Entscheidungsstichwort (Thema)
Treueurlaub. Umrechnung von Werk- auf Arbeitstage
Leitsatz (amtlich)
- Wird in einer Betriebsvereinbarung langjährig beschäftigten Arbeitnehmern zusätzlich zu dem in Werktagen bemessenen Tarifurlaub ein Treueurlaub von drei Tagen versprochen, so ist von einer Bemessung des Zusatzurlaubs ebenfalls nach Werktagen auszugehen.
- Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nicht auf alle Werktage der Woche verteilt, so sind Erholungsurlaub und Zusatzurlaub in Arbeitstage umzurechnen. Diese Berechnung ist getrennt nach Erholungs- und Zusatzurlaub durchzuführen.
Normenkette
BGB § 249 S. 1, § 287 S. 2; BUrlG. § 1; BetrVG § 77 Abs. 3; MTV Einzelhandel NRW vom 6. Juli 1989 § 14 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 11.06.1992; Aktenzeichen 10 Sa 954/91) |
ArbG Köln (Urteil vom 04.09.1991; Aktenzeichen 3 Ca 2572/91) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. Juni 1992 – 10 Sa 954/91 – aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger mehr als 0,36 Tag Zusatzurlaub zu gewähren.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 4. September 1991 – 3 Ca 2572/91 – zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu 64/100 und die Beklagte zu 36/100 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung eines Tages betrieblichen Zusatzurlaubs für das Jahr 1990.
Der Kläger wird seit dem 1. August 1980 bei der Beklagten in deren Kölner Warenhaus als Verkäufer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft beiderseitiger Tarifbindung die Bestimmungen der Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen anzuwenden. In § 14 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 1989 (MTV) ist u.a. bestimmt:
Die auch für das Kölner Warenhaus geltende Betriebsordnung, die zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden ist, enthält folgende Regelung des Zusatzurlaubs:
- “
Zusatzurlaub
…
8.12.3. |
Zu Ihrem Tarifurlaub erhalten Sie nach ununterbrochener |
8.12.3.1. |
10jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Tage |
8.12.3.2. |
20jähriger Betriebszugehörigkeit 6 Tage |
|
Zusatzurlaub im Jahr, sofern Sie nicht durch Tarif oder |
|
durch Sonderregelung einen Zusatzurlaub in diesem Umfang bereits erhalten. |
|
Mitarbeiter, die spätestens am 30. 9. eines laufenden Jahres ihr Jubiläum feiern, erhalten den Zusatzurlaub für das betreffende Jahr bereits in voller Höhe. Für Jubiläen nach diesem Stichtag kommt der Zusatzurlaub erst mit Beginn des folgenden Urlaubsjahres zum Tragen. |
- “
In einem Rundschreiben zur Urlaubsplanung 1990 stellte die Geschäftsleitung zur Durchführung der tariflichen und betrieblichen Urlaubsregelungen “Richtlinien” auf. Dort heißt es:
“…
Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe des Kalenderjahres, verringert sich der vorstehende Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat um 1/12. Bruchteile von Urlaubstagen werden aufgerundet.
… ”
Die Verteilung der Arbeitszeit der im Verkauf beschäftigten Arbeitnehmer auf die einzelnen Wochentage erfolgte nach einem rollierenden System. Aufgrund einer am Jahresende 1989 zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung verteilte sich die Arbeitszeit der Gruppe, der der Kläger angehörte, im Jahr 1990 auf 14 Wochen mit je vier Arbeitstagen und auf 38 Wochen mit je fünf Arbeitstagen. Die in der Verwaltung beschäftigten Arbeitnehmer arbeiteten in einer regelmäßigen Fünf-Tage-Woche.
Die Beklagte errechnete als Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 1990 31 Tage, indem sie den Tarifurlaub und den Zusatzurlaub als Werktage zusammenzählte, in die dem Kläger zustehenden arbeitsfreien Urlaubstage umrechnete und das Ergebnis aufrundete. Von dem so errechneten Urlaub wurden dem Kläger 1990 insgesamt 28 Tage und in der Karnevalszeit 1991 3 Tage, darunter 2 Tage Zusatzurlaub, gewährt. Wie die Parteien in der Revisionsverhandlung klargestellt haben, hat der Kläger noch vor Ablauf des Jahres 1990 dieser Berechnung erfolglos widersprochen und den “dritten” Tag Zusatzurlaub verlangt.
Der Kläger sieht in der Berechnungsweise der Beklagten eine unzulässige Verkürzung seines Zusatzurlaubes. Er ist der Auffassung, der Zusatzurlaub sei unabhängig vom Tarifurlaub zu gewähren. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm aus der Betriebsordnung in der Fassung vom 1. Januar 1975 noch einen Tag Zusatzurlaub aus dem Kalenderjahr 1990 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht kein voller Tag Zusatzurlaub, sondern nur ein Ersatzurlaub in Höhe von 0,36 Tag zu.
1. Soweit ein Anspruch auf Zusatzurlaub für das Jahr 1990 bestand, ist er mit Ablauf des Jahres 1990 erloschen. Nach Ziffer 8.12.3. der Betriebsordnung wird der betriebliche Zusatzurlaub “im Jahr” gewährt. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 1 BUrlG ist der Zusatzurlaub ein befristeter Anspruch und erlischt mit Ablauf des Jahres, in dem er entstanden ist (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 172/91 – AP Nr. 58 zu § 7 BUrlG Abgeltung, m.w.N.).
2. Dem Kläger steht jedoch für den untergegangenen Anspruch auf Zusatzurlaub – soweit er nicht durch Nachgewährung von zwei Arbeitstagen im Jahre 1991 bereits erfüllt worden ist – ein Ersatzurlaubsanspruch zu.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Ersatzurlaub als Schadenersatzanspruch gemäß den § 286 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Satz 1 BGB entstehen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch erfolglos geltend gemacht hat. Der Arbeitgeber hat für den während des Verzugs eingetretenen Untergang des Urlaubsanspruches einzustehen (BAGE 49, 299 = AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Treueurlaub; BAGE 50, 124 = AP Nr. 16 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch; BAGE 52, 254 = AP Nr. 5 zu § 44 SchwbG; BAGE 68, 362 = AP Nr. 1 zu § 47 SchwbG 1986).
Im Streitfall hat der Kläger die Beklagte nach der übereinstimmenden Klarstellung der Parteien in der Revisionsverhandlung wegen des verweigerten “dritten” Zusatzurlaubstages gemahnt. Da der Urlaubsanspruch im Jahre 1990 erfüllbar war, hat die Beklagte die während ihres Verzuges mit Ablauf des 31. Dezember 1990 eintretende Unmöglichkeit der Leistung zu verantworten (§ 287 Satz 2 BGB). Nach § 249 Satz 1 BGB hat die Beklagte daher Ersatz in demselben Umfang zu leisten, wie ein Erfüllungsanspruch bestand.
b) Der Kläger hatte mit Vollendung der zehnjährigen Betriebszugehörigkeit am 1. August 1990 nach Ziffer 8.12.3.1. der Betriebsordnung einen Anspruch auf drei Tage Zusatzurlaub. Unter Berücksichtigung der von der Fünf-Tage-Woche abweichenden Verteilung seiner Arbeitszeit im rollierenden Arbeitszeitsystem war der Anspruch des Klägers anzupassen. Die Berechnung ergibt einen Anspruch von 2,36 Arbeitstagen, von denen noch 0,36 Arbeitstag zu gewähren ist.
aa) Die vom Gesamtbetriebsrat und der Beklagten unternehmenseinheitlich beschlossene Betriebsordnung gilt nach § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 6, § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis der Parteien.
bb) Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der betrieblichen Regelung. Da der in der Betriebsvereinbarung geregelte betriebliche Treueurlaub weder im MTV noch in den sonstigen Tarifverträgen des Einzelhandels vorgesehen ist, stellt er keine Erhöhung des in § 14 MTV geregelten Erholungsurlaubs, sondern nur eine außertarifliche Leistung dar, die für langjährige Betriebstreue gewährt wird (vgl. BAGE 49, 299, 301 = AP, aaO, zu 2a der Gründe). Ein derartiger Zusatzurlaub kann nach § 77 Abs. 3 BetrVG Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Anspruch auf Zusatzurlaub bestünde in einer Befreiung von der Dienstpflicht an drei Arbeitstagen. Die Auslegung der Betriebsordnung ergibt vielmehr, daß der Zusatzurlaub wie der tarifliche Urlaub nach Werktagen bemessen ist.
Der Wortlaut der Ziffer 8.12.3. der Betriebsordnung ist mehrdeutig, da wegen des verwandten Oberbegriffs “Tage” sowohl Arbeits-, Werk- als auch Kalendertage in Frage kommen. Die tarifliche Bestimmung bedarf der Auslegung nach den für die Tarifauslegung geltenden Grundsätzen (BAG Beschluß vom 13. Oktober 1987 – 1 ABR 51/86 – AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG Auslegung).
Wegen der Bezugnahme auf den Tarifurlaub (“zu Ihrem Tarifurlaub”) ist davon auszugehen, daß der Zusatzurlaub ebenso wie der tarifliche Erholungsurlaub nach Werktagen bemessen werden soll. Dafür spricht auch die in Ziffer 8.11. der Betriebsordnung getroffene Regelung, nach der bei besonderen Anlässen eine Beurlaubung in Höhe von zwei bzw. drei Tagen gewährt wird. Für diesen Sonderfall ist in Ziffer 8.12.2. ausdrücklich die Arbeitsbefreiung an Arbeitstagen geregelt, ohne daß eine Umrechnung erfolgen soll. Im Umkehrschluß ist davon auszugehen, daß im übrigen die Urlaubsdauer von der Verteilung der Arbeitszeit abhängig sein soll. Wollten die Betriebspartner auch für den Zusatzurlaub eine von der Arbeitszeitverteilung unabhängige Festlegung der Urlaubshöhe treffen, hätten sie klarstellen können, daß der Zusatzurlaub nach Arbeitstagen zu bemessen ist.
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung des Klägers mit den in der Verwaltung beschäftigten Arbeitnehmern. Insoweit liegt ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor. Die Arbeitszeit der in der Verwaltung beschäftigten Mitarbeiter ist nämlich anders auf die Woche verteilt als die der im Verkauf tätigen Mitarbeiter (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 1992 – 9 AZR 148/91 – AP Nr. 5 zu § 3 BUrlG).
Schließlich kann der Fortbestand des Anspruchs auf Befreiung von der Arbeitspflicht an drei Arbeitstagen auch nicht aus einer betrieblichen Übung abgeleitet werden. Die Beklagte hat, soweit sie in der Vergangenheit drei Arbeitstage gewährt haben sollte, für die Belegschaft erkennbar nur ihre Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung erfüllen wollen (vgl. BAG Urteil vom 13. August 1980 – 5 AZR 325/78 – AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972).
dd) Ist der Zusatzurlaub nach Werktagen bemessen, so ist er in Arbeitstage umzurechnen, weil die Arbeitszeit des Klägers im Rahmen des rollierenden Arbeitszeitsystems nicht auf alle Werktage einer Woche verteilt ist. Dazu sind Arbeitstage und Werktage zueinander rechnerisch in Beziehung zu setzen. Da die Arbeitszeit des Klägers nicht regelmäßig auf eine Woche verteilt ist, sondern mal auf vier, mal auf fünf Tage in der Woche, ist die Berechnung auf das Jahr zu beziehen (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 1992 – 9 AZR 148/91 – AP Nr. 5 zu § 3 BUrlG). Dabei ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts von 14 Wochen mit je vier Arbeitstagen und 38 Wochen mit je fünf Arbeitstagen auszugehen. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Klägers, in den 14 Wochen mit je vier Arbeitstagen seien 14 arbeitsfreie Tage als Freizeitausgleich für Überstunden angefallen. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine Neuverteilung der verkürzten tariflichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage entsprechend der 1989 zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat geschlossenen Arbeitszeitvereinbarung.
Es ergibt sich somit folgender Berechnungsweg:
3 Werktage : 312 Jahreswerktage × 246 Jahresarbeitstage = 2,36 Arbeitstage.
ee) Der errechnete Bruchteil des Zusatzurlaubs ist weder abnoch aufzurunden. Zwar sind Bruchteile des Tarifurlaubs nach § 14 Abs. 5 Satz 2 MTV aufzurunden. Diese Rundungsregel gilt jedoch nur für die in § 14 Abs. 5 Satz 1 MTV beschriebenen Fälle der Quotelung des Urlaubs im Eintritts- oder Austrittsjahr. Nichts anderes wird in dem von dem Kläger angezogenen Rundschreiben der Beklagten für das Urlaubsjahr 1990 ausgesagt. Soweit die Beklagte bei der Eigenberechnung der Urlaubsansprüche des Klägers eine Aufrundung vorgenommen hat, handelt es sich um eine fehlerhafte Anwendung der tariflichen Rundungsregelung. Es kann daher offenbleiben, ob in Ermangelung einer Rundungsregelung in der Betriebsordnung ergänzend auf den MTV oder die von der Beklagten aufgestellten Urlaubsrichtlinien 1990 zurückgegriffen werden kann.
II. Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Unterschriften
Dörner, Dr. Mikosch, Düwell, R. Schmidt, Dr. Kappes
Fundstellen
Haufe-Index 856690 |
BB 1994, 1432 |
NZA 1995, 86 |