Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag im Anschluß an Redaktionsvolontariat
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einem zweijährigen Redaktionsvolontariat handelt es sich um eine "Berufsausbildung" im Sinne des § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BeschFG, so daß ein sich unmittelbar anschließendes Arbeitsverhältnis unter den dort genannten Voraussetzungen befristet werden kann.
2. Voraussetzung für eine Befristung nach § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BeschFG ist, daß im gesamten Unternehmen kein Arbeitsplatz für einen unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer zur Verfügung steht.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 19.03.1993; Aktenzeichen 10 (3) Sa 1532/92) |
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 22.09.1992; Aktenzeichen 4 Ca 305/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1992.
Die Klägerin war zunächst bis zum 31. Dezember 1987 mehrere Jahre lang für die Beklagte, die eine Tageszeitung herausgibt, als freie Mitarbeiterin und anschließend vom 4. Januar 1988 bis zum 31. August 1989 als Assistentin in der Bezirksredaktion der Beklagten tätig. Am 15./24. August 1989 schlossen die Parteien einen "Ausbildungsvertrag", aufgrund dessen die Klägerin befristet für die Zeit vom 1. September 1989 bis zum 31. August 1991 als Redaktionsvolontärin auszubilden war. Das monatliche Bruttoeinkommen der Klägerin betrug 2.060,-- DM. Gemäß § 11 des Vertrages waren u.a. die "Grundsätze für die Redaktionsvolontäre an deutschen Tageszeitungen" Gegenstand des Vertrages.
Während des Volontariats wurde die Klägerin schwanger; die Mutterschutzfrist begann am 14. Februar 1991. Die Parteien verhandelten zunächst über eine Verlängerung des Volontariats bis zum 18. Dezember 1991 unter Hinweis auf die entsprechende Empfehlung in der Protokollnotiz zu § 15 in Verb. mit § 4 Abs. 2 des Tarifvertrages über das Redaktionsvolontariat an Tageszeitungen, der allerdings erst für ab 1. Juli 1990 begonnene Volontariate galt. Sie vereinbarten dann jedoch, das Volontariat wie vorgesehen zum 31. August 1991 zu beenden und im Anschluß daran ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis zu begründen. Sie schlossen dementsprechend den Anstellungsvertrag vom 26. August/5. September 1991, aufgrund dessen die Klägerin in der Zeit vom 1. September 1991 bis zum 31. August 1992 als Redakteurin für die Beklagte tätig war. Das Arbeitsgebiet der Klägerin umfaßte alle Ressorts der Zentralredaktion einschließlich der Bezirksredaktion, alle Außenredaktionen sowie die Erledigung aller redaktionellen Arbeiten. Ihr monatliches Bruttoentgelt betrug 4.004,-- DM.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1992 geltend. Sie meint, für die Befristung hätten weder ein sachlicher Grund noch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG vorgelegen. Denn das Volontariat sei keine Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG. Bei dem Redaktionsvolontär handele es sich nicht um einen Ausbildungsberuf; diese Tätigkeit sei auch nicht im Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe genannt. Daher habe die Klägerin auch über den 6. Juni 1991 hinaus kein Erziehungsgeld erhalten, denn sie habe ein Gehalt in Höhe von 2.060,-- DM und keine Ausbildungsvergütung bezogen. Auch werde zu Beginn des Volontariats kein Ausbildungsplan erstellt, sondern die Tätigkeit des Volontärs werde willkürlich festgelegt. Weder werde das Redaktionsvolontariat mit einer Prüfung beendet noch erhalte der Volontär ein benotetes Zeugnis.
Die Klägerin hat überdies in Abrede gestellt, daß kein Arbeitsplatz für einen unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden habe. Sie habe bei der Beklagten sowohl in der Bezirksredaktion als auch in einer der Lokalredaktionen weiterbeschäftigt werden können. Mit einem Einsatz in den Lokalredaktionen habe sie sich immer einverstanden erklärt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwi-
schen ihr und der Beklagten nicht aufgrund Be-
fristung am 31. August 1992 ende, sondern
fortbestehe,
2. die Beklagte zu verurteilen, sie über den
31. August 1992 hinaus zu unveränderten Bedin-
gungen zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG für rechtswirksam, da es sich bei dem Volontariat um eine Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift handele und ein Einsatz der Klägerin auf einer unbefristeten Redakteurstelle ab 1. September 1991 nicht möglich gewesen sei. Schon vor dem 1. September 1991 sei bei ihr die Einführung eines sogenannten "Multicom-Systems" geplant gewesen. Dieses layout-gesteuerte Redaktionssystem führe zum Wegfall aller Redakteursarbeitsplätze in der Bezirksredaktion. Dort seien im August 1991 zehn Planstellen vorhanden gewesen, und zwar sechs für Redakteure und vier für Assistenten. Diese Stellen seien sämtlich besetzt gewesen. Lediglich wegen der geplanten Versetzung des Redakteurs W habe bis zur prognostizierten Einführung des Multicom-Systems am 31. August 1992 eine Redakteurstelle überplanmäßig befristet besetzt werden dürfen. Auch in den Lokalredaktionen habe für die Klägerin keine Stelle zur Verfügung gestanden. Denn es sei mit dem Betriebsrat vereinbart gewesen, die dort vorhandenen Stellen mit der Einführung des Multicom-Systems durch die in der Bezirksredaktion überflüssig gewordenen Redakteure zu besetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die streitgegenständliche Befristung ohne Rechtsfehler für wirksam gehalten. Da damit das Arbeitsverhältnis zum 31. August 1992 geendet hat, erweist sich auch der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin als unbegründet.
I. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG ist es zulässig, einen Arbeitsvertrag bis zur Dauer von 18 Monaten zu befristen, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluß an die Berufsausbildung nur vorübergehend weiterbeschäftigt werden kann, weil kein Arbeitsplatz für einen unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß es sich bei dem Redaktionsvolontariat, in dem die Klägerin bis zum 31. August 1991 bei der Beklagten beschäftigt war, um eine Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG handelte.
a) Zwar erfüllt, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, ein Redaktionsvolontariat nicht die Anforderungen an ein Berufsausbildungsverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG (vgl. dazu im einzelnen bereits BAG Urteil vom 23. Juni 1983, BAGE 43, 115, 120 = AP Nr. 10 zu § 78 a BetrVG 1972, zu II 2 a der Gründe). Für die Auslegung des Begriffs "Berufsausbildung" in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des BeschFG sind die Begriffsbestimmungen des BBiG jedoch nicht maßgebend. Sie gelten nur für den Bereich des BBiG selbst; für andere Gesetze muß jeweils entsprechend ihrer Zwecksetzung gesondert geprüft werden, welcher Bedeutungsgehalt einem Begriff zukommt. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht sowohl zu § 5 Abs. 1 BetrVG als auch zu § 78 a BetrVG entschieden, der Begriff der "Berufsausbildung" in diesen Vorschriften sei weiter gefaßt als im BBiG (vgl. Beschluß vom 10. Februar 1981, BAGE 35, 59 = AP Nr. 25 zu § 5 BetrVG 1972; Urteil vom 23. Juni 1983, aaO).
b) Auch zu § 1 Nr. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG vertritt die ganz herrschende Meinung (vgl. z.B. KR-Weller, 3. Aufl., § 1 BeschFG 1985 Rz 63; Hanau, RdA 1987, 25 f.; Löwisch, BB 1985, 1200; Schwerdtner, NZA 1985, 577 f.; anderer Ansicht soweit ersichtlich nur Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., S. 204) die Auffassung, daß der Begriff der "Berufsausbildung" dem Zweck dieser Regelung entsprechend weiter zu verstehen ist als in § 1 Abs. 2 BBiG. Dieser vorherrschenden Auffassung schließt sich der Senat an. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG verfolgt insbesondere den Zweck, die Arbeitgeber angesichts der besonders bedrohlichen Jugendarbeitslosigkeit zu ermuntern, mehr auszubilden, als für den eigenen Nachwuchs erforderlich ist (so ausdrücklich KR-Weller, aaO). In Bezug auf diese Zwecksetzung aber sind die von der Klägerin aufgezeigten Unterschiede zwischen einem Berufsausbildungsverhältnis im Sinne des BBiG und anderen Berufsausbildungsverhältnissen unerheblich. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG gilt daher auch für ein Redaktionsvolontariat.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, daß bei der Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt (1. September 1991) kein Arbeitsplatz für einen unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer zur Verfügung stand.
a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß für das Fehlen eines Dauerarbeitsplatzes nicht nur auf den Betrieb, in dem die Berufsausbildung erfolgte, sondern auf das ganze Unternehmen des Arbeitgebers abzustellen ist (vgl. insbesondere KR-Weller, § 1 BeschFG 1985 Rz 71, m.w.N.).
Dafür spricht schon der Wortlaut, weil auch, wenn der Arbeitgeber den Ausgebildeten in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigen kann, ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Vor allem trägt dieses Ergebnis dem Gesetzeszweck Rechnung, dem Arbeitgeber nur dann die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einem Ausgebildeten ohne sachlichen Grund zu erlauben, wenn überhaupt keine unbefristete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht, um auf diese Weise einen Anreiz zu schaffen, über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden und die vorübergehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch auszunutzen. Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß die Beklagte nachgewiesen habe, daß weder in der Bezirksredaktion noch in den Lokalredaktionen zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages ein freier Dauerarbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe.
b) Ein Rechtsfehler dieser Beweiswürdigung ist weder von der Revision aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerfrei, das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie das Fehlen eines freien Dauerarbeitsplatzes bestritten habe, sei nicht ausreichend substantiiert. Dabei ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß an sich den Arbeitgeber die Darlegungslast für das Fehlen eines freien Dauerarbeitsplatzes trifft. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch auch richtig gesehen, daß insoweit die Grundsätze über die Abstufung der Darlegungslast bei der betriebsbedingten Kündigung (vgl. dazu insbesondere KR-Becker, § 1 KSchG Rz 314) entsprechend anzuwenden sind. Danach muß der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber jede Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer bestreitet, selbst konkret darlegen, wie er sich seine Weiterbeschäftigung vorstellt (ständige Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 3. Februar 1977 - 2 AZR 476/75 - AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; zuletzt BAG Urteil vom 20. Januar 1994 - 2 AZR 489/93 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, der Vortrag der Klägerin nicht. Denn die Klägerin hat in der Tat insoweit lediglich vorgetragen, auch nach Einführung der neuen Multicom-Technik sei ihre weitere Beschäftigung in der Bezirksredaktion bzw. in den Außenredaktionen möglich gewesen, bzw. bei der Beklagten hätten auch weitere Dauerarbeitsplätze zur Verfügung gestanden.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist auch in seiner Würdigung zu folgen, daß die Beklagte auch aus anderen Gründen nicht gehindert ist, sich auf die Rechtswirksamkeit der Befristung zu berufen. Denn das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, die Beklagte habe bei der Klägerin nicht die Erwartung geweckt und bestätigt, sie werde bei Eignung und Bewährung unbefristet weiterbeschäftigt werden, sondern die Beklagte habe der Klägerin die Unsicherheit ihrer Weiterbeschäftigung eindeutig vor Augen geführt. Gegen diese Würdigung hat sich auch die Revision nicht mehr gewandt.
Dr. Weller Kremhelmer Dr. Steckhan
Neumann Ruppert
Fundstellen
BAGE 00, 00 |
BAGE, 112 |
BB 1995, 466 |
DB 1995, 1335-1336 (LT1-2) |
DStR 1995, 1035-1036 (KT) |
EBE/BAG 1995, 12-14 (LT1-2) |
ARST 1995, 49 (LT1-2) |
NZA 1995, 625 |
NZA 1995, 625-626 (LT1-2) |
RzK, I 9b Nr 24 (LT1-2) |
SAE 1995, 215-217 (LT1-2) |
AP § 1 BeschFG 1985 (LT1-2), Nr 15 |
AP, 0 |
AR-Blattei, ES 400 Nr 80 (LT1-2) |
AfP 1995, 529 |
AfP 1995, 529-530 (ST1-2) |
EzA-SD 1995, Nr 1-2, 20-21 (LT1-2) |
EzA § 1 BeschFG 1985, Nr 13 (LT1-2) |