Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsvereinbarung. Beitragsbemessungsgrenze. gespaltene Rentenformel
Leitsatz (amtlich)
Eine vor dem 1. Januar 2003 durch Betriebsvereinbarung getroffene Versorgungsvereinbarung, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) höhere Versorgungsleistungen vorsieht als für den darunter liegenden Teil (sog. gespaltene Rentenformel), ist nach der außerplanmäßigen Anhebung der BBG durch § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 nicht ergänzend dahin auszulegen, dass die Betriebsrente so zu berechnen ist, als wäre die außerplanmäßige Anhebung der BBG nicht erfolgt.
Orientierungssatz
1. Eine vor dem 1. Januar 2003 abgeschlossene Betriebsvereinbarung über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung höhere Versorgungsleistungen vorsieht als für den darunter liegenden Teil (sog. gespaltene Rentenformel), kann nach der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zum 1. Januar 2003 durch § 275c SGB VI nicht ergänzend dahin ausgelegt werden, dass die Versorgungsleistungen so zu berechnen sind, als wäre die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze nicht erfolgt.
2. Die Anpassung einer Betriebsvereinbarung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage kann allenfalls der Betriebsrat als Partei der Betriebsvereinbarung, nicht aber der einzelne nachteilig betroffene Arbeitnehmer verlangen.
Normenkette
BetrAVG § 1 Auslegung; BGB § 313 Abs. 1; SGB VI §§ 159-160, 275c
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 05.10.2011; Aktenzeichen 8 Sa 194/11) |
ArbG Darmstadt (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen 2 Ca 380/10) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2011 – 8 Sa 194/11 – wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2011 – 8 Sa 194/11 – teilweise aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15. Dezember 2010 – 2 Ca 380/10 – stattgegeben hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15. Dezember 2010 – 2 Ca 380/10 –wird insgesamt zurückgewiesen.
Aus Gründen der Klarstellung wird der Tenor des Urteils des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15. Dezember 2010 – 2 Ca 380/10 – in Ziffer 1 wie folgt gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden „vorzeitigen Altersrente” und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 sowie darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Betriebsrente des Klägers wegen dessen vorzeitigen Ausscheidens ratierlich zu kürzen.
Der am 15. April 1950 geborene Kläger war seit dem 17. September 1974 bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, zunächst bei der E (Deutschland) GmbH und anschließend bis zum 30. November 2009 bei der E GmbH tätig. Er bezieht seit dem 1. Mai 2010 von der Beklagten eine „vorzeitige Altersrente” nach der „Pensionsordnung der E (Deutschland) GmbH” vom 1. Mai 1988 (im Folgenden: PO 88) in Höhe von monatlich 2.186,36 Euro brutto. Die PO 88 enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„1. Kreis der Versorgungsberechtigten
Alle Mitarbeiter, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen, gehören zum Kreis der Versorgungsberechtigten.
2. Art der Versorgungsleistungen
Im Rahmen dieser Versorgungsordnung werden folgende Versorgungsleistungen gewährt:
- Altersrente (siehe Abschnitt 7)
- Invalidenrente (siehe Abschnitt 8)
- Witwen-/Witwerrente (siehe Abschnitt 9)
- Waisenrente (siehe Abschnitt 10)
- Todesfallkapital (siehe Abschnitt 11)
Die Höhe der Leistungen wird aus
- der pensionsfähigen Dienstzeit (siehe Abschnitt 4)
- dem pensionsfähigen Einkommen (siehe Abschnitt 5) und
- der pensionsfähigen Bemessungsgrenze (siehe Abschnitt 6)
ermittelt.
…
4. Pensionsfähige Dienstzeit
Als pensionsfähige Dienstzeit gilt die Zeit, die ein Mitarbeiter nach Vollendung des 20. Lebensjahres und vor Vollendung des 65. Lebensjahres ununterbrochen in den Diensten der Firma verbracht hat. Die pensionsfähige Dienstzeit ist auf höchstens 30 Jahre beschränkt.
…
5. Pensionsfähiges Einkommen
Als pensionsfähiges Einkommen gilt das Grundgehalt des letzten Monats Januar vor dem Ausscheiden aus den Diensten der Firma. Bei Mitarbeitern, die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens teilzeitbeschäftigt sind, ist das Gehalt zugrunde zu legen, das sie bei Vollzeitbeschäftigung erhalten hätten.
6. Pensionsfähige Bemessungsgrenze
Als pensionsfähige Bemessungsgrenze gilt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung des letzten Monats Januar vor Ausscheiden aus den Diensten der Firma.
7. Altersrente
Normale Altersrente erhalten alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden. Vorzeitige Altersrente erhalten alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden.
Die normale bzw. vorzeitige Altersrente beträgt für jedes Jahr der pensionsfähigen Dienstzeit (siehe Abschnitt 4)
0,8 % |
des gesamten pensionsfähigen Einkommens (siehe Abschnitt 5) |
zuzüglich
1,4 % |
desjenigen Teils des pensionsfähigen Einkommens (siehe Abschnitt 5), der die pensionsfähige Bemessungsgrenze (siehe Abschnitt 6) übersteigt. |
Eine Kürzung der vorzeitigen Altersrente wegen der durch den früheren Rentenbeginn zu erwartenden höheren Kosten findet nicht statt.”
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637) wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden in § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So wurde die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der wiederum nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2004 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004) vom 9. Dezember 2003 für das Jahr 2004 auf 61.800,00 Euro jährlich und 5.150,00 Euro monatlich und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2005 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2005) vom 29. November 2004 für das Jahr 2005 auf 62.400,00 Euro jährlich und 5.200,00 Euro monatlich festgesetzt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2009 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009) vom 2. Dezember 2008 betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2009 jährlich 64.800,00 Euro und monatlich 5.400,00 Euro.
Die Beklagte berechnete die Betriebsrente des Klägers auf der Grundlage dieser Beitragsbemessungsgrenze. Zudem kürzte sie die fiktive Vollrente des Klägers wegen dessen vorzeitigen Ausscheidens zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit des Klägers zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung seiner „vorzeitigen” Altersrente gewandt. Er hat zum einen unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (– 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214 und – 3 AZR 471/07 –) aufgestellten Grundsätze die Auffassung vertreten, seine Altersrente sei ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 zu berechnen. Die PO 88 sei durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsmessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Die Lücke sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass die vorgezogene Altersrente unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde. Danach ergebe sich eine um monatlich 182,78 Euro brutto höhere Betriebsrente. Zudem hat er die Ansicht vertreten, die Beklagte habe seine monatliche Betriebsrente wegen seines vorzeitigen Ausscheidens nicht ratierlich um 352,78 Euro kürzen dürfen. Die Beklagte schulde ihm daher für die Monate Mai und Juni 2010 rückständige Betriebsrente iHv. insgesamt 1.071,08 Euro brutto.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.071,08 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 535,54 Euro seit dem 2. Mai 2010 sowie aus weiteren 535,54 Euro seit dem 2. Juni 2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger rückständige Betriebsrente für die Monate Mai und Juni 2010 iHv. jeweils 182,78 Euro brutto, mithin insgesamt iHv. 365,56 Euro brutto, zu zahlen und die Klage im Übrigen, dh. soweit der Kläger sich gegen die ratierliche Kürzung seiner Betriebsrente gewandt hatte, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche Urteil auf die Berufungen der Parteien abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger rückständige Betriebsrente für die Monate Mai und Juni 2010 iHv. insgesamt 603,86 Euro brutto zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung der Beklagten sei begründet, der Kläger könne im Hinblick auf die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 keine höhere monatliche Betriebsrente verlangen. Die Berufung des Klägers sei teilweise begründet. Die Beklagte habe die Betriebsrente des Klägers zwar wegen dessen vorzeitigen Ausscheidens zeitratierlich kürzen, dabei allerdings nur eine mögliche Betriebszugehörigkeitszeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zugrunde legen dürfen.
Der Kläger verfolgt mit seiner Revision seinen Klageantrag insoweit weiter, als er von der Beklagten für die Monate Mai und Juni 2010 die Zahlung rückständiger Betriebsrente iHv. weiteren 182,78 Euro monatlich verlangt. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet, die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist – soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist – unbegründet. Die Beklagte hat die Betriebsrente des Klägers zutreffend mit monatlich 2.183,36 Euro brutto berechnet. Sie ist deshalb nicht verpflichtet, an den Kläger eine höhere als die gewährte Betriebsrente zu zahlen.
I. Die Revision des Klägers ist nicht deshalb begründet, weil die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil mangels Übersteigens des Wertes des Beschwerdegegenstandes von 600,00 Euro nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG unstatthaft und damit unzulässig war. Die unzulässige Berufung der Beklagten war in eine zulässige Anschlussberufung iSd. § 524 ZPO umzudeuten.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil war unstatthaft und damit unzulässig.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger von den insgesamt eingeklagten 1.071,08 Euro lediglich 365,56 Euro zugesprochen. Im Übrigen, dh. iHv. 705,52 Euro, hat es die Klage abgewiesen. Da das Arbeitsgericht die Berufung im Tenor seines Urteils nicht zugelassen hat (vgl. § 64 Abs. 2 Buchst. a ArbGG) und es sich weder um eine Bestandsstreitigkeit nach § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG noch um eine Versäumnisentscheidung nach § 64 Abs. 2 Buchst. d ArbGG handelte, wäre die Berufung der Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG nur statthaft gewesen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Beklagte 600,00 Euro überstiegen hätte. Dies war nicht der Fall, da die Beklagte lediglich iHv. 365,56 Euro unterlegen war.
Die Berufung der Beklagten war auch nicht deshalb statthaft, weil das Arbeitsgericht in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt hat, die Statthaftigkeit der Berufung „für die Beklagte” gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG bleibe unberührt. Hierbei handelt es sich – wenn auch die falsche Partei betreffend – lediglich um einen Hinweis auf die für die Statthaftigkeit einer Berufung der Parteien allein in Betracht kommende Bestimmung des § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG.
2. Die unzulässige Berufung war jedoch in eine zulässige Anschlussberufung iSd. § 524 ZPO umzudeuten.
a) Auch im Verfahrensrecht gilt entsprechend § 140 BGB der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Prozesshandlung in eine zulässige und wirksame Prozesshandlung umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BAG 31. Juli 2007 – 3 AZN 326/07 – Rn. 19; 12. Dezember 2006 – 3 AZR 716/05 – Rn. 16; vgl. auch BGH 13. Oktober 2011 – VII ZB 27/11 – Rn. 4 und 5; 30. Oktober 2008 – III ZB 41/08 – Rn. 11; zur Umdeutung einer unzulässigen Revision in eine zulässige Anschlussrevision vgl. BGH 8. Mai 2012 – XI ZR 261/10 – Rn. 9 und 5. Mai 2011 – III ZR 91/10 – Rn. 24).
b) So liegt der Fall hier.
aa) Die Umdeutung entspricht dem Willen der Beklagten. Diese hat auf einen entsprechenden Hinweis des Senats mitgeteilt, ihre Berufung möge als Anschlussberufung betrachtet werden. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers, das ausnahmsweise der Umdeutung entgegenstehen könnte, ist vom Kläger nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.
bb) Die formellen Voraussetzungen des § 524 ZPO sind gewahrt. Die Anschlussberufung wurde vor Ablauf der Frist der Beklagten zur Berufungserwiderung nach § 524 Abs. 2 ZPO iVm. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung des Klägers gemäß § 524 Abs. 3 ZPO begründet. Die Berufungsbegründung des Klägers wurde der Beklagten am 28. März 2011 zugestellt. Die als Begründung der Anschlussberufung zu wertende Berufungsbegründung der Beklagten war bereits am 8. März 2011 und damit fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und die Revision der Beklagten erweist sich als begründet, da die Klage – soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist – unbegründet ist. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger eine über die gewährte Altersrente iHv. 2.186,36 Euro brutto monatlich hinausgehende Altersrente zu zahlen. Sie hat die Altersrente des Klägers vielmehr zutreffend berechnet. Die Beklagte war berechtigt, die fiktive Vollrente des Klägers nach allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG wegen dessen vorzeitigen Ausscheidens zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit des Klägers zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu kürzen. Der Kläger kann auch im Hinblick auf die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2003 weder aufgrund einer ergänzenden Auslegung von Ziff. 6 und Ziff. 7 der PO 88 noch wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) eine höhere monatliche Betriebsrente verlangen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte berechtigt war, die fiktive Vollrente des Klägers nach allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG wegen dessen vorzeitigen Ausscheidens zeitratierlich zu kürzen. Sie durfte die Quotierung allerdings entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit des Klägers zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres vornehmen und war nicht darauf beschränkt, lediglich eine mögliche Dienstzeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zugrunde zu legen.
a) Der am 15. April 1950 geborene Kläger ist mit Ablauf des 30. November 2009 im Alter von 59 Jahren und damit vor dem in Ziff. 7 Abs. 1 Satz 2 der PO 88 bestimmten Versorgungsfall, dh. vorzeitig, aus dem Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgeschieden. Er nimmt seine Betriebsrente seit dem 1. Mai 2010 als vorzeitige Altersrente nach Ziff. 7 Abs. 1 Satz 2 der PO 88, mithin vorgezogen, in Anspruch.
b) Die PO 88 enthält keine Bestimmungen für die Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Altersrente eines vorzeitig, dh. vor Eintritt des Versorgungsfalls, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers. Zwar regelt Ziff. 7 Abs. 1 der PO 88 neben der „normalen Altersrente” auch die „vorzeitige Altersrente”. Danach erhalten die „normale Altersrente” alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden. „Vorzeitige Altersrente” erhalten alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden. Zudem bestimmt Ziff. 7 Abs. 2 der PO 88, dass sowohl die normale Altersrente als auch die vorzeitige Altersrente für jedes Jahr der pensionsfähigen Dienstzeit 0,8 % des gesamten pensionsfähigen Einkommens zuzüglich 1,4 % desjenigen Teils des pensionsfähigen Einkommens betragen, der die pensionsfähige Bemessungsgrenze übersteigt. Diesen Bestimmungen kann jedoch nicht entnommen werden, dass sich die vorzeitige Altersrente auch dann nach dieser Berechnungsregel berechnet, wenn der Arbeitnehmer vorzeitig, dh. vor Eintritt eines in Ziff. 7 Abs. 1 Satz 2 der PO 88 bestimmten Versorgungsfalls (Vollendung des 65. Lebensjahres oder Vollendung des 60. Lebensjahres) aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ziff. 7 Abs. 2 der PO 88 schließt unmittelbar an Ziff. 7 Abs. 1 der PO 88 an und enthält damit eine Berechnungsregel nur für den Fall, dass der Arbeitnehmer erst mit Eintritt eines Versorgungsfalls iSd. Ziff. 7 Abs. 1 der PO 88 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Aus Ziff. 7 Abs. 3 der PO 88, wonach eine Kürzung der vorzeitigen Altersrente wegen der durch den früheren Rentenbeginn zu erwartenden höheren Kosten nicht stattfindet, folgt nichts anderes. Ziff. 7 Abs. 3 der PO 88 knüpft mit den Kosten eines „früheren Rentenbeginns” an die vorzeitige Altersrente nach Ziff. 7 Abs. 1 Satz 2 der PO 88 an und regelt keinen Verzicht auf eine Kürzungsmöglichkeit wegen der beim vorzeitigen Ausscheiden fehlenden Betriebszugehörigkeit.
c) Da die PO 88 die Höhe der Altersrente bei vorgezogener Inanspruchnahme nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht selbst regelt, richtet sich die Berechnung nach den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts (st. Rspr., vgl. ausführlich BAG 23. Januar 2001 – 3 AZR 164/00 – zu II 2 b der Gründe). Danach ergibt sich in der Regel eine Berechtigung zur Kürzung der Betriebsrente unter zwei Gesichtspunkten:
Zum einen wird in das Gegenseitigkeitsverhältnis, das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, dadurch eingegriffen, dass der Arbeitnehmer die Betriebszugehörigkeit bis zu der in der Versorgungsordnung vorgesehenen festen Altersgrenze nicht erbracht hat. Zum anderen erfolgt eine Verschiebung des in der Versorgungszusage festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung dadurch, dass der Arbeitnehmer die Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit, früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch nimmt (vgl. etwa BAG 25. Juni 2013 – 3 AZR 219/11 – Rn. 25; 19. Juni 2012 – 3 AZR 289/10 – Rn. 24; 15. November 2011 – 3 AZR 778/09 – Rn. 34).
Der ersten Störung des Äquivalenzverhältnisses wird dadurch Rechnung getragen, dass entsprechend § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG eine Quotierung vorgenommen wird, indem die fiktive Vollrente zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen zu der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der in § 2 Abs. 1 BetrAVG bestimmten Altersgrenze bzw. bis zu der in der Versorgungsordnung gegebenenfalls vorgesehenen niedrigeren festen Altersgrenze gekürzt wird. Die zweite Störung des Äquivalenzverhältnisses kann entsprechend den Wertungen der Versorgungsordnung berücksichtigt werden. Wenn und soweit diesem Gesichtspunkt in der Versorgungsordnung Rechnung getragen wird, zB indem ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgesehen ist, verbleibt es dabei. Enthält die Versorgungsordnung hingegen keine Wertung, hat der Senat als Auffangregelung einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag entwickelt. Dieser erfolgt durch eine weitere zeitratierliche Kürzung. Dabei ist die Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente ins Verhältnis zu setzen zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zu der in § 2 Abs. 1 BetrAVG bestimmten Altersgrenze bzw. bis zu der in der Versorgungsordnung gegebenenfalls vorgesehenen niedrigeren festen Altersgrenze (vgl. BAG 25. Juni 2013 – 3 AZR 219/11 – Rn. 26; 19. Juni 2012 – 3 AZR 289/10 –Rn. 25; 15. November 2011 – 3 AZR 778/09 – Rn. 35).
d) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beklagte berechtigt, die fiktive Vollrente des Klägers nach allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG wegen des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit des Klägers zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu kürzen. Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts war die Beklagte bei der Quotierung der fiktiven Vollrente des Klägers nicht darauf beschränkt, lediglich eine mögliche Dienstzeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zugrunde zu legen. Ziff. 7 Abs. 1 der PO 88 sieht als feste Altersgrenze nicht das 60. Lebensjahr, sondern das 65. Lebensjahr vor.
aa) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in der zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 30. November 2009 geltenden Fassung haben bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Erreichens der Altersgrenze, wegen Invalidität oder Tod ein vorher ausgeschiedener Arbeitnehmer, dessen Anwartschaft nach § 1b fortbesteht, und seine Hinterbliebenen einen Anspruch mindestens in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht; an die Stelle des Erreichens der Regelaltersgrenze tritt ein früherer Zeitpunkt, wenn dieser in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen ist.
bb) Es kann dahinstehen, ob die PO 88, die vor dem Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554 – im Folgenden: RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) entstanden ist und für die normale Altersrente an die Vollendung des 65. Lebensjahres anknüpft, dahin auszulegen ist, dass damit auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Bezug genommen wird (vgl. hierzu BAG 15. Mai 2012 – 3 AZR 11/10 – Rn. 47, BAGE 141, 259). Jedenfalls sieht die PO 88 keinen früheren Zeitpunkt als die Vollendung des 65. Lebensjahres als feste Altersgrenze vor. Die feste Altersgrenze bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem nach der Versorgungszusage im Regelfall – und zwar unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 BetrAVG – mit einer Inanspruchnahme der Betriebsrente und einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben zu rechnen ist (BAG 17. September 2008 – 3 AZR 865/06 – Rn. 27, BAGE 128, 1). Eine andere Altersgrenze iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG ist demnach nur dann anzunehmen, wenn die Versorgungszusage vorsieht, dass der begünstigte Arbeitnehmer grundsätzlich zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Vollendung der Regelaltersgrenze bzw. des 65. Lebensjahres mit einer ungekürzten Betriebsrente in den Ruhestand treten soll (vgl. BAG 23. Januar 2001 – 3 AZR 164/00 – Rn. 18). Eine solche Festlegung nimmt die PO 88 nicht vor, insbesondere bestimmt sie nicht die Vollendung des 60. Lebensjahres als niedrigere feste Altersgrenze.
(1) Die PO 88 unterscheidet in Ziff. 7 Abs. 1 zwischen der „normalen” Altersrente nach Satz 1, die an die Vollendung des 65. Lebensjahres anknüpft, und der „vorzeitigen” Altersrente, die bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werden kann. Bereits die Begriffe „normale” und „vorzeitige” Altersrente verdeutlichen, dass der Bezug der normalen Altersrente der Regelfall ist, während der Bezug der vorzeitigen Altersrente die Ausnahme darstellt. Zudem kann eine Versorgungsordnung, die – wie die PO 88 – nicht hinsichtlich unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen differenziert, sondern für alle Arbeitnehmer eine einheitliche Regelung trifft, nicht unterschiedliche feste Altersgrenzen enthalten. Für einen Arbeitnehmer kann es nicht mehrere feste Altersgrenzen geben. Nach der PO 88 ist demnach die Vollendung des 65. Lebensjahres der Zeitpunkt, zu dem im Regelfall mit einer Inanspruchnahme der Betriebsrente und einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufsund Erwerbsleben zu rechnen ist.
(2) Aus Ziff. 7 Abs. 3 der PO 88, wonach eine Kürzung der vorzeitigen Altersrente wegen der durch den früheren Rentenbeginn zu erwartenden höheren Kosten nicht stattfindet, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Mit dieser Bestimmung verzichtet die PO 88 lediglich auf eine Kürzungsmöglichkeit wegen des bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente wahrscheinlicheren, früheren und damit längeren Rentenbezugs. Dies ändert nichts daran, dass die feste Altersgrenze nach der PO 88 zumindest die Vollendung des 65. Lebensjahres ist.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Altersrente des Klägers unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers am 30. November 2009 geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berechnen war. Der Kläger kann nicht verlangen, dass seine Betriebsrente so berechnet wird, als wäre die außerplanmäßige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 unterblieben.
a) Ein dahingehender Anspruch folgt nicht aus einer ergänzenden Auslegung von Ziff. 6 und 7 der PO 88. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der PO 88 um eine Gesamtzusage oder um eine Betriebsvereinbarung handelt; ebenso kann offenbleiben, ob die PO 88 infolge der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze durch § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 überhaupt lückenhaft geworden ist. Eine ergänzende Auslegung der PO 88 scheidet jedenfalls deshalb aus, weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke bestehen und es sich nicht feststellen lässt, für welche Möglichkeit die Parteien oder die Betriebspartner sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten.
aa) Zwar hat der Senat in den Urteilen vom 21. April 2009 (– 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214 und – 3 AZR 471/07 –; zur Kritik an diesen Entscheidungen vgl. etwa Böhm/Ulbrich BB 2010, 1341, 1342; Bormann BetrAV 2011, 596, 597 ff.; Cisch/Bleeck BB 2010, 1215, 1219 f.; Diller NZA 2012, 22, 23 ff.; Höfer BetrAVG Stand Oktober 2013 Bd. I ART Rn. 816.4 f.; Hölscher/Janker BetrAV 2010, 141, 142 f.; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 5. Aufl. Anh § 1 Rn. 224 a ff.; Weber DB 2010, 1642, 1643 f.) angenommen, Versorgungsordnungen, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung höhere Versorgungsleistungen vorsehen als für den darunter liegenden Teil (Versorgungsordnungen mit sog. gespaltener Rentenformel), seien durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich nach § 275c SGB VI zum 1. Januar 2003 regelmäßig lückenhaft geworden. Die Regelungslücke sei im Wege ergänzender Auslegung entsprechend dem ursprünglichen Regelungsplan dahin zu schließen, dass die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde und von dem so errechneten Betrag die Beträge in Abzug zu bringen seien, um die sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.
bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat mit seinen Urteilen vom 23. April 2013 (vgl. etwa – 3 AZR 475/11 – und – 3 AZR 23/11 –) zu Versorgungsregelungen in Gesamtzusagen und Tarifverträgen ausdrücklich aufgegeben mit der Begründung, es bestünden mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur Schließung einer eventuellen Regelungslücke; unter Anlegung eines objektivgeneralisierenden Maßstabs lasse sich nicht feststellen, für welche Möglichkeit die Parteien bzw. die Tarifvertragsparteien sich entschieden hätten, wenn sie die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze vorhergesehen hätten. Dies gilt auch für entsprechende Versorgungsregelungen in Betriebsvereinbarungen. Auch Betriebsvereinbarungen sind einer ergänzenden Auslegung nur dann zugänglich, wenn entweder nach zwingendem höherrangigem Recht nur eine Regelung zur Lückenschließung in Betracht kommt oder wenn bei mehreren Regelungsmöglichkeiten zuverlässig feststellbar ist, welche Regelung die Betriebspartner getroffen hätten, wenn sie die Lücke erkannt hätten (vgl. BAG 13. Februar 2003 – 6 AZR 537/01 – zu II 2 c dd der Gründe, BAGE 104, 353; 10. Februar 2009 – 3 AZR 653/07 – Rn. 31).
cc) Vorliegend kommt nicht nur eine Ergänzung der PO 88 dahin in Betracht, dass bei der Berechnung der Altersrente von einer um die „außerplanmäßige” Anhebung der durch § 275c SGB VI „bereinigten” Beitragsbemessungsgrenze unter gleichzeitiger Anrechnung der durch diese Anhebung in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielten höheren gesetzlichen Rente auszugehen ist. Vielmehr bestehen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der in den Ziff. 6 und 7 der PO 88 getroffenen Regelungen weitere rechtlich zulässige und interessengerechte Möglichkeiten zur Schließung einer etwaigen nachträglich eingetretenen Regelungslücke. Sinn und Zweck einer „gespaltenen Rentenformel” wie derjenigen in Ziff. 6 und 7 der PO 88 ist es, den im Einkommensbereich über der Beitragsbemessungsgrenze bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistung abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist (BAG 21. April 2009 – 3 AZR 695/08 – Rn. 23, BAGE 130, 214). Deshalb wäre es ebenso denkbar, dass sich die Parteien bzw. die Betriebspartner im Hinblick darauf, dass sich die Auswirkungen der „außerplanmäßigen” Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze verringern, je später nach dem 1. Januar 2003 der Versorgungsfall eintritt, auf eine wenige Jahre begrenzte Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge verständigt hätten. Ebenso käme eine Lückenschließung dergestalt in Betracht, dass die Betriebszugehörigkeit bis zum 31. Dezember 2002 und die Betriebszugehörigkeit danach bei der Berechnung des Altersruhegeldes entsprechend der Berechnungsweise aus der „Barber-Entscheidung” des Europäischen Gerichtshofs (17. Mai 1990 – C-262/88 – Slg. 1990, I-1889; vgl. auch BAG 3. Juni 1997 – 3 AZR 910/95 – BAGE 86, 79) unterschiedlich behandelt werden (so etwa Weber DB 2010, 1642). Danach könnte für bis zum 31. Dezember 2002 erdiente Anwartschaftsteile eine Korrektur der Beitragsbemessungsgrenze um die „außerplanmäßige” Anhebung zum 1. Januar 2003 vorgenommen werden, weil insoweit keine Rentensteigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden konnten; für ab dem 1. Januar 2003 erdiente Versorgungsanwartschaften wäre die erhöhte Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen, weil ab diesem Zeitpunkt auch Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben werden. Dies hätte zur Folge, dass für die Berechnung des Teils der Rentenanwartschaft oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze eine Trennung in die Zeit vor dem 1. Januar 2003 und die Zeit danach vorgenommen werden müsste (vgl. hierzu ausführlich Weber DB 2010, 1642).
b) Der Kläger kann auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nicht verlangen, dass seine Betriebsrente so berechnet wird, als wäre die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten; eine Vertragsanpassung kommt allerdings nur in Betracht, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
aa) Sollte es sich bei der PO 88 um eine Betriebsvereinbarung handeln, könnte nicht der Kläger, sondern allenfalls der Betriebsrat als Partei der Betriebsvereinbarung eine Anpassung der PO 88 von der Beklagten verlangen (vgl. zur Sprecherausschussvereinbarung BAG 23. April 2013 – 3 AZR 512/11 –Rn. 38).
bb) Sollte es sich bei der PO 88 um eine Gesamtzusage handeln, käme zwar grundsätzlich ein Anpassungsanspruch in Betracht; eine Vertragsanpassung nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage würde auch nicht von vornherein daran scheitern, dass die Versorgungsvereinbarung der Parteien infolge der „außerplanmäßigen” Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275c SGB VI lückenhaft geworden sein könnte. Eine Vertragslücke stünde der Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen (vgl. BAG 23. April 2013 – 3 AZR 475/11 – Rn. 19). Die durch die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 verursachte Versorgungseinbuße des Klägers von ca. 7,7 % ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass ihm ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.
(1) Nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse rechtfertigt eine Vertragsanpassung. Erforderlich ist nach § 313 Abs. 1 BGB vielmehr, dass der betroffenen Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BAG 23. April 2013 – 3 AZR 475/11 – Rn. 21; BGH 1. Februar 2012 – VIII ZR 307/10 – Rn. 30 mwN).
(2) Das Festhalten an der unveränderten Versorgungsregelung führt für den Kläger nicht zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnis.
Die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 Euro monatlich und 6.000,00 Euro jährlich nach § 275c SGB VI führte für den Kläger, dessen Altersrente bei Eintritt des in Ziff. 7 Abs. 1 Satz 2 der PO 88 vorgesehenen Versorgungsfalls 2.186,36 Euro betrug, zu einer Versorgungseinbuße von ca. 7,7 %. Ohne die „außerplanmäßige” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 275c SGB VI wäre die vorgezogene Altersrente des Klägers unstreitig 182,78 Euro höher gewesen und hätte sich demnach auf 2.369,14 Euro belaufen. Diese Versorgungseinbuße ist für den Kläger nicht untragbar.
Dabei kann offenbleiben, ob die vom Kläger hinzunehmende Versorgungseinbuße entsprechend den Erwägungen des Senats in dem Urteil vom 30. März 1973 (– 3 AZR 26/72 – BAGE 25, 146) bis zu 40 % beträgt. In dieser vor Inkrafttreten des § 16 BetrAVG ergangenen Entscheidung hatte der Senat angenommen, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, Anpassungsverhandlungen mit dem Arbeitnehmer aufzunehmen, wenn der seit Rentenbeginn eingetretene Kaufkraftverlust 40 % betrug. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Schwelle zur Unzumutbarkeit („Opfergrenze”) bereits früher überschritten und ggf. in Anlehnung an die Rechtsprechung des Fünften Senats des BAG (11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – Rn. 23; 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 –zu B I 4 c bb der Gründe, BAGE 113, 140) zur Wirksamkeit der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts zu bestimmen sein könnte. Danach ist ein Widerrufsvorbehalt nicht nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird; bei Zahlungen des Arbeitgebers, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen sind, die an sich vom Arbeitnehmer selbst zu tragen wären, kann der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung bis zu 30 % betragen; in diesen Grenzen ist die Änderung der vereinbarten Leistung für den Arbeitnehmer zumutbar iSd. § 308 Nr. 4 BGB. Jedenfalls ist eine Versorgungseinbuße von ca. 7,7 % auch vor dem Hintergrund, dass die Altersrente nach der PO 88 Entgelt für Betriebszugehörigkeit ist, nicht so schwerwiegend, dass dem Kläger ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung nicht mehr zugemutet werden könnte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, Schlewing, Ahrendt, Wischnath, Brunke
Fundstellen
Haufe-Index 6805739 |
BAGE 2015, 291 |
DStR 2014, 12 |