Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Lohnerhöhung aus Gleichbehandlung
Orientierungssatz
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist im Bereich der Vergütung dann anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung allgemein angehoben werden. Wenn der Arbeitgeber Löhne und Gehälter im Rahmen einer allgemeinen Lohnbewegung erhöht, dürfen einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern nicht ohne sachlichen Grund von der Entgelterhöhung ausgenommen werden.
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 23.08.1985; Aktenzeichen 14/9 Sa 560/85) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.05.1984; Aktenzeichen 3 Ca 423/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Gehaltserhöhung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zusteht.
Die Beklagte, eine staatliche türkische Fluggesellschaft, unterhält in Frankfurt am Main eine Niederlassung, in der sie 18 Arbeitnehmer beschäftigt. Hiervon sind acht Mitarbeiter aus der Türkei für durchschnittlich vier Jahre in die Bundesrepublik entsandt, zehn Mitarbeiter sind für unbestimmte Zeit in der Niederlassung lokal eingestellt worden. Die Klägerin ist seit 1980 in der Niederlassung als Frachtdisponentin tätig. Sie gehört zu der Gruppe der lokal eingestellten Mitarbeiter. Für das Arbeitsverhältnis gilt nach übereinstimmender Auffassung der Parteien deutsches Recht.
Die Beklagte zahlt ihren Mitarbeitern Bezüge nach einem Gehaltssystem, das (ohne feste Kriterien aufzustellen) in vier Vergütungsgruppen von D 1 nach D 4 gegliedert ist und Unter- und Obergrenzen für die einzelnen Vergütungsgruppen bestimmt. Bis zum 30. Juni 1982 gewährte die Beklagte ihren aus der Türkei entsandten Arbeitnehmern Gehalt nach den Obergrenzen der Vergütungsgruppe D 1 bis D 3 und drei weiteren Mitarbeitern Gehalt nach der Obergrenze der Vergütungsgruppe D 4. Bei der Vergütung der örtlich eingestellten Mitarbeiter, die - im wesentlichen - in die Vergütungsgruppe D 4 eingestuft sind, wurden bei der Gehaltsvereinbarung Abschläge in unterschiedlicher Höhe vorgenommen. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt 1.800,-- DM.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1982 hat die Beklagte - nach einem zentralen Finanzplan - die Obergrenzen der Vergütungsgruppen angehoben und die Gehälter der aus der Türkei entsandten Arbeitnehmer entsprechend erhöht. Die Steigerungsbeträge liegen zwischen 590,-- DM und 1.300,-- DM monatlich. Ebenfalls mit Wirkung vom 1. Juli 1982 hat die Beklagte vier Mitarbeiter des entsandten Personals in eine höhere Gehaltsgruppe eingestuft; diese Mitarbeiter erhalten nunmehr Bezüge nach der Obergrenze ihrer Vergütungsgruppe. An ihrer Tätigkeit in der Niederlassung änderte sich jedoch nichts.
Mit ihrer am 13. Oktober 1983 bei Gericht eingereichten Klage verlangt die Klägerin die Erhöhung ihres monatlichen Gehalts für die Zeit ab 1. Juli 1982 um 720,-- DM. Sie hat vorgetragen, die Beklagte habe mit ihrem Vorgehen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Die Beklagte könne nicht die lokal eingestellten Mitarbeiter, die mit den entsandten Mitarbeitern vergleichbar seien, von einer allgemeinen Gehaltserhöhung, die bis zu 40 % reiche, ausnehmen. Allgemeine Gehaltserhöhungen erfolgten regelmäßig zum Ausgleich zwischenzeitlicher Preissteigerungen. Derartige Preissteigerungen seien aber nicht nur in der Türkei, sondern auch in der Bundesrepublik zu verzeichnen gewesen.
Die Klägerin hat daher beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie ab 1. Juli 1982
über das gezahlte Gehalt von 1.800,-- DM brutto
hinaus weitere 720,-- DM brutto monatlich zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Die unterschiedliche Behandlung der entsandten und der am Ort eingestellten Mitarbeiter habe ihren Grund darin, daß die erstere Gruppe einem erhöhten Mobilitätsrisiko ausgesetzt sei. Die Versetzung von Mitarbeitern aus der Türkei in die Bundesrepublik sei stets mit erheblichen Schwierigkeiten und Kosten, zum Beispiel bei der Anmietung von Wohnungen, der Beschaffung von Haushaltsgegenständen, der Bereitstellung von Kautionen usw. verbunden. Weiter sei der Eindruck einer Gehaltserhöhung des entsandten Personals um 40 % nur deshalb entstanden, weil die Gehaltserhöhung von höchstens 25 % mit einer Höhergruppierung von vier Mitarbeitern zum 1. Juli 1982 einhergegangen sei. Schließlich rechtfertige auch die höhere Teuerungsrate in der Türkei eine unterschiedliche Behandlung des entsandten Personals im Vergleich zu dem örtlich eingestellten Personal. Da mit der Klägerin ein Einzelarbeitsverhältnis begründet worden sei, habe auch eine bestimmte Vergütung vereinbart werden können. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei dabei nicht verletzt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Sache bedarf weiterer Aufklärung.
I. Aus der Höherstufung von vier Angestellten aus dem Kreis der entsandten Mitarbeiter läßt sich eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht herleiten.
1. Nach dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung ist es dem Arbeitgeber verwehrt, in seinem Betrieb einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen und schlechterzustellen. Das gilt auch im Bereich der Vergütung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung nach allgemeinen Grundsätzen angehoben werden. Wenn der Arbeitgeber jedoch aufgrund einzelvertraglicher Abreden einzelne Arbeitnehmer besserstellt, kann er nicht unter Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet werden, die gleichen Leistungen an alle Arbeitnehmer zu erbringen (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 45, 76, 81 = AP Nr. 67 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 3 b der Gründe). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitgeber zum Beispiel mit einzelnen Arbeitnehmern arbeitsvertraglich größere Gehaltserhöhungen vereinbart, als sie üblicherweise im Betrieb gewährt werden. Zulässig ist es auch, wenn ein Arbeitgeber durch Arbeitsvertrag einzelne Arbeitnehmer - etwa wenn diese besondere Aufwendungen haben - aus der betriebsüblichen Gehaltsbemessung ausnimmt und sie besser als vergleichbare Arbeitnehmer vergütet.
2. Vorliegend ist davon auszugehen, daß die Beklagte den von der Klägerin angeführten vier Mitarbeitern aus dem Kreis der entsandten Arbeitnehmer durch einzelvertragliche Abmachungen eine weitere Gehaltserhöhung gewährt hat, ohne daß hierdurch eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern entstanden ist.
Dafür spricht bereits, daß allein diesen Mitarbeitern die außergewöhnlich starke Gehaltserhöhung von ungefähr 40 % gewährt worden ist und sie damit in der Vergütungshöhe mit - ebenfalls entsandten - Arbeitnehmern gleichgestellt worden sind, die bisher besser als sie vergütet wurden. Die Beklagte hat damit diese Mitarbeiter auch gegenüber den anderen entsandten Arbeitnehmern bevorzugt behandelt. Sie hat hierzu vorgetragen, sie habe diese Mitarbeiter in eine höhere Gehaltsstufe befördert, und sie hat sich insoweit auf einzelvertragliche Vereinbarungen berufen. Die Klägerin, der die Darlegungs- und Beweislast für eine nach abstrakten Merkmalen vorgenommene Gruppenbildung obliegt, hat dagegen ihrerseits nichts dafür vorgetragen, was eine jeweils einzelvertragliche Behandlung der betreffenden vier Mitarbeiter in Zweifel ziehen könnte. Insoweit kann die Klägerin daher die begehrte Gehaltserhöhung nicht darauf stützen, in Bezug auf die Gruppe dieser vier entsandten Mitarbeiter habe die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.
II. Eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits ist nicht möglich. Es steht noch nicht fest, ob die Klägerin ihren Anspruch nicht aufgrund anderer Erwägungen aus einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes herleiten kann. Dazu bedarf es noch weiterer Sachaufklärung.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist, wie bereits dargelegt, im Bereich der Vergütung dann anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung allgemein angehoben werden. Wenn der Arbeitgeber Löhne und Gehälter im Rahmen einer allgemeinen Lohnbewegung erhöht, dürfen einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern nicht ohne sachlichen Grund von der Entgelterhöhung ausgenommen werden (BAG Urteil vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/77 - AP Nr. 42 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
2. Nach diesen Grundsätzen könnte die Klägerin eine Erhöhung ihrer Vergütung beanspruchen, wenn die Beklagte die Gehaltsobergrenzen des Vergütungssystems allgemein angehoben und damit eine Erhöhung der Bezüge bewirkt hätte.
Die Beklagte hat zwar die Gehälter mit Wirkung vom 1. Juli 1982 allgemein angehoben, dabei aber nur die entsandten Mitarbeiter berücksichtigt; die am Ort eingestellten Mitarbeiter hat sie hiervon ausgenommen. Die Beklagte müßte darlegen, daß für die unterschiedliche Behandlung des entsandten und des ortsansässigen Personals sachliche Gründe vorgelegen haben. Die Beklagte hat sich hierzu darauf berufen, bei den entsandten Mitarbeitern bestünden Bindungen zur Türkei und die dortige Teuerungsrate sei wesentlich höher als in der Bundesrepublik. Demgegenüber hat die Klägerin geltend gemacht, eine höhere Teuerungsrate in der Türkei werde durch den Wechselkurs der türkischen Währung gegenüber der deutschen Mark ausgeglichen.
Ob dies alles zutrifft, hat das angefochtene Urteil nicht aufgeklärt. Deshalb läßt sich nicht beurteilen, ob sachliche Gründe dafür vorgelegen haben, nur die Bezüge der entsandten Mitarbeiter ab 1. Juli 1982 anzuheben und die ortsansässigen Angestellten als andere Gruppe hiervon auszunehmen. Bei der weiteren Sachaufklärung ist auf die Währungsentwicklung in dem hier infrage stehenden Zeitraum abzustellen (vgl. hierzu die Entscheidung des Senats vom 19. Februar 1986 - 5 AZR 48/85 - in dem Parallelfall des Angestellten T H. U, zu III 2 der Gründe). Sollte sich bei einer näheren Sachverhaltsaufklärung herausstellen, daß die entsandten Mitarbeiter durch die höheren Inflationsraten in der Türkei finanziell mehr belastet worden sind, könnte mit der Vergütungsanhebung für diese Mitarbeiter ein Teuerungsausgleich bezweckt worden sein. Unter diesen Umständen wäre ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des ent sandten und des ortsansässigen Personals zu bejahen.
Dr. Gehring Dr. Olderog Dörner
Wengeler Fischer
Fundstellen