Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe. Beitragszuschuß nach § 257 SGB V. Beschränkung der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten auf die aus der gesetzlichen Krankenversicherung dem Grunde nach zustehenden Sach- und Dienstleistungen. Alimentationsprinzip. Gleichbehandlung. Betriebliche Übung
Orientierungssatz
Durch § 1 Abs. 2 a BVOAng in der Fassung des Art. I Nr. 1 der Achten Änderungsverordnung vom 3. September 1998 ist eine Gleichstellung der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten mit den dort pflichtversicherten Bediensteten erfolgt.
Daraus ergibt sich, daß freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte mit Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 257 SGB V auf die ihnen aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung dem Grunde nach zustehenden Sach- oder Dienstleistungen angewiesen sind.
Nach § 1 Abs. 2 BVOAng in der Fassung des Art. I Nr. 1 der Neunten Änderungsverordnung werden Beihilfeleistungen wie bei Pflichtversicherten nur in Fällen des dort bezeichneten Aufwendungszuschusses erbracht. Gegenüber den privatversicherten Beschäftigten liegt keine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes vor, da der für diese vorgeschriebene Umfang der Vertragsleistungen mit dem der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nicht vergleichbar ist.
Normenkette
BAT § 40; Gesetz über die Anwendung beamten- und besoldungsrechtlicher Vorschriften auf nichtbeamtete Angehörige des öffentlichen Dienstes (AbubesVG) vom 6. Oktober 1987 (GVBl. NW S. 342) § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1; Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende (BVOAng) vom 9. April 1965 (GVBl. NW S. 108) § 1 Abs. 2-3; SGB V § 257; BGB § 315
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. März 2000 – 3 Sa 1578/99 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der dem Kläger nach dem 31. März 1999 zu gewährenden Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen.
Der am 7. Februar 1949 geborene Kläger ist seit dem 10. August 1984 bei dem beklagten Land als Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt und an einer städtischen Hauptschule eingesetzt. Er ist freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und erhält von dem beklagten Land einen Beitragszuschuß nach § 257 SGB V.
Bis zum 31. März 1999 war in § 1 Abs. 2 a der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende (BVOAng) vom 9. April 1965 (GVBl. NW S 108) geregelt:
„Bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Bediensteten, die nach § 224 SGB V beitragsfrei sind, sind die Aufwendungen nur insoweit beihilfefähig, als sie über die zustehenden Leistungen der Krankenversicherung hinausgehen; dies gilt entsprechend für Bedienstete, die nach § 257 SGB V einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag erhalten, …”
Durch die Achte Verordnung zur Änderung der BVOAng vom 3. September 1998 (GVBl. NW S 550) wurde § 1 BVOAng geändert. Seitdem hieß es dort:
„2) Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung und ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen sind ausschließlich auf die ihnen aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung dem Grunde nach zustehenden Sach- oder Dienstleistungen angewiesen. Aufwendungen, die dadurch entstehen, daß sie diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen oder sich an Stelle einer möglichen Sach- oder Dienstleistung eine Barleistung gewähren lassen, sind nicht beihilfefähig. Besteht ein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses gegen die Krankenversicherung oder die Unfallversicherung, sind die Aufwendungen mit Ausnahme derjenigen für Brillen, der Mehrkosten für Zahnfüllungen, implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion sowie funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen (§ 28 Abs. 2 SGB V) beihilfefähig, die beihilfefähigen Aufwendungen werden um den dem Grunde nach zustehenden Zuschuß gekürzt. Aufwendungen für Reparatur und Aufarbeitung von Brillen sind nicht beihilfefähig.
(2a) Absatz 2 gilt entsprechend für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Bedienstete, denen nach § 257 SGB V ein Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag dem Grunde nach zusteht oder die nach § 224 SGB V beitragsfrei versichert sind. …”
Durch die Neunte Verordnung zur Änderung der BVOAng vom 16. Dezember 1999 (GVBl. NW S 672) wurde § 1 Abs. 2 BVOAng neu gefaßt. Außerdem erhielt Abs. 2 a als Abs. 3 eine neue Fassung. Dort heißt es seitdem:
„(2) Pflichtversicherte und freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Bedienstete, denen nach § 257 SGB V ein Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag dem Grunde nach zusteht oder die nach § 224 SGB V beitragsfrei versichert sind, sowie ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen sind ausschließlich auf die ihnen aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung dem Grunde nach zustehenden Sach- oder Dienstleistungen angewiesen. …
(3) Bei privatversicherten Bediensteten, die nach § 257 SGB V einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag erhalten oder deren Beitrag nach § 207 a SGB III übernommen wird, sind die Aufwendungen nur insoweit beihilfefähig, als sie über die zustehenden Leistungen der Krankenversicherung hinausgehen; …”
Die Klage richtet sich gegen die Neuregelung des Beihilferechts in bezug auf die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Beschäftigten und beanstandet, daß auch die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmer künftig auf die dem Grunde nach zustehenden Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung angewiesen sind. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe in unzulässiger Weise in die bestehende Wahlfreiheit des Beschäftigten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung eingegriffen. Durch die Anwendung der Achten Änderungsverordnung habe das beklagte Land § 315 BGB verletzt und gegen die betriebliche Übung und den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, auch für die Zeit nach dem 31. März 1999 dem Kläger Beihilfe nach dem bis zum 31. März 1999 geltenden Beihilferecht für Angestellte zu gewähren.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Änderung der Beihilfeverordnung wirke über die Verweisung in § 40 BAT unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis ein. Für eine Anwendung von § 315 BGB sei daher kein Raum. Auch könne der Kläger sich nicht auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder auf betriebliche Übung berufen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß das beklagte Land ihm weiterhin nach altem Recht Beihilfe gewährt. Der Kläger kann nur Beihilfe nach den bei seinem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen verlangen. Diese sind für den Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen der BAT Anwendung findet, nach § 40 BAT die Bestimmungen der BVOAng in der Fassung, die diese in dem hier streitigen Punkt seit 1. April 1999 hat.
1. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen tariflichen Anspruch.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den BAT als Anspruchsgrundlage ausgeschlossen.
Nach § 40 BAT werden für die Gewährung von Beihilfen in Krankheitsfällen „die bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen angewendet”. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Beihilfen an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende im Dienst des beklagten Landes, der Gemeinden, Gemeindeverbände oder sonstigen unter Landesaufsicht stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Anwendung beamten- und besoldungsrechtlicher Vorschriften auf nichtbeamtete Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 6. Oktober 1987 (AbubesVG) (GVBl. NW S 342). Die auf Grund dieses Gesetzes erlassene Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (BVOAng) vom 9. April 1965 (GVBl. NW S 108) in der jeweils geltenden Fassung ist damit eine bei dem beklagten Land „geltende Bestimmung” iSd. § 40 BAT (BAG 18. Januar 1983 – 3 AZR 520/80 – AP BAT § 40 Nr. 2; 5. November 1992 – 6 AZR 311/91 – BAGE 71, 320).
b) Durch § 1 Abs. 2 a BVOAng in der sich aus Art. I der Achten Änderungsverordnung vom 3. September 1998 ergebenden Fassung wurden mit Wirkung vom 1. April 1999 (Art. II Satz 3 der Achten Änderungsverordnung) die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten mit den dort pflichtversicherten Bediensteten gleichgestellt. Freiwillig Versicherte mit Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 257 SGB V sind daher auf die ihnen aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung dem Grunde nach zustehenden Sach- oder Dienstleistungen angewiesen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 BVOAng in der Fassung der Neunten Änderungsverordnung erhalten sie Beihilfeleistungen wie die Pflichtversicherten nur, wenn sie den dort geregelten Anspruch auf die Gewährung eines Aufwendungszuschusses haben.
c) Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sind private Aufwendungen. Der Angestellte hat sie grundsätzlich aus seinem Einkommen zu bestreiten. Zu diesem gehört die Vergütung aus dem Arbeitsverhältnis. Die dem Dienstherrn gegenüber seinen Beamten, Richtern und Soldaten obliegende gesteigerte Fürsorgepflicht findet im Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes keine Fortsetzung (vgl. BAG 19. Februar 1998 – 6 AZR 460/96 – BAGE 88, 92, 99, zu II 2 b ee der Gründe). Die Neufassung der BVOAng durch die Achte Änderungsverordnung vom 3. September 1998 hat eine Änderung des Leistungszwecks bewirkt. Die Beihilfe dient nicht mehr der Deckung des vollen Bedarfs des Anspruchsberechtigten, sondern stellt nur noch einen anlaßbezogenen Zuschuß zur laufenden Vergütung dar.
d) Durch die Neuregelung in Art. I Nr. 2 der Neunten Änderungsverordnung werden freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte und Privatversicherte nicht ungleich behandelt. Die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Beschäftigten sind nicht vergleichbar mit den privatversicherten Beschäftigten. Jene erhalten den Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung. Dagegen fordert § 257 SGB V für diese keine Vollversicherung oder auch nur einen bestimmten Umfang von Leistungen. Eine Absicherung des gesamten Leistungskatalogs nach dem SGB V ist nicht vorgeschrieben, vielmehr soll dem Einzelnen überlassen bleiben, welche Leistungen er absichern will. Die Vertragsleistungen müssen nur der Art nach den Leistungen des SGB V entsprechen. Sie brauchen weder hinsichtlich ihres Inhalts noch ihres Umfangs identisch mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sein; es genügt, wenn sie ihnen in ihrem Kerngehalt gleichen. Auch reicht es aus, wenn die Leistungsarten nur zum Teil abgesichert sind, etwa durch Beschränkung der Kostenerstattung auf einen vH-Satz oder Höchstbeträge (vgl. Peters Handbuch der Krankenversicherung Teil II – Sozialgesetzbuch V Stand 1. April 2001 § 257 Rn. 18).
2. Der Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus betrieblicher Übung.
Die Revision meint, durch die vertragliche Verweisung auf die Bestimmungen des BAT und damit auf § 40 BAT habe das beklagte Land einen Vertrauenstatbestand gesetzt, indem es den Anschein erweckt habe, in Krankheitsfällen würden Beihilfen gewährt. Das beklagte Land setze sich im Widerspruch zu der seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bestehenden und ohne Vorbehalt geübten Beihilfepraxis. Dem ist nicht zu folgen.
Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muß in aller Regel davon ausgehen, daß ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besonderen Anlaß darf er deshalb auch bei langjähriger Gewährung einer zusätzlichen Vergünstigung nicht darauf vertrauen, diese sei Vertragsinhalt geworden (st. Rspr. vgl. BAG 10. April 1985 – 7 AZR 36/83 – BAGE 49, 31; 24. März 1993 – 5 AZR 16/92 – BAGE 73, 1). Deshalb gelten für den öffentlichen Dienst die Grundsätze zur betrieblichen Übung nur mit Einschränkungen. Ein besonderer Anlaß anzunehmen, das beklagte Land werde anders verfahren als in § 40 BAT geregelt, bestand nicht.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht die Befugnis des beklagten Landes abgelehnt, über eine Reduzierung der Beihilfeleistungen an den Kläger im Rahmen billigen Ermessens in entsprechender Anwendung des § 315 BGB zu befinden. Vielmehr hatte das beklagte Land die staatlichen Rechtsnormen des Arbeitsrechts zu vollziehen, die sich aus dem AbubesVG und den auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen ergeben.
4. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es deshalb auch nicht einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG. Eine solche wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn die arbeitsvertraglichen Bedingungen nicht dem geänderten Beihilferecht, sondern anderen Grundsätzen unterstellt worden wären. Die Neuregelungen der BVOAng sind Inhalt der „bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen” im Sinne des nach § 40 BAT und damit Bestandteil der Vertragspflichten des beklagten Landes geworden.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Ehrenamtlicher Richter Hinsch ist durch Ablauf seiner Amtszeit aus dem Richteramt ausgeschieden und kann daher nicht unterzeichnen. Dr. Peifer, Reimann
Fundstellen
NZA 2002, 1000 |
ZTR 2002, 480 |
NJOZ 2003, 1225 |