Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Arbeitnehmers im Trockenbau. Begriff der “Fertigkeiten” und “Kenntnisse”. Fertigkeiten eines Ausbaufacharbeiters/eines Trockenbaumonteurs
Leitsatz (amtlich)
Fertigkeiten iSd. letzten Spiegelstrichs in der Aufzählung der Regelqualifikationen des § 5 Nr. 3 Lohngr. 3 BRTV-Bau sind nicht nur solche manueller Art, sondern alle erlernten Qualifikationen des Berufs, die den Arbeitnehmer befähigen, die Facharbeiten seines Berufsbildes auszuüben.
Orientierungssatz
1. Fertigkeiten iSd. letzten Spiegelstrichs in der Aufzählung der Regelqualifikationen des § 5 Nr. 3 Lohngr. 3 BRTV-Bau sind nicht nur solche manueller Art, sondern alle erlernten Qualifikationen des Berufs, die den Arbeitnehmer befähigen, die Facharbeiten seines Berufsbildes auszuüben.
2. Zu den in § 5 Nr. 3 Lohngr. 3 BRTV-Bau geforderten “gleichwertigen Fertigkeiten” eines Arbeitnehmers im Trockenbau gehören insbesondere dessen Befähigung zum Lesen und Anwenden von Zeichnungen seines Arbeitsbereichs, zum Ausmessen der Bauleistung und zur Erledigung des Berichtswesens.
Normenkette
Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 (BRTV-Bau) § 5; TVG § 1 Auslegung
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 15. August 2006 – 7 Sa 700/05 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den tarifgerechten Lohn des Klägers.
Der am 15. Januar 1956 geborene Kläger steht seit dem 26. September 1979 in den Diensten der Beklagten, deren Geschäftsgegenstand die Ausführung von Akustik- und Trockenbauarbeiten ist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich ab 1. Februar 2004 kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit nach den Tarifverträgen für das Baugewerbe, insbesondere in dem streitgegenständlichen Anspruchszeitraum nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 (BRTV-Bau).
Im Bereich Trockenbau beschäftigt die Beklagte fünf Arbeitnehmer, und zwar die Bauleiter S… M… und R… W… sowie neben dem Kläger die gewerblichen Arbeitnehmer A… B… und J… B…. Während der Kläger über keine Berufsausbildung verfügt, ist sein Kollege A… B… gelernter Trockenbaumonteur und der seit zehn Jahren im Trockenbau tätige J… B… gelernter Kraftfahrzeugmechaniker. Welche Tätigkeiten der Kläger als “Trockenbaumonteur” ausübt, ist zum Teil zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte geht davon aus, der Kläger sei als Fachwerker in die Lohngr. 2 BRTV-Bau eingruppiert, deren Tariflohn im Anspruchszeitraum 12,47 Euro brutto in der Stunde betrug. Der mit 12,57 Euro brutto von der Beklagten vergütete Kläger fordert von der Beklagten den Tarifstundenlohn für Facharbeiter der Lohngr. 3 in Höhe von – seinerzeit – 13,56 Euro. Mit seiner Zahlungsklage nimmt er die Beklagte auf Nachgewährung der sich daraus ergebenden Lohndifferenz für die Zeit von April 2004 bis Januar 2005 – ohne Juni 2004 – sowie derjenigen eines Teilbetrages beim 13. Monatseinkommen für 2004 in Anspruch. Diese Ansprüche sind bis auf einen geringfügigen Anteil der im Mai 2005 fälligen zweiten Hälfte des 13. Monatseinkommens für 2004 zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig.
Der Kläger hat vorgetragen, bei seiner Einstellung als Trockenbaumonteur im Jahre 1979 sei dies noch kein anerkannter Ausbildungsberuf gewesen. Dies sei erst seit 1986 der Fall. Er könne daher eine Ausbildung als Trockenbaumonteur nicht vorweisen. Gleichwohl sei er seit dem ersten Tag der Beschäftigung bei der Beklagten als solcher von ihr beschäftigt worden. Denn er habe bereits seit 1977 als Trockenbaumonteur bei einem anderen Unternehmen gearbeitet. Auf Grund der zu verrichtenden Facharbeiten sei er als Facharbeiter zu vergüten. Die Regelqualifikation der Lohngr. 3 sehe vor, dass Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes verrichtet würden, wobei die einer Fachausbildung gleichwertigen Fertigkeiten durch längere Berufserfahrung erworben sein könnten. Dies sei bei ihm kraft seiner 25-jährigen Berufstätigkeit im Trockenbau der Fall. Er übe auch die Facharbeiten eines Trockenbaumonteurs selbständig und eigenverantwortlich aus. So habe er in den Monaten April 2004 bis Januar 2005 zB folgende Tätigkeiten ausgeübt: Isolieren von Außenwänden, Erstellung von Unterkonstruktionen, Verkleidung mit Gipskartonplatten, Herstellung von Fensterlaibungen und Verspachteln, Montieren von Decken mit Gipskarton, Aufbau von Ständerwänden, Verlegen von Mineralfaserdecken, Montieren von Deckenfriesen, Montieren von Alupaneeldecken, Montieren von Brandschutzabschattungen.
Nachdem der Rechtsstreit hinsichtlich der im November 2004 fälligen ersten Hälfte des 13. Monatseinkommens für 2004 durch das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig erledigt worden ist, hat der Kläger im Berufungsrechtszug beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, 254,92 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2004 an den Kläger zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, 142,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2004 an den Kläger zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, 147,01 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2004 an den Kläger zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, 108,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2004 an den Kläger zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, 101,47 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. November 2004 an den Kläger zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, 222,46 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2004 an den Kläger zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, 112,86 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2005 an den Kläger zu zahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, 99,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2005 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Beruf des/der Trockenbaumonteurs/in sei als industrieller Ausbildungsberuf bereits 1974 eingeführt und staatlich anerkannt worden. Nach § 5 Nr. 2 Satz 1 BRTV-Bau seien für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers seine Ausbildung, seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm ausgeübte Tätigkeit maßgebend. Die Lohngr. 3 stelle Voraussetzungen auf, die der Kläger nicht erfülle. Er habe nicht darlegen können, dass die ausgeübten Tätigkeiten die begehrte Eingruppierung rechtfertigen könnten. Er sei als Fachwerker im Bereich Trockenbau beschäftigt und angelernt worden und verrichte überwiegend fachlich begrenzte Trockenbauarbeiten nach Weisung des jeweiligen Bauleiters. Er übe hingegen nicht überwiegend qualifizierte Trockenbauarbeiten, dh. Facharbeiten des Berufsbildes Trockenbau, aus. Sein Vortrag, er habe selbständig auf Baustellen gearbeitet, sei zu pauschal und auch unzutreffend. Die von ihm ausgeübten Tätigkeiten deckten nur einen Teilbereich des Berufs des Trockenbauers ab. Dies genüge nicht, um gleichwertige Fertigkeiten zu belegen. Damit sei er als Fachwerker zu entlohnen und mit den erhaltenen 12,57 Euro sogar übertariflich bezahlt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen der mit den oben wiedergegebenen Anträgen verfolgten Ansprüche abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger diese Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
I. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Der Kläger ist nicht in Lohngr. 3 BRTV-Bau einzugruppieren. Damit hat er keinen Anspruch auf die mit der Klage geltend gemachten Differenzen beim Lohn und beim 13. Monatseinkommen.
1. Die Parteien stimmen darin überein, dass sich ihr Arbeitsverhältnis im streitgegenständlichen Anspruchszeitraum kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nach dem BRTV-Bau bestimmt (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).
2. Dessen für den Rechtsstreit bedeutsame Bestimmungen lauten:
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Lohn
…
2. Grundlagen der Eingruppierung
2.1 Jeder Arbeitnehmer ist unter Beachtung des § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes nach den folgenden Grundlagen in eine der Lohngruppen 1 bis 6 einzugruppieren.
2.2 Für die Eingruppierung des Arbeitnehmers sind seine Ausbildung, seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm auszuübende Tätigkeit maßgebend. Die vereinbarte Eingruppierung ist dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats schriftlich zu bestätigen.
2.3 Führt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten gleichzeitig aus, die in verschiedenen Gruppen genannt sind, wird er in diejenige Gruppe eingruppiert, die seiner überwiegenden Tätigkeit entspricht.
2.4 Die Selbständigkeit des Arbeitnehmers wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass seine Tätigkeit beaufsichtigt wird.
3. Lohngruppen
Es werden die folgenden Lohngruppen festgelegt:
…
Lohngruppe 2 – Fachwerker/Maschinisten/Kraftfahrer –
Tätigkeit:
– fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung
…
Lohngruppe 3 – Facharbeiter/Baugeräteführer/Berufskraftfahrer –
Tätigkeit:
– Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes
Regelqualifikation:
– baugewerbliche Stufenausbildung in der zweiten Stufe im ersten Jahr
– baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe und Berufserfahrung
– anerkannte Ausbildung außerhalb der baugewerblichen Stufenausbildung
– anerkannte Ausbildung als Maler und Lackierer, Garten- und Landschaftsbauer, Tischler, jeweils mit Berufserfahrung
– anerkannte Ausbildung, deren Berufsbild keine Anwendung für eine baugewerbliche Tätigkeit findet, und Berufserfahrung
– Berufsausbildung zum Baugeräteführer
– Prüfung als Berufskraftfahrer
– durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten
Tätigkeitsbeispiele:
keine”
3. Die Eingruppierung in Lohngr. 3 setzt voraus, dass der Arbeitnehmer überwiegend Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes auszuüben hat. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt nicht diese Voraussetzung. Er erbringt nur Teilleistungen des Berufsbildes des Trockenbauers iSd. Lohngr. 2 und verfügt auch über keine der für die Tätigkeit der Lohngr. 3 aufgeführten sog. “Regelqualifikationen”.
a) Die gesamte vom Kläger auszuübende Tätigkeit besteht in der Ausführung von Arbeiten im Trockenbau. Anhaltspunkte dafür, dass er eine verschiedenen Lohngruppen zuzuordnende Mischtätigkeit auszuüben hat, enthält der Sachvortrag der Parteien nicht. Dies macht auch keine der Parteien geltend.
b) Die Tätigkeit des Klägers entspricht weder dem Berufsbild des Trockenbaumonteurs/der Trockenbaumonteurin – nachfolgend nur: Trockenbaumonteur – im ersten Jahr seiner Berufstätigkeit (Regelqualifikationen der Lohngr. 3 erster Spiegelstrich) noch demjenigen eines Ausbaufacharbeiters/einer Ausbaufacharbeiterin – auch hier nachfolgend nur die Berufsbezeichnung für den männlichen Arbeitnehmer – mit Berufserfahrung (Regelqualifikationen der Lohngr. 3 zweiter Spiegelstrich). Der Kläger verfügt auch nicht über durch längere Berufserfahrung erworbene, gemessen an den Anforderungen der vorgenannten Regelqualifikationen, gleichwertige Fertigkeiten im Sinne der Auffangregelung des letzten (achten) Spiegelstrichs in dem Katalog der sog. “Regelqualifikationen” der Lohngr. 3. Damit kann seine Tätigkeit nicht den Anforderungen der genannten Berufsbilder entsprechen.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Anforderungen der gleichwertigen Fertigkeiten in der Variante des “siebten Spiegelstrichs” (gemeint: des achten Spiegelstrichs) könne sich nur auf die für den jeweiligen Arbeitnehmer einschlägige Ausbildungsregelung beziehen. “Für einen Trockenbaumonteur” (gemeint: für einen im Trockenbau beschäftigten Arbeitnehmer) bedeute dies, dass er mindestens – wie im Fall des zweiten Spiegelstrichs gefordert – Fertigkeiten aufweisen müsse, die denen der baugewerblichen Stufenausbildung in der ersten Stufe entsprächen, also nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien einer zweijährigen Ausbildung. Es genüge also nicht, lediglich (irgendwelche) Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes auszuüben und hierfür die notwendigen Fertigkeiten zu besitzen. Notwendig sei das Vorliegen aller Fertigkeiten, die in der baugewerblichen Stufenausbildung der ersten Stufe vermittelt würden. Die Erfüllung dieser Anforderungen habe der Kläger nicht annähernd dargelegt. So fehle Vortrag zu Fertigkeiten bezüglich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, Umweltschutz, Prüfen und Lagern und Auswählen von Bau- und Bauhilfsstoffen, Lesen und Anwenden von Zeichnungen, Anfertigen von Skizzen, Durchführen von Messungen, Prüfen und Vorbereiten von Untergründen, qualitätssichernde Maßnahmen und Berichtswesen.
bb) Der Senat stimmt diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung zu. Seine Auslegung der Anforderungskombination “gleichwertige Fertigkeiten” des letzten Spiegelstrichs der Lohngr. 3 folgt aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang des § 5 BRTV-Bau. Dies sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, der sich das Landesarbeitsgericht ausdrücklich angeschlossen hat, die für die Tarifauslegung vorrangig maßgeblichen Kriterien (vgl. zB 11. Mai 2005 – 4 AZR 303/04 – BAGE 114, 327, 328).
(1) Der Kläger macht – kurz zusammengefasst – geltend, das Landesarbeitsgericht habe die Lohngr. 3 sowohl für sich betrachtet als auch nach Maßgabe des gesamten Vergütungsgruppensystems des § 5 BRTV-Bau fehlerhaft ausgelegt. Denn es unterscheide nicht zwischen Fertigkeiten und Kenntnissen. Die Lohngr. 3 fordere nur “gleichwertige Fertigkeiten”, während das Landesarbeitsgericht auch gleichwertige Kenntnisse über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, über den Umweltschutz, das Anfertigen von Skizzen und anderes für die Eingruppierung in die Lohngr. 3 für erforderlich halte. Damit stelle es überhöhte Anforderungen für die Eingruppierung in diese Lohngruppe.
(2) Daran ist zutreffend, dass das Landesarbeitsgericht seiner Auslegung allein die Tarifregelung der Lohngr. 3 zugrunde gelegt hat. Dies macht sein Auslegungsergebnis jedoch nicht fehlerhaft. Denn die vom Kläger zu Recht für erforderlich gehaltene Berücksichtigung des “gesamten Vergütungsgruppensystems”, also des tariflichen Gesamtzusammenhangs des Tätigkeitsmerkmals der Lohngr. 3, bestätigt die Auffassung des Landesarbeitsgerichts. Soweit die Revision die Auslegung des Tätigkeitsmerkmals der Lohngr. 3 für sich betrachtet als fehlerhaft rügt, ist ihre Rüge unzutreffend.
(a) Das Landesarbeitsgericht hat den Tarifbegriff der “Fertigkeiten” nicht dadurch verkannt, dass es darunter auch die von ihm angeführten Tätigkeiten wie zB Lesen und Anwenden von Zeichnungen, Anfertigen von Skizzen und das Berichtswesen versteht, die der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht ausübt. Der Kläger rügt, diese Qualifikationen gehörten nicht zu den Fertigkeiten, sondern zu den Kenntnissen. Fertigkeiten seien lediglich die “praktischen” Fähigkeiten wie die Montage von Decken mit Gipskarton oder die Herstellung von Trockenbaukonstruktionen. Diese Begriffbestimmung ist unzutreffend. Fertigkeiten bezeichnen im Allgemeinen einen erworbenen Anteil des Verhaltens, ein durch Übung erworbenes Können. Dabei ist der Gegenstand des Erworbenen nicht auf manuelle oder – weiter gespannt – körperliche Qualifikationen begrenzt. Fertigkeiten sind also nicht nur zB handwerklicher oder sportlicher Natur, sondern zu den Fertigkeiten rechnen auch solche ausschließlich geistigen Inhalts wie Lesefertigkeit und Rechenfertigkeit. Grundfertigkeiten einer Kultur sind zB das Beherrschen der Muttersprache, die Kenntnis der Währung und der Verkehrsregeln. Der Inhalt des Begriffs “Fertigkeiten” ist damit wesentlich umfangreicher als nach dem Verständnis des Klägers. Das bedeutet aber nicht, dass der Begriff der Fertigkeit den der Kenntnis umfasst. Zu Recht verweist der Kläger darauf, dass die Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 (BGBl. I S. 1102) zwischen Fertigkeiten und Kenntnissen unterscheidet, zB in § 11 der Berufsausbildungsverordnung (BVO) beim Ausbaufacharbeiter und in § 63 BVO beim Trockenbaumonteur. Die in der jeweiligen Ausbildung zu vermittelnden Kenntnisse und Fertigkeiten sind in den Ausbildungsrahmenplänen aufgeführt, ohne dass dabei jeweils unterschieden wird, welche Qualifikationen der Verordnungsgeber als Fertigkeiten und welche er als Kenntnisse versteht. Auch für die Eingruppierung des Arbeitnehmers nach dem BRTV-Bau sind nach § 5 Nr. 2.2 ua. neben seinen Fertigkeiten seine Kenntnisse maßgebend, wenngleich diese Anforderung als Tatbestandsmerkmal in der Eingruppierungsregelung des § 5 Nr. 3 BRTV-Bau in der hier maßgebenden Fassung – anders als in früheren Fassungen dieses Tarifvertrags – in keiner Lohngruppe aufgeführt ist. Unter dem Begriff der Kenntnis ist das Wissen über einen Sachverhalt, auf einem (Wissens-)Gebiet zu verstehen. Zu den in dem Beruf des Ausbaufacharbeiters zu vermittelnden Kenntnissen zählen zB diejenigen in der Berufsbildung sowie im Arbeits- und Tarifrecht (§ 11 Nr. 1 BVO). Dies gilt auch für den Beruf des Trockenbaumonteurs (§ 63 Nr. 1 BVO). Diese Kenntnisse zu besitzen ist nicht Voraussetzung für die Eingruppierung nach Lohngr. 3 (letzter Spiegelstrich).
(b) Fertigkeiten iSd. Lohngr. 3 sind alle erlernten Qualifikationen des Berufs, die den Arbeitnehmer befähigen, die Facharbeiten seines Berufsbildes auszuüben. Mit Recht versteht das Landesarbeitsgericht daher jedenfalls die Befähigung des “Trockenbauers” zum Lesen und Anwenden von Zeichnungen, zur Durchführung von Messungen, zur Erledigung des Berichtswesens, zum Anfertigen von Skizzen, zum Prüfen und Vorbereiten von Untergründen sowie zur Veranlassung von qualitätssichernden Maßnahmen als berufliche Fertigkeiten im Sinne der Regelqualifikation des zweiten Spiegelstrichs der Lohngr. 3, also des Ausbaufacharbeiters (ebenso für die drei erstgenannten Tätigkeiten Biedermann/Möller BRTV-Kommentar 7. Aufl. S. 378). Denn diese Qualifikationen beinhalten nicht nur reines Wissen auf den genannten Teiltätigkeiten des Berufs, also “Kenntnisse”, sondern durch Anleitung und Übung erworbenes Können und sind damit Fertigkeiten. Dies gilt auch für die Regelqualifikation des ersten Spiegelstrichs dieser Lohngruppe, also den Trockenbaumonteur im Sinne des Berufsbildungsrechts. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Anforderung der “gleichwertigen Fertigkeiten” an der Regelqualifikation des ersten oder derjenigen des zweiten Spiegelstrichs zu messen ist, was das Landesarbeitsgericht daher mit Recht offengelassen hat.
(c) Die vom Kläger zutreffend für erforderlich gehaltene Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des Vergütungssystems der Lohngr. 3 bestätigt diese Wortlautauslegung. Die Anforderungskombination der “gleichwertigen Fertigkeiten” ist auch in den Regelqualifikationen des jeweils letzten Spiegelstrichs der Kataloge der Lohngr. 2, 4 und 5 des § 5 BRTV-Bau aufgeführt, wobei die Anforderungen an die “gleichwertigen Fertigkeiten” von Lohngruppe zu Lohngruppe jeweils steigen. Für Lohngr. 2 werden “anderweitig erworbene gleichwertige Fertigkeiten” gefordert, für Lohngr. 3 “durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten”, für Lohngr. 4 “durch langjährige Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten” und für Lohngr. 5 schließlich “durch umfassende Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten”. Auch in der letztgenannten Regelqualifikation werden also nicht neben “gleichwertigen Fertigkeiten” auch “gleichwertige Kenntnisse” des Arbeitnehmers gefordert, obwohl zur Tätigkeit des in die Lohngr. 5 einzugruppierenden Vorarbeiters nach dem ersten Tätigkeitsbeispiel dieser Lohngruppe ua. die Führung einer kleinen Gruppe von Arbeitnehmern oder die selbständige Ausführung besonders schwieriger Arbeiten gehören. Dies belegt, dass “Fertigkeiten” im Sinne der Eingruppierung nach dem BRTV-Bau nicht nur manuelle, handwerkliche Qualifikationen sind, sondern auch die Befähigung zB zum Lesen und Anwenden von Zeichnungen, zur Durchführung von Messungen und im Berichtswesen. Ohne diese Fertigkeiten ist auch die Tätigkeit als Vorarbeiter nicht möglich.
4. Der Kläger zieht selbst nicht in Zweifel, dass die zuletzt genannten Qualifikationen bereits zum Berufsbild des Ausbaufacharbeiters wie desjenigen des Trockenbauers gehören. Er bewertet diese vielmehr nur – unzutreffend – als Kenntnisse des jeweiligen Berufs und damit als von der Regelqualifikation des letzten Spiegelstrichs der Lohngr. 3 nicht gefordert. Da der Kläger über diese als Fertigkeiten zu bewertenden Qualifikationen nicht verfügt, ist er nicht in Lohngr. 3 einzugruppieren.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Bott, H. Scherweit-Müller, Dassel
Fundstellen
Haufe-Index 1938670 |
BAGE 2009, 57 |
EBE/BAG 2008 |
AP, 0 |
NZA-RR 2008, 309 |
AUR 2008, 162 |