Eingruppierung einer Sozialarbeiterin im sozialpsychiatrischen Dienst
Die Klägerin ist im Gesundheitsamt des Beklagten beschäftigt. Sie verfügt über einen beruflichen Abschluss als staatlich anerkannte Kinderkrankenschwester und absolvierte eine Weiterbildung als Betriebsschwester für den Erwachsenenbereich. Zudem erlangte sie an einer Fachschule für Sozialwesen einen Abschluss als staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit. Seit 2010 ist sie als Fachkraft für den sozialpsychiatrischen Dienst anerkannt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-VKA Anwendung.
Tätigkeit im sozialpsychiatrischen Dienst
Zum 1.9.2014 ist der Klägerin eine Tätigkeit im sozialpsychiatrischen Dienst des Beklagten übertragen worden, bei der sie u. a. Entscheidungen über die zwangsweise Unterbringung psychisch kranker Menschen zu treffen hat. Da sie gemäß ihrer Stellenbeschreibung überwiegend diese Tätigkeit ausübt, gingen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Tätigkeit der EG S 14 entsprach. Da die Klägerin jedoch nicht die hierfür erforderliche Qualifikation besaß, vergütete der Beklagte die Klägerin nach EG S 8b.
Eingruppierung nach EG S 8b oder EG S 12 bzw. EG S 13?
Diese machte nun jedoch die Eingruppierung in EG S 12 bzw. EG S 13 geltend. Sie begründete die EG 13 u. a. damit, dass unstreitig ihre Tätigkeit der EG S 14 entsprach. Und auch wenn sie nicht die für eine solche Eingruppierung erforderliche staatliche Anerkennung als Sozialarbeiterin besaß, sei die Entgeltgruppe S 13 aufgrund der Nr. 2 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung VKA als die nächst niedrigere Entgeltgruppe maßgebend. Zumindest habe sie jedoch Anspruch auf eine Vergütung nach EG S 12, da sie schwierige Tätigkeiten in diesem Sinne ausübe und als sonstige Beschäftigte im Tarifsinn anzusehen sei.
Der Beklagte war dagegen der Auffassung, die Eingruppierung in EG S 8b sei zutreffend, da Nr. 2 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung VKA vorsehe, dass einem Beschäftigten, dem die geforderte Ausbildung fehle, in der Entgeltgruppe eingruppiert sei, die für Beschäftigte "in der Tätigkeit von" vorgesehen sei. Auch sei die Klägerin keine "sonstige Beschäftigte" i. S. d. EG S 12, da sie im Vergleich zu einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung nicht über gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge.
Entscheidung des BAG zur Eingruppierung
Die Klage hatte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) im Hinblick auf die Geltendmachung der EG S 12 insoweit Erfolg, dass das klageabweisende Berufungsurteil aufgehoben wurde. Allerdings konnte das BAG nicht abschließend selbst entscheiden, so dass die Sache an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen wurde.
Voraussetzungen für EG S 13 lagen nicht vor
Zunächst führte das BAG zu der von der Klägerin geltend gemachten EG S 13 aus, dass deren Voraussetzungen nicht vorlagen.
Die Parteien gingen zwar übereinstimmend davon aus, dass bezüglich der Tätigkeit der Klägerin die Voraussetzungen der EG S 14 vorlagen, jedoch diese Entgeltgruppe mangels erforderlicher Ausbildung der Klägerin als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung auf diesen Fall nicht zutreffe. Im vorliegenden Fall sei jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht die EG S 13 gemäß der Vorbemerkung Nr. 2 Satz 1 und Satz 2 Entgeltordnung VKA einschlägig. Denn gemäß des Satzes 3 der Nr. 2 der Vorbemerkungen finde der Grundsatz, dass bei fehlender subjektiver Voraussetzung der Mitarbeiter in der nächst niedrigeren Entgeltgruppe eingruppiert sei, keine Anwendung, wenn die Entgeltordnung für diesen Fall ein Tätigkeitsmerkmal (z. B. ‚in der Tätigkeit von …’) enthält. Und dies sei hier in der EG S 8b der Fall.
Eingruppierung in EG S 12: Klägerin als „sonstige Beschäftigte“?
Die Revision der Klägerin hinsichtlich der Eingruppierung in EG S 12 hatte dagegen dahingehend Erfolg, dass die Sache zur neuen Verhandlung an das LAG zurückverwiesen wurde. Die Feststellungen des LAG zur Frage, ob die Klägerin ”sonstige Beschäftigte” im Sinne der EG S 12 sei, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Zunächst führte das BAG hierzu aus, dass die Eingruppierung der Klägerin als sonstige Beschäftigte erfordere, dass sie über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie eine staatlich anerkannte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin verfüge. Dabei werde zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die entsprechende Ausbildung vermittelt werde, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet nicht ausreichend seien. Hierbei könnten solche gleichwertigen Fähigkeiten insbesondere durch Berufserfahrung erworben sein. Auch aus der auszuübenden Tätigkeit könnten Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Erfahrungen der Beschäftigten gezogen werden, wenn diese eine "entsprechende Tätigkeit" ausübe. Allerdings würden sie nicht schon dadurch nachgewiesen, dass die "sonstige Beschäftigte" auf einem einzelnen Arbeitsgebiet einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin Leistungen erbringe, die auf diesem begrenzten Gebiet gleichwertig seien.
Weiterbildungen müssen berücksichtigt werden
Im vorliegenden Fall sei das LAG davon ausgegangen, dass die von der Klägerin nach der Stellenbeschreibung geforderten Fähigkeiten und Erfahrungen sich auf deren Aufgabengebiet und damit auf solche im sozialpsychiatrischen Dienst beschränkten, welche mit "entsprechenden Fähigkeiten und Erfahrungen wie ein berufsausgebildeter Sozialpädagoge oder Sozialarbeiter" nicht gleichgesetzt werden könnten. Insoweit habe das LAG weder die durch die Klägerin erworbenen Fachkenntnisse noch ihre tatsächliche Tätigkeit in die Bewertung einbezogen. Insbesondere habe es nicht geprüft, ob die Klägerin aufgrund ihrer Weiterbildungen (Betriebsschwester für den Erwachsenenbereich sowie deren Abschluss als staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit und die Anerkennung als Fachkraft für den sozialpsychiatrischen Dienst) über Fähigkeiten verfügen könne, die denen einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung entsprechen.
Tatsächliche Tätigkeit muss gewürdigt werden
Des Weiteren habe sich das LAG hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin darauf beschränkt, die Stellenbeschreibung in den Blick zu nehmen, ohne die Tätigkeit selbst zu würdigen. Es habe jedoch nicht außer Acht lassen dürfen, dass es sich nach Auffassung beider Parteien hierbei um eine hoch qualifizierte Tätigkeit handelte, die der EG S 14 zuzuordnen sei. Und für diese sei nach den tariflichen Anforderungen nicht vorgesehen, dass sie von einer "sonstigen Beschäftigten" ausgeübt werden könne; dies zeige, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass diese Tätigkeit grundsätzlich von einer ausgebildeten Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin wahrgenommen werde. Und wenn nun einem Beschäftigten solche Tätigkeiten tatsächlich übertragen wurden, dann spreche dies dafür, dass dieser auch über entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen verfüge.
(BAG, Urteil v. 5.5.2021, 4 AZR 666/19)
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