Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstundenvergütung angestellter Lehrer. Vergütung angestellter Lehrer
Orientierungssatz
Die SR 2l I Nr. 3 BAT-O schließt für angestellte Lehrkräfte einen Anspruch auf Mehrstundenvergütung nach §§ 17, 35 BAT-O aus. Maßgeblich sind die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten.
Die tarifvertragliche Verweisung in SR 2l I Nr. 3 BAT-O auf beamtenrechtliche Besoldungsvorschriften begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Es wird nicht auf eine bestimmte Relation beamteter und angestellter Lehrkräfte abgestellt. Nur dann, wenn beamtete Lehrkräfte nicht vorhanden sind, ist der Arbeitsvertrag maßgeblich.
Normenkette
BAT-O SR 2l I Nr. 3; LBG Mecklenburg-Vorpommern § 78 Abs. 4; ZPO § 130 Nr. 6
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Überstundenvergütung.
Der Kläger ist bei dem beklagten Land seit 1990 als vollzeitbeschäftigter Lehrer an einem Gymnasium beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Angestellten des öffentlichen Dienstes Anwendung. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung richtet sich die regelmäßige wöchentliche Pflichtstundenzahl nach dem Erlass über die Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern in der jeweils geltenden Fassung.
Der Kläger leistete am 5. und 15. September, 17. Oktober, 14. November, 5. und 19. Dezember 2000 sowie am 9. Januar, 30. Mai, 8., 22. und 26. Juni 2001 auf Bitten des Schulleiters vertretungsweise jeweils eine zusätzliche außerplanmäßige Unterrichtsstunde. Am 3. Juli 2001 war der Kläger von der Pflicht zur Unterrichtserteilung freigestellt und führte auf Bitten der Schulleitung bei einem Sportfest Aufsicht über seine Schüler. Statt zweier Unterrichtsstunden beaufsichtigte der Kläger an diesem Tage 5 ½ Stunden die Schüler. Ein Freizeitausgleich wurde nicht gewährt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Mehrstundenvergütung nach dem BAT-O. Gesetzliche Regelungen über die Mehrarbeitsvergütung von Beamten stünden dem nicht entgegen. Diese fänden gemäß Nr. 3 der Sonderregelung (SR 2l I BAT-O) für Angestellte als Lehrkräfte nur Anwendung, wenn entsprechende Beamte vorhanden seien. Da in Mecklenburg-Vorpommern nur eine äußerst geringe Zahl beamteter Lehrkräfte – im Bereich des für den Kläger zuständigen Staatlichen Schulamtes Schwerin acht beamtete Lehrkräfte – beschäftigt werde, seien die beamtenrechtlichen Vorschriften nicht anwendbar.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 353,62 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach entsprechender Staffel zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Verweisung in der SR 2l I BAT-O auf beamtenrechtliche Vorschriften sei beachtlich, weil sie nicht auf eine Mindestzahl beamteter Lehrkräfte abstelle.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
- Die Revision ist zulässig. Sie ist vom Prozessbevollmächtigten des Klägers ordnungsgemäß unterzeichnet (§ 130 Nr. 6 ZPO). Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namenskürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild (Senat 30. August 2000 – 5 AZB 17/00 – AP ZPO § 130 Nr. 17 = EzA ZPO § 519 Nr. 11; BGH 10. Juli 1997 – IX ZR 24/97 – NJW 1997, 3380 mwN). In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist. Im vorliegenden Fall genügt die Unterschrift unter der Revisionsschrift noch diesen Anforderungen. Sie ist von individuellem Gepräge und noch ausreichend kennzeichnend.
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Mehrstundenvergütung nach §§ 17, 35 BAT-O. Die Anwendung dieser Tarifvorschriften ist durch die Sonderregelung SR 2l I Nr. 3 BAT-O ausgeschlossen. Maßgeblich sind die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Nach beamtenrechtlichen Regelungen besteht kein Anspruch auf die verlangte Mehrarbeitsvergütung.
1. Nach § 78 Abs. 4 Satz 1 bis 3 Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern (LBG M-V) sind Beamte verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu leisten, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Wird der Beamte durch die dienstlich angeordnete Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihm grundsätzlich eine entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Ist dies nicht möglich, hat er nach Maßgabe der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung. Bei Mehrarbeit im Schuldienst gelten gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 dieser Verordnung drei Unterrichtsstunden als fünf Arbeitsstunden. Dem entspricht Nr. 2.1.2 des Erlasses der Kultusministerin über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 8. November 1993 (Mitteilungsblatt der Kultusministerin von Mecklenburg-Vorpommern S. 474). Hiernach besteht ein Anspruch auf Vergütung für Mehrarbeit nur dann, wenn die Mehrarbeit die regelmäßige Arbeitszeit um mehr als drei Unterrichtsstunden im Kalendermonat übersteigt. Der Kläger hat im September 2000 zwei, im Oktober und November 2000 jeweils eine, im Dezember 2000 zwei, im Juni 2001 drei Unterrichtsstunden geleistet. Selbst wenn man die Betreuungszeit während des Sportfestes am 3. Juli 2001 als Mehrarbeit ansieht, beläuft sich diese unter Berücksichtigung des an diesem Tage ausgefallenen Unterrichts auf weniger als drei Unterrichtsstunden und ist damit nicht vergütungspflichtig.
2. Die tarifvertragliche Verweisung auf beamtenrechtliche Besoldungsvorschriften begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BAG 20. April 1994 – 4 AZR 312/93 – BAGE 76, 264; 21. November 1996 – 6 AZR 422/95 – BAGE 84, 360). Entgegen der Auffassung des Klägers ist unerheblich, dass das beklagte Land nur eine geringe Anzahl beamteter Lehrkräfte beschäftigt. Die Sonderregelung 2l I Nr. 3 BAT-O stellt nicht auf eine bestimmte Relation beamteter und angestellter Lehrkräfte ab. Nur dann, wenn beamtete Lehrkräfte nicht vorhanden sind, ist der Arbeitsvertrag maßgeblich. Für eine von diesem Wortlaut abweichende korrigierende Auslegung dieser Sonderregelung besteht keine Veranlassung. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste aller in Betracht kommenden Regelungen getroffen haben; sie haben lediglich zu kontrollieren, ob in der Norm die Grenzen des den Tarifvertragsparteien durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Gestaltungsspielraumes überschritten werden (Senat 6. November 2002 – 5 AZR 487/01 – AP GG Art. 3 Nr. 300; BAG 20. April 1994 – 4 AZR 312/93 – aaO). Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte.
3. Aus der im Arbeitsvertrag des Klägers vereinbarten Bezugnahme auf den Erlass über die Festsetzung der Unterrichtsverpflichtungen für Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern in der jeweils geltenden Fassung und die dort für vollzeitbeschäftigte Lehrer an Gymnasien festgelegten 25 Unterrichtsstunden (Erlass vom 15. Juli 1991 Mitteilungsblatt des Kultusministers von Mecklenburg-Vorpommern S. 88) folgt keine abweichende Beurteilung. Diese arbeitsvertragliche Regelung betrifft allein die regelmäßige Arbeitszeit. Deren Dauer steht jedoch nicht in Streit. Der Kläger verlangt vielmehr die Vergütung von Mehrstunden, die zusätzlich zu der regelmäßigen wöchentlichen Pflichtstundenzahl geleistet wurden. Hierzu trifft der im Arbeitsvertrag in Bezug genommene Erlass über die Festsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Pflichtstundenzahl keine Regelung. Die Zulässigkeit und Vergütung von Mehrstunden richtet sich vielmehr nach der SR 2l I Nr. 3 BAT-O, die sowohl kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes als auch kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet (zur Wirkung einer Bezugnahmeklausel bei gleichzeitiger unmittelbarer und zwingender Tarifgeltung vgl. BAG 19. März 2003 – 4 AZR 331/02 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 33). Nach dieser Tarifbestimmung gelten die oben aufgeführten beamtenrechtlichen Vorschriften. Die beiden Regelungskomplexe “regelmäßige Arbeitszeit” und “Mehrarbeit” schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich.
4. Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften auf angestellte Lehrkräfte nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte werden nicht schlechter als teilzeitbeschäftigte Lehrer vergütet. Nach der Senatsrechtsprechung haben teilzeitbeschäftigte angestellte Lehrer zwar einen Anspruch auf anteilige Vergütung für die Unterrichtsstunden, die über die vertraglich vereinbarte Stundenzahl hinaus erbracht werden (21. April 1999 – 5 AZR 200/98 – BAGE 91, 262). Der Senat hat dies unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (15. Dezember 1994 – C-399/92 ua. – EuGHE I 1994, 5727 = AP BGB § 611 Teilzeit Nr. 7 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 24) damit begründet, dass teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Lehrer für die gleiche Zahl an Unterrichtsstunden gleich zu vergüten seien. Nur so werde eine Ungleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten vermieden. Diese Rechtsprechung kann jedoch zur Begründung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs nicht herangezogen werden. Denn der Kläger verlangt eine Vergütung für Unterrichtsstunden, die er über die Pflichtstundenzahl hinaus geleistet hat. Soweit auch teilzeitbeschäftigte Lehrer über die Pflichtstundenzahl hinaus Unterrichtsstunden leisten, kommt für sie in gleicher Weise wie für den Kläger der Erlass über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Lehrkräfte zur Anwendung. Eine Ungleichbehandlung vollzeit- und teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte besteht daher nicht.
II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Bull, Buschmann
Fundstellen
NZA 2004, 680 |
NJOZ 2004, 2336 |
Tarif aktuell 2004, 13 |