Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung eines 13. Monatsgehalts für Zeiten des Erziehungsurlaubs
Leitsatz (amtlich)
Ergibt die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung über die Zahlung eines „13. Monatsgehalts”, daß es sich um einen Teil der im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehenden Vergütung handelt, so entsteht kein anteiliger Anspruch auf das „13. Monatsgehalt” für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Erziehungsurlaubs ruht.
Orientierungssatz
Hinweise des Senats:
„Fortführung der Rechtsprechung des 6. Senats im Urteil vom 24. Oktober 1990 - 6 AZR 156/89 - AP Nr 135 zu § 611 BGB Gratifikation; Begriff der arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung: Vgl BAG Urteil vom 16. März 1994 - 10 AZR 669/92 - AP Nr 162 zu § 611 BGB Gratifikation.”
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.12.1993; Aktenzeichen 2 Sa 63/93) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 16.04.1993; Aktenzeichen 24 Ca 1275/93) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung eines 13. Monatsgehalts für die Jahre 1991 und 1992.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. Juli 1990 als Sekretärin beschäftigt. Ihr Monatsgehalt betrug zuletzt 4.100,– DM brutto. Im Anstellungsvertrag war vereinbart:
„Frau S erhält für ihre Tätigkeit ein Brutto–Gehalt von monatlich brutto DM 3.700,–, das jeweils unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge am Monatsende überwiesen wird. Zum Jahresende wird ein 13. Monatsgehalt gezahlt. Für 1990 erhält Frau S ein anteiliges von 6/12.”
Die Klägerin nahm nach der Entbindung am 2. August 1991 im Anschluß an die Mutterschutzfrist Erziehungsurlaub bis zum 2. Februar 1993. Die Beklagte zahlte ihr für das Jahr 1991 ein anteiliges 13. Monatsgehalt in Höhe von 3.075,– DM brutto. Für das Jahr 1992 erhielt die Klägerin kein 13. Monatsgehalt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe für die Jahre 1991 und 1992 jeweils ein Anspruch auf ein volles 13. Monatsgehalt zu. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die Zeit des Erziehungsurlaubs anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Bei dem vereinbarten 13. Monatsgehalt handele es sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter, die ohne vertragliche Vereinbarung auch bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen Erziehungsurlaubs nicht gekürzt werden dürfe.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.125,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, der Klägerin stehe für die Zeit des Erziehungsurlaubs kein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt zu. Das vereinbarte 13. Monatsgehalt sei keine Gratifikation, sondern Teil der geschuldeten Vergütung. Da das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs geruht habe, sei für diese Zeit auch kein entsprechender Vergütungsanspruch entstanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf ein volles 13. Monatsgehalt für die Jahre 1991 und 1992 nicht zu.
I.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe für die Zeit des Erziehungsurlaubs kein Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt zu. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung sei dahingehend auszulegen, daß das 13. Monatsgehalt ausschließlich als Teil der geschuldeten Vergütung anzusehen sei, der anstelle der monatlichen Auszahlung nur einmal jährlich gezahlt werde. Dies folge aus dem Vertragstext, der Regelung für das Eintrittsjahr und dem Fehlen weiterer Anspruchsvoraussetzungen.
Anhaltspunkte dafür, daß es sich um eine Gratifikation mit Mischcharakter handele, seien in den vertraglichen Vereinbarungen nicht enthalten. Ein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt sei deshalb für die Zeit des Erziehungsurlaubs, in der die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert seien, nicht entstanden.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
II.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf das volle 13. Monatsgehalt für die Jahre 1991 und 1992. Das von den Parteien vereinbarte 13. Monatsgehalt ist ein Teil der Vergütungsleistung der Beklagten, der während der Zeit des Erziehungsurlaubs nicht geschuldet wird.
1. Bei der Abrede der Parteien im Anstellungsvertrag über die Zahlung eines 13. Monatsgehalts handelt es sich um eine einzelvertragliche Vereinbarung. Die Auslegung einzelvertraglicher Vereinbarungen obliegt den Tatsachengerichten. Sie ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt nachprüfbar. Das Revisionsgericht kann eine solche Auslegung nur daraufhin überprüfen, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt sind (BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß), ob dabei gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig verwertet worden ist (BAG Urteil vom 17. April 1970 - 1 AZR 302/69 - AP Nr. 32 zu § 133 BGB) oder ob eine gebotene Auslegung völlig unterlassen worden ist (BAG Urteil vom 4. März 1961 - 5 AZR 169/60 - AP Nr. 21 zu § 611 BGB Gratifikation).
2. Nach diesen Grundsätzen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, das 13. Monatsgehalt sei ausschließlich ein zusätzlicher Teil der Vergütung und könne nicht als sog. Gratifikation mit Mischcharakter angesehen werden.
Mit Recht verweist das Landesarbeitsgericht darauf, daß die Abrede über das 13. Monatsgehalt ein Teil der von den Parteien getroffenen Vereinbarung über das monatliche Gehalt ist. Dies folgt aus dem Vertragstext, der einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Gehaltsvereinbarung und der Vereinbarung über das 13. Monatsgehalt ausweist. Auch die Regelung im Anstellungsvertrag, nach der das 13. Monatsgehalt im Eintrittsjahr anteilig gezahlt werden soll und am Ende des Jahres fällig wird, spricht dafür, daß es sich um einen Vergütungsbestandteil handelt, der in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient und nur aufgespart am Ende des Jahres ausgezahlt wird (vgl. Gaul, BB 1994, 494, 495; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 78 I, 3; MünchArb-Hanau § 67 Rz 8). Die Parteien haben zudem einen Anspruch auf das 13. Monatsgehalt begründet und dieses nicht als freiwillige Leistung des Arbeitgebers ausgestaltet.
Weitere Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs sind im Arbeitsvertrag nicht vereinbart worden. Daraus folgert das Landesarbeitsgericht mit Recht, daß es sich bei dem 13. Monatsgehalt ausschließlich um einen Teil der als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldeten Vergütung handelt. Ein darüber hinausgehender Zweck, der den Schluß darauf zuließe, daß die Parteien eine sog. Gratifikation mit Mischcharakter vereinbaren wollten, hat in den vertraglichen Vereinbarungen keinen Ausdruck gefunden. Diese enthalten keine Anhaltspunkte dafür, daß mit der Leistung des 13. Monatsgehalts auch eine Belohnung oder Förderung der Betriebstreue bezweckt wird. Weder wird für den Anspruch eine bestimmte Wartezeit vorausgesetzt noch wird auf den Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Ende des Bezugszeitraums abgestellt. Auch eine Rückzahlungsklausel ist nicht vereinbart.
3. Ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrages, daß es sich bei dem 13. Monatsgehalt um einen Vergütungsbestandteil handelt, der in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 BGB) eingebunden ist und mit dem kein weitergehender Zweck verfolgt wird, so entsteht der Anspruch nicht für die Zeit des Erziehungsurlaubs, ohne daß es einer vertraglichen Kürzungsregelung bedarf (vgl. BAG Urteil vom 24. Oktober 1990 - 6 AZR 156/89 - BAGE 66, 169 = AP Nr. 135 zu § 611 BGB Gratifikation).
Während des Erziehungsurlaubs sind die gegenseitigen Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis suspendiert (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG Urteil vom 8. Dezember 1993 - 10 AZR 66/93 - AP Nr. 159 zu § 611 BGB Gratifikation). Für den Arbeitnehmer besteht damit keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, während für den Arbeitgeber die Vergütungspflicht entfällt. Der Wegfall der Vergütungspflicht wegen Ruhens des Arbeitsverhältnisses im Erziehungsurlaub umfaßt dabei alle Vergütungsbestandteile, die im Austauschverhältnis zur ebenfalls suspendierten Arbeitsleistungspflicht stehen. Da das zwischen den Parteien vereinbarte 13. Monatsgehalt zu diesen Vergütungsbestandteilen zählt, konnte ein Anspruch für die Abrechnungszeiträume, die in den Erziehungsurlaub fallen, nicht entstehen.
4. Dieses Ergebnis steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats zur anspruchsmindernden oder anspruchsausschließenden Berücksichtigung von Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung bei der Gewährung von Sonderzahlungen (BAG Urteile vom 5. August 1992 - 10 AZR 88/90 - und vom 16. März 1994 - 10 AZR 669/92 - AP Nrn. 143 u. 162 zu § 611 BGB Gratifikation).
Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine tarifliche Regelung über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung, deren Zweck es – auch – ist, im Bezugszeitraum für den Betrieb geleistete Arbeit zusätzlich zu vergüten, im einzelnen bestimmen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Sonderzahlung auswirken sollen. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so verbleibt es bei den normierten Anspruchsvoraussetzungen und kann das Erfordernis einer tatsächlichen Arbeitsleistung nicht als ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung lediglich daraus hergeleitet werden, daß mit der Sonderzahlung auch im Betrieb geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden soll.
Der Senat hat im Urteil vom 16. März 1994 (- 10 AZR 669/92 - AP Nr. 162 zu § 611 BGB Gratifikation, zu 3 b) bb) der Gründe) schon darauf hingewiesen, daß sich diese Rechtsprechung nicht auf Sonderzahlungen bezieht, die als „arbeitsleistungsbezogene” Sonderzahlungen anzusehen sind. Darunter sind Sonderzahlungen zu verstehen, die reinen Entgeltcharakter in dem Sinne haben, daß ein Anspruch auf sie unmittelbar im Gegenseitigkeitsverhältnis zur tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung steht. Klarzustellen ist insoweit allerdings, daß der Senat unter derartigen arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlungen nicht nur solche versteht, die als Entgelt für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung gewährt werden, sondern auch die Fälle einzubeziehen sind, in denen aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen das Entgelt auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung fortzuzahlen ist. Maßgebend ist, ob die Sonderzahlung in das Austauschverhältnis von Vergütungspflicht und Arbeitsleistungspflicht eingebunden ist.
Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Arbeitsvertrages durch das Landesarbeitsgericht handelt es sich bei dem zwischen den Parteien vereinbarten 13. Monatsgehalt um eine solche arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung. Da wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs die Arbeitsleistungspflicht der Klägerin suspendiert war, konnte deshalb für diese Zeit auch kein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt entstehen. Der Wegfall des Anspruchs folgt unmittelbar aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Vergütungspflicht und Arbeitsleistungspflicht (§ 323 BGB). Einer besonderen Vereinbarung im Arbeitsvertrag bedurfte es deshalb nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Maytthes, Dr. Freitag, Hauck, Lindemann, Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 60011 |
DB 1995, 2272 (LT1) |
NJW 1996, 278 |
NJW 1996, 278-279 (LT) |
WiB 1996, 28 (L) |
ARST 1995, 268-269 (LT1) |
EEK, III/137 (ST1-3) |
NZA 1995, 1098 |
NZA 1995, 1098-1100 (LT1) |
AP, Gratifikation (LT1) |
EzA § 611 BGB, Gratifiaktion, Prämie Nr 126 (LT1) |