Arbeiten des Beklagten der Herstellung eines Schachts, da um die zu isolierenden Gebäudeteile herum ein Hohlraum mit gleichmäßiger Weite erstellt wurde, von dem aus die Isolierarbeiten erst möglich waren. Zweifel an der Subsumtion der Arbeiten unter diesen Begriff bestehen dennoch, da es denkbar ist, dass die Tarifvertragsparteien mit “Schachtbau- und Tunnelbauarbeiten” solche gemeint haben, deren Ergebnis zumindest für eine bestimmte Zeit als Bauwerk erhalten bleibt und eine gewisse Befestigung erfährt. Das Aus“schachten” einer Grube allein könnte hierunter noch nicht zu fassen sein.
d) Jedenfalls aber ist dem Landesarbeitsgericht darin zuzustimmen, dass es sich um Tiefbauarbeiten iSd. Nr. 36 des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV handelte. Tiefbau ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Zweig der Bautechnik, der Bauarbeiten zu ebener Erde, in oder unter der Erde umfasst (Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch). Hierzu zählen auch Arbeiten des Erd- und Grundbaus (Brockhaus Enzyklopädie 20. Aufl. Stichwort Tiefbau). Dazu gehört das Ausheben und Wiederverfüllen von Gräben (bezüglich Kabelleitungstiefbauarbeiten BAG 24. August 1994 – 10 AZR 67/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 182) und das Ausschachten einer Baugrube, das Abschieben und Wiederverfüllen des Aushubs (BAG 25. Februar 1987 – 4 AZR 240/86 – BAGE 55, 78). Um eine Baugrube handelt es sich bei den von dem Beklagten hergestellten Gräben, da sie den in den Nummern 1 und 4 des Beispielskatalogs von § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV erwähnten Schutzmaßnahmen gegen Feuchtigkeit am Bau dienen. Der Charakter als Baugrube geht nicht dadurch verloren, dass der Beklagte die eigentlichen Bautrocknungsarbeiten bzw. Isolierarbeiten nicht selbst durchführt.
aa) Dem Landesarbeitsgericht ist ebenfalls darin zuzustimmen, dass die neuartige Absaugtechnik, die der Beklagte verwendet, den baulichen Charakter der Arbeiten nicht beseitigt. Zum einen ist eine bauliche Prägung, also insbesondere die Verwendung von für das Baugewerbe typischen Arbeitsmitteln, nicht mehr gesondert zu untersuchen, sondern wird vorausgesetzt, wenn Tätigkeiten des Beispielskatalogs ausgeführt werden. Zum anderen handelt es sich bei dieser Technik um einen Ersatz für die typischen Arbeitsmittel beim Aushub von Baugruben wie Schaufel, Spaten oder Bagger.
bb) Dass die Grube nach Abschluss der Isolierarbeiten am Bauwerk wieder verfüllt wird, ändert an ihrem Charakter nichts. Entscheidend ist der bauliche Charakter der Tätigkeiten, die durch die Grube ermöglicht werden sollen. Es ist typisch für Baugruben, dass sie im Anschluss an die Bauarbeiten wieder verfüllt werden und sodann von ihnen als “Bauwerk” nichts übrig bleibt. Ob aber ein Bauwerk in einer Baugrube erst neu erstellt wird oder ein vorhandenes Bauwerk unter Nutzung einer Baugrube saniert wird, ist für deren Zuordnung unerheblich.
cc) Bestätigt wird dieses Verständnis des Tarifvertrags durch die berufskundliche Literatur, in der als Kerntätigkeit des Tiefbaufacharbeiters ua. die Mitwirkung beim Lösen und Fördern von Erdreich und Ähnlichem unter Einsatz von Baumaschinen und bei der Ausführung der Tätigkeiten das Lösen, der Transport, ggf. Zwischenlagerung und Einbau von Bodenmassen sowie die Ausschachtung und Verfüllung von Kanalgräben genannt sind (Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen [gabi] 462b Bauberufe: Tiefbauberufe, zugehörige Berufe S. 178).