Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. soziale Auswahl im Konzern
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 22.5.1986 2 AZR 612/85.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 11.11.1983; Aktenzeichen 11 Sa 83/83) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.04.1983; Aktenzeichen 10 Ca 373/82) |
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten zu 1) seit dem 30. September 1974 in deren Berliner Werk in der Schwedenstraße, in dem die Beklagte Tongeräte herstellte, als Elektriker beschäftigt. Die Beklagte reduzierte ihre Belegschaft vom März 1981 zum 31. Dezember 1981 von 1.263 Arbeitnehmern auf 478 Arbeitnehmer. Durch Gesellschaftsvertrag vom 7. Juli 1981 wurde die Firma Telefunken-Video GmbH, deren einzige Gesellschafterin die Beklagte zu 1) war, gegründet. Nach zweimaliger Erhöhung des Stammkapitals durch Gesellschafterbeschluß vom 4. Februar 1982 und 9. Juli 1982 und gleichzeitiger Änderung der Geschäftsanteile durch Eintritt ausländischer Gesellschafter wurde die Firma in die jetzige Bezeichnung der Beklagten zu 2) geändert. Unter dem 16. Oktober 1981 fertigte die Beklagte zu 1) ein Schreiben, das sie insgesamt 431 Arbeitnehmern, zu denen der Kläger nicht gehörte, aushändigte. In diesem Schreiben teilte sie im Hinblick auf die im Laufe des Jahres 1982 erfolgende Stillegung des Betriebes in der Schwedenstraße mit, daß sie einen neuen Arbeitsplatz in ihrer im Aufbau befindlichen Tochtergesellschaft anbieten könne. Alle Arbeitnehmer, die das Schreiben vom 16. Oktober 1981 erhalten hatten und ihr Interesse an einer Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) bekundeten, erhielten von dieser Arbeitsverträge zum 1. Oktober 1982. Die Beklagte zu 1) legte ihren Betrieb in der Schwedenstraße zum 30. September 1982 still. Sie kündigte unter Hinweis auf die Stillegung das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 10. August zum 30. September 1982.
Der Kläger hat vorgetragen, bereits in Verbindung mit den Massenentlassungen, die bei der Beklagten stattgefunden hätten, sei ihm am 18. Mai 1981 gekündigt worden. Diese Kündigung sei durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 14. Mai 1982 für unwirksam erklärt worden. Die Gründe, die die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung des Klägers vom 18. Mai 1981 begründet hätten, existierten nach wie vor. Der Arbeitnehmer J, der in den schriftlichen Urteilsgründen als sozial weniger schutzwürdig aufgeführt sei, arbeite nach wie vor für die Beklagte und habe in der Zwischenzeit aufgrund des Formschreibens vom 16. Oktober 1981 von der Beklagten zu 1) das Angebot erhalten, bei der Telefunken-Video GmbH, jetzige Beklagte zu 2), weiterzuarbeiten und sei im Besitz eines Arbeitsvertrages für die J 2 T Video GmbH Berlin.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des
Klägers durch die Kündigung vom 10. August
1982 nicht aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, daß zwischen dem Kläger und
der Beklagten zu 2) ab dem 1. Oktober 1982
ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen be-
steht, wie sie bis zum 30. September 1982
zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1)
vereinbart waren;
3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger
bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorlie-
genden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen;
hilfsweise:
1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, dem Kläger
kraft ihr von der Telefunken-Video GmbH
- jetzt Beklagte zu 2) - erteilte Vollmacht
die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2)
anzubieten;
2. die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner
zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung
gemäß § 113 BetrVG zu zahlen, deren Höhe gemäß
§§ 9 und 10 KSchG in das Ermessen des Gerichts
gestellt wird, die aber unter Einschluß der dem
Kläger bereits gezahlten Abfindung nach dem So-
zialplan in Höhe von 2.180,-- DM brutto/netto
mindestens 10.000,-- DM betragen soll;
3. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, dem Kläger das
Formschreiben vom 16. Oktober 1981 bezüglich der
Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) aus-
zuhändigen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger zunächst die vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiterverfolgt mit Ausnahme des Hauptantrags Ziffer 3 (vorläufige Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits). Der Fünfte Senat hat das Revisionsverfahren bezüglich des Hauptantrages zu 2. abgetrennt und insoweit durch Urteil vom 22. Mai 1985 die Revision zurückgewiesen. Der Kläger hat den Hilfsantrag Nr. 2 insoweit zurückgenommen, als er sich gegen den Beklagten zu 2) wendet. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten zu 1) sei sozial gerechtfertigt. Es hat ausgeführt, vorliegend sei der Betrieb Schwedenstraße mit Zustimmung des Betriebsrats zum 30. September 1982 stillgelegt worden. Dringende betriebliche Erfordernisse seien in der Regel allerdings nur anzuerkennen, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen freien Arbeitsplatz nicht möglich oder zumutbar sei. Vorliegend habe die Beklagte zu 1) behauptet, keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger zu haben. Dieser habe daraufhin nicht substantiiert dargelegt, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstelle. Soweit der Kläger sich darauf berufe, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger in einem Unternehmen des Konzerns weiterzubeschäftigen, verkenne er die Rechtslage. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht konzernbezogen.
Auch dem ersten Hilfsantrag des Klägers, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihm kraft einer angeblich von der Beklagten zu 2) erteilten Vollmacht die Weiterbeschäftigung bei der Zweitbeklagten anzubieten, müsse der Erfolg versagt bleiben. Bei dem Schreiben der Erstbeklagten vom 16. Oktober 1981 handele es sich in rechtlicher Hinsicht lediglich um eine Aufforderung zur Mitteilung darüber, ob der betreffende Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung durch die damalige Telefunken-Video GmbH interessiert sei. Schließlich stehe dem Kläger auch keine Abfindung nach § 113 BetrVG zu, da die Beklagte zu 1) nicht von dem Interessenausgleich abgewichen sei.
B. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts wird gefolgt.
I. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den Begriff der Sozialwidrigkeit verkannt.
1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG 42, 151, 157 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Hauptantrag, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10. August zum 30. September 1982 nicht beendet worden sei, im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
2. a) Zutreffend geht das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. statt vieler BAG 42, 151, 157 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.) aus, unternehmerische Entscheidungen (= innerbetriebliche Gründe einer Kündigung) seien im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Richtig ist auch, daß die Betriebsstillegung eine solche Unternehmerentscheidung ist und ein dringendes betriebliches Erfordernis nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellt.
b) Nach der Rechtsprechung des Senats setzt eine Betriebsstillegung den endgültigen Entschluß des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben (BAG Urteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 40). Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, daß auf Beschluß der Beklagten zu 1) im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die Produktion in dem Betrieb Schwedenstraße zum 30. September 1982 auf Dauer eingestellt worden ist. Die Parteien haben in diesem Zusammenhang nur darüber gestritten, ob wegen der Aufnahme der Produktion von Video-Recordern (die bei der Beklagten zu 1) nicht hergestellt wurden) auf einem anderen Betriebsgelände mit im wesentlichen neuen Produktionsmitteln ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB anzunehmen ist. Dies hat der Fünfte Senat im Urteil vom 22. Mai 1985 (- 5 AZR 30/84 - zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) verneint. Dementsprechend ist davon auszugehen, daß dieser Betrieb der Beklagten zu 1) zum 30. September 1982 stillgelegt worden ist.
3. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, der Kläger habe auch nicht in einem anderen Betrieb der Beklagten zu 1) weiterbeschäftigt werden können. Die Beklagte zu 1) hat nämlich dargelegt, in ihrem anderen Betrieb (Brunnenstraße) in Berlin habe sie keinen Arbeitsplatz für den Kläger, vielmehr werde auch dieser Betrieb in Kürze stillgelegt und auch sonst sehe sie keine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn. Der Kläger hätte hierauf nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast (BAG Urteil vom 3. Februar 1977 - 2 AZR 476/75 - AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG 42, 151) seinerseits vortragen müssen, in welchem anderen Betrieb der Beklagten zu 1) ein freier Arbeitsplatz für ihn vorhanden sei. Dies hat er nicht getan. Dementsprechend ist die Kündigung auch nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte zu 1) dem Kläger keine Beschäftigung in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens angeboten hatte.
4. Die Revision rügt auch zu Unrecht, das Berufungsgericht habe vorliegend die Konzernbezogenheit des Kündigungsschutzes verkannt.
a) Nach dem Senatsurteil vom 14. Oktober 1982 (BAG 41, 72 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern, mit zust. Anm. von Wiedemann) ist das Kündigungsschutzgesetz nicht konzernbezogen. Der Senat hat aber in jener Entscheidung ausgeführt, aufgrund besonderer Sachverhaltsgestaltungen seien Ausnahmefälle denkbar, in denen eine konzernbezogene Betrachtung geboten sei. Davon sei nicht nur auszugehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zu Übernahme des Arbeitnehmers bereiterklärt habe, sondern auch und vor allem dann, wenn sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder einer sonstigen vertraglichen Absprache ergebe. Der Arbeitnehmer könne nach dem Arbeitsvertrag von vornherein für den Unternehmens- und den Konzernbereich eingestellt worden sein oder sich arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb der Unternehmens- bzw. Konzerngruppe einverstanden erklärt haben. Bei einer solchen Vertragsgestaltung müsse der Arbeitgeber als verpflichtet angesehen werden, zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb zu versuchen, bevor er dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen kündige. Gleiches müsse aber auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine diesbezügliche Zusage mache oder eine Übernahme durch einen anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb in Aussicht stelle. Dies sind aber keine Beispiele für eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf den Konzern. Vielmehr kann der Arbeitnehmer bei derartigen Fallgestaltungen einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber haben, daß dieser ihm einen Arbeitsvertrag bei einem anderen Arbeitgeber verschaffe. Insoweit hat der Senat die Anregungen von Konzen (Arbeitsrechtliche Drittbeziehungen, ZfA 1982, 259 ff.) und Martens (Das Arbeitsverhältnis im Konzern in 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 367, 375) aufgegriffen, bei einer durch die gegebenen Umstände konkretisierten Fürsorge- und Gleichbehandlungspflicht auch eine erweiterte "Versetzungspflicht" anzunehmen. Voraussetzung dafür ist allerdings weiterhin, daß dem Beschäftigungsbetrieb aufgrund einer Abstimmung mit dem herrschenden Unternehmen oder dem anderen Konzernbetrieb ein bestimmender Einfluß auf die "Versetzung" eingeräumt worden und die Entscheidung darüber nicht dem grundsätzlich zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten worden ist.
b) Vorliegend hat sich die Beklagte in dem Interessenausgleich vom 9. Mai 1981 gegenüber dem Gesamtbetriebsrat verpflichtet, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern nach Arbeitsaufgabe und Entgelt vergleichbare Arbeitsplätze in der bisherigen Betriebsstätte oder in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten.
Hierdurch ist noch keine Selbstbindung der Beklagten zu 1) eingetreten, die zu einer konzerndimensionalen Betrachtung führt. Der Interessenausgleich nach § 112 BetrVG gibt den betroffenen Arbeitnehmern nämlich keinen Rechtsanspruch, den sie gerichtlich durchsetzen könnten. Sie haben bei einer pflichtwidrigen Abweichung des Unternehmers vielmehr nach § 113 BetrVG nur den Anspruch auf einen Nachteilsausgleich (vgl. statt vieler z.B. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 112 Rz 123). Damit stünde in Widerspruch, wenn an die Nichtbeachtung des Interessenausgleichs die Rechtsfolge der Sozialwidrigkeit der Kündigung geknüpft würde.
Auch die Formulierung in dem Interessenausgleich spricht gegen eine Selbstbindung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern, hat sich die Beklagte zu 1) doch nur verpflichtet, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern einen vergleichbaren Arbeitsplatz im AEG-Telefunken- Konzern anzubieten. Sie kann nur als Verpflichtung gegenüber dem Gesamtbetriebsrat verstanden werden, nicht aber als Rechtsgrundlage des einzelnen Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung. Der Kläger behauptet denn auch nicht, die Beklagte zu 1) habe nicht die notwendigen Schritte unternommen, um möglichst vielen Arbeitnehmern einen vergleichbaren Arbeitsplatz im Konzern zu schaffen. Er rügt nur, daß gerade ihm keine Weiterbeschäftigung angeboten worden sei, obwohl er sozial schutzbedürftiger sei als andere Arbeitnehmer, denen eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) angeboten worden sei.
c) Eine begrenzte Selbstbindung der Beklagten zu 1) ergibt sich allerdings aus dem Kündigungsschreiben der Beklagten zu 1), in dem ausgeführt wird, es werde die Versetzungsmöglichkeit auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Konzern überprüft. Diese Ankündigung enthält insoweit eine Selbstbindung gegenüber dem Kläger, als die Beklagte erklärt, sofern möglich, werde sie dem Kläger einen anderen Arbeitsplatz im Konzern anbieten. Die Ankündigung ist insofern ungewöhnlich, als sie sich im Kündigungsschreiben findet. Damit hat die Beklagte zu 1) darauf hinweisen wollen, daß dem Kläger gekündigt werden müsse, weil bis jetzt noch keine Beschäftigungsmöglichkeit gefunden worden ist, sie aber weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten im Konzern suche, deren Auffinden bei der Größe des Konzerns naturgemäß längere Zeit dauere.
5. Hauptsächlich beruft sich der Kläger für seine Ansicht, seine Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, auf das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 16. Oktober 1981, das die Beklagte zu 1) 431 Arbeitnehmern des Betriebs Schwedenstraße zugehen ließ und in dem sie mitteilte, sie könne den betreffenden Arbeitnehmern in ihrer im Aufbau befindlichen Tochtergesellschaft, der Telefunken-Video GmbH, einen neuen Arbeitsplatz anbieten. Der Kläger hat ausgeführt, alle Arbeitnehmer, die dieses Schreiben erhalten und ihr Interesse bekundet hätten, seien von der Beklagten zu 2) weiterbeschäftigt worden. Er habe ein solches Schreiben nur deshalb nicht erhalten, weil er bereits gegen eine vorhergehende betriebsbedingte Kündigung mit Erfolg Kündigungsschutzklage erhoben hatte. Gerade ihm hätte aber eine Weiterbeschäftigung angeboten werden müssen, weil er sozial schutzbedürftiger sei als der Arbeiter J, der schon in dem vorhergehenden Kündigungsschutzprozeß als weniger sozial schutzbedürftig von dem Arbeitsgericht angesehen worden sei.
Auch dieser Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, die Kündigung als sozialwidrig erscheinen zu lassen.
a) Zwar hat die Beklagte mit der Zusendung der gleichlautenden Schreiben vom 16. Oktober 1981 an 431 Beschäftigte des Betriebes Schwedenstraße, in dem auch der Kläger beschäftigt war, zumindest für diejenigen Arbeitnehmer, die dieses Schreiben erhalten haben, einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen sich diese darauf verlassen konnten, die Beklagte zu 1) vermittele ihnen einen Arbeitsvertrag mit der Telefunken-Video GmbH. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob das Schreiben ein Angebot der Beklagten zu 1) auf Abschluß eines Vertrages enthält, welcher seinerseits auf Abgabe eines Arbeitsvertragsangebots durch die Beklagte zu 2) gerichtet war oder ob es sich hierbei lediglich um eine Aufforderung zur Mitteilung darüber handelte, ob der betreffende Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung durch die damalige Telefunken-Video GmbH interessiert war.
b) Der Kläger hatte aber keinen Anspruch darauf, statt anderer, sozial stärkerer Arbeitnehmer ein solches Schreiben zu erhalten mit der Folge, dann auch bei der Beklagten zu 2) weiterbeschäftigt zu werden.
aa) Der Senat hat im Urteil vom 15. März 1984 (- 2 AZR 24/83 - SAE 1985, 302, mit zust. Anm. von Mummenhoff) entschieden, das Gebot der sozialen Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung gelte nicht entsprechend für Fälle, in denen der Arbeitgeber im Anschluß an eine betriebsbedingte Kündigung wegen Arbeitsmangels später wegen verringerten Personalbedarfs nur einen Teil der bisherigen Belegschaft erneut einstelle.
bb) Entsprechendes gilt auch für den Fall, in dem - wie vorliegend - der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit sämtlichen Arbeitnehmern löst, aber einem Teil der Restbelegschaft einen Arbeitsplatz in einer Tochtergesellschaft anbietet. Im Unterschied zu der Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber, die nach § 1 Abs. 2 KSchG auch unternehmensbezogen ausgestaltet ist, fehlt es an einer entsprechenden Regelung für den Bereich der sozialen Auswahl. Aufgrund dieser gesetzlichen Wertung ist für den Bereich der sozialen Auswahl von der grundsätzlichen Betriebsbezogenheit des individuellen Kündigungsschutzes auszugehen (BAG Urteil vom 25. April 1985 - 2 AZR 140/84 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 35, zu B II 2 der Gründe; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 345; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 123; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 58; vgl. zu den Auswirkungen weiter Weller, AuR 1986, 225, 230). Wird der Betrieb wie vorliegend stillgelegt, das Arbeitsverhältnis mit allen Arbeitnehmern gelöst und einem Teil der Belegschaft ein Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmen angeboten, bleibt daher für eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG kein Raum. Eine solche Übertragung der Grundsätze der sozialen Auswahl auf die V e r m i t t l u n g von Arbeitnehmern in andere Unternehmen wäre im Ergebnis eine soziale Auswahl bei der Einstellung durch einen neuen Arbeitgeber.
6. Hat also im Betrieb Schwedenstraße keine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten durchgeführt werden können, weil das Arbeitsverhältnis mit sämtlichen Arbeitnehmern wegen der Betriebsstillegung gelöst worden ist und finden die Grundsätze der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG auf die Vermittlung von Arbeitsplätzen bei einem anderen Unternehmen keine Anwendung, so war die Kündigung gegenüber dem Kläger auch nicht sozialwidrig.
II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht den ersten Hilfsantrag des Kläger für nicht begründet gehalten, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihm kraft der ihr von der Telefunken-Video GmbH, jetzt die Beklagte zu 2), erteilten Vollmacht die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) anzubieten.
Es kann dahinstehen, ob das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 16. Oktober 1981 lediglich eine Aufforderung zur Mitteilung darüber ist, ob der betreffende Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung durch die damalige Telefunken-Video GmbH interessiert sei, oder ob das Schreiben gegenüber den Arbeitnehmern, die dieses Schreiben erhalten haben, die unbedingte Zusage eines Vertragsangebotes durch die Beklagte zu 1) für die Beklagte zu 2) in der damaligen Firmierung der Telefunken-Video GmbH, für den Fall enthält, daß der betreffende Arbeitnehmer innerhalb der angegebenen Frist sein Interesse an einem Arbeitsvertrag bekundete. Denn unstreitig hat gerade der Kläger das Schreiben vom 16. Oktober 1981 nicht erhalten. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf verwiesen, daß der Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen hat, aus welchen Tatsachen sich ergeben soll, daß die Beklagte zu 1) verpflichtet gewesen ist, auch dem Kläger eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) anzubieten.
Es kann unterstellt werden, daß die Beklagte zu 1) bevollmächtigt gewesen ist, 431 Arbeitnehmern ihrer Restbelegschaft das Schreiben vom 16. Oktober 1981 mit Formblatt auszuhändigen und damit eine Zusage für ein Vertragsangebot bei der Beklagten zu 2) zu geben. Es kann weiter unterstellt werden, daß es der Beklagten zu 1) überlassen war, ihrerseits die 431 Arbeitnehmer aus der Restbelegschaft auszusuchen, denen sie ein Schreiben vom 16. Oktober 1981 überlassen wollte, und zwar ohne dabei an die Grundsätze der sozialen Auswahl gebunden zu sein. Der Kläger hat nicht vorgetragen, woraus sich ergeben soll, daß die Beklagte zu 1) ermächtigt war, mehr als 431 Arbeitnehmern das Schreiben auszuhändigen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht den Antrag des Klägers abgewiesen, ihm eine Abfindung nach § 113 BetrVG zu zahlen.
Zwar hat die Beklagte zu 1) in dem am 9. Mai 1980 mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Interessenausgleich vereinbart, sie werde alle notwendigen Schritte unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern nach Arbeitsaufgabe und Entgelt vergleichbare Arbeitsplätze in der bisherigen Betriebsstätte oder in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten. Dennoch hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Abfindung nach § 113 BetrVG, weil die Beklagte zu 1) nicht von dem Nachteilsausgleich abgewichen ist. Dafür, daß die Beklagte zu 1) nicht die notwendigen Schritte unternommen hätte, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern vergleichbare Arbeitsplätze in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten, hat der Kläger nichts substantiiert dargelegt. Der Betrieb Brunnenstraße in Berlin ist - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - in der Zwischenzeit im wesentlichen auch stillgelegt worden. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, die Beklagte zu 1) sei vom Interessenausgleich nicht abgewichen.
IV. Bezüglich des Hilfsantrages Nr. 3, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, der Klägerin das Formschreiben vom 16. Oktober 1981 auszuhändigen, hat der Kläger seine Revision nicht begründet. Es ist auch keine Rechtsgrundlage für eine solche Aushändigung zu erkennen. Entweder hatte die Beklagte zu 1) die - vom Senat abgelehnte - Verpflichtung, bei der Auswahl der Arbeitnehmer, denen sie das Schreiben vom 16. Oktober 1981 übergab, die Grundsätze der sozialen Auswahl zu beachten, dann wäre die Kündigung unwirksam, oder die Beklagte zu 1) hatte bei der Aushändigung des Schreibens vom 16. Oktober 1981 nicht die Grundsätze der sozialen Auswahl zu beachten, dann gibt es auch keine Rechtsgrundlage für eine nachträgliche Aushändigung dieses Schreibens an Klägerin.
C. Dementsprechend war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Hillebrecht Dr. Weller Ascheid
Thieß Dr. Kirchner
Fundstellen