Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung: Facharbeiterin “Berufskraftfahrer” nach BMT-G-O
Orientierungssatz
Es bleibt offen, ob eine Facharbeiterin mit einer abgeschlossenen der zweijährigen Berufsausbildung zum “Berufskraftfahrer” nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer vom 26. Oktober 1973 gleichgestellten Ausbildung von zwei Jahren mit der Berufsbezeichnung “Berufskraftfahrer” nach dem Recht der ehemaligen DDR jedenfalls mit Wirkung ab 1. August 2001 in der Lohngruppe 4 des Lohngruppenverzeichnisses eingruppiert ist, deren Fallgruppe 1 eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren verlangt, nachdem durch § 2 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer/zur Berufskraftfahrerin vom 19. April 2001, in Kraft getreten am 1. August 2001, die Ausbildungsdauer auf drei Jahre verlängert worden war.
Normenkette
BMT-G-O § 20 Abs. 1, § 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 07.04.2004; Aktenzeichen 9 Sa 1073/03) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 28.11.2003; Aktenzeichen 3 Ca 3461/03) |
Tenor
- Auf die Revision der beklagten Stadt wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. April 2004 – 9 Sa 1073/03 – aufgehoben.
Auf die Berufung der beklagten Stadt wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 28. November 2003 – 3 Ca 3461/03 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, der Klägerin über den 31. März 2003 hinaus Vergütung nach der Lohngruppe 5a BMT-G-O zu zahlen.
Die am 18. Juli 1946 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit 2. November 1987 als “Kraftfahrerin” beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis richtet sich kraft arbeitsvertraglicher Verweisung nach den Vorschriften des Tarifvertrages zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe – (BMT-G-O). Ab dem 1. Januar 1995 wurde die Klägerin entsprechend dem Änderungstarifvertrag vom 14. Februar 1995 nach Lohngruppe 5a BMT-G-O vergütet. Mit Schreiben vom 27. März 2003 teilte die beklagte Stadt der Klägerin mit, dass sämtliche Stellen einer Bewertungsüberprüfung unterzogen worden seien. Sie sei in Lohngruppe 4a (Fallgruppe 1) eingruppiert. Die neue Eingruppierung werde ab dem 1. April 2003 vergütungswirksam.
Mit ihrer am 28. April 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin Vergütung nach Lohngruppe 5a BMT-G-O über den 31. März 2003 hinaus. Sie habe im Jahre 1980 die Ausbildung als Facharbeiter mit der Berufsbezeichnung “Berufskraftfahrer” abgeschlossen. Das Facharbeiterzeugnis sei gemäß Einigungsvertrag gleichgestellt. Sie sei auch als Berufskraftfahrerin tätig.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über den 31. März 2003 hinaus Vergütung nach der Lohngruppe LO 5a BMT-G-O zu zahlen.
Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin verfüge über keine Berufsausbildung mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 2 ½ Jahren. Die Klägerin sei 1995 in die allgemeine Fahrbereitschaft aufgenommen worden. In Verkennung der Vorschriften des Lohngruppenverzeichnisses sei sie, die Beklagte, zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass diese Stellen mit der Lohngruppe 4/5a Fallgruppe ½ BMT-G-O zu bewerten seien. Jedenfalls sei die Klägerin nicht überwiegend entsprechend dieser Berufsausbildung auch tatsächlich tätig. Die Klägerin werde nur als Kraftfahrerin beschäftigt und nicht als Berufskraftfahrerin. Eine Facharbeitertätigkeit werde von der Klägerin nicht ausgeübt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der beklagten Stadt zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die beklagte Stadt ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision der beklagten Stadt zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der beklagten Stadt ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe 5a ab 1. April 2003. Sie ist nicht im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der Lohngruppe 4 in die Lohngruppe 5 und im Wege des Zeitaufstiegs aus der Lohngruppe 5 in die Lohngruppe 5a BMT-G-O aufgestiegen.
I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, die keinen prozessrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. nur Senat 10. Juli 1996 – 4 AZR 996/94 – AP BMT-G II § 20 Nr. 5, zu I der Gründe).
II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist nicht, auch nicht über den 31. März 2003 hinaus in der Lohngruppe 5a eingruppiert. Der Senat kann offen lassen, ob die Klägerin jedenfalls ab 1. August 2001 in der Lohngruppe 4 eingruppiert ist. Selbst wenn das zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, hat sie die für den Aufstieg aus der Lohngruppe 4 über die Lohngruppe 5 in die Lohngruppe 5a erforderlichen Zeiten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz – 7. April 2004 – nicht erfüllt.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen der Gewerkschaft ÖTV und der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände für Arbeiter und Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe abgeschlossenen Tarifverträge kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung. Für die Eingruppierung der Klägerin sind § 20 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe – (BMT-G-O) und der dazu vereinbarte Tarifvertrag (Lohngruppenverzeichnis) (TV) maßgebend. Nach § 2 Abs. 1 und 3 TV sind die Arbeiter nach der von ihnen zeitlich zumindest zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit eingruppiert. Zugrunde zu legen sind die Tätigkeitsmerkmale des Lohngruppenverzeichnisses in der Anlage 1 zum TV zu § 20 BMT-G-O, die die in § 2 Abs. 1 TV genannten allgemeinen Merkmale konkretisieren.
2. Für den Rechtsstreit maßgeblich sind die folgenden Bestimmungen des Lohngruppenverzeichnisses vom 14. Mai 1991 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 10 vom 31. Januar 2003:
“Lohngruppe 3
1. Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von weniger als zweieinhalb Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden.
2. …
3. …
…
Lohngruppe 4
1. Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden.
2. …
3. Arbeiter der Lohngruppe 3 Fallgruppe 1 bis 3, die Arbeiten verrichten, die an das Überlegungsvermögen und das fachliche Geschick des Arbeiters Anforderungen stellen, die über das Maß dessen hinausgehen, was von solchen Arbeitern üblicherweise verlangt werden kann.
Beispiele:
…
Kraftfahrer.
…
Lohngruppe 4a
1. Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 3 nach vierjähriger Tätigkeit in dieser Lohn- und Fallgruppe.
2. …
Lohngruppe 5
1. Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1, die hochwertige Arbeiten verrichten.
Hochwertige Arbeiten sind Arbeiten, die an das Überlegungsvermögen und das fachliche Geschick des Arbeiters Anforderungen stellen, die über das Maß dessen hinausgehen, was von solchen Arbeitern üblicherweise verlangt werden kann.
Beispiele:
…
2. …
3. …
4. Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppen 1, 2 und 4 nach dreijähriger Bewährung in diesen Fallgruppen der Lohngruppe 4.
Lohngruppe 5a
1. …
2. Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppen 1, 2 und 4 nach vierjähriger Tätigkeit in Lohngruppe 5 Fallgruppe 4.
3. …”
Die Vorbemerkung Nr. 2 zum Lohngruppenverzeichnis lautet:
“Anerkannte Ausbildungsberufe im Sinne des Lohngruppenverzeichnisses sind die nach dem Berufsbildungsgesetz staatlich anerkannten oder als staatlich anerkannt geltende Ausbildungsberufe.
Eine einschlägige Berufsausbildung liegt vor, wenn sie Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt, die benötigt werden, um die Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen.
Facharbeiter mit einem Facharbeiterzeugnis, das nach Artikel 37 des Einigungsvertrages und der Vorschriften hierzu dem Prüfungszeugnis in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren bzw. mit einer kürzeren Ausbildungsdauer gleichgestellt ist, werden bei entsprechender Tätigkeit wie Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung eingruppiert.
…”
3. Die Eingruppierung in Lohngruppe 5a im Wege des Zeitaufstiegs baut auf einem Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe 5 auf, das seinerseits auf Tätigkeitsmerkmalen der Lohngruppe 4 aufbaut. Daher muss zunächst ein einschlägiges Tätigkeitsmerkmal der Ausgangslohngruppe 4 erfüllt sein, aus der die Klägerin in die höheren Lohngruppen aufgestiegen sein will.
Davon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Es hat aber zu Unrecht angenommen, die Klägerin sei ab 1. August 2001 in der Lohngruppe 5a eingruppiert. Es hat übersehen, dass die Klägerin frühestens ab 1. August 2001 die Voraussetzungen der Fallgruppe 1 der Ausgangslohngruppe 4 erfüllen kann und entgegen seiner Auffassung die weiter erforderlichen Merkmale der Bewährung von drei Jahren in der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 und der vierjährigen Tätigkeit in der Lohngruppe 5 Fallgruppe 4 im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz – 7. April 2004 – schlechterdings noch nicht erfüllt sein konnten, sondern dies frühestens am 1. August 2004 bzw. 1. August 2008 der Fall sein kann.
a) Die Klägerin wurde seit 1. Januar 1995 nach der Lohngruppe 5a BMT-G-O bezahlt. Die Klägerin meint, hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast sei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur korrigierenden Rückgruppierung zu berücksichtigen, nach der der Arbeitgeber vorzutragen habe, dass und warum die Voraussetzungen der Ausgangslohngruppe, aus der der Arbeitnehmer aufgestiegen sein solle, nicht vorlägen. An einem solchen schlüssigen Vortrag der Beklagten fehle es. Das ist indes nicht der Fall. Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin erfülle nicht die tariflichen Voraussetzungen der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1, weil die Klägerin keine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 2 ½ Jahren aufweise, damit objektiv jedenfalls eine erforderliche Eingruppierungsvoraussetzung nicht erfülle und deshalb zutreffend in der Lohngruppe 4a Fallgruppe 1 eingruppiert sei nach Zeitaufstieg aus der Lohngruppe 4 Fallgruppe 3. Damit hat die Beklagte nachvollziehbar gemacht, dass sie die Klägerin fehlsam eingestuft habe. Das hat zur Folge, dass die volle Darlegungslast für das Vorliegen eines für den Aufstieg einschlägigen Tätigkeitsmerkmals der Ausgangslohngruppe wieder bei dem Arbeitnehmer, also bei der Klägerin liegt.
b) Ob die Klägerin Arbeiterin im Sinne der Fallgruppe 1 der Lohngruppe 4 des Tarifvertrages Lohngruppenverzeichnis zu § 20 BMT-G-O jedenfalls ab 1. August 2001 ist, kann offen bleiben.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, nach der Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung 2001 betrage die Ausbildungsdauer seit 1. August 2001 drei Jahre. Die Ausbildung der Klägerin in der ehemaligen DDR sei dieser Ausbildung gleichgestellt mit der Folge, dass sie das subjektive Merkmal der Fallgruppe 1 der Lohngruppe 4 erfülle. Sie werde auch als Berufskraftfahrerin eingesetzt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
bb) Die Klägerin weist jedenfalls bis zum 31. Juli 2001 im Tarifsinne keine “erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem [staatlich] anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren” auf. Sie hat in der ehemaligen DDR 1980 nach einer lediglich zweijährigen Ausbildung den Facharbeiterbrief mit der Berufsbezeichnung “Berufskraftfahrer” erworben, so dass von daher eine Ausbildung von mindestens 2 ½ Jahren nicht vorliegt.
Die Tarifvertragsparteien haben eine solche Ausbildung der in der Fallgruppe 1 der Lohngruppe 4 verlangten auch nicht gleichgestellt. Das ergibt sich aus der Vorbemerkung Nr. 2 Unterabs. 3 Lohngruppenverzeichnis zu § 20 BMT-G-O. Dort heißt es, dass Facharbeiter mit einem Facharbeiterzeugnis, das nach Art. 37 des Einigungsvertrages und der Vorschriften hierzu dem Prüfungszeugnis in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 2 ½ Jahren oder mit einer kürzeren Ausbildungsdauer gleichgestellt ist, bei entsprechender Tätigkeit wie Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung eingruppiert werden. Das bedeutet zunächst, dass die Ausbildung zum Facharbeiter mit der Berufsbezeichnung “Berufskraftfahrer” nach dem Recht der DDR der Ausbildung zum Berufskraftfahrer nach Maßgabe der Ausbildungsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt ist, wenn die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 3 Einigungsvertrag vorliegen. Das ist auch der Fall. Denn nach dieser Bestimmung stehen Prüfungszeugnisse nach der Systematik der Ausbildungsberufe und der Systematik der Facharbeiterberufe und Abschlussprüfungen und Gesellenprüfungen in anerkannten Ausbildungsberufen einander gleich. Einer behördlichen Feststellung dieser Gleichstellung bedarf es nicht (vgl. Vermerk des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft und des Bundesministeriums für Wirtschaft vom 6. Mai 1991 zu 2.a), abgedruckt bei Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G-O Stand 1. April 2005 Nr. II/1.2 S. 6).
Das Landesarbeitsgericht hat indes übersehen, dass es bei der Gleichstellung nach Art. 37 Abs. 1 Einigungsvertrag und § 108a BBiG um eine generelle Niveaugleichstellung geht, also um die Aussage, dass die Facharbeiterprüfung nach früherem DDR-Recht als solche anerkannt und insoweit den Abschlüssen nach dem Berufsbildungsgesetz gleichgesetzt wird. Ausgehend davon ist die Eingruppierung von Arbeitern geregelt, die über ein Facharbeiterzeugnis nach dem Ausbildungsrecht der DDR verfügen. Demgemäß wird für die Frage der Eingruppierung in Lohngruppe 4 ein Facharbeiterberuf (Ost) mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren wie ein Ausbildungsberuf (West) mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 2 ½ Jahren behandelt, wenn für den entsprechend anerkannten Ausbildungsberuf (West) die Ausbildungsdauer mindestens 2 ½ Jahre beträgt (Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G Stand Mai 2005 Erl. 19.1.2 zu § 2 RahmenTV zu § 20 BMT-G S. 74; ähnlich Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G-O Stand 1. April 2005 Nr. II/1.2 S. 3). Daraus folgt für den vorliegenden Rechtsstreit, dass die Klägerin, jedenfalls bis zum 31. Juli 2001, die Voraussetzungen der Fallgruppe 1 der Ausgangslohngruppe 4 nicht erfüllt hat. Die Ausbildung für den Ausbildungsberuf “Berufskraftfahrer” dauerte nach der Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung vom 26. Oktober 1973 (BGBl. I S. 1518), die bis zum 31. Juli 2001 galt, nur zwei Jahre. Die gebotene Gleichstellung der erlangten Facharbeiterqualifikation nach dem Recht der DDR mit der entsprechenden Facharbeiterausbildung nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland führt damit bis zum 31. Juli 2001 nur dazu, dass die Klägerin jedenfalls bis zu diesem Tag so zu behandeln ist, als hätte sie in der Bundesrepublik Deutschland eine zweijährige Ausbildung zur Berufskraftfahrerin absolviert. Damit schied bis zu diesem Zeitpunkt eine Eingruppierung in Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 BMT-G-O aus.
cc) Das kann sich zum 1. August 2001 durch das In-Kraft-Treten der Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer/zur Berufskraftfahrerin (Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung – KraftfAusbV 2001) vom 19. April 2001 (BGBl. I S. 642) mit Wirkung ab 1. August 2001 geändert haben. § 2 dieser Verordnung bestimmt, dass die Ausbildungsdauer zum Berufskraftfahrer nunmehr drei Jahre beträgt.
aaa) Das Landesarbeitsgericht meint, per 1. August 2001 erfülle die Klägerin die Voraussetzungen der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1, weil es nach dem Tarifwortlaut nicht auf die individuelle Dauer der Facharbeiterausbildung ankomme, sondern auf die normierte Dauer des Ausbildungsberufes. Dies gehe aus den Vorschriften der jeweiligen Ausbildungsverordnung hervor. Zum anderen gelte es, das zeitliche Moment zu beachten. Streitgegenstand sei die Eingruppierung im Zeitraum vom 31. März 2003 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 7. April 2004. In diesem Zeitraum sei ein Bezug auf eine nicht mehr gültige Ausbildungsordnung und damit auf eine in dieser Ausbildungsordnung enthaltene Ausbildungsdauer nicht mehr möglich. Das folge aus dem Wortlaut der einschlägigen Lohngruppen. Es sei die individuelle Ausbildung des einzugruppierenden Arbeiters in eine Beziehung zu setzen zu einem “anerkannten Ausbildungsberuf”. Anerkannt sei nur ein Ausbildungsberuf mit einem Ausbildungsgang, der in Kraft getreten sei. Die Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung vom 26. Oktober 1973 sei ausdrücklich mit § 10 der Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung vom 19. April 2001 aufgehoben worden und ab 31. Juli 2001 außer Kraft getreten. Es liege nach diesem Zeitpunkt kein anerkannter Ausbildungsberuf “Berufskraftfahrer” mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren mehr vor. Aus den Übergangsregeln in § 9 der Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung vom 19. April 2001, wonach auf Berufsausbildungsverhältnisse, die bei In-Kraft-Treten dieser Verordnung bestünden, die bisherigen Vorschriften weiter anzuwenden seien, folge, dass eine Ausbildung und der Abschluss nach beiden Ausbildungsgängen dennoch gleichwertig seien. Das erworbene Zeugnis verliere nicht seine Gültigkeit. Es habe hinsichtlich des Berufskraftfahrers eine Neuordnung (Modernisierung) des Berufsbildes gegeben. Als Neuordnung (Modernisierung) katalogisiere der Berufsbildungsbericht zu 2002 (herausgegeben vom Ministerium für Bildung und Forschung) das Berufsbild des Berufskraftfahrers/Berufskraftfahrerin. Es gehe um den Erwerb von soliden Fachkenntnissen, von Fertigkeiten und Kompetenzen, um den erlernten Beruf unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung ausüben zu können. Es sei also so, dass die von zwei auf drei Jahre verlängerte Ausbildungsdauer für erforderlich gehalten werde, um Auszubildende auf den Stand der bereits Ausgebildeten zu heben. “Alt-Gesellen” mit einem gegenüber “Jung-Gesellen” kürzeren Ausbildungsgang seien diesen beruflich gleichwertig, wenn ihr Ausbildungsberuf neu geordnet (modernisiert) worden sei.
bbb) Ob dem zu folgen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. zB Senat 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8, zu I 2a der Gründe).
(a) Der Wortlaut lässt beide in Betracht kommenden Auslegungsalternativen zu. Es kann der Bezug hergestellt werden, dass der jeweilige Arbeiter persönlich die geforderte Ausbildungsdauer absolviert haben muss. Dh…, dass sich die Worte “mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren” auf das Wort “Arbeiter” beziehen. Die tarifliche Regelung kann aber auch dahin verstanden werden, dass unabhängig davon, wie lange die Ausbildung in der Zeit, in der sich der Arbeiter ihr unterworfen hatte, gedauert hatte, der Arbeiter bei späterer Änderung der Berufsausbildungs(ver)ordnung entsprechend der Tarifnorm eingruppiert ist. Dann beziehen sich die Worte “mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren” nicht auf das Wort “Arbeiter”, sondern beschreiben die – jetzt – erforderliche Dauer der betreffenden Berufsausbildung. Der Text ist dann so zu lesen, dass ein Berufskraftfahrer, der zunächst unter Ausbildungs(ver)ordnungen fiel, die die Dauer von 2 ½ Jahren nicht erreichten, dann die Voraussetzungen der Fallgruppe 1 der Lohngruppe 4 erfüllt, wenn sich das Berufsbildungsrecht ändert und die Ausbildungsdauer seines Berufes entsprechend verlängert wird. Auf die individuelle Ausbildungsdauer käme es dann nicht an.
(b) Die auf die Ausbildung des konkret einzugruppierenden Arbeiters abstellende Auslegung könnte mit der Begründung als nicht angemessen angesehen werden, es sei davon auszugehen, dass Arbeiter mit kürzerer Ausbildung auf Grund ihrer Tätigkeit das Anforderungsprofil eines Arbeiters mit längerer Ausbildung nach späterem Recht ebenfalls erfüllen, weil sie sonst nicht mit der einer solchen Ausbildung entsprechenden Tätigkeit beschäftigt werden könnten.
Für ein an die jeweilige aktuelle Ausbildungsordnung anknüpfendes Verständnis des Tarifmerkmals könnte weiter sprechen, dass der Senat in Fallgestaltungen, in denen es auf die Bewertung der Kenntnisse des Einzugruppierenden ankam, nicht von denen ausgegangen ist, die dessen seinerzeitige Ausbildung vermittelt hat, sondern von denjenigen, die im Streitzeitraum in einer entsprechenden Ausbildung erworben werden (zB 11. Februar 2004 – 4 AZR 684/02 – AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 24, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 3c bb (1) aE der Gründe).
(c) Gegen die Maßgeblichkeit der jeweils aktuellen Ausbildungsbestimmungen könnte sprechen, dass es an den Tarifvertragsparteien gewesen wäre, die Änderung der Berufsausbildungs(ver)ordnung zum Anlass zu nehmen, eine Klarstellung herbeizuführen oder differenzierende Tätigkeitsmerkmale zu vereinbaren.
In der von der Revision genannten Entscheidung des Achten Senats vom 21. August 2003 (– 8 AZR 379/02 – AP BGB § 611 Musiker Nr. 40) haben die Tarifvertragsparteien nach unterschiedlicher Ausbildung(sdauer) trotz möglicher Nachdiplomierung differenziert und eingruppierungsrechtlich eben gerade keine Gleichstellung vorgenommen, was der Achte Senat unbeanstandet gelassen hat. Entsprechendes gilt für die gleichermaßen von der Beklagten genannte Entscheidung des Zehnten Senats vom 9. Dezember 1998 (– 10 AZR 244/98 – ZTR 1999, 464). Die Tarifvertragsparteien können nach unterschiedlichen Ausbildungen oder unterschiedlicher Ausbildungsdauer differenzieren, müssen das aber nicht.
(2) Der Senat kann die aufgeworfenen Fragen offen lassen. Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei mit Wirkung ab 1. August 2001 in der Lohngruppe 4 eingruppiert, weil sie die Voraussetzungen der Fallgruppe 1 erfülle, hat sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz – 7. April 2004 – weder die Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg aus der Lohngruppe 4 in die Lohngruppe 5 erfüllt noch die des Zeitaufstiegs aus der Lohngruppe 5 in die Lohngruppe 5a. Denn der Bewährungsaufstieg aus der Lohngruppe 4 in die Lohngruppe 5 setzt voraus – Fallgruppe 4 der Lohngruppe 5 –, dass eine dreijährige Bewährung gerade in der Fallgruppe 1 der Lohngruppe 4 vorliegt, dh., der Arbeiter muss in der Lohngruppe 4 eingruppiert sein, also das Tätigkeitsmerkmal der Fallgruppe 1 erfüllt und sich in dieser drei Jahre bewährt haben. Dieser Zeitraum war am 7. April 2004 noch nicht abgelaufen. Die Bewährungszeit wäre erst mit Ablauf des 31. Juli 2004 erfüllt gewesen. Entsprechendes gilt für den Zeitaufstieg aus der Lohngruppe 5 in die Lohngruppe 5a. Die Lohngruppe 5a Fallgruppe 2 setzt eine vierjährige Tätigkeit in der Lohngruppe 5 Fallgruppe 4 voraus. Der Arbeiter muss also vier Jahre lang in der Lohngruppe 5 eingruppiert gewesen sein, weil er die Voraussetzungen der Fallgruppe 4 dieser Lohngruppe erfüllte. Das war bei der Klägerin am 7. April 2004 nicht der Fall. Die für den Zeitaufstieg verlangten vier Jahre wären erst mit Ablauf des 31. Juli 2008 beendet.
c) Darauf, ob die Klägerin auch in ihrem Beruf – “Berufskraftfahrer” – im Tarifsinne eingesetzt wird, kommt es nicht mehr an.
4. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vergütungskorrektur auf Grund der Anwendung der Tarifnormen rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) war. Die beklagte Stadt hat nicht zu erkennen gegeben, sie werde der Klägerin Vergütung nach Lohngruppe 5a BMT-G-O gewähren, auch wenn die tariflichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Bott, Friedrich, Gotsche, Kralle-Engeln
Fundstellen
Haufe-Index 1444035 |
ZTR 2006, 78 |
NJOZ 2007, 507 |