Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung und Erziehungsurlaub
Leitsatz (redaktionell)
1. Zeiten des gesetzlichen Erziehungsurlaubs (§§ 15 ff BErzGG) lassen den Bestand des Arbeitsverhältnisses unberührt; sie führen nur zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses.
2. Daraus folgt für die betriebliche Altersversorgung, daß Zeiten des Erziehungsurlaubs den Lauf der Unverfallbarkeitsfristen gemäß § 1 BetrAVG und die Dauer der Betriebszugehörigkeit iSd § 2 BetrAVG nicht unterbrechen.
3. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, Zeiten des Erziehungsurlaubs von Steigerungen einer Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (dienstzeitabhängige Berechnung) auszunehmen. Eine solche Versorgungszusage stellt keine durch Art 119 EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung der Frauen dar.
Normenkette
EWGVtr Art. 119; BErzGG § 15; GG Art. 3 Abs. 2-3; BetrAVG § 1; GG Art. 6 Abs. 4
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.07.1993; Aktenzeichen 4 Sa 219/93) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.11.1992; Aktenzeichen 2 Ca 4678/92) |
Tatbestand
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten die Anerkennung von Zeiten des Erziehungsurlaubs als rentensteigernde "Anrechnungs- und Steigerungszeiten".
Die Klägerinnen sind Mitarbeiterinnen der IG Metall. Die IG Metall und die anderen Einzelgewerkschaften des DGB sowie weitere gewerkschaftliche Einrichtungen sind Mitglieder der beklagten Unterstützungskasse des DGB. Die Mitglieder wickeln über diese Kasse die ihren Arbeitnehmern zugesagte betriebliche Altersversorgung ab. Begünstigte sind die Beschäftigten der Kassenmitglieder, die bei der Kasse angemeldet sind. Die Kasse zahlt Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten, Altersrenten und Hinterbliebenenrenten.
Die Klägerinnen waren bei der beklagten Unterstützungskasse als Versorgungsberechtigte angemeldet. Sie nahmen zwischen 1983 und 1993 zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlicher Dauer Erziehungsurlaub nach § 15 BErzGG in Anspruch. Für die jeweilige Dauer des Erziehungsurlaubs, zwischen sieben und 32 Monaten, meldete die IG Metall die Klägerinnen bei der Kasse ab. Für die Zeiten der Abmeldung wurden keine Beiträge an die Kasse entrichtet.
Hierzu ist in der Kassensatzung vom 1. Januar 1978 bestimmt:
"Die von der Mitgliederversammlung festgesetzte
Zuwendung ist vierteljährlich zu überweisen. Die
Zuwendung ist auch für erkrankte oder beurlaubte
Beschäftigte für die gesamte Dauer des Dienstver-
hältnisses zu entrichten. Dies gilt nicht für ru-
hende Arbeitsverhältnisse."
In der ab 1. Januar 1991 geltenden Satzung ist dazu bestimmt (§ 12 Abs. 2), daß für die Bemessung der Beiträge die laufenden Leistungen und Anwartschaften zu berücksichtigen sind.
Die Versorgungsleistungen der Kasse sind in Unterstützungsrichtlinien geregelt. Die seit dem 1. Januar 1980 geltenden Richtlinien wurden am 1. April 1988 und am 1. Januar 1992 geändert (URL 1988/92). Diese Richtlinien gelten nur für die Klägerin D . Daneben gelten seit dem 1. Januar 1983 neue Richtlinien (URL 1983). Die neuen Richtlinien gelten für die anderen Klägerinnen.
Beide Leistungsordnungen sehen dienstzeit- und endgehaltsabhängige Versorgungsleistungen vor (URL 1988/92: 10 Jahre 35 % und dann jährlich 2 % bis zu 70 % des ruhegeldfähigen Einkommens; URL 1983: 0,8 % pro Dienstjahr).
In § 2 Abs. 4 der Richtlinien ist (gleichlautend) folgendes bestimmt:
"Die Anmeldung bei der Unterstützungskasse wird
unterbrochen, wenn der Begünstigte ohne Fortzah-
lung des Arbeitsentgeltes beurlaubt oder von der
Arbeit freigestellt wird (ruhendes Arbeitsver-
hältnis). Soweit eine Beurlaubung oder Freistel-
lung im gewerkschaftspolitischen Interesse eines
Kassenmitgliedes liegt, kann der Kassenvorstand
auf Antrag des Mitgliedes eine anderweitige Re-
gelung treffen. Die Anmeldung eines ruhenden
Arbeitsverhältnisses ohne Zustimmung des Kassen-
vorstandes ist unwirksam."
Die Richtlinien (1988/92 und 1983) enthalten in § 5 nahezu gleichlautende Regelungen über die Anrechnungszeit:
§ 5 URL 1988/92:
"Anrechnungszeit
(1) Die Anrechnungszeit besteht aus der Anmel-
dungszeit und der Zurechnungszeit.
(2) Die Anmeldungszeit ist die Zeit der ununter-
brochenen Anmeldung zur Unterstützungskasse
bis zum Eintritt eines Unterstützungsfalles.
(3) Bei einer Unterbrechung der Anmeldungszeit
bis zu zwei Jahren wird die vor der Unter-
brechung liegende Anmeldungszeit angerechnet.
...
(5) Die Zurechnungszeit ist die Zeit nach Ein-
tritt des Unterstützungsfalles der Berufsun-
fähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bis zur
Vollendung des 60. Lebensjahres..."
§ 5 URL 1983:
"Anrechnungszeit
(1) Die Anrechnungszeit ist die Zeit der ununter-
brochenen Anmeldung zur Unterstützungskasse
bis zu dem Kalendermonat, in dem der Unter-
stützungsfall eintritt (Anmeldungszeit).
(2) Bei einer Unterbrechung der Anmeldungszeit
bis zu zwei Jahren wird die vor der Unterbre-
chung liegende Anmeldungszeit angerechnet.
..."
Die Klausel, nach der vor der Unterbrechung der Anrechnungszeit liegende Dienstzeiten nur bei Unterbrechungen bis zu zwei Jahren anzurechnen sind, ist durch Beschluß der Mitgliederversammlung der Beklagten vom 21. September 1989 dahin geändert worden, daß sie für den Erziehungsurlaub nicht gilt. Insoweit ist auch ein längerer Erziehungsurlaub als zwei Jahre unschädlich.
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die Zeiten ihres jeweiligen Erziehungsurlaubs müßten als Anrechnungs- und Steigerungszeiten versorgungserhöhend berücksichtigt werden. Das ergebe sich schon aus den Richtlinien; auch während des Erziehungsurlaubs seien sie Beschäftigte des Kassenmitglieds geblieben. Überdies sei der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Der Erziehungsurlaub werde von deutlich mehr Frauen als Männern in Anspruch genommen. Für die Benachteiligung der Frauen bei der Versorgungssteigerung gebe es keinen rechtfertigenden Grund. Da Langzeiterkrankte, Mitglieder des Bundestags und Sozialattaches Sonderregelungen in Anspruch nehmen könnten, liege es nahe, daß die Schlechterstellung der Frauen willkürlich sei.
Die Klägerinnen haben beantragt
festzustellen, daß der beklagte Verein ver-
pflichtet sei, die von ihnen in Anspruch genomme-
nen Zeiten des gesetzlichen Erziehungsurlaubs als
Anrechnungszeiten im Sinne des § 5 und als Stei-
gerungszeiten im Sinne des § 6 der geltenden Un-
terstützungsrichtlinien anspruchserhöhend zu be-
rücksichtigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, nur die Anmeldungszeit sei versorgungsfähig. Ruhe das Arbeitsverhältnis, wie beim Erziehungsurlaub, so werde die Anmeldungszeit unterbrochen. Es seien dann auch keine Zuwendungen an die Kasse zu zahlen. Dagegen bleibe die Betriebszugehörigkeit bestehen, so daß die Anwartschaft nicht verfallen könne.
Das Gebot der Gleichbehandlung sei nicht verletzt. Die Gewährung unbezahlten Erziehungsurlaubs bei Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses begünstige die Berechtigten, führe aber nicht zu einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Müsse der Arbeitgeber trotz Suspendierung der Arbeitspflicht Lohnbestandteile in Gestalt von Beiträgen für die betriebliche Altersversorgung zahlen, so seien Teilzeitbeschäftigte, die nur in Höhe ihres Arbeitszeitanteils an der Versorgung teilnähmen, ohne jeden sachlichen Grund benachteiligt. Daß Zeiten des Erziehungsurlaubs in der gesetzlichen Rentenversicherung versorgungswirksam blieben, könne nicht dazu führen, Ansprüche auf Arbeitsentgelt, wie es die betriebliche Altersversorgung darstelle, zu begründen.
Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerinnen, mit denen sie ihr Begehren weiter verfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unbegründet. Die Klägerinnen können nicht verlangen, daß die Beklagte die Zeiten des Erziehungsurlaubs als rentensteigernde Anmeldungs- und Steigerungszeiten berücksichtigt.
I. Die Klagen sind gegen die richtige Beklagte gerichtet. Das hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen. Ein Streit über den Umfang und den Inhalt von Versorgungsrechten ist zunächst mit der Kasse auszutragen. Ob auch der Arbeitgeber in Anspruch genommen werden kann, der die Versorgung über die Unterstützungskasse zugesagt hat (so Schaub, EWiR 1993, Art. 119 EWGV 3/93, S. 983), kann hier dahinstehen.
II. Der Streit betrifft nur die Frage, ob die Zeiten des Erziehungsurlaubs für die Klägerinnen rentensteigernd wirken müssen. Es geht nicht darum, ob der von den Klägerinnen in Anspruch genommene Erziehungsurlaub als Zeit der Betriebszugehörigkeit im Sinne der §§ 1 und 2 BetrAVG anzuerkennen ist. Zu Recht wird die Betriebszugehörigkeit der Klägerinnen während des Erziehungsurlaubs von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Das Betriebsrentengesetz bezeichnet mit "Betriebszugehörigkeit" allein den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses. Dies ist, soweit ersichtlich, unbestritten (BAG Urteil vom 10. März 1992 - 3 AZR 140/91 - AP Nr. 73 zu § 7 BetrAVG, zu I 2 c der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rz 82; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, Band I, 3. Aufl., § 1 Rz 1465 f.). Die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub führt nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es besteht im Gegenteil Kündigungsschutz; der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis nur in besonders geregelten Ausnahmefällen kündigen (§ 18 BErzGG).
III. Die beklagte Unterstützungskasse ist nicht verpflichtet, die Erziehungsurlaubszeiten als anspruchserhöhende Dienstzeiten zu berücksichtigen.
1. Gemäß § 2 Abs. 4 URL wird die Anmeldung bei der Kasse unterbrochen, "wenn der Begünstigte ohne Fortzahlung des Arbeitsentgeltes beurlaubt oder von der Arbeit freigestellt wird (ruhendes Arbeitsverhältnis)". Es mag zutreffen, wie die Klägerinnen meinen, daß mit dieser Regelung ursprünglich nicht die Fälle des Erziehungsurlaubs geregelt werden sollten. Die Vorschrift ist jedoch weit gefaßt. Der Klammerzusatz (ruhendes Arbeitsverhältnis) läßt den Schluß zu, daß der Grund für die Beurlaubung oder Freistellung für die Unterbrechung der Anmeldung nicht maßgebend sein soll. Es sollen vielmehr alle Fälle des ruhenden Arbeitsverhältnisses erfaßt werden. Für die Beklagte bestand demnach kein Anlaß, die Vorschrift mit dem Inkrafttreten des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 6. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2154) neu zu fassen.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist auch davon auszugehen, daß die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt. Es kommt nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis kraft einseitiger Willenserklärung des Begünstigten (so BAGE 62, 35 und BAGE 63, 375 = AP Nr. 2 und 3 zu § 15 BErzGG) oder kraft Gesetzes ruht (so BAG Urteil vom 10. Februar 1993 - 10 AZR 450/91 - AP Nr. 7 zu § 15 BErzGG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, und Urteil vom 24. November 1993 - 10 AZR 704/92 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Entscheidend ist, daß die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, die Arbeits- und Lohnzahlungspflicht, während des Erziehungsurlaubs suspendiert sind, das Arbeitsverhältnis also im wesentlichen nur noch als äußere rechtliche Bindung fortbesteht.
Der Beschluß der Mitgliederversammlung vom 21. September 1989 bestätigt diese Auslegung. Die Sonderregelung für den Erziehungsurlaub ist nur denkbar, wenn Zeiten des Erziehungsurlaubs unter die allgemeine Ruhensregelung fallen.
2. Der Ausschluß von Versorgungssteigerungen während der Ruhensdauer in den Versorgungsrichtlinien der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach § 15 Abs. 3 BErzGG kann der Anspruch auf Erziehungsurlaub nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Eine gesetzeswidrige Einschränkung liegt jedoch nicht vor. Der Anspruch auf Erziehungsurlaub wird nach § 15 Abs. 3 BErzGG nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes geschützt. Es ruhen während des Erziehungsurlaubs die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Wird bestimmt, daß Zeiten ohne Entgeltanspruch sich nicht versorgungssteigernd auswirken, so geht diese Einschränkung nicht über das hinaus, was auch für andere Vergütungsbestandteile gilt.
Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kürzung von Urlaubsgeld (BAG Urteil vom 8. Juni 1989 - 8 AZR 641/87 - EzA § 17 BErzGG Nr. 3) und zur Kürzung von Gratifikationen und Sonderzahlungen (BAG Urteil vom 8. Oktober 1986 - 5 AZR 582/85 - AP Nr. 7 zu § 8a MuSchG 1968; BAGE 66, 169 = AP Nr. 135 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 24. November 1993 - 10 AZR 704/92 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
b) § 2 Abs. 4 URL ist nicht wegen Verstoßes gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag nichtig. Die Regelung führt nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung der Frauen.
(1) Gemäß Art. 119 EWG-Vertrag gilt für Männer und Frauen der Grundsatz der Lohngleichheit. Verboten sind auch solche geschlechtsneutral gefaßte Regelungen, die wesentlich mehr Angehörige des einen oder des anderen Geschlechts tatsächlich benachteiligen, es sei denn, die Maßnahme ist objektiv gerechtfertigt und hat nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun. Besteht ein wirkliches Bedürfnis für eine unterschiedliche Behandlung, so kann auch eine geschlechtsspezifische Benachteiligung zulässig sein (EuGH Urteil vom 13. Mai 1986 - Rs 107/84 - Bilka, EuGHE 1986, 1607 = AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag).
(2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird in der Bundesrepublik Deutschland, ebenso wie in der Arbeitnehmerschaft der IG Metall, Erziehungsurlaub nahezu ausschließlich von Frauen in Anspruch genommen. Männer nehmen nur vereinzelt Erziehungsurlaub in Anspruch. Das Berufungsgericht hat Zweifel geäußert, ob diese Situation den Schluß rechtfertigt, die Frauen seien mittelbar diskriminiert, weil sie mit dem Erziehungsurlaub verbundene finanzielle Nachteile überwiegend zu tragen hätten.
Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Auffassung vertreten, der Ausschluß des Anspruchs auf eine tarifliche Sonderzahlung knüpfe an das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit an die Suspendierung der Hauptpflichten an, und zwar unterschiedslos für Männer und Frauen; daher lasse sich nicht feststellen, daß die Regelung erheblich mehr Angehörige des einen oder anderen Geschlechts nachteilig treffe; beim Wehrdienst seien ausschließlich Männer betroffen (§§ 1, 6 Abs. 2 ArbPlSchG; vgl. ferner § 78 Zivildienstgesetz, § 59 Bundesgrenzschutzgesetz).
Der erkennende Senat hält es nicht für zweifelsfrei, ob diese Betrachtungsweise zutrifft. Richtig ist, daß Arbeitsverhältnisse aus vielerlei Gründen ruhen können, ohne daß sich sicher erkennen ließe, auf welchen Gründen das Ruhen überwiegend beruht. Immerhin zeigen die statistischen Erhebungen des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Soziales, daß in den Jahren 1988 bis 1991 zwischen 640.000 und 779.000 Frauen Erziehungsgeld bezogen haben. Der Anteil der Männer lag im gleichen Zeitraum zwischen 0,98 % und 1,17 %. Ob im Vergleich dazu der Anteil der wehrpflichtigen und zivildienstleistenden Männer zahlenmäßig überhaupt ins Gewicht fällt, erscheint fraglich. Männer werden häufig erst nach dem Ende des Wehr- oder Zivildienstes ein ständiges Beschäftigungsverhältnis eingehen. Nach Auskunft der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat spielt im Bereich des DGB und seiner Einzelgewerkschaften, auf den es für die vergleichende Betrachtung ankommt, das Ruhen von Arbeitsverhältnissen wegen des Wehr- oder Zivildienstes praktisch keine Rolle.
Daß aber gerade Frauen ihre Arbeitsverhältnisse - ob mit oder ohne Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub - aussetzen oder beenden, um sich der Familie und Kindererziehung zuzuwenden, läßt sich nur durch ihre geschlechtsspezifische Rolle in der Gesellschaft erklären. Das gleiche gilt für solche Bereiche, in denen Teilzeitarbeit ganz überwiegend von Frauen wahrgenommen wird.
(3) Im Ergebnis kann offen bleiben, ob sich die Ruhensregelung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in Verbindung mit den Leistungsrichtlinien der Beklagten als typischer Nachteil für die Frauen auswirkt. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß die Beklagte sich auf hinreichend gewichtige Gründe stützen kann, die es zulassen, Zeiten des Erziehungsurlaubs von dienstzeitabhängigen Versorgungssteigerungen auszunehmen. Der Arbeitgeber, der Zeiten des Erziehungsurlaubs nicht als leistungssteigernd anerkennt, kann sich zur Rechtfertigung seiner Leistungsgestaltung auf ein wirkliches Bedürfnis berufen:
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung dienen zwar der Versorgung der begünstigten Arbeitnehmer, sie sind aber zugleich Entgelt für die dem Unternehmen erbrachte Betriebstreue des Arbeitnehmers (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 16. März 1993 - 3 AZR 389/92 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind Betriebsrenten als eine auf dem Arbeitsverhältnis beruhende Vergütung im Sinne des Art. 119 EWG-Vertrag anzusehen (statt aller: EuGH Urteil vom 13. Mai 1986 - Rs 170/84 - Bilka, EuGHE 1986, 1607 = AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Daraus folgt: Erbringt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Leistungen über eine rechtlich selbständige Versorgungseinrichtung, so kann die Versorgung beitragsabhängig ausgestaltet sein. Der Arbeitgeber zahlt dann für die Dauer des Bezugs von Lohn oder Lohnersatzleistungen Prämien oder Beiträge, damit die Versorgungseinrichtung ihrerseits die im Leistungsplan vorgesehene Versorgung erbringen kann. Auch vom Arbeitgeber direkt zu erfüllende Versorgungszusagen können unmittelbar dienstzeit- und entgeltbezogene Versorgungsleistungen vorsehen. Der Arbeitgeber darf die Höhe seiner Zuwendungen davon abhängig machen, daß der Arbeitnehmer ihm die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung erbringt, also tatsächlich arbeitet.
Solche Gestaltungen sind weder nach nationalem noch nach europäischem Recht verboten. Es gilt der Rechtssatz, daß Lohn nur für erbrachte Arbeit geschuldet wird, sofern nicht das Gesetz ausnahmsweise eine Lohnzahlungspflicht auch für Zeiten ohne Arbeitsverpflichtung vorsieht (z.B. in den Fällen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, § 1 LohnfortzG, Lohnfortzahlung für gesetzliche Feiertage, § 1 FeiertLohnzG, Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in Zeiten des Mutterschutzes, § 14 MuSchG und in den Fällen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers nach § 615 BGB).
Für die betriebliche Altersversorgung bedeutet dies: Ist der Arbeitgeber von der Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts befreit, weil das Arbeitsverhältnis ruht, dann ist der Arbeitgeber grundsätzlich, von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen, auch nicht verpflichtet, zusätzliche Entgeltleistungen zu erbringen. Er darf, so wie das Arbeitsverhältnis im ganzen ruht, auch seine Aufwendungen für zusätzliche Entgeltleistungen "ruhen" lassen (ebenso im Ergebnis Doetsch, DB 1992, 1239, 1244; derselbe, BetrAV 1993, 157; Oster, BetrAV 1992, 246, 248; Kaiser, Erziehungs- und Elternurlaub in Verbundsystemen kleiner und mittlerer Unternehmen, 1993, S. 85 ff.; zweifelnd Schaub, EWiR 1993, Art. 119 EWGV 3/93, S. 983 f.).
Die vorstehenden Überlegungen werden durch die bei Teilzeitarbeit von Rechts wegen gebotene Leistungsgestaltung bestätigt. Es ist geradezu Ausdruck der Gleichbehandlung, daß Teilzeitarbeit nur nach dem zeitlichen Anteil der Arbeitsleistung im Vergleich zur Vollzeitarbeit vergütet wird. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leistet, kann nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Andernfalls könnten die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ungerechtfertigt benachteiligt sein. Nichts anderes gilt für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer kann nicht eine gleich hohe betriebliche Altersversorgung fordern, wie sie für die volle Arbeitszeit zugesagt ist (BAG Urteil vom 5. Oktober 1993 - 3 AZR 695/92 -, zu B II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Würden Zeiten des Erziehungsurlaubs in vollem Umfang für die betriebliche Altersversorgung leistungssteigernd berücksichtigt, so wären solche Arbeitnehmer gleichheitswidrig benachteiligt, die zwar nur Teilzeitarbeit leisten, diese aber tatsächlich erbringen. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Dienste wäre in unerträglicher Weise erschüttert. Der Unterschied zwischen ruhendem und nicht ruhendem Arbeitsverhältnis ist so gewichtig, daß eine unterschiedliche Behandlung nicht nur beim Lohn, sondern auch bei der Gewährung zusätzlicher Leistungen zum Arbeitsentgelt gerechtfertigt ist (BAG Urteil des Zehnten Senats vom 24. November 1993 - 10 AZR 704/92 -, zu II 3 d der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Behält sich der Arbeitgeber - wie in den Leistungsrichtlinien der beklagten Unterstützungskasse - vor, im Einzelfall aus besonderen Gründen eine für den Arbeitnehmer günstigere Entscheidung zu treffen, so ist das nicht zu beanstanden. Der Arbeitgeber kann einzelne Arbeitnehmer besser stellen, ohne damit in jedem Fall gegen das Gebot der Gleichbehandlung zu verstoßen.
Er ist nicht gehindert, etwa aus sozialen Erwägungen, aus besonderen Gründen der Billigkeit oder um einen besonderen Anreiz zu geben, zusätzlich freiwillige Leistungen zu erbringen. Erzwingbar für alle Arbeitnehmer sind solche zusätzliche Leistungen aber nicht.
3. Nach den vorstehenden Erwägungen scheiden auch Verstöße der Beklagten gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG aus. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit der Folge der Aussetzung von Arbeitspflicht und Lohnzahlungspflicht ist von solchem Gewicht, daß eine generelle Gleichstellung der betroffenen Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern in nicht ruhenden Arbeitsverhältnissen nicht verlangt werden kann. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dem Anspruch der Mutter auf Schutz und Fürsorge wird die Regelung des Bundeserziehungsgeldgesetzes gerecht. Ihr wird bis zu drei Jahren der Arbeitsplatz erhalten, der Anspruch auf die gesetzliche Rente fortgeführt und eine staatliche Leistung bis zu 600,-- DM monatlich gewährt (§ 5 BErzGG). In der betrieblichen Altersversorgung wird ihr die Urlaubszeit als Dienstzeit bei den Unverfallbarkeitsfristen und der Anwartschaftsberechnung erhalten. Zu weitergehenden Entgeltleistungen ist der Arbeitgeber aus Gründen der Gleichbehandlung nicht verpflichtet.
Dr. Heither Griebeling Bepler
Ostkamp Matthiessen
Fundstellen
BAGE, 1 |
BB 1994, 1360 |
BB 1994, 1638 |
BB 1994, 1638-1640 (LT1-3) |
DB 1994, 1479-1480 (LT1-3) |
DStR 1994, 1506 (T) |
NJW 1995, 2127 |
NJW 1995, 2127 (L) |
BuW 1994, 587 (K) |
EBE/BAG 1994, 126-128 (LT1-3) |
FamRZ 1994, 1104 (L) |
WiB 1994, 870-871 (LT) |
BetrAV 1994, 222-224 (LT1-3) |
JR 1995, 88 |
JR 1995, 88 (S) |
NZA 1994, 794 |
NZA 1994, 794-797 (LT1-3) |
ZAP, EN-Nr 701/94 (S) |
ZIP 1994, 1136 |
ZIP 1994, 1136-1139 (LT) |
ZTR 1994, 520-522 (LT1-3) |
AP § 1 BetrAVG Gleichberechtigung (LT1-3), Nr 12 |
AR-Blattei, ES 460 Nr 296 (LT1-3) |
EzA-SD 1994, Nr 14, 14-16 (LT1-3) |
EzA § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, Nr 9 (LT1-3) |
GdS-Zeitung 1994, Nr 8, 14 (KT) |
MDR 1994, 924 (ST) |
VersR 1995, 242-243 (LT) |
ZfPR 1994, 96 (S) |