Entscheidungsstichwort (Thema)
Prämie
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: Betriebstreue als Anspruchsvoraussetzung einer gratifikationsähnlichen Prämie mit leistungsbezogenen Elementen.
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28. Juli 1999 - 2 Sa 348/99 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Prämien. Die Klägerin war seit dem 1. Juli 1992 als Pharmareferentin im Außendienst der Beklagten beschäftigt. Ihre Tätigkeit bestand im wesentlichen darin, Krankenhäuser, pharmazeutische Großhandlungen, Apotheken, Ärzte und andere Kunden sowie Dienststellen zu besuchen und dort für die von der Beklagten vertriebenen pharmazeutischen Produkte zu werben. Dabei schloß die Klägerin weder Verträge ab noch vermittelte sie solche. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin zuletzt ein monatliches Gehalt von 6.000,00 DM brutto zuzüglich Spesen.
Die Beklagte weist auf ihre Produkte auch in Fachzeitschriften, Rundbriefen an potentielle Interessenten sowie auf Kongressen und Symposien hin. Von Zeit zu Zeit kündigt sie durch Rundschreiben die Zahlung von Prämien an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an, um den Absatz bestimmter Produkte besonders zu fördern. Mit Prämien-Rundschreiben P 11/96 vom 10. Dezember 1996, das ua. die Klägerin erhielt, teilte die Beklagte mit, 1997 gelte es, einen bestimmten Umsatz mit dem Präparat A zu realisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, biete sie für das Jahr 1997 ein attraktives Prämiensystem, das den hohen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen honoriere. Die dem Rundschreiben beigefügten Prämienbedingungen lauteten auszugsweise wie folgt:
" A & A 15 werden separat prämiert
-
-Prämiengrundlage sind die verkauften Blister laut RPM
-Prämienberechtigt ist jeder Mitarbeiter ab einem AGO-Gesamt-Index von ≫=80
- Die Prämienausschüttung erfolgt quartalsweise
-Der individuelle Quartals-Index dient als Multiplikator (Index/100)
- A wird mit 0,70 DM pro Blister prämiert
A 15 wird mit 0,45 DM pro Blister prämiert
Ihre Individualprämie errechnet sich nach folgender Formel:
Prämie: Anzahl der verkauften Blister x Blisterprämie x Index/100"
Unter der Überschrift "Allgemeine Prämienbedingungen" ist folgendes geregelt:
"1. Der Mitarbeiter ist nur prämienberechtigt, wenn er mindestens ein volles Quartal im Gebiet eigenverantwortlich tätig war.
Der Mitarbeiter hat Prämienanspruch nur für sein aktuelles Gebiet. Gebietsänderungen können prämienwirksam nur zum Quartalswechsel berücksichtigt werden, sofern ein Vergleich über RPM für die zurückliegenden Quartale möglich ist.
Bei kommissarischer Betreuung wird die Vertriebsleitung die Bearbeitung und das Ergebnis des Gebietes bewerten und honorieren.
2. Die Prämienberechtigung erlischt, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 6 Monaten nach dem Prämienzeitraum gekündigt wird.
Alle Prämien für die Mitarbeiter im Außendienst stellen eine freiwillige Leistung der Firma T dar, durch deren Gewährung ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht entsteht.
3. Die Auszahlung der Prämien erfolgt jeweils einen Monat nach Erscheinen des letzten Quartals-RPM (Stichtag 8. Tag des Monats). Dies bedeutet, daß der März-RPM 1997 etwa Anfang Mai erscheinen wird. Eine Auszahlung für das 1. Quartal erfolgt somit mit dem Juni-Gehalt (Stichtag 08.05., sonst Juli-Gehalt). Verzögerungen durch IMS hat T nicht zu vertreten.
...
8. Bei unverschuldeter Krankheit nimmt der Mitarbeiter an der Prämienausschüttung teil, sofern er mindestens 30 % der Arbeitstage des Prämienzeitraums im Außendienst tätig war.
..."
Die Klägerin, die bis dahin keine Prämien bezogen hatte, erhielt auf Grund des Rundschreibens P 11/96 für das erste Quartal 1997 zusammen mit dem Gehalt für Juni eine Prämie in Höhe von 5.496,00 DM brutto und für das zweite Quartal 1997 zusammen mit dem Gehalt für September eine Prämie von 5.878,00 DM brutto. Für das dritte und vierte Quartal 1997 zahlte die Beklagte keine Prämien, weil die Klägerin das Arbeitsverhältnis im November 1997 zum 31. Dezember 1997 gekündigt hatte. Bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hätte die Beklagte für das dritte Quartal 1997 eine Prämie in Höhe von 4.713,19 DM gezahlt. Zur Berechnung der umstrittenen Prämie für das vierte Quartal liegen keine Angaben vor.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte könne die Auszahlung der streitgegenständlichen Prämien nicht unter Hinweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verweigern, denn bei dieser Prämie handele es sich um eine Provision und damit um Arbeitsvergütung, deren Auszahlung nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden könne.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.714,19 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Januar 1998 auf den sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die in der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis zum 31. Dezember 1997 verdientenPrämien zu erteilen;
3. die Beklagte zu verurteilen, die sich aus der Auskunft ergebenden Prämien an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, die Prämien seien freiwillige Leistungen, die an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und nicht unmittelbar an die individuelle Leistung der Pharmavertreter im Außendienst anknüpften. Deren Aufgabe bestehe nicht im Abschluß oder in der Vermittlung von Verträgen. Es handele sich nicht um eine Provision. Der Beklagten habe es freigestanden, die Auszahlungsbedingungen festzulegen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Klägerin steht die begehrte Prämie für das dritte und vierte Quartal 1997 nicht zu, denn sie hat das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach dem Prämienzeitraum gekündigt und damit die Prämienbedingungen nicht erfüllt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die streitigen Prämien hätten nicht ausschließlich der zusätzlichen Entlohnung der individuellen Arbeitsleistung der Außendienstmitarbeiter gedient. Die Prämie sei zwar provisionsähnlich, jedoch keine reine Provision. Sie stelle vielmehr eine Sonderleistung dar, die von der Höhe des Umsatzes bei bestimmten Produkten abhängig sei. Sie könne als Tantiemegratifikation bzw. gratifikationsähnliche Sonderleistung charakterisiert werden, für die die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über Gratifikationszahlungen gälten. Der Arbeitgeber könne die Auszahlung von zusätzlichen Voraussetzungen - beispielsweise von einem weiteren Verbleib im Unternehmen - abhängig machen.
Die Prämienregelung halte auch einer richterlichen Inhalts- und Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB stand, insbesondere enthalte sie keine unzulässige Kündigungserschwerung. Beispielsweise hätte die Beklagte auch Jahresprämien zusagen und diese mit einer Stichtagsregelung verknüpfen können mit der Folge, daß diejenigen Arbeitnehmer, die während des gesamten Prämienzeitraums in den Diensten der Beklagten gestanden, am Stichtag dem Betrieb jedoch nicht mehr angehört hätten, völlig leer ausgegangen wären. Die von der Beklagten gewählte Lösung führe dagegen - je nach Zeitpunkt der Kündigung - zu geringeren Einbußen. Weiterhin liege kein Verstoß gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
II. Diesen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts folgt der Senat weitgehend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zahlung der streitgegenständlichen Prämie für das dritte und vierte Quartal. Dem Anspruch steht die allgemeine Prämienbedingung Nr. 2 Abs. 1 des Prämien-Rundschreibens P 11/96 vom 10. Dezember 1996 entgegen. Die Bedingung Nr. 2 Abs. 1, nach der die Prämienberechtigung erlischt, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach dem Prämienzeitraum gekündigt wird, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie stellt keine unzulässige Kündigungserschwerung dar.
1. Bei der hier streitigen Prämie handelt es sich um Entgelt. Hierzu gehören alle Arten von Vergütung, die ein Arbeitgeber auf Grund des Arbeitsverhältnisses einem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar gewährt. Entgeltleistungen können grundsätzlich unter weitere Bedingungen als die Erbringung der reinen Arbeitsleistung gestellt werden. Aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch ermitteln sich Zweck und Motiv der Leistung. So können Leistungen in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue belohnen und/oder einen Anreiz zu künftiger Betriebstreue bieten (vgl. BAG 10. Mai 1995 - 10 AZR 648/94 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 174 mwN; 10. Januar 1991 - 6 AZR 205/89 - BAGE 67, 1 ).
Solche vertraglich oder durch Betriebsvereinbarung aufgestellte Regelungen unterliegen in entsprechender Anwendung des § 315 BGB einer richterlichen Inhaltskontrolle auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung, den Gesetzen, den guten Sitten und der Billigkeit. So ist beispielsweise eine Bindungsklausel für unwirksam erklärt worden, die für Provisionszahlungen für von dem betreffenden Arbeitnehmer selbständig bearbeitete und abgeschlossene Aufträge galt. Da es sich um verdienten Lohn handelte, stellte eine Klausel, die zu einer Bindung an den Arbeitgeber führte, eine unzulässige Kündigungserschwerung dar (BAG 12. Januar 1973 - 3 AZR 211/72 - AP HGB § 87 a Nr. 4 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 37). Erdiente Provisionen, die zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden, sind auch dann geschuldet, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt dieser Fälligkeit nicht mehr im Betrieb ist (BAG 8. September 1998 - 9 AZR 223/97 - AP HGB § 87 a Nr. 6 = EzA BGB § 611 Nr. 29). Bei Gratifikationen, Abschluß- oder Treueprämien, die neben dem regelmäßigen Entgelt aus besonderem Anlaß oder bei besonderer Gelegenheit gegeben werden, ist ein weiterer Maßstab bei der Inhalts- und Billigkeitskontrolle anzulegen. Vergangene oder künftige Betriebstreue können grundsätzlich zur Voraussetzung für den entsprechenden Anspruch erhoben werden. Dies gilt auch für teilweise leistungsbezogene Sonderleistungen. So hat das Bundesarbeitsgericht eine Prämienregelung für unfallfreies Fahren - also die Erfüllung einer ohnehin bestehenden Vertragspflicht - für rechtmäßig verknüpft mit einer Stichtags- und Betriebstreueklausel gehalten (BAG 10. Januar 1991 - 6 AZR 205/89 - BAGE 67, 1 ).
Ein vergleichbarer Fall liegt hier vor. Der Klägerin ist darin zuzustimmen, daß die Prämie teilweise leistungsbezogene Elemente enthält. Sie ist zwar keine Provision, da sie nicht unmittelbar an von der Klägerin vermittelte Geschäfte anknüpft oder an die Führungsleistung für Vertriebsmitarbeiter, deren Abschlüsse ihr im Sinne einer Superprovision zugerechnet würden. Dennoch wird die Mitwirkung der Klägerin am Absatzerfolg des Präparats A im Rahmen ihrer Arbeitsaufgaben honoriert. Die Beklagte ist jedoch nicht gehindert, eine solche zusätzliche neben dem Gehalt zugesagte Leistung nur solchen Mitarbeitern zu versprechen, die innerhalb einer bestimmten Zeit im Betrieb verbleiben. Sie bezweckt damit eine Betriebsbindung besonders erfolgreicher Mitarbeiter. Darin liegt weder eine unzulässige Gruppenbildung noch eine sonstige Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
2. Eine unzulässige Kündigungserschwerung liegt in der Ziffer 2 der allgemeinen Prämienbedingungen, wonach der Anspruch auf die Prämie für das jeweilige Quartal dann erlischt, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach dem Prämienzeitraum gekündigt wird, nicht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Regelung so ausgelegt, daß der Prämienanspruch bestehen bleibt, wenn der Vertrag mit Ablauf des Sechs-Monats-Zeitraums infolge einer vorher ausgesprochenen Kündigung endet. Folgerichtig durfte die Klägerin die Prämie für das zweite Quartal behalten, obwohl sie innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Zeitraums April bis Juni 1997 gekündigt hat, nämlich im November 1997. Die Bindung der Klägerin an den Betrieb dauerte also für die Prämie für das dritte Quartal bis zum 31. März 1998. Dies ist nicht zu beanstanden.
Das Bundesarbeitsgericht hat für vertragliche und betriebsverfassungsrechtlich begründete Sonderleistungen Grundsätze entwickelt, die auch im vorliegenden Fall anwendbar sind (vgl. BAG 9. Juni 1993 - 10 AZR 529/92 - BAGE 73, 217). Danach ist es bei einer Sonderleistung zwischen 200,00 DM und einem Monatsgehalt einem Arbeitnehmer zuzumuten, eine Bindung bis zum 31. März des Folgejahres einzuhalten. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf jährlich einmalig bezahlte Sonderleistungen, die in der Regel zum Ende des Kalenderjahres fällig werden. Unabhängig von der Frage, ob im vorliegenden Fall die Prämienansprüche eines Jahres nicht zusammenzurechnen wären, um entsprechend den entwickelten Kriterien die Dauer der zumutbaren Bindung zu ermitteln, ist jedenfalls eine Bindung der Klägerin bis zum 31. März 1998 wegen der Prämie für das dritte Quartal, die ein Monatsgehalt unterschritt, zumutbar. Die Klägerin ist bereits zum 31. Dezember 1997 ausgeschieden.
Bezüglich der Prämie für das vierte Quartal hat die Klägerin den Anspruch gar nicht erst erwerben können. Ziffer 2 der Prämienbestimmungen ist insoweit als eine stichtagsähnliche Regelung auszulegen, als das Arbeitsverhältnis jedenfalls im Quartalsprämienzeitraum ungekündigt bestehen muß (vgl. BAG 25. April 1991 - 6 AZR 183/90 - BAGE 68, 41). Dies war nicht der Fall. Jedenfalls wäre eine Bindung bis zum 31. März des Folgejahres ebenfalls zulässig gewesen. Daher stellt auch die Regelung bezüglich der Prämie für das vierte Quartal keine unzulässige Kündigungserschwerung dar.
III. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
Dr. Freitag Böck Marquardt
Bacher Schmidt
Fundstellen