Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten
Orientierungssatz
1. Eine Tätigkeit als Physiotherapeut, der im Wesentlichen mit älteren und kranken Menschen arbeitet, kann unabhängig davon schwierig im tarifrechtlichen Sinne sein, ob die Behandlung von einem Physiotherapeuten allein oder mit einem weiteren Therapeuten durchgeführt wird.
2. Erfüllt ein einzugruppierender Arbeitnehmer die Merkmale eines von den Tarifvertragsparteien für einen Oberbegriff angeführtes Tätigkeitsbeispiel, erfüllt er grundsätzlich auch den Oberbegriff, es sei denn, die Tarifvertragsparteien hätten einen anderen Willen zum Ausdruck gebracht.
Normenkette
Manteltarifvertrag der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG §§ 12, 12b, 27; Anlage B - Krankengymnasten; ZPO §§ 565, 516 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 18 Sa 860/06) |
ArbG Berlin (Urteil vom 23.11.2005; Aktenzeichen 48 Ca 17150/05) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. September 2006 – 18 Sa 200/06, 18 Sa 860/06 – aufgehoben, soweit es das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. November 2005 – 48 Ca 17150/05 – auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen hat.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. November 2005 – 48 Ca 17150/05 – wird zurückgewiesen.
3. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, über die vom Landesarbeitsgericht für die Zeit ab August 2005 zuerkannten 3.041,28 Euro nebst Zinsen hieraus weitere 969,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 107,68 Euro seit dem 7. September, 10. Oktober, 7. November, 7. Dezember 2005 sowie 7. Januar, 7. Februar, 7. März, 7. April und 8. Mai 2006 zu zahlen.
4. Von den Kosten erster und zweiter Instanz haben der Kläger 24 % und die Beklagte 76 % zu tragen. Von den Kosten der Revision hat der Kläger 42 %, die Beklagte 58 % zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Entlohnung des Klägers.
Der am 30. Januar 1961 geborene Kläger ist gelernter Krankengymnast und seit dem 1. Januar 1999 als Physiotherapeut in dem Krankenheim der Beklagten in der G… Straße in Berlin beschäftigt.
Die Beklagte zahlt an den Kläger eine monatliche Gesamtvergütung iHv. 1.950,04 Euro brutto, in der eine monatliche Zuwendung von 124,73 Euro brutto enthalten ist. Diese Vergütung entspricht der im Arbeitsvertrag vereinbarten Vergütung von 3.500,00 DM zuzüglich einer zweiprozentigen Erhöhung zum Anfang des Jahres 2001.
Am 24. September 2004 unterzeichneten die Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG (im Folgenden: Pro Seniore AG) und die Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied der Kläger seit dem Jahre 2004 ist, den Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV) mit den Anlagen A und B, den Tarifvertrag über eine Zuwendung und den Vergütungstarifvertrag Nr. 1. Der betriebliche Geltungsbereich der Tarifverträge wurde – in teilweise voneinander abweichenden Formulierungen – auf die in der Anlage A zum MTV auf die im Einzelnen aufgeführten 21 zum Konzern der Pro Seniore AG gehörenden Seniorenheimbetriebsgesellschaften mit insgesamt ebenfalls aufgeführten 96 “Residenzen” (Einrichtungen) erstreckt. Eine der Betriebsgesellschaften ist die Beklagte.
Der Kläger ist seit Beginn seiner Tätigkeit auf den Stationen 4A und 4B in dem Krankenheim in der G… Straße eingesetzt.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2005 hat der Kläger gegenüber der Beklagten für die Zeit ab 1. Januar 2005 eine Vergütung nach der VergGr. Vb Fallgruppe 2 der Anlage B – Krankengymnasten – zum MTV geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, er verrichte überwiegend schwierige Aufgaben iSd. VergGr. VIb Fallgruppe 1 und sei nach dreijähriger Bewährung in die VergGr. Vb Fallgruppe 2 einzugruppieren.
Die Beklagte hat keine Eingruppierung des Klägers in den MTV vorgenommen, sondern die bisherige Vergütung iHv. 1.950,04 Euro weiterbezahlt. Sie hatte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zwar um Zustimmung zur Eingruppierung des Klägers in die VergGr. VIb gebeten. Nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert hatte, hat sie die Eingruppierung jedoch nicht weiterverfolgt.
Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst sein Ziel der Eingruppierung in die VergGr. Vb Fallgruppe 2 weiterverfolgt und die Bezahlung der Differenzbeträge für die Zeit seit dem 1. Januar 2005 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, er habe im Rahmen seiner physiotherapeutischen Tätigkeit, welche unstreitig mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit ausmacht, ausschließlich schwierige krankengymnastische Behandlungen im Sinne der VergGr. VIb Fallgruppe 1 vorzunehmen. Er habe sich bezüglich der Erfüllung dieser schwierigen Aufgaben auch über drei Jahre hinweg bewährt, da er nie eine Ermahnung oder Abmahnung erhalten habe. Bei der Station 4A handele es sich ausweislich einer Bescheinigung der ärztlichen Leitung vom 30. August 2005 um die gerontopsychiatrische Station. Die Patienten dieser Station befänden sich überwiegend im Greisenalter und wiesen ua. die Krankheitsbilder Parkinson, Multiple Sklerose, ataktische Störungen, Korsakow-Syndrom, Alzheimer, Tetraparesen, hirnorganische Psychodrome sowie Chorea-Huntington auf oder litten unter den Folgen von Schlaganfällen. Die Station 4A sei als selbständige Einheit innerhalb des Krankenheims als “Geriatrie” iSd. VergGr. VIb Fallgruppe 1 anzusehen. Die Patienten könnten auf Grund ihrer Erkrankungen die Anweisungen des Therapeuten gar nicht oder nur teilweise umsetzen. Es sei ein besonders hoher Krafteinsatz erforderlich, da der Krankengymnast den größten Teil der Therapie übernehmen müsse. Dies gelte auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass die Therapiemaßnahmen in der Regel zusammen mit einem zweiten Therapeuten ausgeführt werden. Die gesamte Muskulatur der Patienten weise eine ausgesprochen hohe Spastizität auf. Dies bedeute schwere Arbeit für beide Therapeuten. Er betreue auf der Station 4A acht Patienten, deren Behandlung im Wesentlichen in Gangschule, Ergometer-Training, Bewegungs- und Kontrakturübungen bestehe und einen wöchentlichen Zeitaufwand von rund 12 Stunden erfordere. Bei der Station 4B handele es sich um die Wachkomastation. Bei der Behandlung der Wachkomapatienten sei ein maximaler Kraftaufwand erforderlich, weil die gesamte Eigenschwere des Patienten übernommen werden müsse. Der muskuläre Widerstand sei extrem hoch. Die Patienten könnten bei der Behandlung nicht selbst mitwirken. Die Belastung sei daher auch für zwei Physiotherapeuten sehr hoch. Auch die Atemtherapie sei bei den Wachkomapatienten sehr schwierig. Der Patient werde in Seitenlage, Bauchlage und sitzend auf der Bettkante behandelt, um mit Hilfe manueller Grifftechniken die Ein- und Ausatmung des Patienten zu forcieren. Auf der Station 4B seien ursprünglich acht, seit Juni 2006 neun Patienten in Behandlung, mit denen in insgesamt rund 23 Wochenstunden Atemtherapien und Bewegungsübungen zu absolvieren seien. Die Arbeit in beiden Stationen sei nicht nur körperlich besonders belastend, sondern auch psychisch. Da nach § 12b Ziff. 3 MTV jeweils zwei Jahre der Beschäftigungszeit eine Stufensteigerung in der Vergütungstabelle bewirkten, sei er unter Berücksichtigung der Zeit seit dem 1. Januar 1999 in die “Betriebszugehörigkeitsstufe” 4 eingereiht. Ihm stehe daher eine Grundvergütung iHv. 1.593,98 Euro, ein Ortszuschlag gem. § 12c MTV iHv. 699,83 Euro, eine allgemeine Zulage iHv. 114,60 Euro sowie eine monatliche Zuwendung iHv. 124,73 Euro zu. Daraus ergebe sich ein Bruttogehalt iHv. 2.533,14 Euro. Die Differenz zu den bezahlten 1.950,04 Euro brutto belaufe sich somit auf 583,10 Euro.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.329,60 Euro brutto zu zahlen nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 583,10 Euro seit dem 6. Februar, 6. März, 7. April, 7. Mai, 7. Juni, 7. Juli, 6. August, 7. September, 10. Oktober, 7. November und 7. Dezember 2005 sowie seit dem 6. Januar, 7. Februar, 7. März, 7. April und 8. Mai 2006;
2. festzustellen, dass der Kläger seit dem 1. Januar 2005 nach der VergGr. Vb der Anlage B zum Manteltarifvertrag (MTV) zwischen der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft vom 24. September 2004 zu vergüten ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat den Standpunkt eingenommen, der Manteltarifvertrag sei noch nicht “umsetzbar”; zwischen den Tarifvertragsparteien fänden derzeit noch Nachverhandlungen gem. § 26a MTV statt. Nach Abschluss der Nachverhandlungen sei vor einer Eingruppierung des Klägers noch die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG durchzuführen. Soweit bereits ein Antrag gem. § 99 BetrVG mit einer vorgesehenen Eingruppierung in die VergGr. VIb erfolgt sei, habe es sich lediglich um eine vorläufige Eingruppierung durch die Beklagte im Rahmen einer “Masseneingruppierung” ohne Rechtsbindungswillen gegenüber dem Kläger gehandelt. Zudem habe sich die Mitteilung des Betriebsrats auf die Angabe der VergGr. VIb beschränkt, welche für Krankengymnasten zwei Fallgruppen enthalte, von denen nur eine (Fallgruppe 1) das Tätigkeitsmerkmal der schwierigen Aufgaben in nicht unerheblichem Umfang enthalte. Darüber hinaus könne sich der Kläger auch nicht darauf berufen, “in der Psychiatrie oder Geriatrie” entsprechend der VergGr. VIb Fallgruppe 1 tätig zu sein. Die Beklagte betreibe kein Krankenhaus, sondern ein Altenpflegeheim mit einer ärztlichen Abteilung nach einem speziellen Pflegekonzept. Es gebe keine Abteilungen “Psychiatrie” oder “Geriatrie”. Ziel der Einrichtung sei es ausschließlich, die Patienten im Rahmen des Möglichen zu mobilisieren, um weitere Folgeerkrankungen zu verhindern. Schwierige krankengymnastische Übungen seien hierzu in der Regel nicht erforderlich und vom Kläger auch nicht dargelegt. Maßgebend sei nicht die Schwere der Erkrankung des Patienten, sondern die Schwierigkeit der krankengymnastischen Tätigkeit am Patienten. Die von dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag ausgeübten Tätigkeiten (Gangschule, Ergometer-Training, Bewegungsübungen, Kontrakturbehandlung und Atemtherapie) könnten nicht als schwierige Tätigkeiten angesehen werden. Zudem würde sowohl die körperliche als auch die psychische Belastung durch die Ausübung der Behandlung durch zwei Personen erheblich reduziert. Bei den Atemübungen sei ein aktives Eingreifen des Therapeuten nicht erforderlich, da unter Verwendung von Hilfsmitteln wie beispielsweise Vibratoren die Muskulatur gelockert und entspannt werde, um so die Atmung zu erleichtern. Berücksichtige man die zusammen mit einem zweiten Mitarbeiter durchgeführten Therapiemaßnahmen “zur Hälfte” und bringe die Atemtherapie in Abzug, so könne die Tätigkeit des Klägers im Monat Mai 2006 allenfalls zu 23,40 % und im Monat Juni 2006 zu 27,25 % als schwierig eingestuft werden. Ein Bewährungsaufstieg in die VergGr. Vb Fallgruppe 2 komme schon deshalb nicht in Betracht da bei der Bemessung der Bewährungszeit Zeiten vor Inkrafttreten des TV außer Betracht zu bleiben hätten.
Das Arbeitsgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen festgestellt, dass der Kläger in die VergGr. Vc der Anlage B zum Manteltarifvertrag eingruppiert sei und die Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Differenzvergütung von 445,60 Euro für die Monate Januar bis einschließlich Juli 2005 in der Gesamthöhe von 3.119,20 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert. Es hat festgestellt, dass der Kläger nur in die VergGr. VIb eingruppiert sei und die Beklagte zur Zahlung einer Differenzvergütung in Höhe von 337,92 Euro brutto monatlich für die Zeit von Januar 2005 bis April 2006 verurteilt.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger zunächst sein Ziel der Eingruppierung in die VergGr. Vb Fallgruppe 2 sowie die Zahlung der entsprechenden Differenzvergütungsansprüche weiterverfolgt. Er hat dann jedoch mit Schriftsatz vom 29. Januar 2008 nur noch eine Eingruppierung in VergGr. Vc Fallgruppe 1 und die dem entsprechende Differenzvergütung von 445,60 Euro monatlich verlangt und nicht mehr daran festgehalten, er sei im Wege des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. Vb Fallgruppe 2 eingruppiert, da der Senat bereits entschieden habe, dass Bewährungszeiten erst ab dem 1. Januar 2005 zu berücksichtigen seien. Hilfsweise sei die Eingruppierung in die VergGr. VIb Fallgruppe 1 festzustellen. Die Beklagte hatte zunächst selbst Revision eingelegt, diese jedoch mit Schriftsatz vom 11. Januar 2008 zurückgenommen. Sie beantragt nur noch die Zurückweisung der Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist in dem nach ihrer Teilrücknahme verbliebenen Umfang begründet. Der Kläger ist jedenfalls in die Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 der Anlage B zum MTV – Krankengymnasten – eingruppiert. Er erfüllt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Voraussetzungen dieses Tätigkeitsmerkmals und nicht lediglich die der Vergütungsgruppe VIb der Anlage B zum MTV – Krankengymnasten –. Das dem für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2005 entsprechende Urteil des Arbeitsgerichts war deshalb auf die Revision des Klägers hin wiederherzustellen. Darüber hinaus hat der Kläger über die ihm auf seine Anschlussberufung hin vom Landesarbeitsgericht – nach der Rücknahme der Revision durch die Beklagte – rechtskräftig zuerkannte Vergütungsdifferenz zwischen der ihm gezahlten Vergütung und der Vergütung nach VergGr. VIb für die Zeit von August 2005 bis April 2006 hinaus auch Anspruch auf die Vergütungsdifferenz zwischen den Vergütungsgruppen VIb und Vc im Umfang von insgesamt 969,12 Euro nebst Zinsen.
I. Der Vergütungsanspruch des Klägers richtet sich nach dem MTV vom 24. September 2004.
1. Der Kläger ist als Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di, die Beklagte als von der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG vertretene Tarifvertragspartei des MTV nach § 3 Abs. 1 TVG an diesen Tarifvertrag gebunden (Senat 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – Rn. 24 ff.).
2. Der MTV ist auch – soweit es um seine Vergütungsregelungen geht (§ 27 Ziff. 2 MTV) – seit dem 1. Januar 2005 in Kraft und auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar. Die Beklagte verfolgt ihren entgegengesetzten – fern liegenden – Rechtsstandpunkt nach der Rücknahme ihrer Revision und der damit verbundenen Hinnahme der vom Landesarbeitsgericht zu Recht angenommenen Anwendbarkeit des MTV ersichtlich nicht mehr weiter. Das sich ohne weiteres aus § 27 MTV ergebende, vom Abschluss eines den MTV in Bezug nehmenden Arbeitsvertrages durch den Kläger unabhängige Inkrafttreten des MTV auch für den tarifgebundenen Kläger bedarf deshalb keiner näheren Begründung.
II. Der Kläger ist nach der Anlage B – Krankengymnasten – eingruppiert, auch wenn seine Berufsbezeichnung Physiotherapeut lautet.
1. Bei dem Begriff “Krankengymnast” handelt es sich um eine veraltete Berufsbezeichnung. Der Beruf des Krankengymnasten und dessen Ausübung war bis zum 31. Mai 1994 im Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und Medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 (BGBl. I S. 985), zuletzt geändert durch Art. 14 der 5. Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 26. Februar 1993 (BGBl. I S. 278), geregelt. Am 1. Juni 1994 ist das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur und Physiotherapeutengesetz – MPhG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1084) in Kraft getreten. Nach diesem Gesetz wurde die bisherige Berufsbezeichnung “Krankengymnast” durch die Berufsbezeichnung “Physiotherapeut” ersetzt. Gem. § 16 Abs. 4 Satz 1 MPhG dürfen Krankengymnasten, die eine vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilte Erlaubnis besitzen, die Berufsbezeichnung “Krankengymnast” weiterführen.
2. Die Tarifvertragsparteien haben vor diesem Hintergrund erkennbar die veraltete Berufsbezeichnung des Krankengymnasten benutzt um die Tätigkeitsmerkmale für Physiotherapeuten zu beschreiben. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie in der Anlage B zum MTV für die in den Einrichtungen der Pro Seniore Gruppe vielfach beschäftigten Physiotherapeuten keine andere Vergütungsordnung vorgesehen haben. Es zeigt sich darüber hinaus auch an dem Vergleich mit den Vorschriften des BAT, an den sich die Anlage B – Krankengymnasten – in einer Reihe von Formulierungen erkennbar anlehnt. Auch die Regelungen der Anlage 1a zum BAT kennen nur die Berufsbezeichnung des Krankengymnasten. Insoweit entspricht es aber langjähriger Senatsrechtsprechung, dass die Tätigkeitsmerkmale für Krankengymnasten bis zur Anpassung des Wortlauts des Tarifvertrages auch auf Physiotherapeuten anzuwenden sind (22. Juli 1998 – 4 AZR 433/97 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 253).
III. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen einer Eingruppierung in Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 der Anlage B – Krankengymnasten – zum MTV.
1. Die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Bestimmung der Vergütung des Klägers anzuwendenden Vorschriften lauten:
Ҥ 12 MTV
Eingruppierung
1. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage B). Der Arbeitnehmer erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in die er eingruppiert ist.
2. Der Arbeitnehmer ist in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.
Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen.
Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen.
Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Unterabsatz 2 Satz 1 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung.
Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Unterabsatz 2 oder 3 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses.
Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Arbeitnehmers bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.”
Die in § 12 Ziff. 1 MTV in Bezug genommene Anlage B lautet im hier interessierenden Zusammenhang:
“Anlage B zum Manteltarifvertrag vom 24.09.2004
Krankengymnasten …
Vergütungsgruppe Vb
1. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit, denen mindestens zwei Krankengymnasten oder Angestellte in der Tätigkeit von Krankengymnasten durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind.
2. Krankengymnasten in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 nach dreijähriger Bewährung in einer dieser Tätigkeiten.
Vergütungsgruppe Vc
1. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit nach sechsmonatiger Berufsausübung nach erlangter staatlicher Erlaubnis, die überwiegend schwierige Aufgaben im Sinne der Vergütungsgruppe VIb Fallgruppe 1 erfüllen.
2. Krankengymnasten in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe VIb Fallgruppe 1 nach zweijähriger Bewährung in dieser Tätigkeit.
Vergütungsgruppe VIb
1. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit, die in nicht unerheblichem Umfange schwierige Aufgaben erfüllen. (Schwierige Aufgaben sind z. B. Krankengymnastik nach Lungen- oder Herzoperationen, nach Herzinfarkten, bei Querschnittslähmungen, in Kinderlähmungsfällen, mit spastisch Gelähmten, in Fällen von Dysmelien, nach Verbrennungen, in der Psychiatrie oder Geriatrie, nach Einsatz von Endoprothesen.)
(Hierzu Protokollnotiz Nr. 1, welche wie folgt lautet:
Der Umfang der schwierigen Aufgaben bzw. der Tätigkeiten ist nicht mehr unerheblich, wenn er etwa ein Viertel der gesamten Tätigkeit ausmacht.)
2. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit nach sechsmonatiger Berufsausübung nach erlangter staatlicher Erlaubnis.”
2. Es steht außer Streit, dass der Kläger die Voraussetzungen einer Eingruppierung in die Ausgangsvergütungsgruppe VIb Fallgruppe 2 erfüllt. Er ist unstreitig weit länger als sechs Monate als staatlich anerkannter Physiotherapeut tätig. Er erfüllt aber auch entgegen der Auffassung der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts durch seine Behandlung der Patienten auf den Stationen 4A und 4B mit mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit, also “überwiegend” “schwierige Aufgaben” iSd. Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 iVm. VIb Fallgruppe 1 der Anlage B zum MTV.
a) In seinem Urteil vom 14. Januar 2004 (– 4 AZR 1/03 – AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 10) hat sich der Senat bereits mit dem Tatbestandsmerkmal der “schwierigen Aufgabe” bei krankengymnastischen Behandlungen im Rahmen der mit der vorliegenden Regelung wortgleichen Vergütungsgruppe 5 Fallgruppe 7 der Vergütungsordnung AV der Anlage 1a zu § 22 BAT/AOK befasst.
Danach ist bei der tariflichen Bewertung davon auszugehen, dass die krankengymnastische Behandlung von Patienten, bei der es sich um eine schwierige Aufgabe im tariflichen Sinne handelt, ebenso einen eigenen Arbeitsvorgang darstellt wie die “normale” krankengymnastische Behandlung von Patienten. Maßgebend hierfür ist der von der Senatsrechtsprechung konkretisierte Begriff des Arbeitsvorganges. Hierunter ist die unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und tariflich selbständig bewertbare Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (29. Januar 1986 – 4 AZR 465/84 – BAGE 51, 59, 65 mwN). Bei der Prüfung, welche Arbeitsvorgänge in einer Tätigkeit anfallen, kommt es entscheidend auf die jeweiligen Arbeitsergebnisse an (24. August 1983 – 4 AZR 302/83 – BAGE 43, 250). Die Gesamttätigkeit des Angestellten kann im tariflichen Sinne auch nur einen Arbeitsvorgang bilden, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 101). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten von unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit dürfen aber nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 172, zu III 2a der Gründe).
Hiervon ausgehend handelt es sich bei der krankengymnastischen Behandlung von Patienten um einen gegenüber der krankengymnastischen Behandlung ohne gehobenen Schwierigkeitsgrad abgrenzbaren eigenen Arbeitsvorgang, wenn mit ihr eine schwierige Aufgabe im Sinne der tariflichen Regelung und der dort aufgeführten Tätigkeitsbeispiele erfüllt wird. Die beiden Tätigkeiten haben eine unterschiedliche tarifliche Wertigkeit und führen zu eigenständigen Arbeitsergebnissen. Die schwierige krankengymnastische Behandlung ist auch tatsächlich von der sonstigen krankengymnastischen Behandlung trennbar, weil es nach den tariflich aufgeführten Tätigkeitsbeispielen auf Umstände ankommt, die in der Regel vor Beginn der krankengymnastischen Behandlung feststehen und erkennbar sind. Für die Bewertung der schwierigen krankengymnastischen Behandlung als eigener Arbeitsvorgang spricht auch, dass die von den Tarifvertragsparteien aufgeführten Tätigkeitsbeispiele auf die Behandlungen von Patienten mit bestimmten Diagnosen abstellen und die Eingruppierung davon abhängt, in welchem zeitlichen Umfang solche schwierigen Aufgaben erfüllt werden (Senat 14. Januar 2004 – 4 AZR 1/03 – AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 10).
Die im Tätigkeitsmerkmal der VergGr. VIb Fallgruppe 1 der Anlage B zum MTV aufgeführten Tätigkeitsbeispiele für schwierige Aufgaben betreffen zum einen die Gruppe der Nachbehandlungen nach Lungen- oder Herzoperationen, nach Herzinfarkten, nach Verbrennungen und nach dem Einsatz von Endoprothesen. Bei diesen Tätigkeitsbeispielen ist entscheidend, dass sich aus der vorangegangenen Operation oder Erkrankung die besondere Schwierigkeit der Behandlung ergibt, was in der Regel nur bei einer direkten Anschlussbehandlung in zeitlicher Nähe zu der Operation oder Erkrankung der Fall sein wird. Bei der weiteren Gruppe der Tätigkeitsbeispiele, die auf bestimmte Arten von Dauererkrankungen abstellen (Querschnittslähmung, Kinderlähmung, spastische Lähmung und Dysmelien), wird von den Tarifvertragsparteien offenbar angenommen, dass bei Vorliegen dieser Erkrankungen die krankengymnastische Behandlung eine schwierige Aufgabe ist. Hinsichtlich der letzten Gruppe der Tätigkeitsbeispiele “in der Psychiatrie” und “in der Geriatrie” wird nicht auf konkrete psychiatrische oder geriatrische Erkrankungen abgestellt. Es ist davon auszugehen, dass damit die Behandlung von Patienten in psychiatrischen Einrichtungen gemeint ist. Auch insoweit wird von den Tarifvertragsparteien offenbar zu Grunde gelegt, dass die krankengymnastische Behandlung von Patienten, die sich in einer psychiatrischen oder geriatrischen Einrichtung befinden, wegen der Besonderheit dieser Patienten eine schwierige Aufgabe ist. Das schließt zwar nicht aus, dass auch die Behandlung von Patienten mit psychiatrischen oder geriatrischen Erkrankungen außerhalb von psychiatrischen oder geriatrischen Einrichtungen schwierige Aufgaben im tariflichen Sinne sein können. Der Katalog der Tätigkeitsbeispiele ist, wie sich aus der einleitenden Formulierung “z. B.” ergibt, nicht abschließend. Für die Annahme “schwieriger Aufgaben” bedarf es dann aber der konkreten Darlegung, inwieweit die jeweilige psychiatrische oder geriatrische Erkrankung die krankengymnastische Behandlung besonders schwierig macht (Senat 14. Januar 2004 – 4 AZR 1/03 – AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 10).
b) Von diesen Grundsätzen ist auch im Geltungsbereich des MTV auszugehen. Er knüpft sowohl, was das Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 angeht, als auch bei den allgemeinen Eingruppierungsregelungen in § 12 MTV an die Bestimmungen des BAT und der ihn ergänzenden Spezialtarifverträge an. Der Kläger ist nach diesen Maßstäben in die Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 eingruppiert. Weit mehr als 50 % seiner Arbeitszeit, nämlich seine gesamte Behandlungstätigkeit in den Stationen 4A und 4B des Krankenheims G… Straße machen Arbeitsvorgänge aus, bei denen schwierige Aufgaben für einen Physiotherapeuten/Krankengymnasten anfallen. Dafür ist es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ohne rechtliche Bedeutung, dass der Kläger seine Behandlungen mit einem weiteren Physiotherapeuten durchführt.
aa) Bei dem tariflichen Begriff der “schwierigen Aufgabe” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Wegen dieser Unbestimmtheit ist den Tatsachengerichten ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Subsumtion einzuräumen. Das Revisionsgericht kann die Anwendung solcher unbestimmter Rechtsbegriffe nur daraufhin überprüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es den zutreffenden Begriffsinhalt bei der Subsumtion wieder verlassen hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat. Schließlich kann es prüfen, ob das Urteil insoweit in sich widerspruchsfrei ist (Senat 11. Mai 2005 – 4 AZR 386/04 – EzBAT BAT §§ 22, 23 Q VergGr. Vc Nr. 1; Senat 6. August 2003 – 4 AZR 451/02 – AP BMT-G-O § 20 Nr. 1).
bb) Das angefochtene Urteil hält auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand, weil es den unbestimmten Rechtsbegriff der “schwierigen Aufgabe” verkannt hat. Es kommt für die Bestimmung des Schwierigkeitsgrades – nicht des Schweregrades – der Aufgabe eines Physiotherapeuten nicht darauf an, ob die Behandlung von einem Physiotherapeuten allein oder zusammen mit einem zweiten Arbeitnehmer erfolgt.
Richtig ist zwar, dass die tarifliche Bewertung einer Tätigkeit stets an der Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmers anknüpft. Maßgeblich ist die Beurteilung der einzelnen Arbeitsvorgänge im dargestellten Sinne. Dabei kann aber ohne einen Anhaltspunkt im Tarifwortlaut nicht unterstellt werden, dass die Schwierigkeit der Aufgabe der Behandlung bestimmter Patienten im Sinne der tariflichen Wertigkeit allein dadurch reduziert wird, dass ein zweiter Arbeitnehmer bei der Behandlung mitwirkt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Schwierigkeit allein oder im ganz Wesentlichen darin begründet wäre, dass bei der Behandlung typischerweise ein bestimmter Kraftaufwand erforderlich ist, welcher erheblich durch die Mithilfe eines zweiten Therapeuten reduziert wird. Dann könnte eine “mechanische Entlastung” die Schwierigkeit entfallen lassen. Davon sind die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Tätigkeitsmerkmale für Physiotherapeuten/Krankengymnasten aber erkennbar nicht ausgegangen. Die Schwierigkeit der Aufgabe iSd. VergGr. VIb Fallgruppe 1 beruht nicht allein oder im Wesentlichen auf der körperlichen Belastung des Physiotherapeuten. Dies zeigen die von den Tarifvertragsparteien gewählten Tätigkeitsbeispiele. Soweit auf die Schwierigkeit der Behandlung vorangegangener Operationen abgestellt wird, kommt es ersichtlich nicht auf den Kraftaufwand, sondern auf die besondere Komplexität der Behandlung an. Nach Operationen oder nach Herzinfarkten bestehen ein gesteigertes Risiko, eine erhöhte Empfindlichkeit und ein schwächerer Allgemeinzustand. Es handelt sich um Ausnahmesituationen, welche in besonderem Maße Präzision und Fingerspitzengefühl des Therapeuten erfordern. Bei den angeführten Dauererkrankungen sind deren Besonderheiten therapeutisch zu beachten. Bei Behandlungen “in der Psychiatrie oder Geriatrie” macht die spezifische Konstitution der Patienten, sei es auf Grund des psychischen oder altersbedingten Zustandes, die Behandlung schwierig. Gerade bei einem älteren Menschen mit einem altersbedingt geschwächten körperlichen Zustand oder einer eingeschränkten Wahrnehmungs- oder Merkfähigkeit ist eine besondere Sensibilität des Therapeuten erforderlich. In allen diesen Fällen können die besonderen Anforderungen, welche die von den Tarifvertragsparteien als solche qualifizierten schwierigen Aufgaben ausmachen, für den einzelnen Therapeuten bei der von ihm verrichteten Tätigkeit unabhängig davon bestehen, ob er die Behandlung nun allein oder mit einem weiteren Therapeuten durchführt.
cc) Der Senat kann über die Eingruppierungsklage ohne weitere Sachaufklärung entscheiden, auch wenn das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen zu den Behandlungen der einzelnen Patienten auf den Stationen 4A und 4B getroffen hat. Auf der Grundlage des unstreitigen Tatbestandes steht fest, dass der Kläger dort schwierige Aufgaben iSd. VergGr. Vc Fallgruppe 1 iVm. VIb Fallgruppe 1 schon deshalb erfüllt, weil die tariflichen Tätigkeitsbeispiele für die sich daraus ergebende Eingruppierung vorliegen.
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines oder mehrere der von den Tarifvertragsparteien angeführten Tätigkeitsbeispiele erfüllt wird, grundsätzlich auch das Tatbestandsmerkmal des Oberbegriffs erfüllt, es sei denn, die Tarifvertragsparteien hätten einen anderen Willen zum Ausdruck gebracht, wofür es vorliegend keine Anhaltpunkte gibt. Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann aber dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispieltatbestände aus zu erfolgen hat; mit den Beispielen geben die Tarifvertragsparteien Maß und Bedeutung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vor (30. September 1998 – 4 AZR 539/97 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 257; 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 29).
(2) Mit seinen Behandlungstätigkeiten in den Stationen 4A und 4B erfüllt der Kläger Tätigkeitsbeispiele für “schwierige Aufgaben” für Physiotherapeuten iSd. der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 iVm. Vergütungsgruppe VIb Fallgruppe 1. Da es sich insoweit um seine ganz wesentlichen, weit überwiegend wahrzunehmenden Aufgaben handelt, ist er entsprechend eingruppiert.
(a) Die Behandlung der Patienten auf der Station 4A entspricht dem Tätigkeitsbeispiel der Tätigkeit eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten “in der Psychiatrie oder Geriatrie”. Bei der Station 4A handelt es sich eine geriatrische Einrichtung im Sinne des Tätigkeitsbeispiels.
Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass für Krankengymnasten die Behandlung von Patienten, die sich in einer geriatrischen Einrichtung befinden, eine schwierige Aufgabe ist. Eine geriatrische Einrichtung besteht dann, wenn Patienten in einer abgrenzbaren Organisationseinheit behandelt werden, die sich nach einer entsprechenden Aufgabenstellung im Schwerpunkt mit der Behandlung geriatrischer Erkrankungen befasst. Die Station 4A ist eine solche – organisatorisch abgegrenzte – geriatrische Einrichtung, auch wenn es sich bei dem Krankenheim in der G… Straße nicht insgesamt um eine geriatrische Einrichtung handeln mag, weil dort jüngere Patienten mit anderen Krankheitsbildern behandelt werden.
Mit dem Begriff der “Geriatrie” haben die Tarifvertragsparteien auf die medizinisch-fachlich gebräuchliche Begriffsbestimmung Bezug genommen. Darunter versteht man (Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 261. Aufl. S. 679 “Geriatrie”; Duden Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke 6. Aufl. “Geriatrie”, “Gerontologie”) die Altersheilkunde als Lehre von den Erkrankungen des alten Menschen; es handelt sich um ein fächerübergreifendes Gebiet der Medizin, das sich mit der Erkenntnis und Behandlung regelwidriger Körper- oder Geisteszustände unter besonderer Berücksichtigung der mit dem Altern einhergehenden funktionellen Wandlungen des Körpers befasst.
Auf der Station 4A werden unstreitig ältere Menschen behandelt. Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der ärztlichen Leitung vom 30. August 2005, der die Beklagte inhaltlich nicht entgegengetreten ist, bezeichnet die Station 4A als “gerontopsychiatrische” und damit geriatrische Station. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Rahmen eines Rechtsstreits um eine Pflegezulage entschieden, dass sich aus der Definition und der Verwendung der Begriffe “Geriatrie, Gerontologie und Gerontopsychiatrie” keine scharfen Begriffstrennungen ergeben. Im Gegenteil verweisen die Begriffsbestimmungen aufeinander, teilweise werden sie sogar synonym verwendet (21. Mai 2003 – 10 AZR 475/02 – EzBAT BAT-L §§ 22, 23 Zulage für die Pflege bestimmter Patienten Nr. 13).
Da die Station 4A als geriatrische Einrichtung anzusehen ist, kommt es nicht darauf an, welche Krankheitsbilder die einzelnen Patienten auf der Station 4A aufweisen und welche Behandlungen der Kläger an ihnen vornimmt. Die Tarifvertragsparteien stellen mit dem Tätigkeitsbeispiel der Krankengymnastik “in der Psychiatrie oder Geriatrie” nicht auf die Behandlung bestimmter geriatrischer Erkrankungen ab. Auch ein Wechsel der vom Kläger innerhalb der geriatrischen Einrichtung behandelten Patienten ist deshalb ohne Bedeutung.
(b) Die Tätigkeit des Klägers auf der Station 4B entspricht den Tätigkeitsbeispielen der krankengymnastischen Behandlung “bei Querschnittslähmungen, in Kinderlähmungsfällen oder mit spastisch Gelähmten”.
Hier geht es um eine Gruppe von Tätigkeitsbeispielen, die auf bestimmte Arten von Dauererkrankungen abstellen. Ihnen ist gemeinsam, dass es sich um Lähmungserkrankungen handelt. Unter einer Lähmung wird die Minderung oder der Ausfall der Funktionen eines Körperteils oder Organsystems verstanden, im engeren neurologischen Sinne handelt es sich um eine Minderung oder den Ausfall der motorischen oder sensiblen Funktionen eines Nervs mit Bewegungseinschränkung oder Bewegungsunfähigkeit. Dabei sind zentrale und periphere Lähmungen zu unterscheiden (Pschyrembel S. 1055 “Lähmung”; vgl auch BAG 17. März 2004 – 10 AZR 317/03 – EzBAT BAT-L §§ 22, 23 Zulage für die Pflege bestimmter Patienten Nr. 17).
In einem Rechtsstreit um eine Pflegezulage hat das Bundesarbeitsgericht die Protokollerklärung Nr. 1 zur Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst in der Anlage 1b zum BAT, was den Begriff “gelähmte Patienten” angeht, dahin ausgelegt, dass darunter auch solche Patienten zu verstehen seien, die medikamentös in ein künstliches Koma versetzt worden seien (23. Februar 2000 – 10 AZR 91/99 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 27). Der Begriff “gelähmte Patienten” umfasse sämtliche Formen der Lähmung unabhängig von deren Grund und Dauer. Es sei auch gleichgültig, ob der Patient bei Bewusstsein sei oder nicht (ebenso 17. März 2004 – 10 AZR 317/03 – EzBAT BAT-L §§ 22, 23 Zulage für die Pflege bestimmter Patienten Nr. 17).
Diese Rechtsprechung des Zehnten Senats zur Pflegezulage ist auch für die Beurteilung der “schwierigen Aufgaben” iSd. VergGr. Vc Fallgruppe 1/VIb Fallgruppe 1 der Anlage B zum MTV heranzuziehen. Danach sind auch Komapatienten als gelähmte Patienten anzusehen, deren physiotherapeutische Behandlung eine “schwierige Aufgabe” darstellt.
Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rüge durch die Beklagte festgestellt, dass es sich bei der Station 4B um eine Wachkomastation handelt, auf der überwiegend Patienten mit apallischem Syndrom liegen. Bei dem apallischen Syndrom handelt es sich um die Gesamtbezeichnung für die bei Ausfall der Funktionen des Gehirnmantels entstehenden Krankheitssymptome. Eine Bewusstseinstrübung fehlt, doch sind die Großhirnleistungen blockiert mit der Folge von Hilflosigkeit und Kontaktverlust. Die Patienten liegen wach mit offenen Augen da, der Blick starr geradeaus gerichtet oder ohne Fixationspunkt verständnislos hin und her wandernd. Ansprechen, Anfassen, Vorhalten von Gegenständen erwecken keine sinnvolle Reaktion. Unbequeme Körperhaltungen werden oftmals beibehalten. Die Kranken sind unfähig zu sprechen, zu erkennen oder sinnvolle Handlungsformen erlernter Art auszuführen (Leiber Die klinischen Syndrome Bd. 1 8. Aufl. – apallisches Syndrom). Es wird auch als “Wachkoma” bezeichnet (Pschyrembel S. 1869 “Syndrom, apallisches”).
Das apallische Syndrom steht den in der VergGr. Vc Fallgruppe 1 iVm. VIb Fallgruppe 1 genannten Beispielen von gelähmten Patienten gleich. Der Wachkomapatient ist gelähmt. Es handelt sich um einen besonders komplexen Fall der Lähmung. Die Wachkomapatienten bedürfen ebenso wie Patienten mit den angeführten Lähmungserkrankungen einer besonders sorgfältigen, spezifischen Behandlung, die keinen geringeren Schwierigkeitsgrad aufweist und deshalb den in den Tätigkeitsbeispielen ausdrücklich angesprochenen Krankheitsbildern gleichsteht. Das stark eingeschränkte Bewusstsein der Patienten steht einer solchen Einschätzung nicht entgegen. Dieser Umstand verstärkt vielmehr sogar die Schwierigkeit der physiotherapeutischen Behandlung. Die Patienten können auf die Behandlung nicht reagieren, weshalb sie besonders sensibel durchgeführt werden muss. Die Schwierigkeit der Behandlung liegt zudem auch darin, dass Wachkomapatienten in besonderer Weise unter Muskelkrämpfen leiden.
3. Ohne Bedeutung für die vom Kläger angestrebte Eingruppierung und den sich daraus ergebenden Entgeltanspruch ist der Umstand, dass das Verfahren der Mitbestimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Klägers nach § 99 BetrVG nicht abgeschlossen worden ist. Der tarifliche Lohnanspruch besteht unabhängig von der Erfüllung des Beteiligungsrechts des Betriebsrats (Fitting BetrVG 24. Aufl. § 99 Rn. 101). Die Eingruppierung ist ein Beurteilungsakt. Dementsprechend ist auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kein Mitgestaltungsrecht, sondern nur ein Mitbeurteilungsrecht (BAG 3. Mai 1994 – 1 ABR 58/93 – BAGE 77, 1, 6; 28. April 1998 – 1 ABR 50/97 – BAGE 88, 309, 312).
IV. Ebenso wie hiernach der Feststellungsantrag begründet ist, kann der Kläger auch die Zahlung der in der Revisionsinstanz allein noch verfolgten Differenzvergütungen verlangen. Bei einer Eingruppierung in Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 steht dem Kläger eine monatliche Bruttovergütung iHv. 2.395,64 Euro zu. Da die Beklagte dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum nur eine Vergütung iHv. 1.950,04 Euro brutto bezahlt hat, besteht eine noch auszugleichende Differenz iHv. 445,60 Euro brutto monatlich, die wie beantragt zu verzinsen ist.
Die tarifliche Vergütung des Klägers setzt sich aus der Grundvergütung, dem Ortszuschlag und der allgemeinen Zulage zusammen. Hinzu kommt eine monatliche Zuwendung iHv. 124,73 Euro brutto, welche weder dem Grunde noch der Höhe nach zwischen den Parteien streitig ist.
1. Die Grundvergütung ist gem. §§ 12b, 13 Nr. 2 MTV iVm. § 2 Abs. 1 des Vergütungstarifvertrages (VTV) Nr. 1 vom 24. September 2004 zu entrichten. Gem. § 12b Abs. 3 MTV erhält der Angestellte nach je zwei Beschäftigungsjahren bis zum Erreichen der Endgrundvergütung die Grundvergütung der nächsthöheren Stufe seiner Vergütungsgruppe. Die Höhe der Grundvergütung ergibt sich aus der in § 13 Nr. 2 MTV und § 2 Abs. 1 VTV in Bezug genommenen Anlage 1 zum VTV. Hinsichtlich der VergGr. Vc weist diese Vergütungstabelle für die Betriebszugehörigkeitsstufe 4 einen Betrag iHv. 1.497,87 Euro brutto aus. Der Kläger hat die Betriebszugehörigkeitsstufe 4 mit dem 1. Januar 2005 erreicht, da er seit dem 1. Januar 1999 bei der Beklagten tätig ist. Mit dem 1. Januar 2005 begann sein siebtes Jahr der Betriebszugehörigkeit.
2. Der gem. § 12c MTV zu entrichtende Ortszuschlag bestimmt sich gem. § 2 Abs. 3 VTV nach der Anlage 3 zum VTV. Demnach steht dem Kläger nach der Tarifklasse II ein Ortszuschlag der Stufe 3 iHv. 665,60 Euro brutto zu. Er ist unstreitig verheiratet und hat ein Kind.
3. Die Höhe der allgemeinen Zulage ergibt sich gem. § 2 Abs. 4 VTV aus dessen Anlage 4. Für die VergGr. Vc beläuft sie sich auf 107,44 Euro brutto monatlich.
4. Dem Kläger steht damit aus dem Tarifwerk der Pro Seniore Gruppe seit Januar 2005 eine Gesamtvergütung von 2.270,91 Euro brutto zu. Hinzu kommt die unstreitige monatliche Zuwendung iHv. 124,73 Euro brutto, somit insgesamt 2.395,64 Euro brutto. Daraus ergibt sich zu den von der Beklagten monatlich gezahlten 1.950,04 Euro brutto eine Differenz von 445,60 Euro brutto. Diesen Betrag schuldet die Beklagte nach der Klageerweiterung im Berufungsverfahren für die Monate Januar 2005 bis einschließlich April 2006. Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage für die Monate Januar 2005 bis einschließlich Juli 2005 in zutreffender Höhe stattgegeben, indem es die Beklagte zur Zahlung von 3.119,20 Euro brutto verurteilt hat. Da das Landesarbeitsgericht diese Summe ausgehend von der Eingruppierung in die VergGr. VIb auf 2.365,44 Euro brutto reduziert hat, war das weitergehende Urteil des Arbeitgerichts wiederherzustellen. Für die Monate August 2005 bis April 2006 hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte ausgehend von einer Differenz von 337,92 Euro monatlich zwischen Gezahltem und nach Vergütungsgruppe VIb die Beklagte zur Zahlung von weiteren 3.041,28 Euro brutto verurteilt. Da dem Kläger Vergütung nach Vergütungsgruppe Vc zusteht, war die Beklagte über diesen rechtskräftig zuerkannten Betrag hinaus auf die Revision des Klägers hin zur Zahlung von weiteren 969,12 Euro brutto (9 × 107,68 Euro) zu verurteilen.
5. Hinzu kommen Zinsen in gesetzlicher Höhe gem. § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2, § 247 Abs. 1 BGB. Gem. § 13a MTV war die Vergütung spätestens zum fünften Werktag eines jeden Monats für den vergangenen Monat zu bezahlen, so dass Verzug ab dem Folgetag eintrat.
V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 565, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Creutzfeldt, Klotz, Kralle-Engeln
Fundstellen
Haufe-Index 2026599 |
NZA 2008, 1319 |
ZTR 2008, 607 |
AP, 0 |