Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstvereinbarung. Privatisierung. Gleichbehandlung. Fortgeltung als Betriebsvereinbarung. rückwirkende Begünstigung
Leitsatz (amtlich)
Der Vorrang des Bundesrechts (Art. 73 GG) steht nicht einem Landesgesetz entgegen, mit dem bei der Privatisierung eines öffentlichrechtlichen Kreditinstituts die Weitergeltung von Dienstvereinbarungen als Betriebsvereinbarungen geregelt wird.
Orientierungssatz
- Ein Landesgesetz, mit dem das öffentlich-rechtliche Kreditwesen neu geordnet wird und das ua. die (teilweise) Umwandlung der Landeszentralbank in eine Aktiengesellschaft vorsieht, kann auch die Weitergeltung von Dienstvereinbarungen als Betriebsvereinbarungen enthalten. Es verstößt nicht gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes.
- Begünstigt eine Dienst- oder Betriebsvereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem aktiven Dienst (“Beurlaubungsvereinbarung”) rückwirkend auch solche Arbeitnehmer, die unter der Geltung einer früheren “schlechteren” Dienst- oder Betriebsvereinbarung eine Beurlaubungsvereinbarung geschlossen haben, sofern der Beurlaubungsbeginn nach einem festgelegten Stichtag liegt, ist diese Gruppenbildung am Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen.
Normenkette
GG Art. 72-75; BetrVG §§ 75, 130; Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2002 Art. 1 §§ 8, 10, 13
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2003 – 6 (5) Sa 958/03 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer sog. Beurlaubungsvergütung.
Die 1950 geborene Klägerin ist seit Juni 1969 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der Westdeutschen Landesbank Girozentrale (WestLB Girozentrale), angestellt. Mit Wirkung zum 1. Juli 2001 schied sie auf Grund einer im März 2001 geschlossenen “Freistellungsvereinbarung” aus dem aktiven Dienst aus. Seitdem erhält sie die vertraglich vereinbarten Leistungen, ua. monatliche “Freistellungsbezüge” in Höhe von derzeit 65 % ihres ruhegehaltsfähigen Brutto-Monatsgehaltes.
Die Freistellungsvereinbarung beruht auf der zwischen der WestLB Girozentrale und dem Gesamtpersonalrat am 1. März 1999 geschlossenen und am gleichen Tag inkraftgetretenen “Durchführungsvereinbarung – Betriebliche Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland” (DV 1999). Deren Ziel war, notwendige personalwirtschaftliche Konsequenzen von Umstrukturierungen in der Bank sozial verträglich umzusetzen. Sie sollte bis zum 31. Dezember 2001 gelten und sich ohne Kündigung um jeweils ein Kalenderjahr verlängern. Im Fall einer Kündigung war die Nachwirkung auf höchstens ein Jahr beschränkt. Unter dem 18. September 2000 vereinbarten die WestLB Girozentrale und der Gesamtpersonalrat die “Durchführungsvereinbarung” betreffend “Personelle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Neuorganisation des Zahlungsverkehrs und des Internen Service in den inländischen (Haupt-) Niederlassungen (CentrO)”. Dort wurde die Möglichkeit einer Beurlaubung nach Maßgabe der DV 1999 wiederholt und ua. festgehalten, grundsätzlich seien alle betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleich zu behandeln.
Unter dem 28. September 2001 hielten die WestLB Girozentrale und der Gesamtpersonalrat schriftlich fest, es bestehe Einigkeit, dass die DV 1999 am 31. Dezember 2002 einschließlich einer eventuellen Nachwirkung ende (Ziff. 1). Weiter heißt es auszugsweise, sie verpflichteten sich
“schnellstmöglich, idealerweise bis zum 31. Dezember 2001, spätestens aber bis zur Umsetzung der vorgesehenen Umorganisation des WestLB-Konzerns eine Gesamtregelung über die flankierenden Maßnahmen zur Durchführung dieser Umorganisation zu treffen. Im Rahmen dieser Regelung werden eventuell auch erforderlich Modifikationen der “Betrieblichen Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland” geregelt.”
Am 2. Juli 2002 beschloss der Landtag NRW das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Nordrhein-Westfalen (Neuordnungsgesetz), zu denen auch die WestLB Girozentrale gehörte. Nach Art. 1 § 1 Neuordnungsgesetz wurde die Landesbank Nordrhein-Westfalen als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet. Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes wurden die in Art. 1 § 2 Neuordnungsgesetz genannten Geschäftsbereiche auf die Anstalt abgespalten. Das nicht der Abspaltung zugeordnete Vermögen verblieb bei der Beklagten, die mit der Eintragung in das Handelsregister die in Art. 1 § 8 Neuordnungsgesetz bestimmte Form der Aktiengesellschaft erhielt. Die Umwandlung ist mit Eintragung in das Handelsregister am 30. August 2002 wirksam geworden (Art. 1 § 10 Neuordnungsgesetz). Nach Art. 1 § 12 Neuordnungsgesetz haben die vor der Eintragung des Rechtsformwechsels bestehenden Personalräte in den Betrieben der Beklagten ein Übergangsmandat; nach Art. 1 § 13 Abs. 1 Neuordnungsgesetz gelten die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Formwechsels bestehenden Dienstvereinbarungen bis zum In-Kraft-Treten neuer Regelungen als Betriebsvereinbarungen weiter.
Unter dem 30. Juli 2002 schloss die WestLB Girozentrale mit dem Gesamtpersonalrat die “Betriebsvereinbarung über personelle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Umstrukturierungen innerhalb der Bank Inland” (BV 2002). Deren Präambel lautet:
“Umstrukturierungsmaßnahmen der jüngsten Vergangenheit (MARKO, CENTRO) sowie Personalanpassungskonzepte im Rahmen der betrieblichen Beurlaubungsvereinbarung haben gezeigt, dass die der Bank im Inland zur Verfügung stehenden Instrumente zur Umsetzung oder zum Abbau von Mitarbeitern nicht ausreichen, um Restrukturierungsziele zeitnah zu erreichen. Grund hierfür ist zum einen die von den Mitarbeitern als nicht ausreichend attraktiv empfundene betriebliche Regelung und zum anderen der im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen geübte Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen.”
Der Katalog enthält insgesamt sieben Maßnahmen, nämlich eine Mobilitätspauschale (Ziff. 1), eine Abfindungszahlung bei Austritt (Ziff. 3), Teilzeitarbeit zu verbesserten Bedingungen (Ziff. 4), Einsatz im Bereich “Personal-Transfer/Zeitarbeit” (Ziff. 5), Beurlaubung ohne Bezüge (Ziff. 6) und Kündigungsprämien (Ziff. 7). Ziff. 2 betrifft die ”Änderung der Durchführungsvereinbarung zur betrieblichen Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland”. Dort heißt es, diese werde zur Steigerung der Attraktivität und zum Anreiz für den Abschluss von Beurlaubungsvereinbarungen bei im übrigen gleichbleibenden Voraussetzungen geändert. Nach Ziff. 2.1 gilt unter den dort genannten Voraussetzungen eine gegenüber der DV 1999 höhere Beurlaubungsvergütung. Außerdem erhalten MitarbeiterInnen mit Eintritt in die Freistellung eine Einmalzahlung von 1.000,00 Euro für jedes Jahr, das sie vor dem vollendeten 63. Lebensjahr in die Freistellung gehen (Ziff. 2.2.1). Alle Leistungen sind stichtagsbezogen zum Tag des Eintritts in die betriebliche Freistellung zu ermitteln (Ziff. 2.2.2). Die anschließende Ziff. 2.3 lautet:
“An die Stelle der Regelungen über die Geltungsdauer der Durchführungsvereinbarung zur “Betrieblichen Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland” gemäß Ergänzungsvereinbarung vom 28.09.2001 treten die allgemeinen Regelungen dieser Betriebsvereinbarung einschließlich der Schlussbestimmungen.”
In IV. Schlussbestimmungen heißt es:
“1. Geltungsbereich
Die Betriebsvereinbarung gilt für die Bank im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und für alle bei ihr in diesem Bereich angestellten MitarbeiterInnen mit Ausnahme …
Soweit bei den einzelnen Maßnahmen keine weitergehenden Einschränkungen geregelt sind, gilt die Betriebsvereinbarung im übrigen nur für MitarbeiterInnen, die bei Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung in einem unbefristeten, ungekündigten Anstellungsverhältnis stehen.
Sind bei einzelnen Maßnahmen nur einzelne oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern angesprochen, so gilt die entsprechende Regelung nur für diese.
…
2. Inkrafttreten
Diese Betriebsvereinbarung tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft.
Ab Inkrafttreten gilt die Durchführungsvereinbarung betreffend die betriebliche Beurlaubungsvereinbarung für die Bank Inland vom 01.03.1999 nur noch in der durch Ziff. 2 dieser Betriebsvereinbarung geänderten Fassung und nur für den in vorstehender Ziff. 1 geregelten Geltungsbereich. Im übrigen findet die betriebliche Beurlaubungsregelung in der Fassung der Ziff. 2 dieser Vereinbarung auf alle MitarbeiterInnen Anwendung, deren Beurlaubungsbeginn nach dem 01.01.2002 liegt.”
Nach vergeblicher vorgerichtlicher Aufforderung hat die Klägerin mit ihrer im Dezember 2002 erhobenen Klage geltend gemacht, die Beklagte schulde Einmalzahlung und Beurlaubungsvergütung seit dem Tag ihrer Freistellung nach Maßgabe der BV 2002. Diese gelte unmittelbar für sie. Jedenfalls schulde die Beklagte die verbesserten Leistungen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Begünstigung ausschließlich der Mitarbeiter, deren Freistellung ab dem 1. Januar 2002 begonnen habe, sei willkürlich.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 11.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Differenzfreistellungsbezüge in Höhe von 2.076,80 Euro brutto für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Oktober 2002 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine monatliche Beurlaubungsvergütung in Höhe von 2.263,00 Euro brutto zu zahlen, bis zu dem Zeitpunkt, in welchem infolge von tariflichen Entgeltleistungen 65 % des ruhegehaltsfähigen Bruttomonatsgehaltes diesen Betrag übersteigen, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2005,
4. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. Januar 2006 eine monatliche Beurlaubungsvergütung in Höhe von 2.424,70 Euro brutto zu zahlen, bis zu dem Zeitpunkt, in welchem infolge von tariflichen Entgeltsteigerungen 70 % des ruhegehaltsfähigen Bruttomonatsgehaltes diesen Betrag übersteigen, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2010.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, an die Klägerin die in der BV 2002 vereinbarten Leistungen zu erbringen. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
I. Aus der BV 2002 lässt sich der Anspruch nicht herleiten.
1. Die zwischen dem Gesamtpersonalrat und der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 30. Juli 2002 geschlossene “Betriebsvereinbarung” ist als Anspruchsgrundlage grundsätzlich geeignet (§ 77 Abs. 4 BetrVG).
a) Zur Zeit des Abschlusses der BV 2002 am 30. Juli 2002 galt für die WestLB Girozentrale allerdings noch das LPersVG NRW. Mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten, wie hier die Beteiligung nach § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPersVG NRW bei der Aufstellung von Sozialplänen und vergleichbaren Plänen zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile auf Grund von Rationalisierungsmaßnahmen, konnten daher kollektivrechtlich nur durch Dienstvereinbarung geregelt werden. Das BetrVG war nicht anzuwenden (§ 130 BetrVG). Die ersichtlich im Vorgriff auf den unmittelbar bevorstehenden Rechtsformwechsel schon als “Betriebsvereinbarung” bezeichnete Dienstvereinbarung gilt nach Art. 1 § 13 Neuordnungsgesetz als Betriebsvereinbarung der Beklagten jedoch weiter. Diese Bestimmung ist wirksam.
b) Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Kompetenz zu der in Art. 1 § 13 Neuordnungsgesetz getroffenen Regelung. Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verliehen sind.
aa) Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht nach Art. 73 Nr. 8 GG lediglich für die Rechtsverhältnisse der in seinem Dienst stehenden Personen.
bb) Nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG ist der Bund zum Erlass von Rahmenvorschriften für die Landesbeschäftigten befugt. Hiervon wird auch das Personalvertretungsrecht erfasst (Jarass/Pieroth GG 7. Aufl. Art. 73 Rn. 19). Es kann offen bleiben, ob es sich bei der angeordneten Fortgeltung von Dienstvereinbarungen als Betriebsvereinbarung um eine Regelung des Personalvertretungsrechts handelt. Von dieser Kompetenz hat der Bund jedenfalls keinen Gebrauch gemacht (vgl. Senat 8. Mai 2001 – 9 AZR 95/00 – BAGE 97, 361). Weder die Rahmenvorschriften des BPersVG für die Gesetzgebung der Länder (§§ 94 bis 106) noch seine unmittelbar geltenden Bestimmungen (§§ 107 bis 109) enthalten Regelungen zum rechtlichen Schicksal bestehender Dienstvereinbarungen bei einer Privatisierung.
cc) Das Land hat auch nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 72 GG eingegriffen. Dem Bund steht zwar nach Art. 74 Abs. 12 GG die konkurrierende Gesetzgebung für das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung zu. Soweit der Bund auf dem Gebiet der Betriebsverfassung tätig geworden ist, sperren diese Bestimmungen die Länder nicht bei der Regelung der kollektivrechtlichen Rechtsfolgen einer Privatisierung. Der Übergang vom Personalvertretungsrecht zum Betriebsverfassungsrecht wird von den formellen und materiellen Bestimmungen des BetrVG nicht erfasst (vgl. Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schreibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 2. Aufl. B Rn. 87a; aA Kast/Freihube DB 2004, 2530).
2. Die BV 2002 ist entgegen der Revision auf das ruhende Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht anzuwenden.
a) Betriebs- und Dienstvereinbarungen werden regelmäßig mit ihrer förmlichen Unterzeichnung wirksam (§ 77 Abs. 2 BetrVG, § 70 Abs. 3 LPersVG NRW). Dem entspricht die Regelung in IV. Nr. 2 BV 2002, in der ausdrücklich der Tag der Unterzeichnung, das war der 30. Juli 2002, als Tag des In-Kraft-Tretens festgelegt wird. Anspruch auf die in der Betriebsvereinbarung vereinbarten Leistungen des Arbeitgebers haben danach Arbeitnehmer, die ab 30. Juli 2002 mit der Beklagten eine Freistellungsvereinbarung schließen. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht. Sie ist bereits auf Grund der Freistellungsvereinbarung vom März 2001 mit Wirkung zum 1. Juli 2001 aus dem aktiven Dienst ausgeschieden.
b) Die BV 2002 ist nicht deshalb anzuwenden, weil sich die Klägerin in einem “unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis” zur Beklagten befindet, wie sie meint. Bei der Regelung in IV. Nr. 1 Absatz 2 BV 2002 handelt es sich um keine Anspruchsvoraussetzung, sondern im Gegenteil um einen Anspruchsausschluss. Das zeigen Satzaufbau und Wortlaut. Auch wenn ein Mitarbeiter die in der Betriebsvereinbarung für die einzelnen Maßnahmen gestellten Anforderungen erfüllt, erwirbt er gleichwohl keine Rechte, wenn er sich in einem gekündigten oder befristeten Arbeitsverhältnis befindet.
c) Die Klägerin wird nicht von der Ausnahmebestimmung in IV. Nr. 2 Absatz 2 BV 2002 erfasst. Die verbesserten Arbeitgeberleistungen können nur Arbeitnehmer beanspruchen, deren Beurlaubungsbeginn “nach dem 01.01.2002” liegt. Auch wenn die Präposition “nach” richtigerweise als “ab” zu lesen ist, werden jedenfalls Arbeitnehmer, die wie die Klägerin bereits vor dem 1. Januar 2002 aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind, nicht begünstigt. Anderes ergibt sich entgegen der Revision nicht aus der Formulierung, “im übrigen findet … Anwendung”. Der Begriff “im übrigen” steht hier wortgleich für “außerdem”, “zusätzlich” oder auch für “abgesehen davon”. Mit ihm haben die Betriebsparteien deutlich gemacht, dass nicht nur Arbeitnehmer mit einem ab In-Kraft-Treten der BV 2002, also dem 30. Juli 2002, geschlossenen “Neuvertrag” Anspruch auf die erhöhten Arbeitgeberleistungen haben, sondern auch Arbeitnehmer mit einem “Altvertrag”, sofern die Beurlaubung nicht vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat. Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit unmissverständlich.
II. Der Anspruch lässt sich nicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung stützen.
1. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Diese Verpflichtung trifft nach § 62 LPersVG NRW auch Dienststelle und Personalrat.
Zu den Grundsätzen, die beim Aufstellen von Regelungen über Leistungen des Arbeitgebers zu beachten sind, gehört der Grundsatz der Gleichbehandlung (ständige Rechtsprechung vgl. BAG 17. Februar 1998 – 3 AZR 578/96 – BAGE 88, 32). Er verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, die unterschiedliche Behandlung sich vielmehr als sachwidrig und willkürlich erweist (BAG 11. Februar 1998 – 10 AZR 22/97 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 121 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 97; vgl. auch BAG 17. Februar 1998 – 3 AZR 783/96 – BAGE 88, 23).
2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist hier zu prüfen. Denn die Arbeitnehmer werden auf Grund der BV 2002 unterschiedlich behandelt, obwohl sie sich im Wesentlichen in einer gleichen persönlichen und wirtschaftlichen Lage befinden. Der persönliche Geltungsbereich der BV 2002 entspricht dem Geltungsbereich der DV 1999. Ohne Rücksicht auf das Datum, zu dem Mitarbeiter ihr Ausscheiden aus dem aktiven Dienst vereinbart haben, wird die “Rückwirkung” der BV 2002 eingeschränkt. Nur die Gruppe der Arbeitnehmer mit einem Freistellungsbeginn ab 1. Januar 2002 werden begünstigt, auch dann, wenn sie wie die Klägerin die Freistellungsvereinbarung noch unter der Geltung der DV 1999 geschlossen hatten. Darin liegt eine Ungleichbehandlung.
3. Dieser Ausschluss der Gruppe der bereits am 1. Januar 2002 freigestellten Arbeitnehmer von den verbesserten Leistungen ist entgegen der Auffassung der Klägerin sachlich gerechtfertigt.
a) Ob ein sachlicher Grund besteht, richtet sich wegen der normativen Wirkung einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 4 BetrVG) nach objektiven Merkmalen. Maßgeblich ist der mit der Leistung verfolgte Zweck, wie er sich aus den Verlautbarungen der Betriebsparteien, dem Gegenstand der Betriebsvereinbarung, den vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen und Kürzungstatbeständen erschließt. Ob die Betriebsparteien im Rahmen ihres von den Gerichten für Arbeitssachen zu respektierenden Regelungsspielraums die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gewählt haben, ist dagegen nicht zu überprüfen.
b) Gemessen daran ist die beschränkte Rückwirkung der BV 2002 nicht zu beanstanden.
aa) Die sachliche Rechtfertigung ergibt sich allerdings noch nicht aus dem Umstand, dass die BV 2002 die nachträgliche Besserstellung von einem Stichtag abhängig macht. Die Festlegung von Stichtagen ist zwar vielfach üblich und nicht deshalb unzulässig, weil sie im Einzelfall zu Härten führt (BAG 24. Januar 1996 – 10 AZR 155/95 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 98 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 83; 5. Oktober 2000 – 1 AZR 48/00 – BAGE 96, 15). Stichtage sind allein als Differenzierungsmerkmal aber nicht geeignet. Auch wenn Betriebsparteien ein weiter Ermessensspielraum zusteht, muss der Zeitpunkt sachlich vertretbar sein (vgl. ua. BAG 30. November 1994 – 10 AZR 578/93 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 89 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 80). Das bestimmt sich nach den Gründen, die sich hinter der Stichtagsregelung verbergen (so schon BAG 14. Juni 1983 – 3 AZR 565/81 – BAGE 44, 61 mwN; 18. September 2001 – 3 AZR 656/00 – BAGE 99, 53).
Billigenswert sind Stichtagsregelungen, die als Steuerungsmittel eingesetzt werden. Insbesondere bei Personalmaßnahmen, die sich über einen längeren Zeitraum hinziehen, erweisen sich die zunächst vereinbarten Leistungen häufig als ungeeignet, das gesteckte Ziel zu erreichen. Die Vereinbarung zusätzlicher Leistungen, um weitere Arbeitnehmer zum Ausscheiden zu motivieren, ist dann regelmäßig sinnvoll und der Ausschluss bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer sachlich gerechtfertigt (BAG 11. Februar 1998 – 10 AZR 22/97 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 121 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 97; 18. September 2001 – 3 AZR 656/00 – BAGE 99, 53).
Die Klägerin macht zutreffend geltend, dass die BV 2002 als Anreiz- und Steuerungsmittel ausscheidet, soweit Mitarbeiter bereits unter der Geltung der DV 1999 die Beurlaubungsvereinbarung geschlossen haben. Der Inhalt der BV 2002 kann für deren Entschluss, aus dem aktiven Dienst auszuscheiden, nicht ursächlich geworden sein. An eine solche “Kausalität” knüpft die BV 2002 aber auch nicht an. Die “Betriebsparteien” haben im Gegenteil gerade von einer solchen Feststellung im Interesse einer typisierenden Betrachtung abgesehen.
bb) Der Grund für den Stichtag erschließt sich jedoch aus der gebotenen Zusammenschau der BV 2002 mit der zwischen dem Gesamtpersonalrat und der WestLB Girozentrale am 28. September 2001 geschlossenen Vereinbarung.
(1) Nach der Präambel der BV 2002 hatten sich die in der DV 1999 vereinbarten Arbeitgeberleistungen als unzureichend erwiesen, um den angestrebten Personalabbau zeitnah zu realisieren. Deshalb wurden diese Leistungen verbessert, um eine größere Anzahl von Mitarbeitern zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zu motivieren.
(2) Hintergrund der Vereinbarung vom September 2001 war die zwischenzeitlich feststehende Umstrukturierung des Konzerns. Es bestand dringender Handlungsbedarf nach einer Gesamtregelung der sich daraus für die Arbeitnehmer ergebenden Folgen. Deshalb wurde zunächst die Laufzeit der noch in Kraft befindlichen DV 1999 ohne Nachwirkung auf längstens bis zum 31. Dezember 2002 begrenzt. Gleichzeitig verpflichteten sich die “Betriebsparteien” zur Aufnahme von Verhandlungen über die “flankierenden Maßnahmen”. Diese Verhandlungen sollten “schnellstmöglich, idealerweise” bis zum Jahresende 2001 abgeschlossen sein. Gegenstand der Verhandlungen sollten auch eventuell erforderliche Modifikationen der Durchführungsvereinbarung sein. Das für den Abschluss dieser Gesamtregelung ins Auge gefasste Abschlussdatum 31. Dezember 2001 war nach Einschätzung der “Betriebsparteien” realistisch kaum zu erreichen, wie ihre Wortwahl “idealerweise” zeigt.
(3) Die in der BV 2002 vereinbarte beschränkte Einbeziehung von Arbeitnehmern mit einem “Altvertrag” versteht sich aus dem Interesse der Beteiligten am Abschluss von Beurlaubungsvereinbarungen auch während der Verhandlungsphase. Es bestand die Gefahr einer weiteren Verzögerung des Personalabbaus und eines “Bearbeitungsstaus”, wenn alle Arbeitnehmer bis zur tatsächlichen Unterzeichnung der “Gesamtregelung” mit dem Abschluss von Ausscheidensvereinbarungen zugewartet hätten.
(4) Dass die von vornherein beabsichtigte (teilweise) Einbeziehung von Mitarbeitern, die bereits im Jahr 2001 die Beurlaubung vertraglich vereinbart hatten, nicht allgemein bekannt gemacht worden ist (etwa durch Aushang), steht dem nicht entgegen. Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung selbst sind nicht betriebsöffentlich, sie sind aber auch nicht “geheim”. Sie sind eingebettet in das betriebliche Geschehen, in das nicht nur die Arbeitnehmervertretung Einblick hat, sondern auch der einzelne Arbeitnehmer, wobei dessen Kenntnisstand insbesondere von seiner Stellung im Betrieb oder der Dienststelle und die ihm übertragenen Aufgaben abhängt. Nicht erst Verhandlungen, sondern schon ihr Vorfeld sind geeignet, das Verhalten der voraussichtlich betroffenen Arbeitnehmer zu beeinflussen. Dem durften die “Betriebsparteien” Rechnung tragen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob die von der Klägerin bestrittene Behauptung der Beklagten wahr ist, der Gesamtpersonalrat habe im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber der Belegschaft “signalisiert”, die abzuschließende Gesamtregelung werde auch Mitarbeiter erfassen, die sich in der ”Übergangsphase” für eine Beurlaubung entschließen würden.
(5) Die Anforderung einer Freistellung ab 1. Januar 2002 berücksichtigt, dass diese Arbeitnehmer sich noch nicht auf den Bezug der gegenüber dem bisherigen Arbeitsentgelt abgesenkten Beurlaubungsbezüge tatsächlich eingestellt hatten. Zum anderen vermeidet sie das erneute Aufrollen bereits abgeschlossener Sachverhalte, das die Arbeitgeberin zur Nachberechnung und Nachzahlung verpflichten würde. Die “rückwirkende” Begünstigung nur der bis 31. Dezember 2001 aktiv Beschäftigten ist damit an der erstrebten reibungslosen und effektiven Umsetzung des Personalabbaus orientiert.
Dass im Einzelfall Arbeitnehmer wie die von der Klägerin benannte Frau S… mit einer Freistellungsvereinbarung vom 23. Juli 2001 und einem Freistellungsbeginn am 1. Januar 2002 oder die ebenfalls benannte Frau S…, die nach der Behauptung der Klägerin mit Frau S… vergleichbar ist, in den Genuss der finanziellen Vergünstigung kommen, obwohl sie die Freistellungsbedingungen der DV 1999 akzeptiert hatten, ist von der Klägerin hinzunehmen. Die Begünstigung ist Reflex der Entscheidung der “Betriebsparteien”, im Interesse der typisierenden Betrachtung auf den tatsächlichen Eintritt der Freistellung abzustellen. Sie stellt die sachliche Begründetheit der Differenzierung nicht in Frage. Dass die “Betriebsparteien” in dieser Situation nicht nur Arbeitnehmer mit einer im letzten Quartal 2001 abgeschlossenen Beurlaubungsvereinbarung begünstigt haben, sondern alle Arbeitnehmer mit “Altvertrag”, deren Freistellung erst ab 1. Januar 2002 begann, ist jedenfalls nicht willkürlich.
III. Die Klägerin ist nicht deshalb so zu behandeln, als sei sie zum 1. Januar 2002 in die Freistellung gegangen, weil die Beklagte Frau S… schon vor Unterzeichnung der BV 2002, nämlich im April 2002, schriftlich die Leistungsverbesserungen mitgeteilt hat. Das gilt auch dann, wenn die Zusage nicht, wie die Beklagte behauptet, im Hinblick auf die schon abschließend verhandelte, nur noch nicht unterschriebenen Ziff. 2 der BV 2002, beruht. Es handelte sich dann um die Begünstigung einer oder zweier Arbeitnehmer, aus der keine Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hergeleitet werden könnten.
IV. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Reinecke, Fr. Holze, Benrath
Fundstellen
BB 2005, 1688 |
JR 2006, 307 |
NZA 2005, 833 |
ZTR 2005, 666 |
AP, 0 |
EzA-SD 2005, 12 |
EzA |
PersV 2006, 64 |
RiA 2005, 225 |
AUR 2005, 278 |
ArbRB 2005, 240 |
BAGReport 2005, 223 |