Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgeltung. Nachbindung und Nachwirkung von Tarifverträgen. Auslegung der Geltungsbereichsbestimmungen von Tarifverträgen. Eingruppierung
Orientierungssatz
1. Ob sich eine dem Wortlaut nach mitgliedschaftsbezogene Geltungsbereichsbestimmung eines Tarifvertrags „… gilt für die Mitglieder der Gewerkschaft XY…” oder „… gilt für die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes XY …”) darauf beschränkt, auf die ohnehin in § 3 Abs. 1 TVG geregelte Tarifgebundenheit der Verbands- und Gewerkschaftsmitglieder hinzuweisen, oder ob sie tatsächlich eine konstitutive Regelung darstellt, ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln.
2. Dabei kann angesichts der sehr weitreichenden Folgen einer konstitutiven Beschränkung und der typischerweise bestehenden Interessenlage der Tarifvertragsparteien ohne deutliche Anhaltspunkte im Tarifvertrag regelmäßig nicht angenommen werden, dass über einen bloßen Hinweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tarifgebundenheit hinaus eine eigenständige Regelung des tarifvertraglichen Geltungsbereichs erfolgen sollte.
3. Im Gegensatz zu den Tarifverträgen BMTV 2009, BERT und BETV 2011 enthält der BETV 2012 eine Geltungsbereichsbestimmung, die nicht nur auf die Mitglieder des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes, sondern lediglich auf einen abgrenzbaren Teil dieser Mitglieder beschränkt ist.
4. Diese qualitative und quantitative Einschränkung des Geltungsbereichs des BETV 2012 führt dazu, dass hinsichtlich der von diesem nicht erfassten Mitglieder des Arbeitgeberverbandes der „Vorgängertarifvertrag” BETV 2011 mit seiner deklaratorischen Geltungsbereichsbestimmung (vgl. oben Nr. 2) normativ weiter gilt. Im Übrigen würde durch die ansonsten eintretende Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG dieselbe Rechtswirkung eintreten.
Normenkette
TVG §§ 1, 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 1, 5; BMTV 2009 § 1 Fassung: 2009-01-01; BETV 2012 § 1 Fassung: 2012-04-01; BERT § 1 Fassung: 2001-09-01
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. September 2014 – 3 Sa 94/14 – wird zurückgewiesen, soweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 5. Februar 2014 – 11 Ca 983/13 – zu Ziff. 3 der Klage (tarifliche Einmalzahlung) zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. September 2014 – 3 Sa 94/14 – auf die Revision des Klägers aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Differenzentgelt, eine Jahressonderzahlung für 2012 und eine tarifliche Pauschalzahlung, die sämtlich auf die Geltung von Tarifverträgen der Entsorgungswirtschaft im Arbeitsverhältnis der Parteien gestützt sind.
Der Kläger, seit 1996 Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und später der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), ist seit 1992 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Abfall- und Entsorgungswirtschaft, vorwiegend in deren Niederlassung in C als Müllwerker beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein Arbeitsvertrag vom 12. August 1992, der danach mehrfach geändert wurde. Ab Januar 1997 erhielt der Kläger einen monatlichen Festlohn auf der Grundlage von 173 Arbeitsstunden im Monat in Höhe des Tariflohns nach Vergütungsgruppe (VergGr.) 5, Stufe 1 des Bundes-Entgeltrahmentarifvertrags für die private Entsorgungswirtschaft (BERT).
Die Beklagte war seit 1991 Vollmitglied im Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V. (BDE), einem „Wirtschafts- und Arbeitgeberverband”, der nach Streitverkündung dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beigetreten ist (im Folgenden BDE). Dessen Verbandssatzung sah seit 1995 die Möglichkeit vor, auf besonderen Antrag „nur die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband” zu erwerben. Mit Schreiben vom 22. April 2002 kündigte die Beklagte ihre „Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband” mit sofortiger Wirkung, und erklärte, dass „von dieser Kündigung … selbstverständlich die Mitgliedschaft im BDE nicht betroffen” sei. Nach mehreren Telefonaten mit der Geschäftsführerin der Beklagten sowie verbandsinterner Beratung und Beschlussfassung bestätigte der BDE mit Schreiben vom 10. Juni 2002 den Austritt „aus dem Arbeitgeberverband bei Fortführung der Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband”.
Am 21. Juni 2002 übersandte der BDE unter Bezugnahme auf den entsprechenden Präsidiumsbeschluss und verbunden mit einem Hinweis auf § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG einen neuen Mitgliedsausweis mit dem Vermerk „Mitglied nur im Wirtschaftsverband ab 1.5.2002”. Nachdem der BDE dies auch der Gewerkschaft ver.di mitgeteilt hatte, bestätigte diese mit Schreiben vom 12. Juli 2002 gegenüber der Beklagten diese Mitteilung und forderte sie – im Ergebnis vergeblich – zu Verhandlungen über einen Haustarifvertrag auf. Zum 30. November 2012 beendete die Beklagte ihre Mitgliedschaft im BDE vollständig.
Nach 2002 schlossen der BDE und die Gewerkschaft ver.di ua. noch den Bundes-Manteltarifvertrag, in Kraft ab 1. Januar 2009 (BMTV 2009) sowie die Bundes-Entgelttarifverträge, in Kraft ab 1. Januar 2011 (BETV 2011) und ab 1. April 2012 (BETV 2012).
Die Satzung des BDE aus dem Jahre 1999 wurde in den Jahren 2006/ 2007 und durch den am 23. Januar 2013 in das Vereinsregister eingetragenen Satzungsbeschluss vom 9. Mai 2012 geändert.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde das Bruttogehalt des Klägers aufgrund von Vereinbarungen zwischen den Parteien mehrfach erhöht. So erhielt er ab August 2008 ein monatliches Entgelt von 1.970,00 Euro brutto. Ab dem Jahr 2007 zahlte die Beklagte dem Kläger eine stets mit dem Novembergehalt geleistete Jahressonderzahlung in unterschiedlicher Höhe, zuletzt für die Jahre 2009 und 2010 jeweils in Höhe von 1.477,50 Euro brutto. Im Jahr 2011 erhielt er mit dem Entgelt für den Monat November 2011 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 640,00 Euro brutto. Für das Jahr 2012 erbrachte die Beklagte keine Jahressonderzahlung.
In einer im Jahr 2012 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage machte der Kläger für das Jahr 2011 die Differenz zwischen der ihm geleisteten Sonderzahlung von 640,00 Euro und der ihm nach dem BMTV 2009 seiner Meinung nach zustehenden Sonderzahlung geltend. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage vorrangig mit der Begründung ab, die Beklagte sei durch ihren „Übertritt” zum Wirtschaftsverband innerhalb des BDE nicht mehr tarifgebunden; die Satzung des BDE unterscheide wirksam zwischen tarifgebundenen Mitgliedern des sog. Arbeitgeberverbandes im BDE und nicht tarifgebundenen Mitgliedern des sog. Wirtschaftsverbandes im BDE. Mit Urteil vom 21. Januar 2015 (– 4 AZR 802/13 –) hob der Senat das Berufungsurteil auf und gab der Klage statt.
Der Kläger machte mit Schreiben vom 23. Januar 2013, das der Beklagten am selben Tag zuging, erfolglos weitere tarifliche Leistungen geltend.
Mit der der Beklagten am 8. Mai 2013 zugestellten Klage und den später erfolgten Klageerweiterungen hat der Kläger seine Ansprüche weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, er sei in der Zeit von – zuletzt – 1. Oktober 2012 bis 30. September 2013 nach dem für ihn maßgebenden BERT in der VergGr. 5 eingruppiert und habe deshalb Anspruch auf die – rechnerisch unstreitige – Differenz zwischen dem hierfür nach dem BETV 2012 vereinbarten Tariflohn und der ihm von der Beklagten tatsächlich gezahlten Vergütung in Höhe von monatlich 287,99 Euro brutto. Auch stünden ihm die Sonderzahlung nach § 13 BMTV 2009 für das Jahr 2012 in Höhe von 1.693,49 Euro brutto sowie die tarifliche Einmalzahlung gemäß § 5 BETV 2012 in Höhe von 125,00 Euro brutto zu. Zur Begründung seines Anspruchs hat er sich ferner auf eine zwischen den Parteien aus seiner Sicht vereinbarte Verweisungsklausel auf die genannten Tarifverträge berufen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
- 2.015,93 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für sieben Monate)
- 1.693,49 Euro brutto (Sonderzahlung 2012)
- 125,00 Euro brutto (tarifliche Einmalzahlung 2012)
- 575,98 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für zwei weitere Monate)
- 863,97 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für drei weitere Monate)
jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag ua. damit begründet, sie sei als Mitglied des „Wirtschaftsverbandes” im BDE nicht an den Bundes-Manteltarifvertrag gebunden. Sie sei einvernehmlich zum 30. April 2002 aus dem „Arbeitgeberverband” im BDE ausgetreten. Durch den Austritt falle sie zudem nicht mehr unter den fachlichen Geltungsbereich der vom BDE später geschlossenen Tarifverträge BMTV 2009 und BETV 2012. Weiterhin habe der Kläger im maßgebenden Zeitraum kein „aufgrund der tariflichen Regelungen gezahltes Entgelt” erhalten. Dies aber setze der Bundes-Manteltarifvertrag für einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung voraus. Im Übrigen erfülle er nicht die Anforderungen der VergGr. 5 BERT. Schließlich habe der Kläger auch nicht die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die gegen die Teilabweisung gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht
zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft die den Zahlungsanträgen zu 1. und 2. sowie 4. und 5. des Klägers zugrundeliegende Geltung der zwischen dem BDE und der Gewerkschaft ver.di vereinbarten Tarifverträge BERT, BMTV 2009 und BETV 2011 verneint. Der von der Beklagten beabsichtigte Wechsel der Mitgliedschaftsform hat nicht zu einem Ende der Tarifgebundenheit der Beklagten geführt. Ob die einzelnen Zahlungsansprüche des Klägers begründet sind, kann vom Senat jedoch nicht abschließend beurteilt werden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Es fehlt hierzu an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts. Insoweit ist das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Klageantrag zu 3. (tarifliche Einmalzahlung) ist dagegen unbegründet; insoweit ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.
I. Die Revision des Klägers gegen die Zurückweisung der Anträge zu 1., 2., 4. und 5. ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts galten im Streitzeitraum der BERT, der BMTV 2009 und der BETV 2011 für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Die Beklagte war an diese Tarifverträge des BDE mit der Gewerkschaft ver.di gebunden. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unterfiel auch dem jeweiligen Geltungsbereich.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, die Satzungen des BDE genügten bis zum 30. November 2011 nicht den Anforderungen, die an eine organisationsrechtliche Trennung zweier unterschiedlicher Mitgliederbereiche mit und ohne Tarifgebundenheit innerhalb eines Arbeitgeberverbandes vom Bundesarbeitsgericht gestellt werden. Deshalb habe die Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG durch den „Übertritt” der Beklagten vom sog. Arbeitgeberverband im BDE zum sog. Wirtschaftsverband im BDE nicht geendet.
Diese Auffassung entspricht im Ergebnis der Rechtslage, wie der Senat sie in seinem Urteil vom 21. Januar 2015 festgestellt und ausführlich begründet hat (BAG 21. Januar 2015 – 4 AZR 802/13 – Rn. 14 – 73).
2. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch im Weiteren rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, das Arbeitsverhältnis der Parteien werde vom Geltungsbereich der für die Anträge zu 1. und 2. sowie 4. und 5. des Klägers maßgebenden Tarifverträge BERT, BMTV 2009 und BETV 2011 nicht erfasst.
a) Es hat die Geltungsbereichsbestimmungen der drei genannten Tarifverträge dahingehend ausgelegt, sie erfassten nicht die bei dem BDE nur dem sog. Wirtschaftsverband zugeordneten Mitgliedsunternehmen, zu denen – unabhängig von einer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG – die Beklagte seit ihrem Übertritt im Jahre 2002 gehöre.
b) Die dieser Ansicht zugrundeliegende Auslegung der Regelungen der genannten Tarifverträge zu ihren jeweiligen Geltungsbereichen ist unzutreffend.
aa) Die genannten Tarifverträge haben folgende Geltungsbereichsbestimmungen:
(1) Bundes-Entgeltrahmentarifvertrag (BERT) vom 11. September 2001:
Ӥ 1 Geltungsbereich |
1. räumlich: |
für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. |
2. fachlich: |
für alle Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE) sind. |
3. persönlich: |
für die in diesen Unternehmen beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer.” |
(2) |
Bundes-Manteltarifvertrag (BMTV 2009), gültig ab 1. Januar 2009: |
Ӥ 1 Geltungsbereich |
|
… 2. fachlich: für alle Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. sind. |
|
…” |
(3) |
Bundes-Entgelttarifvertrag (BETV 2011), gültig ab 1. Januar 2011: |
Ӥ 1 |
Geltungsbereich |
|
… |
|
|
2. fachlich: |
für alle Entsorgungsunternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. sind. |
|
…” |
|
bb) Diese Geltungsbereichsregelungen erfassen auch die Beklagte. Das hat der Senat in dem die hier streitenden Parteien betreffenden Urteil vom 21. Januar 2015 – hinsichtlich des BMTV 2009 – im Einzelnen wie folgt begründet (BAG 21. Januar 2015 – 4 AZR 802/13 – Rn. 61 – 70):
Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien von der Geltungsbereichsbestimmung des BMTV 2009 erfasst. Soweit die Beklagte eingewandt hat, das Arbeitsverhältnis falle nicht unter den fachlichpersönlichen Geltungsbereich des BMTV 2009, da dieser sich nur auf ‚alle Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft sind’, erstrecke und sie selbst lediglich dem ‚Wirtschaftsverband’ angehöre, ist dies unzutreffend. Der BMTV 2009 gilt für alle tarifgebundenen Mitglieder des BDE, und damit auch für die Mitglieder des ‚Wirtschaftsverbandes’ des BDE.
a) Bei der Auslegung von Geltungsbereichsbestimmungen eines Tarifvertrags ist nur beim Vorliegen besonderer Anhaltspunkte von einer mitgliederbezogenen Regelung auszugehen.
aa) Grundsätzlich ist die Beschränkung des (persönlichen) Geltungsbereichs eines Tarifvertrags auf einen bestimmten Teil der Mitglieder einer Tarifvertragspartei möglich. Den Koalitionen steht im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich verbürgten Tarifautonomie bei der Festlegung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der auch die Festlegung der vom Tarifvertrag erfassten Unternehmen beinhaltet (BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 57 mwN, BAGE 122, 134).
bb) Ob sich der Geltungsbereich eines mitgliedschaftsbezogenen Tarifvertrags tatsächlich auf aktuelle Mitglieder – oder gar nur einen Teil derselben – beschränken soll oder ob mit einer dem Wortlaut nach mitgliederbezogenen Geltungsbereichsbestimmung lediglich ein Hinweis auf die ohnehin gesetzlich in § 3 Abs. 1 TVG geregelte Tarifgebundenheit der Verbands- und Gewerkschaftsmitglieder als Voraussetzung für eine Tarifgeltung und damit die bestehende Rechtslage erfolgen soll, ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln. Wenn von ihm nur ein bestimmter Teil der Mitglieder des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes erfasst sein soll, muss sich das aus dem Tarifvertrag selbst ergeben (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 235). Eine lediglich verbandsinterne Zuordnung kann dafür nicht ausreichen (Buchner NZA 1994, 2, 3).
cc) Bei der Auslegung einer solchen Geltungsbereichsbestimmung ist zunächst zu beachten, dass die Tarifvertragsparteien mit einer mitgliederbezogenen Bereichsbestimmung regelmäßig Abgrenzungsprobleme und Streitigkeiten vermeiden, die sich aus einer branchenbezogenen Festlegung insbesondere für Mischbetriebe und beim Herauswachsen eines Betriebs aus dem bisherigen Wirtschaftszweig ergeben (BAG 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – zu B II 2 c ee (3) (c) der Gründe mwN, BAGE 114, 162). Einzubeziehen sind jedoch weiterhin die weitreichenden Folgen, die bei einer konstitutiven Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs eintreten. Der Geltungsanspruch des Tarifvertrags hat Auswirkungen auf die Folgen eines Austritts aus dem Verband, weil damit der Geltungsbereich des Tarifvertrags verlassen wird und die ansonsten gesetzlich vorgesehene Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG nicht eintritt. Eine solche Auslegung hinderte ferner eine Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags nach § 5 TVG, weil diese sich nur auf die nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse innerhalb seines Geltungsbereichs beziehen kann; gleiches gilt für eine mögliche Erstreckung auf die Arbeitsverhältnisse eines ausländischen Arbeitgebers nach § 3, § 4 (zB Nr. 7: Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst), § 7 AEntG. Weiterhin wäre sein Geltungsanspruch gegenüber einem branchenbezogenen Tarifvertrag erheblich reduziert, weil die Sperrwirkung von § 77 Abs. 3 BetrVG insoweit auf die unmittelbaren aktuellen Mitglieder des Verbandes beschränkt würde. Würde ein solcher Tarifvertrag von anderen Branchenunternehmen oder nichttarifgebundenen Verbandsmitgliedern arbeitsvertraglich in Bezug genommen, unterlägen die tariflichen Bestimmungen in diesen Arbeitsverhältnissen unmittelbar der Angemessenheitskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, weil sie außerhalb ihres Geltungsbereichs angewandt würden und deshalb nicht einschlägig wären. Er wäre weiterhin nicht geeignet, die gesetzlich ermöglichte Unterschreitung von Mindestschutzbestimmungen (zB in § 622 Abs. 4 BGB, § 5 Abs. 3 ArbZG, § 4 Abs. 4 EFZG, § 13 Abs. 1 BUrlG) durch Inbezugnahme ‚einschlägiger’ Tarifverträge zu bewirken. Selbst die in § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB vorgesehene Möglichkeit einer Abkürzung der einjährigen Sperrfrist für die Abänderung transformierter Tarifregelungen nach einem Betriebsübergang setzt die Verweisung auf einen Tarifvertrag voraus, von dessen Geltungsbereich der – tarifungebundene – Erwerber erfasst ist. Diese Gestaltungsmöglichkeiten entfallen bei einer konstitutiven mitgliedschaftsbezogenen Geltungsbereichsbestimmung.
dd) Aufgrund dieser Einschränkungen kann ohne deutliche Anhaltspunkte im Tarifvertrag nicht angenommen werden, dass dessen Geltungsbereich auf die – jeweils aktuellen – Mitglieder des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes beschränkt werden soll. Fehlt es daran, geht die übereinstimmende Interessenlage der Tarifvertragsparteien typischerweise dahin, den Geltungsbereich des Tarifvertrags auf diejenigen branchenangehörigen Unternehmen zu erstrecken, die durch den Beitritt zum tarifschließenden Arbeitgeberverband eine Tarifgebundenheit herbeiführen können (BAG 22. März 2005 – 1 ABR 64/03 – zu B II 2 c ee (3) (c) der Gründe, BAGE 114, 162). Im vorliegenden Entscheidungsfall kommt hinzu, dass die Geltungsbereichsbestimmung nicht nur die aktuellen tarifgebundenen Mitglieder des Verbandes, sondern nur einen nach innerverbandlichen Regelungen umgrenzten Teil von ihnen erfasst.
b) Danach nimmt die Geltungsbereichsbestimmung des BMTV 2009 nicht diejenigen Mitgliedsunternehmen des tarifschließenden Verbandes BDE aus, die nur dem ‚Wirtschaftsverband’ angehören.
aa) Die nach dem Wortlaut des BMTV 2009 erfolgte Beschränkung des Geltungsbereichs auf die Verbandsmitglieder hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Sie weist – wie es in Tarifverträgen häufig geschieht – auf die tarifexternen Geltungsvoraussetzungen der Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 1 TVG hin. Ebenfalls wird bei der Bezeichnung des ‚persönlichen’ Geltungsbereichs auf die ‚tarifgebundenen Arbeitnehmer’ Bezug genommen, was lediglich auf die an anderer Stelle, nämlich in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geregelte Tarifgebundenheit verweist. Für die hiervon abweichende Annahme einer konstitutiven Regelung fehlt es an einem, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlichen ‚deutlichen Anhaltspunkt’. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die tarifschließende Partei auf Arbeitgeberseite im ‚Rubrum’ des Tarifvertrags ohne die Bezeichnung Arbeitgeberverband genannt ist, ist dies ohne Bedeutung; die den Tarifvertrag schließenden juristischen Personen werden dort konkret bezeichnet. Ebenso wird die dort genannte Gewerkschaft ver.di in der Geltungsbereichsbestimmung nicht erneut ausdrücklich benannt.
bb) Darüber hinaus ist eine Auslegung, die nicht nur eine Beschränkung auf die tarifgebundenen Mitglieder des Verbandes BDE vorsieht, zu denen im Streitzeitraum die Beklagte als Teil des ‚Wirtschaftsverbandes’ gehörte (…), sondern darüber hinaus aus dem Tarifvertrag selbst den Ausschluss der – grundsätzlich tarifgebundenen – Mitglieder des ‚Wirtschaftsverbandes’ aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags schlussfolgerte, nicht möglich. Bereits der Wortlaut der Bestimmung lässt einen solchen Schluss nicht zu. Die Bezeichnung der an den BMTV 2009 gebundenen Arbeitgeber als ‚alle Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft sind’, begründet aus sich heraus keine Zweifel an der Erstreckung auf alle tarifgebundenen BDE-Mitgliedsunternehmen. Der tarifschließende Verband BDE ist ein Arbeitgeberverband. Dass hier mit der entsprechenden Bezeichnung gerade nicht der Arbeitgeberverband BDE als solcher, sondern ein institutionell abgegrenzter Teil des Arbeitgeberverbandes BDE, der (ebenfalls) ‚Arbeitgeberverband’ heißt, aber nur einen Teil des Arbeitgeberverbandes BDE umfasst, gemeint sein könnte, erschließt sich aus dem Wortlaut nicht.
Insoweit beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats vom 24. Februar 1999 (– 4 AZR 62/98 –). Dort war lediglich bestätigt worden, dass eine ausdrückliche Beschränkung des Geltungsbereichs auf die ‚ordentlichen Mitglieder’ des Arbeitgeberverbandes möglich und wirksam ist. Gerade eine solche ausdrückliche Beschränkung ist vorliegend aber, wie dargelegt, nicht gegeben.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung ausdrücklich fest. Sie gilt auch für die wortgleiche Geltungsbereichsbestimmung des § 1 BERT.
cc) Die abweichende Geltungsbereichsbestimmung in § 1 BETV 2011 war Gegenstand einer weiteren die Beklagte betreffende Entscheidung des Senats vom 13. April 2016 (– 4 AZR 13/13 – Rn. 40 – 42), in der die Fortführung der Rechtsprechung aus dem Urteil vom 21. Januar 2015 (– 4 AZR 802/13 –) wie folgt begründet wurde:
„Auch die Erwägungen zur jeweiligen Geltungsbereichsbestimmung der genannten Tarifverträge haben weiter Bestand.
(1) Der insoweit gegenüber dem Senatsurteil vom 21. Januar 2015 neu zu beurteilende BETV 2011 formuliert für seinen Geltungsbereich, dass er ‚für alle Entsorgungsunternehmen (gilt), die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. sind.’
Der einzige Unterschied in der Formulierung gegenüber der in dem Urteil vom 21. Januar 2015 behandelten Regelung besteht damit in der Präzisierung von ‚Unternehmen’ auf ‚Entsorgungsunternehmen’, was ersichtlich der zuvor erfolgten Erweiterung der Verbandstätigkeit auf die Wasser- und Rohstoffwirtschaft geschuldet ist, die sich auch in der Verbandsbezeichnung niedergeschlagen hat. Die Änderung führt im Ergebnis deshalb dazu, dass trotz Änderung des Verbandsnamens weiterhin – wie vorher auch – nur Entsorgungsunternehmen an den BETV gebunden sind.
Auch an dieser Auffassung hält der Senat für den vorliegenden Rechtsstreit nach nochmaliger Überprüfung fest.
c) Soweit das Landesarbeitsgericht sich weiter darauf beruft, die Beklagte sei auch deshalb nicht an die Tarifverträge gebunden, weil sie aus der Liste der Mitglieder des „Arbeitgeberverbandes” gestrichen und in die Liste der Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes” eingetragen worden sei, ist auch dies unzutreffend.
Für die allgemeine Frage der Tarifgebundenheit ist § 3 Abs. 1 TVG maßgebend und nicht die Erstellung von Listen durch den tarifschließenden Verband. Soweit das Landesarbeitsgericht die Streichung aus der Liste „Arbeitgeberverband” als einen ausreichenden Ausdruck für einen Austritt aus dem BDE angenommen hat, ist auch hier darauf zu verweisen, dass von einer einheitlichen Tarifgebundenheit aller Mitglieder des BDE auszugehen ist (vgl. oben Rn. 17), auch wenn sie sich selbst als bloße Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes” ansehen und der Verband selbst seine Mitglieder in intern erstellten Listen nach dem jeweilig von ihm als relevant angesehenen Status unterscheidet.
II. Die Revision des Klägers gegen die Zurückweisung des Antrags zu 3. ist dagegen unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte vom Geltungsbereich des BETV 2012 nicht erfasst wird.
1. Der Bundes-Entgelttarifvertrag (BETV 2012), gültig ab 1. April 2012, hat ua. folgenden Wortlaut:
„§ 1 |
Geltungsbereich |
… |
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2. fachlich: |
für alle Entsorgungsunternehmen, die ordentliches Mitglied mit Verbandstarifbindung (T-Mitglied) des Arbeitgeberverbandes des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. sind. |
…” |
|
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des BETV 2012 hatte die Satzung des BDE (Satzung 2006/2007) auszugsweise folgenden Wortlaut:
„§ 1 |
Name, Sitz, Geschäftsjahr |
(1) |
Die Betriebe der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland bilden einen Bundesverband. Er hat die Aufgaben eines Wirtschafts- und Arbeitgeberverbandes. |
… |
|
§ 2 Verbandszweck |
(1) |
Der Zweck des Bundesverbandes ist |
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1. |
Förderung der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft, |
|
2. |
Betreuung der Mitglieder im Rahmen gemeinsam interessierender, einschließlich arbeits-rechtlicher, Fragen, |
|
3. |
Wahrung und Vertretung gemeinsamer Interessen der Mitglieder gegenüber politischen, staatlichen und sonstigen Organisationen, |
|
… |
|
|
6. |
Abschluss von Tarifverträgen. |
(2) |
Der Bundesverband ist im Rahmen des Verbandszwecks berechtigt, nationalen und internationalen Organisationen oder juristischen Personen beizutreten oder solche zu gründen. |
§ 3 |
Mitgliedschaften |
(1) |
Die Mitgliedschaft ist freiwillig. |
(2) |
Die Mitgliedschaft unterscheidet zwischen ordentlichen, korporativen, fördernden sowie ausländischen Mitgliedern: |
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a) |
Ordentliches Mitglied |
|
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können alle Unternehmen und Betriebe der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft … werden …; ist ihr Sitz im Freistaat Bayern gelegen, gehören diese Mitglieder in der Regel dem korporativen Mitglied des Bundesverbandes, nämlich dem ‚VBS – Verband Bayerischer Entsorgungsunternehmen e.V. – Kreislaufwirtschaft und Städtereinigung –’ an. |
|
b) |
Korporatives Mitglied |
|
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können Verbände oder Vereinigung werden, die für ihre eigenen Mitglieder entweder einen vergleichbaren Verbandszweck verfolgen wie der Bundesverband oder die ein Interesse an der Förderung des Zweckes des Bundesverbandes haben. |
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c) |
Förderndes Mitglied |
|
|
können alle juristischen oder natürlichen Personen werden, die die Voraussetzungen nach Ziffer a) nicht erfüllen, die jedoch ein Interesse an der Förderung des Zweckes des Bundesverbandes im Sinne des § 2 der Satzung haben. |
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d) |
Ausländische Mitglieder |
|
… |
|
(3) |
Die ordentlichen Mitglieder sind verpflichtet, für sämtliche mit ihnen verbundenen Unternehmen und Betriebe im Sinne von Ziffer 2 a) die Mitgliedschaft zu erwerben. |
(4) |
Ordentliche und ihnen gleichgestellte Mitglieder können die Mitgliedschaft in folgenden Formen erwerben: |
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- • Mitgliedschaft mit Verbandstarifbindung (Mitglied T)
- • Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT).
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|
Für die Mitglieder mit Verbandstarifbindung ist der Verband berechtigt, Verbandstarifverträge abzuschließen. Die Mitglieder ohne Verbandstarifbindung werden von den Verbandstarifen nicht erfasst. |
… |
|
§ 5 Aufnahme und Beendigung der Mitgliedschaft |
(1) |
… |
(2) |
Die Kündigung der Mitgliedschaft muss schriftlich erfolgen. Sie kann nur mit sechsmonatiger Frist zum Schluss eines Geschäftsjahres (Eingang in der Bundesgeschäftsstelle) erfolgen. Durch Kündigung kann auch die Mitgliedschaftsform (Mitglied T/Mitglied OT) gewechselt werden. Für Kündigungen zu diesem Zweck beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen zu jedem Termin. Sie kann auf Antrag vom Präsidium verkürzt werden. Der umgekehrte Wechsel der Mitgliedschaftsform (Mitglied OT/Mitglied T) setzt einen schriftlichen Antrag bei der Bundesgeschäftsstelle voraus. |
(3) |
Die Mitgliedschaft endet außer durch Kündigung (Abs. 2) durch Ausschluss, durch Streichung aus der Mitgliederliste oder aus wichtigem Grunde. |
(4) |
… |
(5) |
Die Aufnahme, der Ausschluss sowie die Regelung der Fälle des Absatzes 2 erfolgen entsprechend der dieser Satzung beigefügten ‚Verfahrensordnung über Aufnahme, Ausschluss und Kündigung von Mitgliedern’. |
… |
|
§ 17 |
Große und Kleine Tarifkommission |
(1) |
Für die Wahrnehmung der Aufgaben des Arbeitgeberverbandes bildet der Bundesverband eine Kleine und eine Große Tarifkommission, deren Mitglieder sich ausschließlich aus den Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes zusammensetzen. Der Vorstand legt in einer Geschäftsordnung für Große und Kleine Tarifkommission die Aufgabenbereiche sowie die Größe und Zusammensetzung der Kommission fest. |
(2) |
Die Kleine Tarifkommission wird von einem Vorsitzenden geführt, der vom Vorstand berufen wird. |
(3) |
Die Große Tarifkommission wird vom Präsidenten geführt.” |
2. Die Beklagte wird von der Geltungsbereichsbestimmung des BETV 2012 nicht erfasst.
a) Dabei kommt allerdings der Bestimmung „ordentliches Mitglied mit Verbandstarifbindung (T-Mitglied)” keine die Beklagte ausschließende Bedeutung zu.
Nach den Senatsurteilen vom 21. Januar 2015 (– 4 AZR 802/13 – ua.) und vom 13. April 2016 (– 4 AZR 13/13 –) sind die Mitglieder des sog. Wirtschaftsverbandes im BDE ebenfalls tarifgebundene und nach § 3 Abs. 2 Buchst. a iVm. § 3 Abs. 4 der Satzung „ordentliche” Mitglieder des BDE. Allerdings werden sie intern von den Mitgliedern des sog. „Arbeitgeberverbandes” im BDE getrennt geführt; ihr Mitgliedsstatus ist ein anderer, wenngleich er nicht den – offenbar beabsichtigten – Wegfall der Tarifgebundenheit schlechthin, also die sog. OT-Mitgliedschaft zur Folge hat. Die Geltungsbereichsbestimmungen der Tarifverträge BERT, BMTV 2009 und BETV 2011 haben nach ihrem Wortlaut keine mitgliederbezogene – und erst recht keine teilmitgliederbezogene – Beschränkung getroffen. Der Begriff „Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE …” in diesen Tarifverträgen enthält insofern keine erkennbare Begrenzung auf einen klar umrissenen Teil der Mitgliedsunternehmen des BDE (vgl. dazu oben Rn. 32 ff.).
b) Die Absicht einer Beschränkung des Geltungsbereichs des BETV 2012 wird aber dadurch erkennbar, dass lediglich diejenigen Entsorgungsunternehmen an den Tarifvertrag gebunden sein sollen, die „Mitglied … des Arbeitgeberverbandes des BDE” sind. Mit der Verknüpfung „des BDE” wird nach außen deutlich, dass der hier gemeinte „Arbeitgeberverband” nicht eine andere Bezeichnung für den BDE als Ganzes ist, sondern lediglich einen Teil der GesamtMitgliedschaft des BDE umfasst. Dass damit eine ganz ungewöhnliche Geltungsbereichsbestimmung durch die Tarifvertragsparteien übereinstimmend vereinbart wurde, nämlich zum einen ein mitgliederbezogener Geltungsbereich (zu den damit verbundenen Rechtsfolgen vgl. BAG 21. Januar 2015 – 4 AZR 802/13 – Rn. 61 ff.), der zum anderen auch noch auf lediglich einen Teil der Mitglieder beschränkt ist, hindert deren Zulässigkeit nicht. Aus der Satzung ergibt sich, dass der BDE zum maßgebenden Zeitpunkt zwei verschiedene Gruppen von Mitgliedern geführt hat. Dies zeigen insbesondere die Regelungen in § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 4 und § 17 Abs. 1 der Satzung 2006/2007. Welche Rechtsfolgen mit dem jeweiligen Status verbunden sind, ist dabei zunächst nicht von Bedeutung. Entscheidend ist die Tatsache der Existenz zweier Formen der ordentlichen Mitgliedschaft im BDE.
c) Die Beklagte war im Jahr 2012 nicht Mitglied des „Arbeitgeberverbandes des BDE”. Ungeachtet dessen, dass die Konstitution des gesondert geführten Wirtschaftsverbandes im BDE die seinerzeit angestrebte Rechtsfolge der OT-Mitgliedschaft nicht haben konnte, ist die Absicht des Satzungsgebers des BDE, zwei voneinander unterscheidbare Arten der ordentlichen Mitgliedschaft zu begründen und auf verschiedenen Mitgliederlisten zu führen, nicht zu verkennen. Dies ist auch – ungeachtet der Sinnhaftigkeit einer solchen Unterscheidung – angesichts der Satzungsautonomie des Nebenintervenienten zu respektieren. Die Beklagte hat im Jahre 2002 ihren „Übertritt” in den Wirtschaftsverband erklärt. Dass dieser nicht den beabsichtigten Wegfall der Tarifgebundenheit iSv. § 3 Abs. 1 TVG zur Folge hatte, macht den Übertritt nicht bedeutungslos. Wenn der BDE – wie jedenfalls in § 1 BETV 2012 – im Weiteren an den Unterschied im Mitgliedsstatus in zulässiger Weise weitere Rechtsfolgenunterschiede knüpft (denkbar etwa beim Mitgliedsbeitrag usw.), ist das Gegenstand einer autonomen Satzungsentscheidung. Hierzu gehört auch die mit der gewerkschaftlichen Gegenseite vereinbarte Beschränkung eines mitgliederbezogenen Tarifvertrags, die – wenn die entsprechende Regelungsabsicht deutlich genug zum Ausdruck kommt (vgl. zu den Anforderungen BAG 21. Januar 2015 – 4 AZR 802/13 – Rn. 61 ff.) – im Rahmen der Tarifautonomie möglich ist.
3. Ein anderes ergibt sich auch nicht, wenn man mit dem Landesarbeitsgericht unterstellt, die Arbeitsverträge des Klägers von 1992 und 1997 enthielten eine dynamische Verweisungsklausel auf die jeweiligen Tarifverträge des BDE.
a) Das Landesarbeitsgericht ist zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass in den schriftlichen Arbeitsverträgen von 1992 und 1997 eine dynamische Anwendung der jeweiligen Entgelttarifverträge des BDE vereinbart worden ist. Hieraus ergebe sich für den Kläger jedoch nichts, da es sich dabei um einen sog. „Altvertrag” iSd. Senatsrechtsprechung gehandelt habe, bei dem die Dynamik mit Wegfall der Tarifgebundenheit der Beklagten am 5. Juni 2002 sich in eine statische Verweisung (hier: auf den BETV 2000) verwandelt habe.
b) Dies ist in der Begründung auch dann unzutreffend, wenn man die Grundannahme des Landesarbeitsgerichts teilt. Die Tarifgebundenheit der Beklagten ist durch den von ihr intendierten Übertritt in den Wirtschaftsverband des BDE im Jahre 2002 nicht beendet worden. Diese muss sich auf den im Vertrag in Bezug genommenen Tarifvertrag oder das vereinbarte Tarifwerk beziehen. Insofern ist die Beklagte auch als Mitglied des „Wirtschaftsverbandes” weiter an die Entgelttarifverträge gebunden gewesen, jedenfalls bis einschließlich des BETV 2011. Die „Weiterentwicklung” zum BETV 2012 hat sie vom Geltungsbereich des Tarifvertrags her nicht nachvollzogen; der BETV 2012 ist angesichts des doppelt eingeschränkten Geltungsbereichs (vgl. dazu oben Rn. 50) nicht als jeweiliger „Entgelttarifvertrag des BDE” anzusehen.
c) Im Übrigen dürfte die Annahme einer dynamischen Verweisungsklausel in einem „Altvertrag” als das Arbeitsverhältnis immer noch bestimmende Vereinbarung nicht zutreffend sein. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind insoweit widersprüchlich. Es hat im Tatbestand des Berufungsurteils zwar zunächst die von ihm in den Entscheidungsgründen zur Unterstellung herangezogenen schriftlichen Arbeitsverträge zitiert. Weiter hat es aber festgestellt, dass die Gehaltszahlungen der Folgejahre ab April 2004, ab Juni 2004, ab Oktober 2005 und ab August 2008 in Form von Festbeträgen (unter Einbeziehung von jeweils 20 angeblich enthaltenen Überstunden monatlich) „jeweils” aufgrund einer „individuellen Vereinbarung mit dem Kläger” erfolgt sind. Insofern ist eine etwaige dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag hinsichtlich des Entgelts ohnehin durch eine anderslautende vertragliche Vereinbarung abgelöst worden.
4. Da der klägerische Anspruch auf eine tarifliche Einmalzahlung gemäß § 5 Abs. 1 BETV 2012 (Klageantrag zu 3.) ausschließlich auf einer Regelung des BETV 2012 beruht, ist dieser nicht gegeben. Die Revision des Klägers ist insoweit zurückzuweisen.
III. Über die Klageanträge zu 1., 2., 4. und 5. kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die genannten Ansprüche bestehen zwar dem Grunde nach. Eine Entscheidung über ihre jeweilige Höhe ist aufgrund fehlender Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht möglich (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).
1. Die Anträge zu 1., 4. und 5. betreffen die Differenz zwischen der dem Kläger nach dem BERT und dem BETV 2011 zustehenden monatlichen Vergütung und dem ihm tatsächlich gezahlten Entgelt.
a) Der BETV 2012 gilt im Arbeitsverhältnis der Parteien zwar nicht (vgl. oben Rn. 50 f.). Soweit der Kläger seinen Anspruch der Höhe nach für den Zeitraum ab 1. April 2012 auf die Entgelttabellen des BETV 2012 stützt, ist die Klage deshalb unbegründet.
b) Die Vergütung des Klägers richtet sich aber im gesamten Streitzeitraum von Oktober 2012 bis September 2013 nach den normativ geltenden Tarifverträgen BERT und BETV 2011. Letzterer galt im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht nur bis zum 31. Dezember 2011 oder bis zum 31. März 2012, sondern auch darüber hinaus im gesamten Streitzeitraum. Daran hat insbesondere das Inkrafttreten des BETV 2012 am 1. April 2012 nichts geändert.
aa) Der BETV 2011 ist nicht durch den Ablauf einer Befristung beendet.
(1) Er enthält keine ausdrückliche Regelung über eine Beendigung aufgrund Fristablaufs.
(2) Die Bestimmungen in § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 4 BETV 2011 lassen zwar deutlich erkennen, dass mit den dort enthaltenen Entgelttabellen für die verschiedenen Vergütungsgruppen und Tarifgebiete ursprünglich das jeweilige Entgelt für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 festgelegt werden sollte. Die in § 4 BETV 2011 geregelte Ausbildungsvergütung enthält insoweit allerdings das „Enddatum” 31. Dezember 2011 nicht, sondern erfasst die Ausbildungsvergütungen „ab 1. Januar 2011”. Das macht deutlich, dass keine konkludente Befristung des Tarifvertrags angenommen werden kann. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Entgelte aus den Tabellen des BETV 2011 auch bis zum Inkrafttreten des BETV 2012 am 1. April 2012, also im ersten Quartal des Jahres 2012 weitergezahlt worden sind.
(3) Gänzlich ausgeschlossen wird die Annahme einer konkludenten Befristung letztlich durch die Bestimmung in § 6 BETV 2011 (Inkrafttreten), die folgenden Wortlaut hat:
„Dieser Tarifvertrag kann mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende schriftlich, erstmals zum 31. Dezember 2011 gekündigt werden.”
Hier wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien gerade nicht regeln wollten, dass allein der Fristablauf den BETV 2011 beenden sollte.
bb) Der BETV 2011 ist nicht gekündigt worden. Weder gibt es entsprechende Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch sonstige Anhaltspunkte aus den Akten.
cc) Der Tarifvertrag ist auch nicht nach dem Ablösungsprinzip durch einen anderen Tarifvertrag, insbesondere den BETV 2012 (in Kraft ab 1. April 2012) abgelöst worden.
(1) Grundsätzlich kann ein Tarifvertrag dadurch enden, dass er durch einen anderen Tarifvertrag derselben Tarifvertragsparteien abgelöst wird (sog. „Tarifsukzession”). Eine solche setzt im Grundsatz voraus, dass aus dem neuen Tarifvertrag die Ablösungsabsicht deutlich erkennbar wird. Ist dies der Fall, zB durch eine ausdrückliche Ablösungsregelung (vgl. etwa § 2 TVÜ-Länder zur Ablösung des BAT), braucht weder der gesamte bisherige Regelungskomplex geschlossen neu geregelt (BAG 20. März 2002 – 10 AZR 501/01 – BAGE 100, 377; 14. September 2011 – 10 AZR 358/10 –) noch der bisherige Geltungsbereich geschlossen aufgegriffen zu werden. Nur zu einer Teilablösung kommt es, wenn der neuere Tarifvertrag im Geltungsbereich erheblich hinter dem älteren zurückbleibt (Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 1573; Däubler/Deinert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 109). Dabei kann sich allerdings aus dem Einzelfall ergeben, dass ein Tarifvertrag mit verändertem Geltungsbereich insgesamt als Ersatz des bisherigen Tarifvertrags gewollt ist.
(2) Vorliegend ist der BETV 2011 nicht vollständig durch den BETV 2012 abgelöst worden. Eine ausdrückliche Ablösungsregelung wurde nicht vereinbart. Mit der neuen Geltungsbereichsbestimmung in § 1 BETV 2012 ist darüber hinaus nicht etwa eine bloße (quantitative) Einschränkung der bisherigen Tarifgebundenen auf Arbeitgeberseite erfolgt, sondern es ist eine völlige Neubestimmung für den Regelungs- und Zeitbereich des BETV 2012 getroffen worden. Zum einen ist eine Änderung von einem ganz „normalen” Flächentarifvertrag mit einer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, der die entsprechenden gesetzlichen Folgewirkungen hat (zB Tarifsperre gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG; Eignung zur Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 TVG; Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG usw.), zu einem rein mitgliederbezogenen Verbandstarifvertrag nicht nur eine quantitative Beschränkung des Geltungsbereichs, sondern eine qualitativ ganz unterschiedliche Begründungsweise einer Tarifgeltung vereinbart worden, so dass nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgegangen werden kann, mit Vereinbarung des BETV 2012 sollte zugleich der – qualitativ wie quantitativ abweichend geregelte – BETV 2011 auch insoweit außer Kraft gesetzt werden, als die daran gebundenen Unternehmen vom BETV 2012 nicht erfasst wurden (zB alle ausschließlichen Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes” des BDE). Zum andern ist zu berücksichtigen, dass mit einer – möglicherweise stillschweigenden – gemeinschaftlichen Aufhebung des BETV 2011 zugleich alle Ansprüche, die dem Grunde nach materiell in den weiteren und weiter gültigen Tarifverträgen, zB BERT und BMTV 2009, aber ggf. auch in dem demselben Geltungsbereich unterfallenden Altersteilzeittarifvertrag, geregelt sind, aber jeweils auf die Referenzgröße der aktuellen Entgelttarifverträge Bezug nehmen (etwa in den prozentualen Festlegungen der Abstände der Vergütungsgruppen zu VergGr. 5 mit 100 % in § 2 BERT idF vom 1. Mai 2008; der Berechnung der tariflichen Zuschläge anhand der tariflichen Vergütung in § 8 BMTV 2009 oder der Jahressonderzahlungen in § 13 BMTV 2009) ihre Berechnungsgrundlage vollständig verloren hätten, ohne dass dies auch nur im Ansatz in einer Regelung des BETV 2012 zum Ausdruck käme. Dabei wäre dies unschwer möglich gewesen, etwa indem man die Ablösung des BETV 2011 ausdrücklich vereinbart hätte, was aber nicht geschehen ist.
dd) Im Übrigen wären auch bei Annahme einer Beendigung des BETV 2011 dessen Normen für das Arbeitsverhältnis der Parteien weiterhin maßgebend. Denn selbst wenn man davon ausgehen würde, der BETV 2011 sei mit dem Inkrafttreten des BETV 2012 insgesamt aufgehoben und beendet worden, entfalteten seine Regelungen in den dadurch bislang tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen jedenfalls die individuelle Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG (vgl. dazu instr. BAG 18. März 1992 – 4 AZR 339/91 –; Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 1572).
2. Über die dem Kläger im Streitzeitraum nach den maßgebenden Tarifverträgen zustehende Vergütung kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden.
a) Dabei handelt es sich nicht um einen anderen Streitgegenstand als den vom Kläger in den Rechtsstreit eingeführten, so dass § 308 ZPO eine Entgeltdifferenz auf der Grundlage des BETV 2011 nicht untersagt. Dabei kann dahinstehen, ob die Geltendmachung einer Entgeltdifferenz nach BETV 2012 notwendig eine Geltendmachung der Entgeltdifferenz nach BETV 2011 enthält, so dass hier über ein „Minus” gegenüber dem Klageantrag ohnehin zu entscheiden wäre (vgl. dazu BAG 24. Februar 2010 – 4 AZR 657/08 – Rn. 15; 6. Juni 2007 – 4 AZR 505/06 – Rn. 16). Bereits das Arbeitsgericht ist – wie oben dargelegt, zu Recht – davon ausgegangen, dass der BETV 2012 nicht anwendbar ist und hat die Entgeltdifferenz für den Kläger anhand des BETV 2011 berechnet. Dieses Urteil ist auf die Berufung der Beklagten vom Landesarbeitsgericht abgeändert worden. Durch den Zurückweisungsantrag des Klägers im Berufungsverfahren betr. die Berufung der Beklagten hat sich der Kläger zumindest hilfsweise die Argumentation des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht und die Berechnung der Entgeltdifferenz anhand des BETV 2011 seinem eigenen Abweisungsantrag untersetzt. Sie ist deshalb bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen und durch den entsprechenden Antrag des Klägers im Revisionsverfahren, das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, auch in das Revisionsverfahren eingebracht worden.
b) Die Geltendmachung der Entgeltdifferenz anhand des BETV 2011 ist auch nicht bereits deshalb unbegründet, weil die Entgelttabellen des BETV 2011 – mit Ausnahme der Auszubildendenvergütungen – dem Wortlaut nach auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2011 zeitlich begrenzt waren. Diese Begrenzung ist dahingehend auszulegen, dass die Tarifvertragsparteien für den Fall einer nicht unmittelbar anschließenden ändernden Entgelttabelle davon ausgingen, dass die im BETV 2011 vereinbarte Vergütung auch in dem folgenden Zeitraum zu zahlen ist. Dies entspricht einer weitverbreiteten Praxis bei den jährlichen oder zweijährlichen Entgelttarifverträgen. In der Regel – und so auch hier für die Mitglieder des „Arbeitgeberverbandes” im BDE – werden AnschlussEntgelttarifverträge entweder rückwirkend auf das Ende des Zeitraums in Kraft gesetzt, für den im Vorgängertarifvertrag die Entgelte festgesetzt worden waren. Oder die Entgelttabellen treten erst später in Kraft und für die Übergangszeit werden Pauschalbeträge gezahlt, die nicht tabellenwirksam werden. Auch dies ist hier geschehen; sowohl im BETV 2011 sind hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Mai bis 31. Dezember 2010 als auch im BETV 2012 hinsichtlich des Zeitraums 1. Januar bis 31. März 2012 „für die nicht erfolgte tabellenwirksame Entgelterhöhung” (§ 5 Abs. 1 BETV 2011 bzw. § 5 Abs. 1 BETV 2012) einmalige Pauschalzahlungen vorgesehen. Dabei gehen beide Tarifvertragsparteien davon aus, dass die vorher geltenden Entgelttabellen insoweit in diesen Zeiträumen weiter eingehalten worden sind.
c) Eine eigene Berechnung des dem Kläger zustehenden Entgelts bei der Anwendung der Entgelttabellen aus dem BETV 2011 ist dem Senat jedoch versagt, weil diese eine Klärung der zutreffenden Eingruppierung des Klägers voraussetzt.
aa) Der Kläger ist bislang in diesem Zeitraum nicht nach einer tariflichen Vergütungsgruppe vergütet worden. Er selbst hält in der Klage – wie auch noch in der Revision – die VergGr. 5 BERT für zutreffend. Das Arbeitsgericht ist von einer Eingruppierung in der VergGr. 4 BERT ausgegangen. Beklagte und Landesarbeitsgericht dagegen haben den BERT – zu Unrecht (vgl. oben Rn. 25 ff.) – nicht als normativ geltend angesehen.
bb) Die vom Landesarbeitsgericht im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen reichen für eine eigene Bestimmung der zutreffenden Vergütungsgruppe durch den Senat nicht aus. Da das Berufungsgericht von der Nichtgeltung derjenigen Vergütungsordnung ausgegangen ist, auf deren Tätigkeitsmerkmale sich der Kläger berufen hat, hat es – auf der Grundlage seiner Rechtsansicht konsequent – in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keinerlei tragfähige Ausführungen zu der Erfüllung des vom Kläger geltend gemachten Tätigkeitsmerkmals gemacht. Der Kläger hat demgegenüber in seiner Revisionsbegründung auf seinen Sachvortrag in der Berufungsbegründung verwiesen, der vom Landesarbeitsgericht nicht beachtet worden sei. Dort hat er darauf abgestellt, dass es – entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts, das lediglich eine Eingruppierung in der VergGr. 4 BERT angenommen hat – nicht notwendig auf die Erfüllung des Richtbeispiels „Lader/Müllwerker” zu der VergGr. 5 BERT ankomme, sondern auch auf die abstrakten Anforderungen zur VergGr. 5 BERT, zu denen er im Folgenden vorgetragen hat. Die Beklagte ihrerseits hat bereits in der ersten Instanz umfangreich zur Tätigkeit des Klägers vorgetragen und sich vor allem darauf berufen, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit als „Müllwerker” sei eine andere als die im Richtbeispiel zur VergGr. 5 BERT genannte Tätigkeit eines „Lader/Müllwerker”.
cc) Hinzu kommt, dass der Senat in anderen Entscheidungen die sich aus dem BERT ergebende Struktur der Vergütungsgruppen und insbesondere die „Auffangfunktion” der vertraglich vereinbarten Tätigkeit nach dem BERT ausführlich behandelt hat (BAG 13. April 2016 – 4 AZR 13/13 – Rn. 63 ff. und Rn. 93 ff.). Ua. hat der Senat in seiner unmittelbar das Arbeitsverhältnis der hiesigen Parteien betreffenden Entscheidung vom 21. Januar 2015 (– 4 AZR 802/13 – Rn. 81) zur Tätigkeit und Eingruppierung des Klägers nach Maßgabe des seinerzeit vorliegenden Parteivortrags für die Berechnung der Jahressonderzahlung des Jahres 2011 Folgendes ausgeführt:
„Der Kläger ist nach der VergGr. 5 BERT (idF vom 1. Mai 2008) zu vergüten. Er erfüllt das im BERT zu dieser VergGr. ausdrücklich genannte Richtbeispiel (‚Lader/Müllwerker’). Er ist für die Beklagte als Müllwerker tätig. Das ergibt sich aus seinem Arbeitsvertrag, der diese Tätigkeitsbezeichnung ausdrücklich aufweist. Es entspricht ferner dem zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrag vom 21. Januar 1997. In den Tatsacheninstanzen hat der Kläger unwidersprochen dargelegt, er sei als Müllwerker tätig, weshalb das Arbeitsgericht diese Tatsache im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ausgeführt hat. Die Beklagte hat dies ausdrücklich bestätigt und selbst mehrfach vorgetragen, der Kläger sei als Müllwerker eingesetzt. Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung, der Kläger habe die Erfüllung der tariflichen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. 5 BERT nicht schlüssig dargelegt, erstmals in der Revision abweichenden Sachvortrag zur konkreten Tätigkeit des Klägers erbracht hat, handelt es sich um unzulässiges neues Vorbringen, das nicht zu berücksichtigen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO).”
dd) Insofern wird das Landesarbeitsgericht als Tatsacheninstanz nach der Zurückverweisung der Sache den bisher erbrachten Vortrag und unter Berücksichtigung der in den genannten Entscheidungen des Senats niedergelegten Vorgaben die zu erbringenden Sachvorträge der Parteien aufzunehmen, zu gewichten und ggf. nach § 139 ZPO weiter aufzuklären haben.
3. Auch der Antrag zu 2. auf Leistung einer Jahressonderzahlung nach § 13 BMTV 2009 für das Jahr 2012 ist noch nicht zur Entscheidung reif.
a) Die Nichtgeltung des BETV 2012 und andererseits die Geltung des BERT und des BMTV 2009 sowie die Geltung bzw. Nachwirkung des BETV 2011 wirken sich auch auf den Anspruch des Klägers auf Leistung einer Jahressonderzahlung aus. Dem Grunde nach besteht der Anspruch auf die Leistung von 75 Prozent des durchschnittlich gezahlten tariflichen Bruttomonatsentgelts, da der BMTV 2009 im Jahr 2012 zwischen den Parteien normative Geltung entfaltete. In der Höhe hängt der Anspruch damit von der zutreffenden tariflichen Eingruppierung des Klägers ab.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht die Klage auf Zahlung der Jahressonderzahlung unabhängig von der Geltung des BMTV 2009 „selbständig tragend” für unschlüssig hält, ist es der fehlerhaften Rechtsansicht unterlegen, der Kläger hätte darlegen müssen, welches Entgelt auf der Grundlage der am 5. Juni 2002 geltenden tariflichen Regelungen an ihn zu zahlen gewesen wäre. Dies ist unzutreffend; für den Kläger gilt der BMTV 2009 auch im Jahr 2012 und für die entsprechende Jahressonderzahlung. Welches tarifliche Entgelt ihm nach Maßgabe seiner Eingruppierung und dem BETV 2011 zu zahlen gewesen wäre, steht noch nicht fest.
IV. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits, auch über die der Revision, bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Unterschriften
Eylert, Klose, Creutzfeldt, Drechsler, Gey-Rommel
Fundstellen
Haufe-Index 10715880 |
BB 2017, 1204 |